Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.02.2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Verletztenrente wegen Folgen einer Kopfverletzung, die der Kläger bei einem Arbeitsunfall im Bergbau erlitten haben will.
Der 1944 geborene marokkanische Kläger war von 1964 bis 1974 (damals unter dem Vornamen "B") im deutschen Steinkohlenbergbau beschäftigt und lebt seither wieder in Marokko.
Am 31.8.1966 fiel ihm bei der Tätigkeit als Gedingeschlepper im Bergwerk I/E während der Spätschicht ein Standbolzen auf den rechten Arm. Wegen des dabei erlittenen Speichentrümmerbruchs wurde er bis zum 11.11.1966 ambulant behandelt und nahm am 14.11.1966 die Arbeit wieder auf.
Vom 13.11.1969 bis 14.1.1970 wurde der Kläger stationär in der Neurologisch-Psychiatrischen Abteilung des L-Krankenhauses C wegen vorwiegend rechtsseitiger Kopfschmerzen, Schwindelerscheinungen und Hörverschlechterungen auf dem rechten Ohr behandelt. Ein zunächst vermuteter rechtsbasal gelegener, möglicherweise raumfordernder Prozess (Verdacht auf Akusticusneurinom) konnte – auch später – nicht bestätigt werden (Berichte des L-Krankenhauses C vom 17.3., 3.4. und 29.5.1970). In Marokko wurde der Kläger wegen beidseitiger Schwerhörigkeit behandelt und im Oktober 1993 wegen rechtsseitiger Taubheit operiert (Arztberichte vom 20.10.1993 und 10.9.2001).
Im Juli 2001 beantragte er Anerkennung und Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls unter Tage; er habe 1966 bzw. 1967 unter Tage einen Arbeitsunfall mit Verletzung am Kopf erlitten, die Arbeit sofort eingestellt und sich beim Heilgehilfen gemeldet. Er sei anschließend im "Unfallkrankenhaus E" behandelt worden und 2 Wochen lang arbeitsunfähig gewesen. 1970 sei er im L-Krankenhauses C wegen "Wasser im Kopf" behandelt worden. 1974 sei er mit fortbestehenden Schmerzen nach Marokko zurückgekehrt. Wegen der Kopfschmerzen sei er auch in Marokko operiert worden.
Da die Beklagte bei ihren Ermittlungen Anhaltspunkte für einen Arbeitsunfall mit Kopfverletzung nicht fand, lehnte sie die Anerkennung und Entschädigung von Unfallfolgen ab (Bescheid vom 15.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 18.3.2003).
Die dagegen zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat das SG abgewiesen: Ein Arbeitsunfall mit Kopfverletzung sei nicht nachgewiesen. In den Berichten des L-Krankenhauses C sei ein solcher Unfall nicht erwähnt (Urteil vom 17.2.2004).
Zur Begründung seiner Berufung behauptet der Kläger, seine häufigen Kopfschmerzen, nervösen Zustände, Taubheit auf beiden Ohren sowie Schwindelanfälle seien auf den Arbeitsunfall vom 31.8.1966 zurückzuführen. Durch den Unfall, bei dem ihm Eisenbarren auf den Kopf gefallen seien, habe er das Gehör verloren und sei im Krankenhaus am rechten Ohr operiert worden. Unfallzeugen seien "Herr Heins" und "Steiger" gewesen.
Eine erste Bitte des Klägers (vom 21.4.2006), ihm einen Rechtsanwalt zu nennen, der ihn in der mündlichen Verhandlung vertreten könne, hat der Senat als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (im Folgenden: PKH-Gesuch) aufgefasst und diesen Antrag abgelehnt (Beschluss vom 25.4.2006).
