Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.04.2003 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner für die Zeit vor dem 01.01.1995.
Der am 00.00.1928 geborene Kläger wurde im Februar 1953 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Bis März 1954 war er als Gedingeschlepper auf der Zeche L tätig. Sodann war er ab März 1954 bis Dezember 1958 für die Firma U Schachtbau GmbH auf deren Außenstelle in England als Gedingeschlepper bzw. Lehrhauer tätig. Am 01.01.1959 wurde er von der Firma U in das Angestelltenverhältnis übernommen und bis Dezember 1965 auf deren Außenstelle in England als Fahrhauer, ab Januar 1966 bis Dezember 1978 auf deren Außenstelle in England als Steiger und ab Januar 1979 bis August 1980 bei deren Tochtergesellschaft in den USA als technischer Angestellter beschäftigt.
Er war sodann weiterhin von September 1980 bis Juli 1988 als Ingenieur in Großbritannien beschäftigt. Im Juli 1988 erkrankte er arbeitsunfähig. Ab Februar 1989 bezieht er eine Betriebsrente aus Großbritannien. Er wurde weiterhin als Mitglied der National Health Insurance im Rahmen der Social Security in Großbritannien versichert.
Am 26.04.1989 beantragte der unter Angabe seines britischen Wohnsitzes durch seine in Dortmund ansässige Bevollmächtigte die Gewährung von Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Er benannte als ihn behandelnden Arzt einen Mediziner in Großbritannien und gab an, im Rahmen der Social Security der National Health Insurance in Großbritannien anzugehören. Am 12.06.1989 beantragte er gleichfalls unter Angabe seines Wohnsitzes in Großbritannien über seine Bevollmächtigte in der Bundesrepublik die Gewährung von Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in Großbritannien versichert. Am 16.08.1989 sprach er persönlich bei der Beklagten vor und teilte mit, er habe seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik verlegt. Dazu legte er eine Anmeldebestätigung des Samtgemeindedirektors der Samtgemeinde G/Niedersachsen vom 06.06.1989 vor, demnach er am 29.05.1989 in eine Wohnung in der A 00, C/Ortsteil P, eingezogen sei. Mit Schreiben vom 29.08.1989 meldete sich seine Bevollmächtigte bei der Beklagten, "da Herr L jetzt wieder in der BRD wohnt, überreiche ich … Herr L hat immer noch keine Krankenscheine erhalten. Ich beantrage einen Rentenvorschuss."
Die Beklagte gewährte Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit vom 01.01.1989 an. Der Versicherungsfall sei im Juli 1988 eingetreten. Der Kläger unterliege der Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner. Dem örtlichen Rentenbetrag sei ein Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag hinzuzuzahlen sowie ein Krankenversicherungsbeitrag abzuziehen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Am 23.09.1991 beantragte er unter Angabe seines deutschen Wohnsitzes über seine Bevollmächtigte ab 01.12.1991 statt der bisherigen Rente die Gewährung von Knappschaftsruhegeld bei Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Beklagte gewährte vom 01.12.1991 an Knappschaftsruhegeld. Es wurde weiterhin von der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner ausgegangen und ein entsprechender Krankenversicherungsbeitrag vom monatlichen Rentenbetrag abgezogen.
Im Rahmen von Angaben zur Überprüfung der Familienversicherung, gerichtet an die deutsche Wohnanschrift des Klägers, teilte dieser der Beklagten am 12.02.1999 mit, seinen Wohnsitz in Spanien zu haben. Daraufhin stellte die Beklagte das Ende der Beitragspflicht in der knappschaftlichen Krankenversicherung sowie Pflegeversicherung mit dem 11.02.1999 fest und erstattete dem Kläger die für die Zeit vom 12.02. bis 30.04.1999 bereits entrichteten Beiträge. Mit weiteren Bescheiden vom 20.09.1999 und 24.02.2000 beendete die Beklagte nach erfolgter weiterer Sachaufklärung die Mitgliedschaft des Klägers in der knappschaftlichen Krankenversicherung der Rentner rückwirkend mit dem 30.04.1999 und erklärte sie sich bereit, die ab 01.05.1999 entrichteten Beiträge zu erstatten. Der darüber hinaus aufrecht erhaltene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2000 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Dortmund (SG) Klage erhoben. Die Beklagte erklärte sich vergleichsweise bereit, unter Berufung auf die Verjährungsvorschriften, ausgehend vom Zeitpunkt der Antragstellung, die von dem Kläger tatsächlich getragenen Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner und zur sozialen Pflegeversicherung zu erstatten. Der Erstattungszeitraum erfasse ausgehend von der Antragstellung im Kalenderjahr 1999 die Zeit vom 01.1995 bis 30.04.1999. Ein Erstattungsanspruch für die Zeit vor dem 01.10.1995 sei verjährt. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab.
Mit Urteil vom 30.04.2003 verurteilte das SG die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide dazu, die in der Zeit vom 01.01.1995 bis 30.04.1999 gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung zu erstatten. Ein weitergehender Anspruch auf Beitragserstattung sei nicht gegeben. Die Beklagte habe sich auf Verjährung berufen. Nach § 27 Abs. 2 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) verjähre der Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichterer Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge sei erstmals im Jahre 1999 beantragt worden.
