Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom \t23.01.2006 geändert. Der Bescheid vom 10.01.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2005 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 31.12.2004 Arbeitslosengeld ohne Anrechnung eines Minderungsbetrages nach § 140 SGB III zu zahlen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Minderung des an den Kläger vom 31.12.2004 bis 28.02.2005 gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg) um maximal 1.050,00 EUR wegen verspäteter Meldung als arbeitsuchend.
Der am 00.00.1973 geborene Kläger ist gelernter Koch und bezog seit dem 09.02.2004 für maximal 233 Leistungstage Arbeitslosengeld in Höhe von 26,88 EUR pro Tag. Am 15.06.2004 nahm er erneut eine Arbeit als Koch, diesmal in einem Hotel im Ausland, auf. Die Beklagte hob die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Aufhebungsbescheid vom 15.06.2004 ab diesem Tag auf. Nach der Tätigkeit im Ausland war der Kläger im Anschluss daran vom 14.11. bis 30.12.2004 befristet als Aushilfe auf dem Weihnachtsmarkt in L ebenfalls als Koch tätig.
Am 03.01.2005 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Wiedergewährung von Alg.
Mit Bescheid vom 10.01.2005 stellte die Beklagte den Eintritt einer Minderung in Höhe von 1.050,00 EUR fest, da der Kläger sich spätestens am 15.11.2004 hätte arbeitsuchend melden müssen. Statt des zustehenden Betrages von Arbeitslosengeld in Höhe von 26,88 EUR pro Tag werde nur eine tägliche Leistung von 13,44 EUR ausgezahlt. Mit Bescheiden vom 11.01.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann Arbeitslosengeld ab 31.12.2004, wobei sich unter Berücksichtigung der Minderung für den 31.12.2004 ein Zahlbetrag von 13,44 EUR und für die Zeit ab 01.01.2005 in Höhe von 13,69 EUR ergab. Am 01.03.2005 hat der Kläger wieder eine Arbeit als Koch aufgenommen. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld wurde für die Zeit ab 01.03.2005 mit Bescheid vom 02.03.2005 aufgehoben. In der Zeit vom 31.12.2004 bis 28.02.2005 wurde das Alg des Klägers durchgehend in der geminderten Höhe gezahlt.
Gegen den Bescheid vom 10.01.2005 legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, er habe nicht gewusst, dass er sich quasi am ersten Tag hätte am Arbeitsamt arbeitslos melden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und verwies auf den Aufhebungsbescheid vom 15.06.2004, der auf der Rückseite wichtige Hinweise über die Verpflichtung zur frühzeitigen Meldung enthalten habe.
Am 05.08.2005 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Er hat mitgeteilt, dass er zwar den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 15.06.2004 erhalten habe. Die Hinweise auf die Regelungen des § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) seien darin aber nicht sehr deutlich gewesen. Er habe von seiner Meldepflicht nichts gewusst.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 10.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom \t01.08.2005 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten. Insbesondere habe der Aufhebungsbescheid vom 15.06.2004 entsprechende Hinweise auf die Regelung des § 37 b SGB III enthalten. Auch in den bei Arbeitslosmeldung ausgegebenen Merkblättern sei ein entsprechender Hinweis enthalten gewesen.
Mit Urteil vom 23.01.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger seiner Obliegenheit zur Arbeitsuchendmeldung nicht unverzüglich nachgekommen sei. Sein Arbeitsverhältnis sei vom 14.11. bis 30.12.2004 befristet gewesen. Er habe sich somit bereits am 14.11.2004 arbeitsuchend melden müssen. Die Verzögerung der Meldung sei auch schuldhaft. Im Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 15.06.2004 sei er über die Regelung des § 37 b SGB III hinreichend aufgeklärt worden. Die Hinweise im Aufhebungsbescheid seien verständlich. Der Kläger müsse sich jedenfalls vorhalten lassen, dass er die Regelung des § 37 b SGB III habe kennen müssen. Das Sozialgericht hat sich zur Stützung seiner Auffassung auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.05.2005 – B 11 a AL 81/04 R – bezogen.
