Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die Klägerin ist Witwe des Herrn D L. Der am 00.00.1915 in L1, Litauen, geborene L war Jude. Nach Angaben der Klägerin gehörte er dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) nicht an. In der Zeit von September 1941 bis Sommer 1944 hielt sich L in Schaulen, Litauen auf. Am 20.08.1946 heiratete er die Klägerin. Im Mai 1972 wanderte L aus der Sowjetunion nach Israel aus und erwarb die israelische Staatsangehörigkeit. Am 18.01.1999 verstarb er.
Im Mai 1993 beantragte L bei der Claims Conference Leistungen nach dem Art. 2 Fund. Er gab an, dass er sich bei Beginn der Verfolgung in L1, Litauen, und in der Zeit vom 14.09.1941 bis Ende Sommer 1944 im Ghetto Schaulen/Traky aufgehalten habe. Ab Ende Sommer 1944 habe er bis zum Kriegsende versteckt in den Wäldern in der Umgebung von Schaulen gelebt. Er erhielt Leistungen aus dem Art. 2 Fund.
Im März 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Sie gab an, dass ihr Ehemann im Ghetto Schaulen in der Zeit vom 14.09.1941 bis Sommer 1944 als Arbeiter in einem Ziegelbetrieb und bei der Torfgewinnung, als Mützenmacher und Schornsteinfeger gearbeitet habe. Im Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG vom 18.06.2003 erklärte die Klägerin, dass ihr Ehemann außerhalb des Ghettos auf dem Flughafen, innerhalb des Ghettos in einer Werkstatt sowie bei der Torfgewinnung außerhalb des Ghettos Traku/Schaulen gearbeitet habe. Auf dem Weg zur Arbeit am Flugplatz sei er "durch litauischen Schutz" bewacht worden, bei der Arbeit in der Werkstatt sei er nicht bewacht worden. Ihr Ehemann habe freiwillig gearbeitet. Der Arbeitseinsatz sei durch Vermittlung des Arbeitsamtes zustande gekommen. Auf dem Flugplatz sei er als Bauarbeiter eingesetzt gewesen. In der Werkstatt habe ihr Mann Uniformen repariert. Bei der Torfgewinnung habe er Moor ausgegraben.
Er habe 10 bis 12 Stunden täglich gearbeitet. Er habe keinen Barlohn, sondern als Arbeiter besondere Verpflegung am Arbeitsort und Gutscheine (oder Lebensmittelkarten) für den Einkauf weiterer Lebensmittel erhalten. Im Rentenantrag vom 18.06.2003 trug die Klägerin ein, dass ihr Ehemann von 1935 bis zum 22.06.1941 als Besitzer einer Hutwerkstatt (Mützenmacher) in L1 tätig und im Ghetto Schaulen von September 1941 bis März 1942 als Bauarbeiter auf dem Flugplatz beschäftigt gewesen sei, anschließend in der Zeit von März 1942 bis März 1943 in einer Werkstatt im Ghetto Uniformen repariert habe und von März 1943 bis Sommer 1944 als Torfarbeiter eingesetzt gewesen sei. Die Arbeitszeit habe bei den drei Einsatzorten 10 bis 12 Stunden täglich bzw. 10 Stunden betragen. Ihr Ehemann habe Verpflegung am Arbeitsort sowie zusätzlich als Arbeitender Lebensmittelkarten für den Einkauf weiterer Lebensmittel erhalten. Sie reichte die Kopie einer Bescheinigung Nr. 462 aus September 1941 zu den Akten, in der bescheinigt wird, dass der Jude D L, 26 Jahre alt, von Beruf Mützenmacher, im Ghetto Traku in der Straße A Nr. 18 wohnt. Durch Bescheid vom 20.08.2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Angaben der Klägerin reichten zur Glaubhaftmachung der rechtserheblichen Tatsachen im Sinne des ZRGB nicht aus. Die behauptete Arbeitszeit von 1935 bis 22.06.1941 könne nicht anerkannt werden, weil der Ehemann der Klägerin eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Ersatzzeiten könnten aufgrund fehlender Versicherteneigenschaft ebenfalls nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass ihr Ehemann nach fünf Monaten schwerer physischer Arbeit am Flugplatz in der Werkstatt im Ghetto Schaulen zu arbeiten begonnen habe. Falls er nicht gearbeitet hätte, wäre er durch die Verfolgungsmaßnahmen umgebracht worden; er hätte auch verhungern können. Diese Umstände hätten dazu beigetragen, dass er sich selbst Arbeit gesucht habe. Ihr Ehemann sei aktiv, fleißig und arbeitsam gewesen. Laut seinen Erzählungen sei er in den schweren Ghettoumständen dank seiner Arbeit am Leben geblieben. Die Arbeit in der Werkstatt sei seinem Hauptberuf, dem eines Mützenmachers, nahe gewesen. Als Arbeitender habe ihr Ehemann Lebensmittelkarten für den Erwerb nötiger Lebensmittel erhalten. Ghettobewohner, die nicht erwerbstätig gewesen seien, hätten diese besondere Verpflegung nicht erhalten. Sie reichte eine Erklärung der Zeugin L2 zu den Akten, die den Aufenthalt des Ehemannes der Klägerin im Ghetto Schaulen in der Zeit von September 1941 bis zur Ghettoliquidation sowie dessen Tätigkeit als Bauarbeiter auf dem Flughafen und in einer Ghettowerkstatt (Reparatur von Militäruniformen) bestätigte. Der Ehemann der Klägerin habe wie alle Arbeitenden im Ghetto vom Judenrat Lebensmittelkarten zum Erwerb zusätzlicher Lebensmittel erhalten, wobei sie sich an die genaue Höhe und den Gegenwert der Lebensmittelkarten nicht mehr erinnere. Die Lebensmittelkarten hätten für einen bescheidenen Lebensunterhalt ausgereicht. Am 15.01.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid war an die Klägerin in Israel adressiert.
Mit der am 13.04.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin die Gewährung einer Witwenrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten ihres Ehemannes für den Zeitraum von September 1941 bis September 1944 ab Juli 1997 begehrt. Sie hat vorgetragen, dass die Ausübung einer freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigung ihres Ehemannes im Ghetto Schaulen im Sinne des ZRBG glaubhaft sei. Durch die Bescheinigung Nr. 462 und die Eintragungen über ihren Ehemann im "Ghetto-Schaulen-Register" sowie die Erklärung der Zeugin L2 sei belegt, dass ihr Ehemann während seines Aufenthaltes im Ghetto Schaulen, Ghettoteil Traku, drei Beschäftigungen, u. a. eine innerhalb des Ghettos, ausgeübt habe. Damit sei eine freiwillige Arbeitsaufnahme glaubhaft gemacht. Ihr Ehemann habe das nach dem ZRBG erforderliche Entgelt in Form von Sachbezügen erhalten. Dieses Entgelt habe den Gepflogenheiten im Generalkommissariat Litauen entsprochen. Allein die Sachbezugsgewährung führe zur Anerkennung von Beitragszeiten nach dem ZRBG, da die Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht zu beachten seien. Bei verständiger Würdigung von Sinn und Zweck des ZRBG sei diesem Gesetz zu entnehmen, das möglichst alle Verfolgten, die in einem Ghetto eine Beschäftigung ausgeübt hätten, in den Genuss der Rentenzahlung auch ins Ausland kommen sollten. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.10.2004 stehe der Annahme einer Tätigkeit i. S. d. § 1 ZRBG nicht entgegen. In dieser Entscheidung habe sich das BSG nicht mit der Frage beschäftigt, dass aufgrund der historisch bekannten Tatsachen davon ausgegangen werden müsse, dass die Lohnzahlung für eine Ghetto-Beschäftigung direkt an den Judenrat erfolgt sei, der davon die Unterhaltskosten des Ghettos bestritten habe und den Arbeitenden entsprechend höhere Lebensmittelrationen habe zukommen lassen. Zur Stützung ihres Begehrens hat die Klägerin einen Auszug aus "The Siaulia Ghetto: Lists of Prisoners" zu den Akten gereicht, in dem u.a. "L, D, geb. 00.00.1915, Familienoberhaupt, Geburtsort: T, Bildung: Elementarbildung, Beruf: Mützenmacher, Arbeitsort: Ghettowerkstatt" eingetragen ist.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die in den neu besetzten Ostgebieten ansässigen Juden männlichen und weiblichen Geschlechts im Alter vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr nach § 1 der Verordnung vom 16.08.1941 dem Arbeitszwang unterlegen hätten. Auf dem Weg zu den Arbeitsstätten außerhalb des Ghettos (Flugplatz, Torfgewinnung) sei nach Angaben der Klägerin ihr Ehemann bewacht worden. Die Bewachung auf dem Weg von und zur Arbeit sei ein Zeichen von Zwangsarbeit. Bezüglich der Beschäftigung in einer Ghettowerkstatt innerhalb des Ghettos sei weiterhin ungeklärt, ob es sich hierbei um ein freiwilliges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Selbst wenn die im Gerichtsverfahren überreichte Bescheinigung eine Beschäftigung in einer Ghettowerkstatt ausreichend glaubhaft mache, fehlten weiterhin Angaben, wie dieses Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen sei. Desweiteren sei auch nicht glaubhaft, dass es sich um eine entgeltliche Beschäftigung gehandelt habe. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) habe in seiner Entscheidung vom 18.07.2005, L 3 RJ 101/04, festgestellt, dass die den Ghettobewohnern gewährte Versorgung regelmäßig unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze gelegen habe. Es sei darüber hinaus fraglich, ob die Entlohnung mit Lebensmitteln noch als "angemessene" Entlohnung für eine täglich 10 bis 12 stündige Beschäftigung anzusehen sei.
Durch Urteil vom 17.03.2006 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Klage abgewiesen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Ehemann der Klägerin im Ghetto Schaulen entgeltlich gearbeitet habe. Soweit die Klägerin behaupte, ihr Ehemann habe für seine Arbeit zusätzliche Lebensmittel erhalten, unterfalle diese freie Unterhaltsgewährung schon nicht dem Entgeltbegriff im Sinne des Rentenversicherungsrechts. Bezüglich der darüber hinaus gewährten Lebensmittel zur Mitnahme nach Hause für Familienangehörige sei nicht erkennbar, dass der Ehemann der Klägerin beliebig über diese Lebensmittel habe verfügen können. Auch bei Zwangsarbeitsverhältnissen sei es nicht unüblich, dass ein Zwangsarbeiter über die eigene Verpflegung hinaus Lebensmittel für Familienangehörige erhalte. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Ehemann Lebensmittel in einem Umfang und einer Regelmäßigkeit gewährt worden seien, dass (noch) ein angemessenes Verhältnis zur Gegenleistung (Arbeit) bestanden habe. Aus den Angaben des Ehemannes im Verfahren bei der Claims Conference und den Angaben der Zeugin L2 gehe hervor, dass Herr L für seine Tätigkeit im Ghetto Schaulen keine Lebensmittel über den Grundbedarf hinaus bekommen habe. Die vom Ehemann der Klägerin in Schaulen ausgeübte Arbeit stelle keine freiwillige Arbeitsleistung, sondern Zwangsarbeit dar. Es lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ehemann der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum Tätigkeiten in einem aus eigenem Antrieb begründeten Vertragsverhältnis ausgeübt habe.
