Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.11.2005 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2004 verurteilt, an den Kläger 8.930,- Euro zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Kostenerstattungsanspruch für eine selbstbeschaffte Behandlung in Basel, den der Kläger als Rechtsnachfolger seiner am 26.08.2004 verstorbenen Ehefrau weiterverfolgt.
Die 1950 geborene Versicherte litt an einem hepatisch metastasierten neuroendokrinen Pankreas-Tumor. Sie wurde deswegen im Mai 1999 operativ behandelt, wobei auch eine Lebertransplantation durchgeführt wurde. Im Januar 2002 wurde ein neuer Tumor diagnostiziert und operativ entfernt. Im August 2003 fand sich bei einer Untersuchung mittels Positronen-Emissions-Tomographie des ganzen Körpers mittels simultaner CT-Coregistrierung mittels 68-Gallium DOTATOC der Nachweis eines multiplen abdominellen Rezidivs und einer hepatischen, pulmonalen und ossären Metastasierung (Arztbrief der Klinik für Nuklearmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover vom 04.08.2003). Bei allen Herden handelte es sich um Tumore mit einer starken Somatostatin (SMS)-Rezeptor-Expression.
Die Versicherte beantragte am 16.09.2003 mit einem Schreiben der Klinik für Allgemein- und Transplantations-Chirurgie des Universitäts-Klinikums F vom gleichen Tage die Gewährung einer systemischen DOTATOC-Therapie. Bei dieser Behandlung wird ein Radionuklid mit einem SMS-Analogon (90-Yttrium DOTATOC) verbunden, so dass das Radionuklid an den Tumor mit dem SMS-Rezeptor gelangt, wo eine gezielte Bestrahlung erfolgt. Die Klinik für Allgemein- und Transplantations-Chriurgie führte aus, die einzige erfolgversprechende Therapie, die bei diesem Tumor in dem Metastasierungsstadium und unter dem Nachweis der SMS-Rezeptor-Expression zur Verfügung stehe, sei eine systemische DOTATOC-Therapie. Diese Behandlung sei zur Zeit in Deutschland nicht möglich, könne jedoch an der Universitätsklinik im L-spital Basel durchgeführt werden. Für die Patientin, die sich in einem exzellenten Allgemeinzustand befinde, solle diese einzig mögliche Therapie genutzt werden. Mit Bescheid vom 22.09.2003 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für die DOTATOC-Therapie ab, da diese nicht dem allgemein aner-kannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche und vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss) von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sei. Zugleich wies sie in dem Schreiben auf schulmedizinisch anerkannte Behandlungsalternativen hin.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass zum einen die alternative Behandlungsmethode einer Chemotherapie wegen der Lebertransplantation ausgeschlossen sei. Mit den anderen genannten Methoden lasse sich das Tumor-Wachstum nicht beeinflussen. Die Versicherte, die sich vom 13. bis 15.10.2003 in Basel einer Behandlung unterzogen hatte, übersandte im weiteren ein "chirurgisch-onkologisches Kurzgutachten" der leitenden Oberärztin der Klinik für Allgemein- und Transplantations-Chirurgie des Universitätsklinikums F, Prof. Dr. G, die erneut ausführte, aufgrund des massiven metastasierten Tumorbefalls und der daraus resultierenden deutlichen klinischen Symptomatik mit starker Beeinträchtigung der Lebensqualität sei bei der Versicherten dringend eine effektive systemische Therapie indiziert. Eine systemische Behandlung mit Octreotid sei bereits durchgeführt worden und habe offenbar keinen wesentlichen Erfolg herbeiführen können. Die Erfahrungen mit einer systemischen Chemotherapie beim metastasierten Karzinoid beruhten auf geringen Fallzahlen und zeigten übereinstimmend eine sehr geringe Ansprechrate. SMS-rezeptorreiche neuroendokrine Tumore eigneten sich für den therapeutischen Angriff mittels eines Radiopharmakons. Diese Therapieform sei aktuell nur in einzelnen Zentren verfügbar und zeige Ansprechraten von 25 bis 60 %. Die Ergebnisse der ersten Nachuntersuchungen bei der Versicherten zeigten eine deutliche Rückbildung des Aszites (Ansammlung von Flüssigkeit im freien Bauchraum), so dass von einem guten Tumoransprechen auszugehen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2004 wies die Beklagten den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass die systemische DOTATOC-Therapie keine Behandlungsmethode sei, die als zugelassene Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden dürfe.