Zur Begründung der Berufung führt der Kläger aus: Seit 1953 habe er nicht mehr in Deutschland gewohnt. Im Jahre 1989 habe ihm die britische Social Security seine Mitgliedschaft in der britschen Krankenversicherung bestätigt. An der Erhebung der Einrede der Verjährung sei die Beklagte durch die durch das Vergleichsangebot zugestandene falsche Rechtsauffassung in der Vergangenheit zur Frage seiner Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner gehindert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.04.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner für die Zeit vor dem 01.01.1995 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts. Der Kläger habe durch sein eigenes Verhalten ab 16.08.1989 ihr gegenüber den Eindruck erweckt, seinen Wohnsitz in der Gemeinde G mit der Anschrift A 00, C, zu haben. Diese Anschrift habe er auch sodann im Rechtsverkehr benutzt.
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Beklagte nur zur Erstattung der in der Zeit vom 01.01.1995 bis 30.04.1999 gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung verurteilt. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner für die Zeit vor dem 01.01.1995 steht der Beklagten die Verjährungseinrede zu. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (BSG IV) verjährt der Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Für die bis zum 31.12.1994 entrichteten Beiträge trat Verjährung mit Ablauf des 31.12.1998 ein.
Obwohl nach § 27 Abs. 3 SGB IV mit Wirkung vom 01.01.2002 im Hinblick auf die Neuregelung des Verjährungsrechtes im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) durch Artikel 6 Nr. 3 hüttenknappschaftliches Zusatzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz (HZvNG) vom 21.06.2002 (BGBl. I 2167) für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung sinngemäß auf die Vorschriften des BGB verwiesen wird, braucht hier über die Frage der Fortgeltung alten Rechts bzw. übergangsrechtlicher Vorschriften nicht entschieden werden, da bereits die Vorgängervorschrift mit Wirkung ab 01.01.1983 für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung auf die sinngemäße Geltung der Vorschriften des BGB verwiesen hat. Die für die Dauer der Verjährung maßgebliche Regelung des § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV hat keine Änderung erfahren. Auch sind weder Hemmung, die Unterbrechung bzw. Ablaufhemmung oder der Neubeginn noch die Wirkung der Verjährung im Streit. Die Wirkung der Verjährung bewirkt nach ihrem Eintritt ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 214 Abs. 1 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, die mit der Vorläufervorschrift § 222 BGB inhaltlich unverändert übereinstimmt; vgl. Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Auflage, § 214 Randnr. 1).
Die Verjährungseinrede der Beklagten ist zulässig. Von der Verjährungseinrede wäre nur dann abzusehen, wenn die Beitragsentrichtung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der Beklagten oder der Einzugsstelle beruhte (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 26.06.1986, 7 RAr 121/84, USK 86104). Zur Überzeugung des Senats ist die Beklagte nicht gehalten, von der Verjährungseinrede abzusehen. Die Beitragsentrichtung ab Beginn der Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit am 01.01.1989 beruht alleine auf den Angaben des Klägers gegenüber der Beklagten. Der Kläger hat durch seine seinerzeitige Bevollmächtigte unter dem 29.08.1989 schriftlich ausdrücklich erklärt, jetzt wieder in der BRD zu wohnen. Darüber hinaus hat er in diesem Schreiben nachgefragt, warum er noch keine Krankenscheine erhalten habe. Vor diesem Hintergrund durfte die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger auch tatsächlich seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Die Erhebung der Verjährungseinrede stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Kläger in irgendeiner Form veranlasst hat, eine Wohnanschrift in der Bundesrepublik Deutschland zu nennen oder seinen Wohnsitz hier zu nehmen, finden sich nicht.
Die Beklagte hat über die Erhebung der Verjährungseinrede nach ihrem Ermessen zu entscheiden (BSG, Urteil vom 26.03.1987, 11 a RLw 3/86 = SozR 1200 § 39 Nr. 5, m.w.N.). Auf pflichtgemäße Ermessensausübung besteht ein Anspruch (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB I). Dabei beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung nur auf die Rechtskontrolle. Es findet grundsätzlich keine Überprüfung der Zweckmäßigkeit statt. Das Gericht prüft, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist und ob der Kläger durch Ermessensfehler beschwert ist (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 54, Randnr. 29). Die Beklagte konnte nicht erkennen, dass die Voraussetzungen der KVdR nicht erfüllt waren, zumal der Kläger anlässlich der Ummeldung ausdrücklich über den seinerzeitigen Beistand Krankenversicherungsscheine von der Bundesknappschaft angefordert hat, so dass die Beklagte davon ausgehen musste, er nehme die Leistungen der KVdR in Anspruch. In einer solchen Situation, in der die unrichtigen Angaben des Klägers die KVdR begründeten und die Beklagte dies nicht anders sehen konnte, ist es ermessensfehlerfrei, wenn sich die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum auf Verjährung berufen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 17.01.2007
Zuletzt verändert am: 17.01.2007