Gegen das am 03.04.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.04.2006 Berufung eingelegt. Sie begehrt die Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG für die Zeit von September 1941 bis September 1942. Bei der Auslegung der im ZRBG verwandten Begriffe "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen" und "gegen Entgelt" ausgeübt" sei zu berücksichtigen, dass das ZRBG seinem Wesen nach ein entschädigungsrechtliches Gesetz auf dem Gebiet der Sozialversicherung sei, durch das bisherige Lücken in der sozialversicherungsrechtlichen Entschädigung geschlossen werden sollten. Daher gebühre bei der Auslegung des Gesetzes dem Prinzip der Wiedergutmachung der Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Bewahrung des sozialversicherungsrechtlichen Systems. Die Beschäftigungen ihres Ehemannes seien im streitbefangenen Zeitraum aus eigenem Willensentschluss i.S. v. § 1 ZRBG zustande gekommen. Aus der Einführung eines Arbeitszwangs für die Juden durch die Verordnung vom 16.08.1941 könne nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass die Tätigkeiten ihres Ehemannes Zwangsarbeiten gewesen seien, die einen eigenen Willensentschluss zur Arbeitsaufnahme außer Kraft gesetzt hätten. Der eigene Willensentschluss, eine Arbeit aufzunehmen, mache den angeordneten Arbeitszwang für den Einzelfall obsolet. Denn derjenige, der eine Arbeit aus eigenem Willensentschluss aufgenommen habe, müsse nicht zur Arbeit gezwungen werden. Es seien keine Tatsachen dafür erkennbar, dass ihr Ehemann persönlich im Sinne eines obrigkeitlichen Zwanges aufgefordert worden sei, sich zur Arbeit auf dem Flugplatz zu stellen. Die Bewachung auf dem Weg zur Arbeit sei als Fortsetzung der Bewachung des geschlossenen Ghettos in Schaulen zu werten und stelle kein Indiz für oder gegen Zwangsarbeit dar. Auch der von ihrem Ehemann vollzogene Arbeitsplatzwechsel von der Tätigkeit auf dem Flughafen auf eine angenehmere und körperlich leichtere Arbeit in der Ghetto-Werkstatt spräche dagegen, dass es sich bei der Arbeit auf dem Flugplatz um Zwangsarbeit gehandelt habe.
Bei der Auslegung des Begriffes "gegen Entgelt ausgeübt" aus § 1 ZRBG komme es weder auf die Entgeltart noch auf die Entgelthöhe an, da die Sozialversicherungspflicht des Entgeltes nicht Voraussetzung für die Annahme eines Entgeltes i. S. v. § 1 ZRBG sei. Eine Beschäftigung gegen Entgelt i. S. v. § 1 ZRBG sei eine Beschäftigung, für die nach damaliger Rechtsordnung ein Entgelt zu zahlen gewesen sei. Durch das ZRBG seien Beiträge sui generis i. S. v. § 55 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) geschaffen worden und sei somit der anspruchsberechtigte Personenkreis erweitert worden. Zwar habe sie wie die Zeugin L2 den Erhalt einer Barentlohnung verneint. Aus der Literatur ergebe sich aber, dass die deutschen Besatzer Löhne für die jüdischen Arbeiter in Schaulen festgesetzt hätten, die Arbeitgeber die Löhne an den Gebietskommisar gezahlt hätten, dieser einen Teil der Löhne einbehalten habe, den anderen Teil an den Judenrat weitergeleitet habe, der verpflichtet gewesen sei, den Lohnanteil an die jüdischen Arbeiter auszuzahlen. Die Abführung der über die öffentlichen Steuern und sonstigen Abgaben hinausgehenden Lohnhälfte an den Gebietskommisar stelle eine besondere Abgabe, die nach Volkstumsgesichtspunkten erhoben worden sei, und damit eine Sondersteuer dar. Diese Lohnkürzung für Juden, und somit auch für ihren Ehemann, während der Beschäftigung auf dem Flughafen Schaulen reihe sich ein in die aus volkstumspolitischen Gründen vorgenommene Lohnkürzungen, die direkt oder durch Sondersteuern für bestimmte Volksgruppen erfolgten. Da ihr Ehemann einen Anspruch auf Zahlung von Lohn nach den damals geltenden Bestimmungen gehabt habe, habe er nach der Anspruchstheorie ein sozialversicherungspflichtiges Entgelt erzielt, auch wenn ihm kein Barlohn ausgezahlt worden sei. Auch der Bezug von Sachbezügen als Gegenleistung für die Arbeit auf dem Flughafen reiche aus, um den Begriff des "Entgeltes" nach § 1 ZRBG zu erfüllen. Aus der Veröffentlichung von Levi Shalit ergebe sich, dass die Ghetto-Werkstätten prosperierten, den Werkstätten es eine gewisse Zeit wirtschaftlich sehr gut gegangen sei und es sich finanziell gelohnt habe, in den Ghetto-Werkstätten zu arbeiten. Soweit Shalit ausführe, es sei in der "guten Zeit" den Beschäftigten in den Ghetto-Werkstätten kein Lohn gezahlt, sondern es seien Lebensmittel ausgehändigt worden, gehe diese Darstellung fehl. Die Aushändigung von Lebensmitteln, die später anstelle von Lohn für Arbeiten in der Ghetto-Werkstatt gezahlt worden seien, stellten ein Äquivalent für den Lohn dar und seien nicht, wie das SG ausgeführt habe, völlig unbeachtlich. Der Sachverhalt hinsichtlich der Entlohnung der Ghetto-Bewohner in Schaulen sei nicht vollständig aufgeklärt. Von der Tatsachenermittlung und der Feststellung der überwiegenden Wahscheinlichkeit sei der Senat auch nicht deshalb befreit, weil sie als Holocaustgeschädigte neben der damaligen Rechtslage liegende Angaben über das Entgelt, das ihr Ehemann erhalten habe, mache. Es sei wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass die nationalsozialistischen Gewaltherrscher eine Vielzahl von Vorschriften bezüglich der Bezahlung von Juden erlassen hätten, für die ein Verwaltungs- und Kontrollapparat eingerichtet habe werden müssen, sie jedoch dann diese Vorschriften nicht durchgeführt hätten.
Zur Stützung ihres Begehrens hat die Klägerin Auszüge aus Shalit "So sind wir gestorben", München1949, Lipshitz "The Siauliai Ghetto" und Jerushalmi, "Die Vernichtung der Juden im Ghetto von Siauliai und den umliegenden Ortschaften", zu den Akten gereicht.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.03.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2004 zu verurteilen, ihr nach ihrem am 18.01.1999 verstorbenen Ehemann D L unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG (Ghetto-Beitragszeiten) von September 1941 bis September 1942 und von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nach Maßgabe der gesetzlichenBestimmungen eine Witwenrente ab dem 18.01.1999 zu gewähren, hilfsweise,
1.
das beim United States Holocaust Menorial-Museum unter RG-5003030-0080 aufbewahrte Dokument zur Belegung der Tatsache, dass im Ghetto Schaulen um Arbeitskarten und Arbeitsplätzen gekämpft wurde, beizuziehen
2.
die im Gutachten von Dr. Tauber vom 22.11.2005 unter der Fußnote 224 erwähnte CD-ROM beizuziehen, weil sich offensichtlich hieraus Rückschlüsse auf die Entlohnung in Schaulen ziehen lassen,
3.
von Dr. Tauber ein ergänzendes Gutachten zur Frage der Entgeltgewährung an die im Ghetto in Schaulen und außerhalb dieses Ghettos abeitenden Juden unter Einbeziehung der Erkenntnisse, die sich aus den von Yad Vashem noch beizuziehenden historischen Beschreibungen des Ghettos von Schaulen ergeben, einzuholen,
4.
von Yad Vashem Auszüge aus dem Buch Shalit, insbesondere zum Kapitel "Produktion, Arbeit und Handel" und die Ausführungen von Yarushalmi im Sammelband "Lite" Bd. I., New York 1951 bezüglich des Ghettos Schaulen beizuziehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat einen Artikel über den Ort Schaulen aus Pinkas Hakehillot, "Lithuania", Yad Vashem Jehova, 1996, die Veröffentlichung "Das Tagebuch von A. Jeruschalmi", abgedruckt in Arno Lustiger, "Das Schwarzbuch", 1990, den Artikel "Schaulen" aus Jäckel/Longerich/Schoeps, "Enzylopädie des Holocaust", München/Zürich, Benz/Kwiet/Matthäus, "Einsatz im Reichskommissariat Ostland", Berlin, 1998, Valstybinis Vilniaus Gaono Zydu Muziejus," The Siauliai Ghetto: List of Prisoners", Vilnius, 1996, das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 27.01.1970, 2 Ks 1/68, veröffentlicht in Justiz und NS-Verbrechen Bd. XXXIII, Amsterdam 2005, S.347 ff, das Gutachten des Historikers Dr. Tauber über die Ghettos in Litauen, Kaunas, Wilnius und Siauliai vom 22.11.2005, erstattet im Verfahren vor dem Sozialgericht Hamburg S 6 RJ 730/04, eine Auskunft des Center For Advanced Holocaust Studies, US. Holocaust Memorial Museum im Verfahren L 4 RJ 123/04, der ein Artikel des Historikers Dr. Bubny über das Ghetto Schaulen beigefügt ist, und eine Auskunft von Yad Vashem über die Arbeitsbedingungen in und außerhalb des Ghettos Schaulen, der Auszüge aus Pinkas Hakehillot, "Lithuania" über das Ghetto Schaulen, des Artikels von Itsikas "The History of the Siualai Ghetto, 1941-1944" und Auszüge aus Yerushalmi, "The Shavli Register" beigefügt sind, beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist nicht nach § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente nach §§ 46, 300 Abs. 1 SGB VI für die Zeit ab dem 18.01.1999 inne, da der Ehemann der Klägerin die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hat (§§ 46 Abs. 1 und Abs. 2, 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI) und die Erfüllungsfiktion des 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VI nicht eingreift.
Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf Witwenrente nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Nach § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI ist die Erfüllung einer Wartezeit von fünf Jahren Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen Todes. Auf die allgemeine Wartezeit werden nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet. Nach §§ 55 Abs. 1, 247 Abs. 3 S. 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind oder nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ersatzzeiten werden nach § 250 Abs.1 SGB VI nur bei Versicherten als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt. Die Versicherteneigenschaft setzt voraus, dass vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt. Die Beschäftigungszeiten des Ehemanns der Klägerin vor seiner Ausreise nach Israel im Mai 1972 stellen keine Beitragszeiten dar, da er dem dSK nicht angehörte und keine Beschäftigungen im Sinne des § 1 ZBRG zu berücksichtigen sind. Anrechenbare Ersatzzeiten liegen nicht vor.
I.
Der Ehemann der Klägerin legte bis Mai 1972 keine Versicherungszeiten nach den Reichsversicherungsgesetzen (§ 247 Abs. 3 S. 1 SGB VI) zurück Bis zu seiner Ausreise nach Israel im Jahr 1972 lebte er in keinem Gebiet, das vom Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfasst war. Bis zu seiner Ausreise hielt er sich auf litauischen bzw. ab November 1939 auf sowjetischen Staatsgebiet auf. Die Stadt L1, in der er bis zur Besetzung durch die deutschen Truppen im Juni 1941 eine Werkstatt betrieb, lag bis 1940 auf litauischem Staatsgebiet. Im August 1940 wurde Litauen als sozialistische Sowjetrepublik in die UdSSR aufgenommen und war sowjetisches Staatsgebiet. Nach der Besetzung durch die deutschen Truppen im Juni 1941 wurde Litauen dem Deutschen Reich nicht ein- oder angegliedert, sondern war als besetztes Gebiet dem Deutschem Reich gegenüber Ausland. Als ehemaliger litauischer und später sowjetischer Staatsangehöriger gehörte der Ehemann der Klägerin, der sich in der Zeit ab September 1941 in Schaulen und seiner Umgebung aufhielt, nicht zu dem von der RVO erfassten Personenkreis. Zuständig war nach dem damaligen Rechtszustand ab September 1941 zunächst allein der sowjetische Sozialversicherungsträger bzw. ab August 1943 der vom Generalkommissar in Kaunas errichtete Sozialversicherungsträger. Denn nach der Verordnung über die Sozialversicherung in den besetzten Gebieten vom 04.08.1941 (RGBl. I, 486) unterlagen nur die in Litauen beschäftigten deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen den Vorschriften der RVO. Auch durch die Verordnung des Generalkommissars in Kaunas über den Aufbau einer Sozialversicherung vom 01.05.1943 (abgedruckt in Plön, Die gesetzliche Rentenversicherung im Ausland, S. 256) wurde die "einheimische" Bevölkerung, zu der alle nichtdeutschen Arbeiter, Angestellte und Lehrlinge mit Ausnahme der Ostarbeiter und nicht im Reichskommissariat beheimateten Ausländer gehörten (§ 1 Abs. 3 der Verordnung), nicht in die RVO miteinbezogen. Vielmehr war die Ersetzung des bisherigen sozialen Sicherungssystems für die "einheimische" Bevölkerung in Litauen, eingeführt durch die Sowjetunion, durch den Aufbau einer eigenständigen Sozialversicherung beabsichtigt, die nicht der Reichsversicherung an- oder eingegliedert wurde (BSG, Urteil vom 01.12.1966, – 4 RJ 401/64 – ; Urteil vom 17.05.1963, – 4 RJ 305/63 -). Nach der Befreiung durch die sowjetischen Truppen 1944 hielt sich der Ehemann der Klägerin bis zu seiner Ausreise nach Israel auf sowjetischem Staatsgebiet auf.
II.
Bis zu seiner Ausreise im Mai 1972 erwarb der Ehemann der Klägerin keine Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG). Denn er erfüllte nicht die persönlichen Voraussetzungen des FRG. Er war weder als Vertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt noch gehörte er zu dem nach § 1 FRG begünstigten Personenkreis. Die Vorschriften des FRG sind auch nicht nach § 17a FRG i.V.m. § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischem Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) auf Beschäftigungen des Ehemannes der Klägerin bis 1972 anwendbar, da er nach den Angaben der Klägerin nicht dem dSK angehörte.
III.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die von ihr geltend gemachten Beschäftigungszeiten ihres Ehemannes im Ghetto Schaulen auch nicht nach den Bestimmungen des ZRBG als Beitragszeit zu berücksichtigen. Das ZRBG regelt weder die Gleichstellung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto mit nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI noch mit fiktiven Beitragszeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI (LSG NRW, Urteil vom 13.01.2006, – L 4 RJ 113/04 -; Urteile vom 03.02.2006, – L 4 R 47/05 und L 4 R 57/05 -, Urteil vom 07.07.2006, – L 4 R 143/05 -; Urteil vom 12.07.2006, – L 4 R 53/05 -). Das ZRBG weitet den Kreis der anspruchsberechtigten Verfolgten, der durch die Bestimmungen des SGB VI, des WGSVG (§§ 1, 20 WGSVG) und des FRG (§§ 1, 16, 17a FRG) festgelegt ist, nicht aus. Der Senat folgt nicht der von den Rentenversicherungsträgern (siehe z. B. Dienstanweisung zum ZRBG der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 04.11.2005, Punkt 2) und dem SG Hamburg (Urteil vom 09.02.2006, – S 9 R 896/06 -, Urteil vom 02.05.2006, – S 20 RJ 611/04 -; Urteil vom 03.05.2006, – S 10 RJ 944/03 -) vertretenen Auffassung, dass für die Anerkennung von Ghetto-Beschäftigungen als Beitragszeiten nach dem ZRBG eine Beziehung der Verfolgten im Sinne des Bundesentschädigungsgesetz (BEG) zur deutschen Rentenversicherung während der Verfolgungszeit nicht mehr erforderlich ist und damit das ZRBG – unabhängig von den in den Bestimmungen des SGB VI, WGSVG und FRG festgelegten persönlichen Voraussetzungen – für Verfolgte im Sinne des BEG Beitragszeiten wegen einer Beschäftigung im Ghetto begründet. Der Anwendungsbereich des ZRBG beschränkt sich auf die Bewertung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto sowie deren Zahlbarmachung ins Ausland, die nach § 247 Abs. 3 S. 1 SGB VI (Beitragszeiten nach RVO) oder den Bestimmungen des FRG den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt sind. Das ZRBG ändert oder ergänzt nicht die Bestimmungen des SGB VI über das Entstehen und den Bestand eines Stammrechts auf Rente, sondern es betrifft nur den sich aus dem Rentenstammrecht ergebenden monatlichen Zahlungsanspruch. Denn durch die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG wird nur die in § 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vorgesehene "Zahlungssperre" für Leistungen an den besonderen Personenkreis der Verfolgten des Nationalsozialismus, die unter den Bedingungen eines Ghettos beschäftigt waren, beseitigt. Damit sollen die im Rentenversicherungsrecht durch nationalsozialistisches Unrecht eingetretenen Nachteile insoweit ausgeglichen werden, als der typischerweise im Ausland wohnende betroffene Personenkreis in Zukunft über die ihm zustehenden Leistungen verfügen können soll (BSG, Urteil vom 03.05.2005, – B 13 RJ 34/04 R -).
Die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und des § 3 ZRBG betreffen die Bewertung der Beitragszeiten mit Entgeltpunkten nach § 254d Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, die Ermittlung des Zugangsfaktors sowie den Rentenbeginn und somit nicht das Entstehen des Rentenstammrechts. Der Senat hält nach erneuter Prüfung auch unter Berücksichtigung der Antwort der Bundesregierung vom 28.06.2006 (BT-Drucks. 16/1955 S. 3) auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucks. 16/1785) an seiner Rechtsauffassung fest. Soweit die Bundesregierung in der Anfrage ausführt: "daneben sollten bei Vorliegen der vom BSG geforderten Kriterien Rentenansprüche auch dann entstehen können, wenn sich das Ghetto in einem dem Deutschen Reich eingegliederten oder besetzten Gebiet befand, ohne dass die Zugehörigkeit zum Personenkreis des Fremdrentengesetzes (FRG) oder des Deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) gegeben sein muss" hat dieser von der Bundesregierung angenommene Wille des Gesetzgebers weder im Wortlaut der Vorschriften des ZRBG noch in der Gesetzesbegründung seinen Niederschlag gefunden.
IV.
Selbst wenn der Auffassung der Beteiligten gefolgt wird, dass Beschäftigungszeiten in einem Ghetto für Verfolgte im Sinne des BEG grundsätzlich Beitragszeiten nach § 55 SGB VI gleichgestellt sind, unabhängig davon, ob die Verfolgten zu dem vom FRG oder WGSVG erfassten Personenkreis gehörten, sind vorliegend die Voraussetzungen des § 1 ZRBG nicht erfüllt. Nach § 1 Abs.1 gilt das ZRBG für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist und gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr.1 ) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt war (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2). Der Ehemann der Klägerin übte in der Zeit von September 1941 bis zum September 1942 keine Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 ZRBG aus.
Es ist weder erwiesen noch hat die Klägerin – in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 1 FRG bzw. § 3 Abs. 1 WGSVG – glaubhaft gemacht, dass ihr Ehemann in der Zeit von September 1941 bis zum September 1942 eine Beschäftigung in Sinne von § 1 Abs.1 S. 1 ZRBG ausübte. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass es sich bei den von ihrem Ehemann in der streitbefangenen Zeit ausgeübten Beschäftigungen um aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigungen im Sinne von § 1 Abs. S. 1 Nr. 1 ZRBG handelte.
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Es muss mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Als Mittel der Glaubhaftmachung kommen neben der eidesstattlichen Versicherung alle Mittel in Betracht, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit der Tatsache in ausreichendem Maße darzutun. Dabei sind ausgesprochen naheliegende, der Lebenserfahrung entsprechende Umstände zu berücksichtigen. Bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten muss das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten sein, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Tatsache spricht (LSG NRW, Urteil vom 28.10.2005, – L 13 R 47/05 -). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG).