Gegen dieses ihm am 06.02.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.03.2006 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Hinweise im Merkblatt und auf der Rückseite des Aufhebungsbescheides nicht klar genug seien, um bei ihm eine Verletzung seiner Obliegenheitspflicht herbeizuführen. In dem Merkblatt und in dem Aufhebungsbescheid werde davon gesprochen, dass lediglich "in der Regel" eine Minderung eintrete. Auch werde darauf hingewiesen, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe der zukünftigen Leistung führen "könne". Diese Hinweise könnten nicht als wirksame Rechtsfolgenbelehrung angesehen werden. Gemäß den vom SG selbst zitierten Urteil des BSG seien an den Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung hohe Anforderungen zu stellen. Sie dürfe sich insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken. Vielmehr liege eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung nur vor, wenn sie konkret, richtig und vollständig sei und dem Arbeitslosen in verständiger Form zutreffend erläutert werde, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultierten. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung zur Stützung seiner Rechtsauffassung ergänzend auf die Urteile des erkennenden Senates vom 22.02.2006 – L 12 AL 82/05 -, vom 08.03.2006 – L 12 AL 30/05 -, vom 29.03.2006 – L 12 AL 27/05 – und vom 24.05.2006
L 12 AL 87/05 – bezogen. Er sieht sich hierdurch in seiner Rechtsauffassung bestätigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.01.2006 zu ändern und nach dem \terstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Hinweise im Merkblatt 1 für Arbeitslose und im Aufhebungsbescheid vom 15.06.2004 seien hinreichend klar und verständlich. Der Kläger müsse sich vorwerfen lassen, dass er seine Obliegenheitspflicht zur frühzeitigen Meldung zumindestens schuldhaft versäumt habe. Zur Stützung ihrer Auffassung verweist die Beklagte ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2006 auf eine Entscheidung des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 07.03.2006
– L 1 AL 42/05 -, wo der Auffassung des erkennenden Senats ausdrücklich entgegen getreten werde. Der 1. Senat des LSG NRW halte die Rechtsfolgenbelehrung im Merkblatt und in Aufhebungsbescheiden, so wie sie im Wortlaut auch hier vorlägen, für ausreichend. Dann aber müsse eine schuldhafte Obliegenheitsverletzung im Sinne der Rechtsprechung des BSG angenommen werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten mit der Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Gestritten wird jedenfalls um die Minderung für die Zeit vom 31.12.2004 bis 28.02.2005. Bei einem Minderungsbetrag von 13,44 EUR und einer durchgeführten Minderung an 60 Leistungstagen ergibt sich ein Streitwert von 806,40 EUR, so dass die Streitwertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 500,00 EUR überschritten wird.
Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn die Bewilligungsbescheide der Beklagten vom 11.01.2005 im Zusammenhang mit dem Minderungsschreiben vom 10.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2005 sind rechtswidrig und beschweren den Kläger in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum vom 31.12.2004 bis 28.02.2005 Anspruch auf ungemindertes Alg. Er hat ab 31.12.2004 Anspruch auf Alg, da er alle in § 117 SGB III geregelten Voraussetzungen eines Anspruchs auf diese Leistungs erfüllte und Fehler bei der Berechnung des Alg-Anspruchs für die Zeit ab 31.12.2004 weder vom Kläger vorgetragen noch ersichtlich sind.
Die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg nach den §§ 37 b, 140 SGB III lagen entgegen der Auffassung der Beklagten im Falle des Klägers nicht vor. Zwar ist entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht die den Versicherten in § 37 b SGB III auferlegte Obliegenheit hinreichend bestimmt. Denn richtigerweise ist § 37 b Satz 2 SGB III als unselbständige Begrenzung des § 37 b Satz 1 SGB III anzusehen, so dass "an sich" auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch erst 3 Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, auch wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt war. Ist die Befristung – wie hier – kürzer als 3 Monate, muss er sich sofort am ersten Arbeitstag arbeitsuchend melden (BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 7 a AL 50/05 R -). Gleichwohl sind die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg wegen der verspäteten Meldung des Klägers nach § 140 SGB III zu verneinen.
Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger den Aufhebungsbescheid anlässlich seiner Arbeitsaufnahme am 15.06.2004 bekommen und vom Inhalt des Merkblattes 1 für Arbeitslose Kenntnis genommen hat. Ihm kann die Nichterfüllung der "Verpflichtung" zur frühzeitigen Meldung dennoch nicht vorgeworfen werden, weil nach der Recht- sprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, "insbesondere systematische Gründe und Sinn und Zweck der §§ 37 b, 140 SGB III dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nicht verletzt, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist beim Arbeitsamt meldet" (BSG, Urteil vom 25.05.2005 – B 11 a / 11 AL 81/04 R -). Insoweit kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Arbeitsuchenden (BSG, a.a.O.) sowie auf die Belehrungspflichten an, die der Gesetzgeber dem Arbeitsamt auferlegt, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nach- teilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Alg eintreten können. An diese Belehrungs- pflicht aber hat die Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt, weil es Zweck des Erfordernisses der Rechtsfolgenbelehrung ist, dem Arbeitslosen die sich aus seinem Verhalten ergebenden Konsequenzen vor Augen zu führen und ihn in allgemeiner Form zu warnen (BSG, a.a.O.). Die Rechtsfolgenbelehrung darf sich insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken. Vielmehr liegt eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung nur vor, wenn sie konkret, richtig und vollständig ist und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultieren (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Die Voraussetzungen einer in diesem Sinne wirksamen Rechtsfolgenbelehrung erfüllt weder Nr. 1.7 des Merkblattes 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger am 10.03.2004 unterschriftlich bestätigte, noch der entsprechende Hinweis in dem Aufhebungsbescheid anlässlich der Arbeitsaufnahme am 15.06.2004. Darf sich nach dem oben Gesagten die Rechtsfolgenbelehrung insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken, handelt es sich bei den Hinweisen, "dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führt" (Merkblatt), bzw. "dass eine verspätete Meldung zu einer Veringerung der Höhe ihres zukünftigen Leistungsanspruchs führen kann" (Aufhebungsbescheid), allenfalls um nicht ausreichende formelhafte Wiedergaben des Gesetzestextes des § 140 Satz 1 SGB III. Insbesondere sind diese formelhaften inhaltlichen Wiedergaben des Gesetzestextes aber jedenfalls unrichtig. Denn nach dem Gesetzestext des § 140 Satz 1 SGB III mindert sich das Alg zwingend und nicht, wie es im Merkblatt 1 heißt, "in der Regel" und auch nicht nur möglicherweise entsprechend dem Hinweis im Aufhebungsbescheid, dass dies eine Minderung es Alg zur Folge haben kann.
Aufgrund dieser unrichtigen Rechtsfolgenbelehrungen kann dem Kläger die Nichterfüllung der Verpflichtung zur frühzeitigen Meldung nicht vorgeworfen werden mit der Folge, dass er für den streitigen Zeitraum vom 31.12.2004 bis 28.02.2005 Anspruch auf ungemindertes Alg hat.
An diesem Ergebnis ändert schließlich auch der Umstand nichts, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 20.10.2005 – B 7 a AL 50/05 R – ausgeführt hat, "das LSG wird auch dem erstmals mit der Revision vorgebrachten Hinweis der Beklagten Rechnung zu tragen haben, dass ihre Aufhebungsbescheide bereits zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis auf die Obliegenheit nach § 37 b SGB III enthielten". Denn diese Formulierung enthält keine Bewertung bzw. Beurteilung hinsichtlich der an die Belehrungspflichten zu stellenden inhaltlichen Anforderungen, zumal das BSG gleichzeitig darauf hingewiesen hat, dass aus den Akten ein Erhalt eines solchen Aufhebungsbescheides durch den dortigen Kläger nicht ersichtlich sei. Dieser Anweisung ist aber erst recht nicht zu entnehmen, dass damit im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 25.05.2005 – B 11 a / 11 AL 81/04 R – zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass auch ohne die dargelegten inhaltlichen Voraussetzungen jedweder Hinweis den Anforderungen an die Belehrungspflichten genüge.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache wegen einer abweichenden Entscheidung des 1. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen die Belehrungspflichten der Beklagten hinsichtlich der Obliegenheit grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Auffassungen des erkennenden Senates und des 1. Senats sind derzeit unter den Aktenzeichen B 7 a AL 44/06 R (12. Senat) und B 7 a AL 56/06 R (1. Senat) als Revisionen zur Überprüfung durch das BSG dort anhängig.
Erstellt am: 17.01.2007
Zuletzt verändert am: 17.01.2007