Für den Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Nach Erhalt der Benachrichtigung vom Termin hat er mitgeteilt, er sei krank und könne nicht reisen. Deshalb bitte er um einen "frei Rechtsanwalt", der ihn in der mündlichen Verhandlung vertrete. Der Senat hat dieses Vorbringen als erneutes PKH-Gesuch gewertet und es im Termin zur mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei nicht mehr möglich, Namen sowie Anschriften von Mitarbeitern festzustellen, die am 31.8.1966 auf der Zeche I Betriebsabteilung H der I Bergbau-AG in E am Betriebspunkt/Revier 00 mit dem Kläger die 12 Uhr-Schicht verfahren haben. Bei "I" handele es sich vermutlich um einen Vornamen, bei "Steiger" um die übliche Bezeichnung eines Vorgesetzten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens vom 25.3.1981, BGBl II 1986; 550ff, 562) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Es ist nicht geboten, dem Kläger nach Verwerfung seines erneuten PKH-Gesuchs vor einer Entscheidung über die Berufung erneut rechtliches Gehör zu gewähren, § 62 SGG. Denn der Kläger hat bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage lediglich sein PKH-Gesuch vom 21.4.2006 wiederholt. Deshalb musste ihm klar sein, dass auch jetzt ein Rechtsanwalt nicht beigeordnet werden würde.
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 15.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.3.2003 (§ 95 SGG) nicht beschwert, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente besteht nicht. Das steht zur Überzeugung des Senats fest. Es kann dahinstehen, ob noch das frühere Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder bereits das Siebte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VII; vgl Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, UVEG vom 07.08.1996, BGBl I S 1254) anzuwenden ist, da sich dadurch für die Beurteilung des streitigen Anspruchs keine bedeutsamen Unterschiede ergeben.
Nach § 56 Abs 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche (§ 580 Abs 1 RVO: 13. Woche) nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vom-Hundert-Sätze wenigstens 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 581 Abs 1 und 3 RVO, 56 Abs 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen beruhen nicht mit Wahrscheinlichkeit zumindest auch auf dem Unfall vom 31.8.1966. Ein weiterer Arbeitsunfall ist nicht erwiesen.
Unfallfolgen sind Gesundheitsschäden, die zumindest mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Arbeitsunfall und seine Folgen mitbedingt sind (vgl zB. BSG SozR 3 – 2200 § 548 RVO Nr. 89, mwN). Als Folgen eines Arbeitsunfalls sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen und in die Bewertung einzubeziehen, die mit Wahrscheinlichkeit unmittelbar oder mittelbar im Sinne wesentlicher Teilursächlichkeit auf die bei dem Unfall erlittenen gesundheitlichen Schäden zurückzuführen sind. Wahrscheinlich ist ein solcher Zusammenhang, wenn unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Tatsachen mehr dafür als dagegen spricht. Die als Unfallfolgen in Betracht kommenden Gesundheitsstörungen müssen nachgewiesen sein, dh sie müssen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit vorliegen.
Es fehlt an Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.8.1966, die die Erwerbsfähigkeit mindern. Als Folge dieses Unfalls liegt weiter nur der in guter Stellung fest verheilte Bruch der Speiche rechts am unteren Ende vor, der messbare Funktionseinschränkungen nicht mehr hervorruft. Weitere durch diesen Unfall verursachte Primärschäden (wie etwa eine Kopfverletzung) oder weitere schädigende Ereignisse, die ebenfalls Arbeitsunfälle sein könnten, sind nicht feststellbar. Kopfschmerzen, Schwindelerscheinungen, nervöse Zustände und eine Hörschädigung sind schon deshalb nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 31.8.1966 