Der Senat sieht es als glaubhaft gemacht an, dass der Ehemann der Klägerin sich in der Zeit von September 1941 bis Sommer 1944 in der Stadt Schaulen aufhielt. Insoweit folgt der Senat seinen Angaben über sein Verfolgungsschicksal im Verfahren bei der Claims Conference, wobei sein Aufenthalt im Ghetto Schaulen durch die Unterlagen – Vorlage eines Passierscheins aus September 1941 und der Eintragungen in der Volkszählungsliste 1942 – belegt ist und durch die Erklärungen der Zeugin L2 und der Klägerin bestätigt wird. Des weiteren ist glaubhaft, dass der Ehemann der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum im Ghetto (Ghetto-Werkstatt) und außerhalb des Ghettos (Flugplatz) Beschäftigungen verrichtete. Die Klägerin schilderte im Verwaltungsverfahren die Beschäftigung ihres Ehemannes an drei verschiedenen Arbeitsstätten – Einsatz auf dem Flugplatz, Tätigkeit in einer Ghettowerkstatt und Einsatz bei der Torfgewinnung – unter Angabe der Dauer der Beschäftigung, des Umfangs der täglichen Arbeitszeit – 10 bis 12 Stunden – und eines Entgelts in Form von Verpflegung am Arbeitsort und Erhalt von Lebensmittelkarten in der Zeit von September 1941 bis 1943. Diese Angaben beruhen nicht auf eigenen Wahrnehmungen der Klägerin, sondern auf Erzählungen ihres Ehemannes, also auf "Hörensagen". Eigene Angaben ihres Ehemannes über die während seines Aufenthaltes im Ghetto Schaulen ausgeübten Beschäftigungen sind nicht dokumentiert. Jedoch werden die Angaben der Klägerin insoweit von der Zeugin L2 bestätigt, als diese den Einsatz des Ehemannes der Klägerin auf dem Flugplatz und später in einer Ghettowerkstatt (Reparatur von Militäruniformen) gegen Erhalt von Lebensmittelkarten bestätigte, wobei sie nachvollziehbar darlegte, woher ihre Kenntnisse stammen. Des weiteren stimmen die Angaben der Klägerin mit den Eintragungen über ihren Ehemann in der Volkszählungsliste aus dem Jahr 1942, die in " The Siauliai Ghetto: List of Prisoners" veröffentlicht ist, überein, wonach er, "L, D, geb. 00.00.1915, Familienoberhaupt, Geburtsort: T, Bildung: Elementarbildung" die Berufsbezeichnung Mützenmacher führte und als Arbeitsstelle "Ghettowerkstatt" eingetragen war.
Die von der Klägerin angegebenen Arbeitstätten – Flughafen, Ghettowerkstatt zur Reparatur von Militäruniformen und Torfgewinnung ab Frühjahr 1943 – werden auch in der vom Senat beigezogenen Literatur erwähnt (zum Flughafen: Pinkas Hakehillot, S. 21 Teil I der Beiakte; Bubny S. 74 Teil I der Beiakte; zu den Ghettowerkstätten für militärische Zwecke: Pinkas Hakehillot, S. 21 Teil I der Beiakte; Jeruschalmi S. 6 Teil II der Beiakte; zur Torfgewinnung ab Frühjahr 1943: Jeruschalmi, S. 17 Teil II der Beiakte). Des weiteren sind die Angaben der Klägerin sowie die der Zeugin L2 über das erhaltenen Entgelt – Verpflegung am Arbeitsplatz und Erhalt von Lebensmittelkarten zum Einkauf im Ghetto – mit den Erkenntnissen des Senats über die Entlohnung von jüdischen Arbeitskräften im Ghetto Schaulen vereinbar. Jüdische Arbeitskräfte erhielten eine Vergütung vom Judenrat ausgezahlt; ihnen wurden zusätzliche Lebensmittelrationen ausgeteilt.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme stellen die vom Ehemann der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum ausgeübten Beschäftigungen jedoch keine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigungen im Sinne von § 1 Abs. S. 1 Nr. 1 ZRBG dar. Bei der Auslegung der in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZRBG verwandten Begriffe "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen" und "gegen Entgelt ausgeübt" ist auf die Kriterien der Rechtsprechung des BSG zur Frage der versicherungsrechtlichen Einordnung und Abgrenzung von Zwangsarbeit zu versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in einem Ghetto abzustellen (vgl. Urteile vom 14.07.1999, – B 13 RJ 75/98 R – und – B 13 RJ 61/98 R -). Denn das ZRBG knüpft nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, erkennbar an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über die von der "Ghetto-Rechtsprechung" Begünstigten hinaus ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Die in § 1 ZRBG genannten Kriterien folgen der Rechtsprechung des BSG und verdeutlichen die Abgrenzung einer von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmten Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, gegenüber der nichtversicherten Zwangsarbeit (BSG, Urteil vom 7.10.2004, – B 13 RJ 59/03 R -; Urteil vom 20.07.2005, – B 13 RJ 37/04 -; LSG NRW, Urteil vom 27.01.2006, – L 4 RJ 126/04 -). Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des ZRBG nicht beabsichtigt, Beschäftigungen in einem Ghetto in der gesetzlichen Rentenversicherung mit versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gleichzustellen, unabhängig davon, ob die Beschäftigung im Einzelfall die Kriterien eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfüllte, also "Beitragszeiten sui generis" zu schaffen (siehe LSG NRW, Urteil vom 27.01.2006, – L 4 RJ 126/04 -). Ein solcher Wille des Gesetzgebers lässt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/8583) nicht entnehmen. Das zentrale Problem, das durch das Gesetz gelöst werden sollte, war die Zahlbarmachung von Renten für Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in einem Ghetto für Berechtigte mit einem Auslandswohnsitz, ohne dass die Berechtigten Vorleistungen im Form von Nachentrichtungen erbringen müssen bzw. ihnen eine fehlende Beitragsabführung oder das Verstreichen von Nachentrichtungsrechten vorgehalten werden kann. Mit dem ZRBG wird die rentenrechtliche Differenzierung zwischen Zwangsarbeit und Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn nicht aufgehoben, sondern auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG fortgesetzt (BT-Drucks. 16/1955 S. 3).
Auch bei Arbeiten, die unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet wurden, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine freie, von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmte Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, von einer nichtversicherungspflichtigen Zwangsarbeit abzugrenzen. Dabei ist das Vorliegen eines freien Beschäftigungsverhältnisses danach zu beurteilen, ob die Beschäftigten aus eigenem Willen ein konkretes Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnis durch zweiseitige Vereinbarung eingegangen sind, tatsächlich die von ihnen auf der Grundlage des mit dem Arbeitgeber geschlossenen Vertrags geforderte Arbeit geleistet haben und ihnen dafür im Austausch eine den Umständen nach angemessene Gegenleistung als Bar- oder Sachlohn gewährt worden ist (BSG, Urteil vom 18.06.1997, – 5 RJ 20/96 -; Urteil vom 23.08.2001, – B 13 RJ 59/00 R – LSG NRW, Urteil vom 23.10.2000, – L 3 RJ 60/99 – ). Zwangsarbeit bzw. "unfreie" Arbeit ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichen (hoheitlichem) bzw. gesetzlichem Zwang. Typisch für die "unfreie" Arbeit ist die obrigkeitliche Zuweisung an bestimmte Unternehmen ohne dass der Betroffene dies beeinflussen kann. Indizien gegen ein freiwillig eingegangenes Beschäftigungsverhältnis können die Arbeitsbedingungen sein, wie z. B. die Bewachung der Arbeitskräfte bei der Arbeit, um zu verhindern, dass sie sich aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können, die Bewachung von Arbeitskräften auf dem Weg zur Arbeitsstätte, eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit am Ort der Arbeitsstätte, kein Entgelt oder geringes Entgelt für individuell geleistete Arbeit und die Innehabung eines anderen Status als die übrigen Arbeitnehmer. Diese beispielhaft aufgeführten Kriterien zeigen, dass sich eine verrichtete Arbeit um so mehr vom Typus des freien Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus der "unfreien" Arbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. Maßgebend für die Beurteilung ist das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit (BSG, Urteile vom 14.7.1999, – B 13 RJ 61/98 R -; Urteil vom 7.10.2004, – B 13 RJ 59/03 R – m.w.N.).
Die Ausübung irgendeiner Beschäftigung reicht zur Glaubhaftmachung einer Beschäftigung im Sinne des § 1 ZRBG nicht aus. Es existiert kein Grundsatz, dass die Beschäftigung eines Ghettobewohners, vorliegend in Schaulen, grundsätzlich als freies und entgeltliches Arbeitsverhältnis zu werten ist. Vielmehr sind die konkreten Umstände eines jeden Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Angaben der Klägerin im Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung der Vorschriften des ZRBG, dass ihr Ehemann im Ghetto Schaulen freiwillig gearbeitet habe und durch Vermittlung des Arbeitsamts der Arbeitseinsatz zustande gekommen sei bzw. ihre Angaben im Widerspruchsschreiben, dass sich ihr Ehemann selbst die Arbeit gesucht habe, genügen unter Berücksichtigung der Organisation und Ausgestaltung des Arbeitseinsatzes von jüdischen Arbeitskräften im Generalkomissariat Litauen, das eine Verwaltungseinheit des Reichskommissariats Ostland war, zur Glaubhaftmachung der Freiwilligkeit der Arbeit nicht. Der Umstand allein, dass sich ein Verfolgter um Arbeit beworben hat, reicht nicht aus, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit bereits zu bejahen (BSG, Urteil vom 7.10.2004, – B 13 RJ 59/03 R -). Denn entgegen der Auffassung der Klägerin genügt allein der Wille eines Verfolgten, aus eigenem Entschluss eine Arbeit aufzunehmen, nicht, um eine zweiseitige Vereinbarung im Sinne der Begründung eines freien Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses anzunehmen. Vielmehr ist die Organisation und Durchführung des Arbeitseinsatzes entscheidend, insbesondere ob das Verhältnis des Verfolgten zum "Arbeitgeber" in erheblichem Umfang von Regeln geprägt war, die durch einen zweiseitigen Vertrag mit einem "Arbeitgeber" vereinbart waren oder aber durch Regeln, die von Dritten aufgestellt waren. Die von der Klägerin geschilderten Bedingungen des Arbeitseinsatzes ihres Ehemannes – Bewachung auf dem Weg zur Arbeit auf dem Flugplatz, Erhalt einer Verpflegung am Arbeitsplatz sowie von Lebensmittelgutscheinen, eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden, Wechsel des Arbeitsplatzes – reichen allein nicht aus, um eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Ausübung einer freien Beschäftigung zu begründen, da diese Umstände, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, mit der Ausübung einer "unfreien" Beschäftigung vereinbar sind. Dies wird auch von der Klägerin insoweit eingeräumt, als sie ausführt, dass sie als Holocaustgeschädigte neben der damaligen Rechtslage liegende Angaben mache und zur Sachverhaltsermittlung eine weitere Aufklärung der historischen Verhältnisse in Schaulen im streitbefangenen Zeitraum erforderlich sei.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme hinsichtlich der Verhältnisse in der Stadt Schaulen im streitbefangenen Zeitraum die Ausübung einer aus freien Willen zustanden gekommenen Beschäftigung i.S.v. § 1 Abs.1 Nr. 1 ZRBG unter Würdigung der Angaben der Klägerin und der Zeugin L2 nicht überwiegend wahrscheinlich. Aufgrund der Auswertung historischer Erkenntnisse ist der Senat überzeugt, dass wegen der Organisation und der Durchführung des Arbeitseinsatzes von jüdischen Arbeitskräften im Generalkommissariat Litauen das Verhältnis zwischen dem Ehemann der Klägerin und seinen "Arbeitgebern" im streitbefangenen Zeitraum fremdbestimmt war, da die deutschen Besatzungsbehörden überragenden Einfluss auf die Gestaltung dieser Verhältnisse hatten. Zwischen den jüdischen Bewohnern des Reichskomissiariats Ostland und den deutschen Besatzungsbehörden bestand zumindest seit August 1941 ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis, dass unter anderem durch die Einschränkung der Freizügigkeit und der wirtschaftlichen Betätigung, Registrierung, Kennzeichnungspflicht, Beschlagnahme und Enteignung des Vermögens, Ortsgebundenheit, Arbeitszwang, Isolierung und Ausgrenzung von der übrigen Bevölkerung gekennzeichnet war (siehe LSG NRW, Urteil vom 13.01.2006, – L 4 RJ 113/04 -; Urteil vom 06.03.2006, – L 3 (18) R 98/05 -; Urteil vom 20.02.2006, – L 3 R 140/05 -, Urteil vom 12.05.2006, – L 4 RJ 123/04 -).