Zur Begründung der am 09.02.2004 erhobenen Klage hat die Versicherte vorgetragen, ihr sei die DOTATOC-Therapie von Prof. Dr. G empfohlen worden, da eine neue Operation nach Wiederauftreten des neuroendokrinen Tumors nicht mehr möglich gewesen sei. Es handele sich um die einzige Therapieform, die in ihrem Falle eine positive Wirkung verspreche. Wegen der Lebertransplantation sei eine Chemotherapie für sie ausgeschlossen. Mit einer systemischen Behandlung mit Somatostatin und Diuretika sei keine effektive Problembeseitigung erreicht worden. Die streitbefangene Therapie werde am Kantonspital Basel seit Herbst 1996 durchgeführt, seither seien 600 Patienten erfolgreich behandelt worden. Das verwendete Radiopharmakon werde als Hausspezialität hergestellt und sei von daher nicht zulassungspflichtig. Kontrollierte Studien seien bei neuroendokrinen Tumoren wegen der extrem niedrigen Inzidenz von einer Erkrankung auf 100.000 bis 200.000 Personen pro Jahr nicht möglich, so dass auf die Ergebnisse der einzelnen Zentren abgestellt werden müsse, die eine Ansprechrate von 80 % zeigten. Ihr sei erst nachträglich bekannt geworden, dass die Behandlung auch in Deutschland von Prof. Dr. C in Bad C durchgeführt werde.
Die Versicherte hat sich vom 26.4. – 28.4.2004 ein zweites Mal im L-spital Basel einer DOTATOC-Behandlung unterzogen. Die ihr entstandenen Kosten für die Behandlung in Basel haben die Versicherte bzw. der Kläger mit 8.930,- Euro beziffert.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass die streitige Behandlung noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Behandlung von neuroendokrinen Tumoren entspreche und sich noch in der Phase der klinischen Prüfung befinde. Ferner werde ein Radiopharmakon eingesetzt, das zulassungspflichtig sei. Eine Zulassung existiere bisher in keinem Land, so dass das Arzneimittel nicht verkehrsfähig sei und aus arzneimittelrechtlichen Gründen außerhalb kontrollierter Studien nicht eingesetzt werden könne. Einem Leistungsanspruch stehe auch die Regelung des § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entgegen, da neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden so lange nicht zum Leistungskatalog der GKV zählten, bis der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sie positiv beurteilt habe. Da es sich nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Methode handele, habe sie die Kosten für die Auslandsbehandlung nicht zu übernehmen. Die Beklagte hat sich insoweit auf Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 21.06.2002 (Dr. S) und vom 17.09.2004 (Dr. I) gestützt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Das SG hat Berichte von Prof. K N (Universitätsklinik und -institut für Nuklearmedizin L-spital Basel) vom 29.06.2004 und Prof. Dr. G vom 09.07.2004 zur Behandlung der Versicherten eingeholt; auf die genannten Berichte wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 15.11.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Leistungsanspruch der Versicherten auf die DOTATOC-Therapie habe deshalb nicht bestanden, weil es sowohl an der erforderlichen arzneimittelrechtlichen Zulassung des Radiopharmakons als auch an einer positiven Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gefehlt habe.