zurückzuführen, weil eine geeignete Primärschädigung nicht belegt ist. Entgegen der Behauptung des Klägers fehlt es an jeglichem Anhalt dafür, dass es bei diesem Unfall (auch) zu einer Kopfverletzung gekommen ist. Der Unfallbericht vom 31.8.1966 enthält zum Unfallhergang die Angabe "Beim Bauen auf die rechte Hand gefallen" und beschreibt als Befund neben einer stark druckschmerzhaften Weichteilschwellung auf der Streckseite des rechten Handgelenkes mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung keine weiteren Verletzungen. Dieser Befund steht im Einklang mit den Angaben in der Unfallanzeige vom 5.9.1966. Danach hat der Kläger zum Unfallhergang angegeben, beim Losschlagen von Verbolzungen sei ihm der Standbolzen auf den rechten Arm gefallen. Als verletztes Körperteil wird der rechte Unterarm und als Verletzungsart "Trümmerbruch" angegeben. Schließlich wurde auch anlässlich der Behandlungen vom 13.11.1969-14.1.1970 sowie 3.4. und 29.5.1970, bei denen im Kern die gleichen Gesundheitsstörungen behandelt wurden, die jetzt als Unfallfolgen geltend gemacht werden, durch die Ärzte der Neurologischen Klinik des L-Krankenhauses C kein Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 31.8.1966 hergestellt. Daraus folgt, dass aus den damals erhobenen Befunden der sichere Rückschluss, es müsse sich um Folgen einer Kopfverletzung handeln, nicht hergeleitet werden konnte. Dies hatte der Kläger offenbar damals auch nicht behauptet. Auch auf die jetzigen Angaben des Klägers kann keine positive Überzeugungsbildung gestützt werden, weil sie nicht einheitlich sind. Der Kläger hat zuletzt angegeben, beim Unfall am 31.8.1966 sei es außer dem Splitterbruch zu keinen weiteren Verletzungen gekommen, und führt im gleichen Schreiben aus, am 31.8.1966 seien Eisenbarren auf seinen Kopf gefallen und hätten zu einer Ohrverletzung geführt (Telefax vom 19.4.2005).
Aber auch ein weiteres versichertes Unfallereignis, das die später aufgetretenen und behandelten und jetzt für einen Rentenanspruch ins Feld geführten Gesundheitsstörungen hervorgerufen haben könnte, ist nicht erweislich. Soweit die Unfallanzeige vom 5.9.1966 von einem Vorunfall berichtet, liegen der Beklagten dazu keine Unterlagen mehr vor. Auch bei der Behandlung der Unfallfolgen vom 31.8.1966 ist ein solcher Unfall offenbar nicht zur Sprache gekommen. Für einen weiteren, späteren Unfall spricht nach Lage der Akten nichts. Insbesondere ist bei den 1969/70 und später in Marokko durchgeführten Untersuchungen von einem (weiteren) Unfall nicht die Rede, offenbar weil es sich bei den behandelten Gesundheitsstörungen nicht um typische Traumafolgen gehandelt haben dürfte, sondern um solche, die (zumindest auch) anders erklärbar sind.
Eine messbare MdE rufen die verbliebenen Unfallfolgen nicht mehr hervor. Es überzeugt auch den Laien, dass ein Speichentrümmerbruch rechts, der nur bis 11.11.1966 behandelt worden ist, regelmäßig keine Spätfolgen hinterlässt. Dafür spricht auch, dass der Kläger am 14.11.1966 die Arbeit als Gedingeschlepper wieder aufgenommen hat. In dieses Bild passt weiter, dass wegen des Speichentrümmerbruchs rechts bis zur Abkehr keine erneuten Zeiten von Arbeitsunfähigkeit aktenkundig geworden sind und eine spätere Behandlung deswegen offenbar nicht mehr erfolgt ist. Entsprechend stützt auch der Kläger seinen Anspruch nicht auf die Folgen der Armverletzung.
Weitere Ermittlungen sind nicht geboten, §§ 103, 106 SGG. Zusätzliche medizinische Unterlagen im Zusammenhang mit der Behandlung des Klägers wegen des Unfalls vom 31.8.1966 konnten nicht mehr beigezogen werden. Konkrete Zeugen konnte der Kläger nicht mehr benennen und die Beklagte auf der Grundlage der vagen Angaben des Klägers auch nicht mehr ermitteln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG.
Erstellt am: 09.11.2006
Zuletzt verändert am: 09.11.2006