Damit handelte es sich bei den jüdischen Bewohnern der Stadt Schaulen um sogenannte "unfreie" Personen. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen der Verordnung des Reichsministers für die besetzten Gebiete Rosenberg vom 16.08.1941 über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung (abgedruckt in: Benz/Kwiet/Matthäus, S. 36 f) und den "Vorläufigen Richtlinien für die Behandlung der Juden" des Reichskommissars Lohse vom 02.08.1941 (Vorläufige Richtlinien, abgedruckt in: Benz/Kwiet/Matthäus, S. 38 ff). Seit Mitte August 1941 ist der Einsatz von jüdischen Arbeitskräften im Reichskommissariat Ostland als "unfreie" Beschäftigung zu charakterisieren. Denn die jüdischen Arbeitskräfte wurden zum Zwecke der Arbeitsaufnahme nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis entlassen, sondern die Organisation und die Ausgestaltung der Arbeit war von hoheitlichen Eingriffen überlagert, denen sich weder die jüdischen Arbeitskräfte noch ihre "Arbeitgeber" entziehen konnten. Dabei geht der Senat nach Auswertung der beigezogenen Dokumente, der Sekundärliteratur und des Gutachtens des Historikers Dr. Tauber von folgenden Verhältnissen im Generalkommissariat Litauen in der streitbefangenen Zeit aus:
Nach dem Einmarsch der deutschen Armee im Juni/Juli 1941 wurde die Stadt Schaulen Teil des Reichskomimssiariats Ostland, in dem ab Juli 1941 eine Zivilverwaltung errichtet wurde. Dem Reichskommissariat Ostland stand Reichskommissar Lohse vor, der dem Reichsminister für die besetzten Gebiete Rosenberg in Berlin unterstellt war. Das Reichskommissariat Ostland war in vier Generalbezirke unterteilt, die Generalkommissaren unterstanden. Für das Generalkommissariat Litauen wurde Dr. von Renteln zum Generalkommissar mit Sitz in Kaunas ernannt. Das Generalkommissariat Litauen war in sechs Gebietskommissariate unterteilt, die von Gebiets- und Stadtkommissaren verwaltet wurden. Für das Gebietskommissariat Siauliai (Schaulen) war Gebietskommissar Gewecke zuständig. Durch die Verordnung vom 16.08.1941 über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung ordnete der Reichsminister für die besetzten Gebiete Rosenberg an, dass die in den neu besetzten Ostgebieten ansässigen Juden männlichen und weiblichen Geschlechts vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr dem Arbeitzwang unterlagen und die Juden zu diesem Zweck in Zwangsarbeitsabteilungen zusammengefasst werden sollten (§ 1). Sich dem Arbeitszwang zu entziehen war strafbewehrt. Reichskommissar Lohse übersandte mit Schreiben vom 18.08.1941 jedem Generalkommissar eine Fassung der Vorläufigen Richtlinien, in denen die Verordnung vom 16.08.1941 entsprechend der Ermächtigung in § 3 umgesetzt wurde. Die Vorläufigen Richtlinien galten für die Generalkommissariate nach der Übernahme der Zivilverwaltung und sahen u.a. die Konzentration der Juden in Ghettos sowie die Heranziehung der arbeitsfähigen Juden zur Zwangsarbeit im Arbeitskommando außerhalb der Ghettos, im Ghetto oder, wo Ghettos noch nicht errichtet waren, auch einzeln außerhalb der Ghettos vor. Es wurde angeordnet, dass die Vergütung nicht der Arbeitsleistung zu entsprechen hatte, sondern nur der Bestreitung des notdürftigen Lebensunterhaltes für die Zwangsarbeiter und ihrer nicht arbeitsfähigen Familienmitglieder unter Berücksichtigung ihren anderen Barmittel dienen sollte.
Diejenigen privaten Einrichtungen und Personen, zu deren Gunsten die Zwangsarbeit erfolgte, hatten ein angemessenes Entgelt an die Kasse des Gebietskommissars zu zahlen, die wiederum die Vergütung an die Zwangsarbeiter auszahlen sollte (Ziffer 5 d und e der Vorläufigen Richtlinien). Der Generalkommissar Dr. von Renteln leitete die Vorläufigen Richtlinien mit Schreiben vom 26.08.1941 an die ihm unterstellten Gebiets- und Stadtkommissare weiter. In einem weiteren Erlass des Reichskommissars, Abteilung Finanzen (Vialon), an die Generalkommissare vom 27.08.1942 über die "Verwaltung der jüdischen Ghettos" (abgedruckt in: Benz/Kwiet/Matthäus, S. 153 ff) ist zum Arbeitseinsatz jüdischer Arbeitskräfte ausgeführt, dass Gegenstand der Vermögensverwaltung u.a. die Ausnutzung der Arbeitskraft der Juden ist, die insoweit als angefallenes Vermögen gilt. Die Vermögensverwaltung wurde durch den Reichsminister für die besetzten Ostgebiete den Finanzabteilungen übertragen, die diese Aufgaben unmittelbar oder über die Stadt- und Gebietskommissare erfüllten (Ziffer III. 2 des Erlasses). Die Nutzung der Arbeitskraft der Juden sollte in Form der Vermietung an öffentliche oder private Arbeitgeber oder durch Betrieb von Werkstätten (Regiebetrieb) geschehen (Ziffer III: 4 des Erlasses). Die Vermietung der jüdischen Arbeitskräfte sollte im Auftrag des Stadt- und Gebietskommissars durch das örtliche Arbeitsamt durchgeführt werden, dass dem Arbeitgeber die angeforderten Juden zuweisen und dies der Vermögensverwaltung des Ghettos (Stadt- oder Gebietskommissar) mitteilen sollte. Der Stadt- oder Gebietskommissar erteilte dem Arbeitgeber eine Rechnung, deren Begleichung zu überwachen war (Ziffer III. 5 des Erlasses).
Demnach setzte der für das Reichskomissiariat Ostland zuständige Reichskommissar Lohse den durch die Verordnung vom 16.08.1941 eingeführten, strafbewehrten Arbeitszwang für alle in den neu besetzten Ostgebieten ansässigen Juden männlichen und weiblichen Geschlechts vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr in den Vorläufigen Richtlinien dahingehend um, dass alle arbeitsfähigen Juden im Alter von 14 – 60 Jahren nach Maßgabe des Arbeitsbedarfs zur Zwangsarbeit heranzuziehen waren. In den Vorläufigen Richtlinien wird weder nach Geschlecht (Männer/Frauen), noch nach Aufenthaltsort (innerhalb oder außerhalb eines Ghettos), Lage der Arbeitsstätte (innerhalb oder außerhalb des Ghettos) oder Arbeitgeber (privater oder öffentlicher) unterschieden, sondern sämtliche Beschäftigungen von Juden werden von den Vorläufigen Richtlinien erfasst. Aus der Verwendung des Begriffs "Zwangsarbeiter" schließt der Senat, dass der Reichskommissar die Verwendung von jüdischen Arbeitskräften in freiwilligen Beschäftigungsverhältnissen ausschloss, also die jüdischen Arbeitskräfte zwecks Arbeitsaufnahme nicht aus dem bestehenden öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis entlies. Der Senat folgt nicht der vom Historiker Dr. Tauber im Gutachten vom 22.11.2005 vertretenen Auffassung, wonach allein die Tatsache, dass die Arbeit von Ghettobewohnern geleistet worden sei, weder von vorneherein Entgeltzahlungen noch die "Freiwilligkeit" der Arbeit ausschließe, auch wenn sowohl aus der Sicht der deutschen Täter als auch der jüdischen Opfer von "Zwangsarbeit" gesprochen worden sei. Auch unter den Bedingungen der Ghettos in Litauen sei jüdische Arbeitsleistung teilweise "entgolten" worden und es hätte die Einzelperson gewissen Einfluss auf die eigene Arbeitssituation nehmen können (Seite 4 des Gutachtens). Der Senat lässt dabei offen, ob der Historiker Dr. Tauber bei seiner Bewertung der historischen Verhältnisse den Begriff "Entgelt" im Sinne eines rentenversicherungsrechtlich relevanten Entgelts verwandt hat. Die Überlagerung der Beziehung zwischen den jüdischen Arbeitskräften und den jeweiligen "Arbeitgebern" durch die von der deutschen Besatzungsmacht erlassenen Regelungen wird insbesondere aus den Bestimmungen des Erlasses vom 27.08.1942 deutlich, in denen die Arbeitskraft der Juden als "Vermögen" angesehen wird, dessen Verwaltung der Reichskommissar wahrnimmt, und worin die Form dieser "Vermögensverwaltung" – Vermietung der Arbeitskraft oder Betrieb von Werkstätten (Regiebetrieb) – festgelegt wird. Nach der Konzeption des Erlasses vom 27.08.1942 handelt es bei dem Einsatz von jüdischen Arbeitskräften außerhalb des Ghettos um eine Arbeitnehmerüberlassung, die von den deutschen Arbeitsämtern im Auftrag der jeweils zuständigen örtlichen deutschen Besatzungsstellen organisiert wurde und die öffentlich-rechtlich geregelt war. Nach Ziffer 5 des Erlasses wies das Arbeitsamt dem jeweiligen " Arbeitgeber" die angeforderten jüdischen Arbeitskräfte zu.
Eine Vereinbarung der Beteiligten – jüdische Arbeitskraft und Arbeitgeber – über das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses war nicht vorgesehen. Dabei wird zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern nicht unterschieden. Dies wird insbesondere aus Ziffer III. 5 des Erlasses deutlich, wonach der Stadt- oder Gebietskommissar dem jeweiligen Arbeitgeber eine Rechnung über den Arbeitseinsatz der Ghettobewohner erteilte. Ebenso untersteht die Beschäftigung von jüdischen Arbeitskräften in Betrieben (im Ghetto), den sog. "Regiebetrieben", nach Ziffer 4b des Erlasses der unmittelbaren Kontrolle der Verwaltung des Reichskommissars. Ein Wille des Reichskommissars, den jüdischen Arbeitskräften im Reichskommissariat Ostland einen Freiraum der wirtschaftlichen Betätigung durch Aufnahme eines freiwilligen Beschäftigungsverhältnisses einzuräumen, ist auch nicht aus den Vorläufigen Richtlinien erkennbar. Nach der Konzeption des Arbeitseinsatzes von jüdischen Arbeitskräften in den Vorläufigen Richtlinien war die Beziehung zwischen den jüdischen Arbeitskräften und den jeweiligen "Arbeitgebern" von hoheitlichen Eingriffen überlagert. Dies gilt auch für Tätigkeiten in Betrieben innerhalb des Ghettos, da in den Vorläufigen Richtlinien die Verrichtung von Zwangsarbeit in Ghettos vorgesehen war. Die Tatsache, dass die jüdischen Arbeitskräfte nach den Vorläufigen Richtlinien eine Vergütung, deren Form nicht festgelegt war, erhalten sollten, begründet kein wirtschaftliches Austauschverhältnis zwischen der von ihnen geleisteten Arbeit und dem gezahltem Entgelt, was unabdingbarer Bestandteil eines "freien" Beschäftigungsverhältnisses ist. Denn nach dem Willen des Reichskommissars sollte die Vergütung keine angemessene Entlohnung für die geleistete Arbeit darstellen, sondern nur geeignet sein, den notdürftigen Lebensunterhalt des Zwangsarbeiters und seiner nicht arbeitsfähigen Familienangehörigen zu sichern, und damit als Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft des zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten gedacht sein. Leistungen, die nicht der Entlohnung einer geleisteten Arbeit, sondern anderen Zwecken dienen, stellen kein Entgelt im Sinne des Rentenversicherungsrechts dar (siehe BSG, Urteil vom 19.04.1990, – 1 RA 91/88 -). Die von den "Arbeitgebern", die Leistungen von jüdischen Arbeitskräften in Anspruch nahmen, zu erbringenden Zahlungen an die Kasse des Gebietskommissars sind daher nicht als Entgelt werten, da ein Arbeitsentgelt dem Beschäftigten selbst zufließen muss. Die Abführung von Beträgen des Arbeitgebers für geleistete Arbeit an Dienststellen des Staates stellt keine Entlohnung dar (BSG, Urteil vom 10.12.1974, – 4 RJ 379/73 -).
Gegen das Bestehen einer Gegenseitigkeitsbeziehung zwischen den jüdischen Arbeitskräften und den Dritten in Form des Austausches von Arbeit gegen Lohn spricht auch, dass die Vergütung nicht direkt von den jeweiligen "Arbeitgebern" an die jüdischen Arbeitskräfte ausgezahlt werden sollte, sondern die Zahlungen durch die Kasse des Gebietskommissars erfolgen sollten, wobei dieser die Höhe der an die jüdischen Arbeitskräfte auszuzahlenden Vergütung bestimmte. Der jeweilige "Arbeitgeber" hatte keinen Einfluss darauf, ob und in welcher Form die von ihm in Anspruch genommene Arbeitskraft ein Entgelt für die geleistete Arbeit enthielt. Diese staatlichen Vorgaben über die Organisation und Ausgestaltung des Arbeitseinsatzes von Juden im Reichskommissariat Ostland unterscheiden sich von denen über den Arbeitseinsatz von Juden im Generalgouvernement. Denn während der im Generalgouvernement durch Verordnung angeordnete Arbeitszwang für Juden sich auf den Arbeitseinsatz von männlichen Juden in lagermäßiger Unterbringung auf besonderen Abruf seitens der deutschen Behörden beschränkte und verschiedene Vorschriften des im Generalgouvernement geltenden Rechts auf die Möglichkeit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Juden hindeuten (siehe zur Rechtslage im Generalgouvernement BSG, Urteil vom 23.08.2001, – B 13 RJ 59/00 R – m.w.N) setzte Reichskommissar Lohse den durch die Verordnung vom 16.08.1941 eingeführten, strafbewährten Arbeitszwang für alle in den neu besetzten Ostgebieten ansässigen Juden männlichen und weiblichen Geschlechts vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr in den Vorläufigen Richtlinien dahingehend um, dass alle arbeitsfähigen Juden im Alter von 14 – 60 Jahren nach Maßgabe des Arbeitsbedarfs zur Zwangsarbeit herangezogen wurden, wobei nach Geschlecht, Aufenthaltsort, Lage der Arbeitsstätte oder Arbeitgeber nicht differenziert wurde und damit sämtliche Beschäftigungen von Juden erfasst waren.
Die Einlassung der Klägerin, dass der Erlass einer Vielzahl von Vorschriften über die Bezahlung jüdischer Arbeitskräfte durch die nationalsozialistischen Gewaltherrscher und die Einrichtung eines Verwaltungs- und Kontrollapparates dafür spreche, dass die deutsche Besatzungsmacht von der Begründung entgeltlicher Arbeitsverhältnisse zwischen den jüdischen Arbeitskräften und den jeweiligen Arbeitgebern ausgegangen sei, ist nicht nachvollziehbar, da auch bei einem System der "Zwangsarbeit", in dem der Staat den aus der Ausbeutung von Arbeitskraft erzielten Vorteil abschöpfen will, die Kosten für die Verwendung der Arbeitskräfte durch Dritte geregelt werden müssen und geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Einhaltung der Vorschriften zusichern.
Die in den Vorläufigen Richtlinien festgelegte Dreiecksbeziehung zwischen den jüdischen Arbeitskräften, den privaten Dritten und dem jeweiligen Gebietskommissar lässt sich zusammenfassend als öffentlich-rechtlich organisierte Dienstverschaffung zugunsten privater Unternehmen charakterisieren, wobei zwischen den jüdischen Arbeitskräften und den privaten Dritten keine arbeitsrechtlichen Beziehungen bestanden. Dafür spricht auch, dass die in der Allgemeinen Anordnung des Reichskommissars Lohse vom 21.11 1941 für die einheimischen Arbeiter im öffentlichen Dienst und in der Wirtschaft (abgedruckt in Verkündungsblatt des Reichskommissars für das Ostland, 1941 S. 75) festgelegten Stundensätze für einheimische Arbeiter nicht für jüdische Arbeitskräfte galten, sondern die Bestimmungen der Anordnung auf jüdische Arbeitskräfte keine Anwendung fanden (§ 10). Die Höhe der Vergütung, welche die jüdischen Arbeitskräfte erhielten, sowie die Höhe der Zahlungen der privaten Arbeitgeber wurden jeweils von dem zuständigen Gebiets- oder Stadtkommissar festgelegt (Ziffer 5e der Vorläufigen Richtlinien). Ein Indiz für einen Sonderstatus der jüdischen Arbeitskräfte im Vergleich zu dem der einheimischen Arbeiter ist weiterhin, dass der Generalkommissar in Kaunas in der Verordnung über den Aufbau einer Sozialversicherung vom 01.05.1943 die Dienstverhältnisse von Juden als nicht sozialversicherungspflichtig ansah. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass nach den Darlegungen des Historikers Tauber "die Beziehungen zwischen den "Arbeitgebern" und den jüdischen Arbeitern eine lebensbedrohliche Extremsituation von Ausbeutung und Erniedrigung darstellten", und dass "die Realität oft nicht einmal den minimalen Forderungen der deutschen Verwaltung" entsprach. Unterschlagung von Lohn, Vorenthalten von Nahrung oder Misshandlung usw. waren "sicher keine Ausnahmeerscheinungen, sondern eher die Regel" (Seite 21 des Gutachtens). Auch dies spricht gegen das Bestehen regulärer Beschäftigungsverhältnisse.
Entsprechend den Vorgaben der Vorläufigen Richtlinien setzte der Gebietskommissar für die Stadt Schaulen Gewecke den Arbeitszwang auch tatsächlich um. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass neben der Ausführung von Arbeiten in "unfreien" Beschäftigungsverhältnissen für jüdische Arbeitskräfte in der Stadt Schaulen die Möglichkeit bestand, eine Beschäftigung in Form eines freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses auszuüben. Die Angaben der Klägerin über das Zustandekommen der Beschäftigungen ihres Ehemannes durch Vermittlung des Arbeitsamtes, die Lage der Arbeitsstätten sowie der Erhalt von Verpflegung am Arbeitsplatz und von Lebensmittelkarten stehen zu den aus der Auswertung der beigezogenen Dokumente und der Literatur gewonnen Erkenntnissen über die Organisation des Arbeitseinsatzes der Ghettobewohner in Schaulen nicht in Widerspruch und sind nicht geeignet glaubhaft zu machen, dass die Beschäftigungen des Ehemannes der Klägerin abweichend von den Vorgaben über den Arbeitseinsatz von Juden in den Vorläufigen Richtlinien und dem Erlass vom 27.08.1942 organisiert war. Nach Auswertung der beigezogenen und der der Klägerin übersandten Dokumente und der Literatur sowie des Gutachtens von dem Historiker Dr. Tauber stellen sich die Verhältnisse in der Stadt Schaulen wie folgt dar:
Am 26.06.1941 wurde Schaulen von der Deutschen Wehrmacht besetzt. In den ersten zwei Wochen der Besatzung wurden von Deutschen und Litauern ca. 1.000 jüdische Einwohner Schaulens ermordet. Zwischen dem 25.07 und dem 31.08.1941 wurde in den Stadtbezirken Kaukazas und Trakai ein Ghetto eingerichtet. Ab dem 01.09.1941 wurde das Ghetto als "geschlossenes" Ghetto geführt. Das Ghetto konnte nur mit einer Sondergenehmigung verlassen werden. Die Tore wurden von litauischen Wachtposten bewacht (Pinkas Hakehillot, S. 20 Teil I der Beiakte; Bubny, S. 83 Teil I der Beiakte). Die Ghettobevölkerung betrug ca. 4.500 bis 5.000 Personen, davon waren ca. 65 % Frauen. Es wurde ein Judenrat eingerichtet und eine jüdische Polizei aufgestellt. Der Judenrat überwachte die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Ghetto, den Arbeitseinsatz der Arbeiter, die Nahrungsmittelversorgung und deren Verteilung innerhalb des Ghettos, sanitäre Einrichtungen und sonstige Aktivitäten des Alltags. Er war Adressat der Anordnungen des Gebietskommissars für die Ghettobewohner und Repräsentant der Ghettobewohner mit der Pflicht, die Weisungen des Gebietskommissars weiterzugeben und deren Erledigung zu beaufsichtigen (siehe Bubny S.74 Teil I der Beiakte; Dr. Tauber S. 22 des Gutachtens). Die " Aktionen", bei denen Ghettobewohner selektiert und ermordet wurden, endeten Ende September 1941. Im Dezember 1942 wurden auf Anweisung der deutschen Besatzungsbehörden die "qualifizierten Arbeiter" in den Ghettobezirk Traku und die "nicht qualifizierten Arbeiter" in den Ghettobezirk Kaukazas umgesiedelt (Jerushalmi, S. 160 ff., 212, 213 GA).
Den "arbeitsfähigen" Ghettobewohnern wurden gelbe Arbeitskarten ausgeteilt. Ghettobewohner waren innerhalb und außerhalb des Ghettos beschäftigt. Die Zuweisung der Ghettobewohner zu bestimmten Arbeitsstellen außerhalb und innerhalb des Ghettos nahm das Arbeitsamt vor, das zunächst eine selbständige Behörde war und vom Jahr 1942 an als Abteilung des Gebietskommissars geführt wurde. Wehrmachtsdienststellen und andere deutsche " Bedarfsträger" forderten beim Arbeitsamt jüdische Arbeitskräfte an. Das Arbeitsamt stellte mittels eines im Ghetto eingerichteten und von einem Litauer geleiteten Büros mit jüdischen Hilfskräften, das ihm unterstellt war, die entsprechende Zahl der Ghettobewohner zusammen und wies sie der anfordernden Stelle zu. Im März 1942 errichtete der Judenrat mit Genehmigung des Arbeitsamtes im Ghetto Werkstätten, die Aufträge für das Ghetto und für Auftraggeber außerhalb des Ghettos ausführten. Den erwirtschafteten Gewinn verwandte der Judenrat für die Verpflegung der Ghettobewohner. (Jerushalmi, S. 160 ff., 214 GA) und für soziale Aufgaben, wie z. B. den Bau eines Krankenhauses (Yeruschalmi, S. 160 ff, 214 GA; Pinkas Hakehillot Seite 21 Teil I der Beiakte). Ein Teil der Werkstätten wurden im Herbst 1942 außerhalb des Ghettos verlagert. Der Tageslohn für jüdische Arbeitskräfte betrug 1,50 RM für Männer und 1,30 RM für Frauen (siehe auch Shalit, S. 202 ff, 232 GA; Yeruschalmi, S. 160 ff, 217 GA; Dr. Tauber Seite 47 des Gutachtens). Entsprechend den Vorgaben in den Vorläufigen Richtlinien zahlten die "Bedarfsträger" 50 % der Vergütung an das Arbeitsamt für die Kasse des Gebietskommissars (siehe Lipshitz, The Siauliai Ghetto, in "The Siauliai Ghetto: Lists of Prisoners, S. 51 Teil I der Beiakte; Levi Salit, Yeruschalmi, S. 160 ff, 217 GA). Die jüdischen Arbeitskräfte erhielten keinen Lohn direkt von den "Bedarfsträgern" ausgezahlt, sondern eine Vergütung wurde durch das Arbeitsamt (siehe Yeruschalmi, S. 160 ff, 217 GA) bzw. durch den Judenrat, der diese vom Arbeitsamt erhielt (Bubny, S. 74 Teil I der Beiakte) ausgezahlt. Mit der Vergütung konnte die Arbeitskräfte in den Geschäften des Ghettos Lebensmittel kaufen (siehe Lipshitz, The Siauliai Ghetto, in "The Siauliai Ghetto: Lists of Prisoners, S. 51 Teil I der Beiakte). Anfang 1943 wurde die Zahlung einer Vergütung an die Ghettobewohner eingestellt, in Absprache mit den deutschen Besatzungsbehörden wurde vom Judenrat an Männer fünf Mark und an Frauen drei Mark wöchentlich ausgezahlt (siehe Yeruschalmi, S. 160 ff., 217 GA; Shalit, S. 220 ff, 223 GA). Im September 1943 erhielt das Ghetto Schaulen den Status eines Konzentrationslager.
Für die Verpflegung der Ghettobewohner legte der Reichskommissar Rationen in Höhe der Hälfte der für die litauischen Bevölkerung vorgeschriebenen Zuteilungen fest. Nach diesen Sätzen stellte die Behörde des Gebietskommissars Großbezugsscheine aus, aufgrund derer die litauische Stadtverwaltung dem Ghetto Nahrungsmittel zu liefern hatte. Die für eine angemessene Versorgung der Juden unzureichenden Rationen wurden infolge von Versäumnissen der litauischen Stellen oft nicht im vollen Umfang zur Verfügung gestellt. Im Ghetto herrschte Hungersnot (nach Yeruschalmi, S. 160 ff., 214 GA betrug die offizielle Ration für einen Ghettobewohner 100 bis 200 gr. Brot täglich). Die jüdischen Arbeitskräfte versuchten deshalb, auf den außerhalb des Ghettos gelegenen Arbeitstätten zusätzliche Lebensmittel zu erwerben und in das Ghetto zu schmuggeln (siehe LG Lübeck, Urteil vom 27 01.1970, 2 Ks 1/68 S. 61 Teil II der Beiakte). Der Judenrat war für den Einkauf der Lebensmittel, u. a. durch den Eintausch der Großbezugsscheine, sowie für die Verteilung der Lebensmittel zuständig. Erwerbstätige Ghettobewohner erhielten vom Judenrat höhere Rationen als die übrigen Ghettobewohner. Die zusätzlichen Rationen finanzierte der Judenrat nach Angaben von Herrn Jeruschalmi, der Sekretär des Judenrats war, aus Gewinnen von Lebensmittelverkäufen (siehe Jeruschalmi S. 3 S. 61 Teil II der Beiakte). Im Ghetto existierte ein Lebensmittelladen.
Aus den beigezogenen Unterlagen ergibt sich, dass die Innehabung eines Arbeitsplatzes von den Ghettobewohnern aufgrund der herrschenden Verhältnisse schon allein aus Gründen der Sicherung der physischen Existenz – Schutz vor Selektionen, Erhalt von zusätzlichen Lebensmittel, Möglichkeit des Erwerbs von Lebensmittel oder Waren außerhalb des Ghettos – begehrt war, die Innehabung von bestimmten Arbeitsplätzen bevorzugt wurde und der Judenrat bemüht war, für die arbeitsfähigen Ghettobewohner Arbeitsplätze zu finden. Diese Tatsachen allein sprechen nicht dafür, dass die Beschäftigungen des Ehemannes der Klägerin nicht von hoheitlichen Eingriffen überlagert waren, denen weder er noch die jeweiligen Arbeitgeber sich entziehen konnten. Selbst wenn noch von einem gewissem Maß an Entscheidungsfreiheit des Ehemanns der Klägerin zur Beschäftigungsaufnahme ausgegangen wird (siehe zur deutlich eingeschränkten Entscheidungsfreiheit der Ghettobewohner zur Beschäftigungsaufnahme Dr. Tauber, Seite 30 des Gutachtens), hatte er keinen Einfluss auf die Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses. Vielmehr war aufgrund der Organisation des Arbeitseinsatzes von jüdischen Arbeitskräften in Schaulen das Verhältnis zwischen ihm und seinen "Arbeitgeber" fremdbestimmt, hatte der Gebietskommissar für die Stadt Schaulen überragenden Einfluss auf die Gestaltung dieses Verhältnisses. Die in der Stadt Schaulen herrschenden Verhältnisse entsprachen den Vorgaben über den Arbeitseinsatz in den Vorläufigen Richtlinien und im Erlass vom 27.08.1942 und waren dadurch gekennzeichnet, dass die Ghettobewohner, die zur Arbeitsaufnahme bereit und vorgesehen waren, durch die Ausgabe von Arbeitsausweisen vom Arbeitsamt erfasst waren. Das Arbeitsamt war als Dienststelle des Gebietskommissars alleinzuständig für die Zuweisung von jüdischen Arbeitskräften – auch an eine Werkstatt im Ghetto -.
Die Arbeitsabteilung im Ghetto war dem deutschen Arbeitsamt direkt unterstellt und die potentiellen Arbeitgeber wandten sich an das Arbeitsamt zwecks Zuweisung von Arbeitskräften. Das Büro im Ghetto, das den Arbeitseinsatz organisierte, wurde nicht vom Judenrat geleitet, sondern von einem Litauer, wobei das Büro direkt dem deutschen Arbeitsamt unterstellt war; es handelte sich nicht um eine Abteilung des Judenrats. Aus den Erklärungen der Klägerin und der Zeugin L2 sind keine Indizien dafür ersichtlich, dass der Arbeitseinsatz des Ehemannes der Klägerin davon abweichend organisiert war. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus der Tatsache, dass ihrem Ehemann der Wechsel von der körperlich schweren Arbeit auf dem Flugplatz in eine Werkstatt im Ghetto möglich war, nicht geschlossen werden, dass ein Arbeitsmarkt existierte und es sich damit um freie und versicherungspflichtige Beschäftigung handelte. Soweit die Ghettobewohner durch persönliche Beziehungen zu Mitarbeitern des Arbeitsamtes einen Arbeitsplatzwechsel erreichten, nutzten diese nur eine Möglichkeit, die ihnen das System bot, sie konnten aber den Arbeitsplatz ohne Einschaltung des Arbeitsamts nicht frei wählen. Auch aus der Vielzahl der Arbeitstätten außerhalb und innerhalb des Ghettos, an denen Ghettobewohner eingesetzt waren, lässt sich nicht ableiten, dass ein sich selbst regulierender Arbeitsmarkt bestand. Vielmehr ist dies nur ein Indiz dafür, dass das von den deutschen Besatzungsbehörden verfolgte Konzept der Ausbeutung der Arbeitskraft der Juden im Form von Zwangsarbeit erfolgreich umgesetzt wurde. Die Verhältnisse im Ghetto Schaulen sind nicht vergleichbar mit den Verhältnissen im Ghetto Lodz, die u.a. durch das Bestehen eines "Ghetto-Arbeitsmarktes" gekennzeichnet waren, der durch die Nachfrage nach Arbeitskräften aufgrund branchenspezifischer Anforderungen entstanden war und auf dem durch den Judenrat, der einer eigenen Stadtverwaltung mit umfangreicher Verwaltungsbürokratie entsprach, Arbeitskräfte je nach Arbeitsmarktlage in verschiedene Betriebe vermittelt wurden (siehe BSG, Urteil vom 18.06.1997, – B 5 RJ 66/95 -; Urteil vom 21.09.1999, -. B 5 RJ 48/98 R -). In Schaulen forderten die Betriebsinhaber beim Arbeitsamt, einer Dienststelle des Gebietskommissars, jüdische Arbeitskräfte an. Diese Stelle wies die Arbeitskräfte nach eigenem Ermessen zu, das Büro für Arbeit im Ghetto handelte im Auftrag des (deutschen) Arbeitsamts, ein eigenständiger, selbst regulierender Arbeitsmarkt entwickelte sich nicht.
Auch die Tatsache, dass die jüdischen Arbeitskräfte nicht nur Sachbezüge in Form von Verpflegung am Arbeitsplatz und Zuteilung von erhöhten Lebensmittelrationen durch den Judenrat, deren Erhalt die Klägerin im Verwaltungsverfahren angibt, sondern nach den Angaben in der Sekundärliteratur auch ein Barentgelt – dessen Erhalt die Klägerin verneint – ausgezahlt erhielten, spricht nicht gegen die Annahme eines "unfreien" Beschäftigungsverhältnisses. Dazu hat die Klägerin im Berufungsverfahen angegeben, aus der Literatur ergebe sich, dass für die jüdischen Arbeiter in Schaulen Löhne an den Gebietskommissar gezahlt worden seien, wobei ein Lohnanteil an den Judenrat weitergeleitet worden sei. Dieser sei verpflichtet gewesen, diesen Lohnanteil an die jüdischen Arbeiter auszuzahlen. Auch wenn die Durchführung dieser Verfahrensweise im Falle des Ehemannes der Klägerin unterstellt wird, so fehlt es gleichwohl an der Glaubhaftmachung einer freiwilligen Beschäftigung. Denn weder die Sachbezüge noch das Barentgelt wurden nach der beigezogenen Literatur von den jeweiligen "Arbeitgebern" direkt an die Arbeitskräfte, sondern von einem Dritten – vom Arbeitsamt bzw. Judenrat – ausgezahlt. Der Judenrat handelte bei der Ausgabe der Sachbezüge oder Auszahlung des Barentgelts nicht als Zahlstelle der Arbeitgeber bzw. nahm die Vergütung für die geleistete Arbeit nicht als Beauftragter oder Treuhänder der Ghettobewohner im Empfang. Denn der Judenrat erhielt die Zahlungen nicht von den jeweiligen "Arbeitgebern" zwecks Weiterleitung an die Beschäftigten, sondern es handelte sich um Leistungen der Kasse des Gebietskommissars, der bestimmte, ob und in welchem Umfang ein Teil der an ihn für die "Miete von Arbeitskräften" geleisteten Zahlungen der "Arbeitgeber" an die Beschäftigten über das Arbeitsamt bzw. den Judenrat weitergeben wurde. Dies spricht gegen ein Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt, das charakteristisch für ein "freies" und versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist.
Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die zusätzlichen Lebensmittelrationen, die vom Judenrat an Erwerbstätige ausgegeben wurden – deren Erhalt die Klägerin in Form von Lebensmittelgutscheinen angibt -, nicht Bestandteil der in den Vorläufigen Richtlinien vorgesehenen Vergütung waren, sondern es sich um eine zusätzliche Leistung des Judenrats handelte (siehe Jeruschalmi, S. 3 Teil II der Beiakte). Werden Sachbezüge lediglich im Zusammenhang mit der Beschäftigung, aber – wie im vorliegenden Fall – nicht mit der Zweckbestimmung einer Gegenleistung für erbrachte Dienst- und Arbeitsleistungen gewährt, fehlt den Sachbezügen der Rechtscharakter eines Entgelts (siehe BSG, Urteil vom 19.04.1990, – 1 RA 91/88 -). Dies gilt auch für Beschäftigungen in einer Werkstätte im Ghetto. Auch aus der Rechtsprechung des BSG zur Beschäftigung von abhängigen Kolchosemitglieder (BSG, Urteil vom 31.03.1993, – 13 RJ 17/92 – ) lässt sich nicht ableiten, dass ein Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und vom Judenrat erhaltenen Leistungen bzw. an den Judenrat gezahlten Entgelt besteht (so anscheinend SG Hamburg, Urteil vom 09.02.2006, – S 9 RJ 896/06 -). Denn für das Mitgliedschaftsverhältnis in einer Kolchose ist charakteristisch, dass das Kolchosemitglied dem Weisungsrecht der Kolchoseverwaltung unterlag, eine Arbeitspflicht des Kolchosemitgliedes in der Kolchose bestand, eine Beschäftigung außerhalb der Kolchose in anderen Betrieben nicht erlaubt war und die Entlohnung ausschließlich aus den Mitteln der Kolchose (Erträge abzüglich der Ausgaben für die Infrastruktur der Kolchose) erfolgte und somit ein Kolchosemitglied als abhängig Beschäftigter der Kolchose anzusehen ist (BSG, Urteil vom 31.03.1993, – 13 RJ 17/92 -). Dies ist mit der Organisation des Arbeitseinsatzes von Ghettobewohnern in Schaulen nicht vergleichbar. Denn für den Arbeitseinsatz der Ghettobewohner war charakteristisch, dass der Arbeitseinsatz überwiegend in Betrieben außerhalb des Ghettos stattfand, die Zuweisung zur Arbeit nicht durch eine Abteilung des Judenrats sondern durch eine staatliche Stelle erfolgte und staatliche Stellen bestimmten, ob und in welcher Höhe eine Vergütung für die geleistete Arbeit gezahlt wurde.
Auch aus dem von der Rechtsprechung vertretenen Entstehungsprinzip (siehe dazu BSG, Urteil vom 14.072004, – B 12 KR 7/04 R – m.w.N.) ist nicht abzuleiten, dass die Beschäftigung von Bewohnern des Ghettos Schaulen, also auch die des Ehemannes der Klägerin, als entgeltliche und damit auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bewerten ist. Das Entstehungsprinzip gilt zwar für die Feststellung der Versicherungspflicht (Überschreiten der Grenzen einer versicherungsfreien Beschäftigung) und die Beitragshöhe. Es stellt für die Entstehung, den Fortbestand und die Berechnung einer Beitragsforderung nicht auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt, sondern auf die Höhe des Arbeitsentgelts ab, auf das dem Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch zusteht (siehe dazu BSG, Urteil vom 14.07.2004, – B 12 KR 7/04 R – m.w.N.). Aus dem Entstehungsprinzip lässt aber keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines freien Beschäftigungsverhältnisses zu (LSG NRW, Urteil vom 12.05.2006, – L 4 RJ 123/04 -; Urteil vom 30.10.2005, – L 3 R 138/06 -). Denn es setzt das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund von arbeitsvertraglichen Beziehungen sowie einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt voraus und regelt die Folgen einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Arbeitgeber im Beitragsrecht (siehe Seewald in Kasseler Kommentar, § 4 SGB VI Rz. 50 ff, 56; BSG, Urteil vom 14.07.2004, – B 12 KR 7/04 R -;).
V.
Die Erfüllungsfiktion des 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VI greift zu Gunsten der Klägerin nicht ein. Danach gilt die allgemeine Wartezeit als erfüllt für einen Anspruch auf Hinterbliebenenrenten, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat. Der Ehemann der Klägerin erhielt von einem deutschen Rentenversicherungsträger bis zum Tod keine Rente.
VI.
Da keine Beitragszeiten glaubhaft gemacht worden sind, können wegen Fehlens der Versicherteneigenschaft keine Ersatzzeiten zur Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt werden. Selbst wenn das Vorliegen einer Beitragszeit nach den Vorschriften des ZRBG als gegeben angesehen wird, sind die Voraussetzungen einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht gegeben. Denn § 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI schützt nur die Situation, die zu Beginn der Verfolgungszeit bestand und die ohne die Verfolgungsmaßnahmen fortgedauert hätte. Da der Ehemann der Klägerin nicht dem dSK angehörte, hätte er – ohne die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen – keine Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG, die vom deutschen Rentenversicherungsträger zu berücksichtigen wären, in Litauen erwerben können. Denn er gehörte nicht dem durch das FRG erfassten Personenkreis an (siehe BSG, Urteil vom 08.09.2005, – B 13 RJ 20/05 R -). Das ZRBG enthält keine Bestimmungen, welche die Regelung des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, insbesondere die geforderte Kausalität zwischen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahme und Schaden in der Rente, ergänzen oder ändern (a.A. SG Hamburg, Urteil vom 09.02.2006, – S 9 R 896/06 -, Urteil vom 02.05.2006, – S 20 RJ 611/04 -; Urteil vom 03.05.2006, – S 10 RJ 944/03 -).
VII.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind nicht geboten. Der Sachverhalt ist hinreichend geklärt. Der Senat verfügt unter Berücksichtigung der vom Senat vertretenen Auslegung des Begriffs einer " freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigung" und der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG sowie nach Auswertung der beigezogenen Dokumente und den beigezogenen Abhandlungen mehrerer Historiker über die Verhältnisse in Litauen bzw. im Ghetto Schaulen über eigene Sachkunde, um Feststellungen über die Verhältnisse in Schaulen in den Jahren 1941 bis 1942 treffen und ihre rechtliche Relevanz beurteilen zu können. Die Beiziehung der im Beweisantrag zu 1) aufgeführten Unterlagen zur Belegung der Tatsache des "Kampfes der Ghettobewohner um Arbeitskarten und Arbeitsplätzen" ist nicht erforderlich gewesen, da der Senat bei der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes davon ausgeht, dass die Innehabung eines Arbeitsplatzes von den Ghettobewohnern begehrt war und unterstellt, dass der Ehemann der Klägerin ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit zur Beschäftigungsaufnahme hatte. Der Senat hat sich auch nicht gedrängt gefühlt, entsprechend den Beweisanträgen zu 2) bis zu 4) weitere Unterlagen bzw. ein weiteres Gutachten des Historikers Dr. Tauber beizuziehen. Denn zum einen zielen die Beweisanträge zu 2) bis zu 4), die zur Feststellung der Entgeltlichkeit der Beschäftigung der Bewohner des Ghettos Schaulen dienen sollen, nicht auf die Feststellung bestimmter Tatsachen ab. Zum anderen ist die Frage, ob die Beschäftigung des Ehemannes der Klägerin i. S. v. § 1 ZRBG "gegen Entgelt ausgeübt wurde", nicht entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1SGG zugelassen, weil der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Erstellt am: 17.01.2007
Zuletzt verändert am: 17.01.2007