Gegen das ihm am 12.01.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.01.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung habe ein Leistungsanspruch bestanden, da eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen habe, für die eine Standard-Therapie nicht zur Verfügung gestanden habe. Die DOTATOC-Therapie habe auch eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gehabt. Der Kläger hat ferner bestätigt, dass die Versicherte keine Kenntnis von einer inländischen Behandlungsalternative gehabt habe. Sie sei selbstverständlich nach entsprechendem Hinweis bereit gewesen, sich auch im Inland behandeln zu lassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Düsseldorf vom 15.11.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2004 zu verurteilen, ihm 8.930,- Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, eine Leistungspflicht für die Behandlung in Basel scheide schon deshalb aus, weil bereits im Jahre 2003 die Radiopetid-Therapie in Deutschland in drei Kliniken in Bad C, Marburg und München angeboten worden sei. Ferner hält sie an ihrer Auffassung fest, dass selbst unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG kein Leistungsanspruch bestehe, weil die streitige Therapie nicht dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspreche. Auf das von ihr dazu vorgelegte Gutachten von Dr. S vom 26.10.2006 wird Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg, denn das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, denn die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, der Versicherten die DOTATOC-Therapie zu gewähren.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für die von der Versicherten vom 13.10. bis 15.10.2003 bzw. 26.04. bis 28.04.2004 selbst beschaffte stationäre Behandlung im Kantonspital Basel ist § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alternative Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ((SGB V) in der Fassung ab 01.07.2001). Nach dieser Vorschrift ist eine Krankenkasse dann, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, zur Erstattung dieser Kosten in der entstandenen Höhe verpflichtet, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist als Rechtsnachfolger der verstorbenen Versicherten berechtigt, den der Versicherten zu Lebzeiten zustehenden Kostenerstattungsanspruch weiter zu verfolgen (§ 58 Erstes Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch).
Hinsichtlich der Behandlung in Basel im April 2004 fehlt es nicht an der erforderlichen Kausalität zwischen der Entstehung der Kosten und der ablehnenden Entscheidung. Die Versicherte hatte zwar vor diesem Behandlungszyklus keinen weiteren Antrag gestellt. Da aber die DOTATOC-Therapie grundsätzlich wiederholt werden muss und aus medizinischen Gründen mindestens zwei Therapien durchgeführt werden (Bericht Prof. N), umfasste der von der Beklagten abgelehnte Antrag der Versicherten von September 2003 bereits auch die Wiederholungsbehandlung.
Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid ihre Leistungspflicht für die DOTATOC-Therapie grundsätzlich verneint. Damit hat sie es zu Unrecht abgelehnt, der Versicherten die beantragte Behandlung als stationäre Behandlung in der Bundesrepublik zur Verfügung zu stellen. Zwar hatte die Versicherte eine Behandlung im L-spital Basel beantragt, die nur unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 SGB V (hinsichtlich des Behandlungsabschnitts im Oktober 2003 in der Fassung des 31.12.2003, hinsichtlich der im April 2004 durchgeführten Behandlung in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes) beansprucht werden konnte, so dass tatsächlich zu prüfen gewesen wäre, ob die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Jedoch war der Antrag bei interessegemäßer Auslegung darauf gerichtet, die DOTATOC-Therapie unabhängig vom Ort der Erbringung als Kassenleistung zu erhalten. Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 5/05 R). Der Versicherten waren offensichtlich die nach dem MDK-Gutachten von Dr. S vom 26.10.2006 im Inland bestehenden Behandlungsmöglichkeiten nicht bekannt. In dem ihren Antrag begründenden Schreiben der Klinik für Allgemein- und Transplantations-Chirurgie des Universität-Klinikums F vom 16.09.2003 wird auch ausdrücklich betont, dass diese Behandlung im Inland nicht möglich sei. Nur deshalb hat die Versicherte in ihrem Antrag die Behandlung in Basel genannt, ohne dass sich daraus ableiten ließe, sie habe nur dort behandelt werden wollen. Der Kläger hat im Erörterungstermin vom 06.12.2006 seine schon vor dem Sozialgericht abgegebene Aussage bekräftigt, dass den Eheleuten erst nachträglich die Behandlungsalternative in Bad C bekannt geworden sei. Gleichzeitig hat er betont, dass die Versicherte selbstverständlich bereit gewesen wäre, eine ihr benannte Klinik im Inland aufzusuchen. Diese Angabe ist glaubhaft.
Ausgehend von dem dargestellten Inhalt des Antrags der Versicherten, die DOTATOC-Therapie entweder im Inland oder im Ausland zu erhalten, hat es die Beklagte rechtswidrig umfassend abgelehnt, diese Behandlung zu gewähren. Eine stationäre Behandlung (§ 39 Abs. 1 SGB V) im Inland konnte die Versicherte beanspruchen. Die Beklagte und ihr folgend das Sozialgericht haben zu Unrecht einen Leistungsanspruch wegen der angeblich entgegenstehenden Regelung des § 135 Abs. 1 SGB V wegen der fehlenden Anerkennung der Methode durch den (früheren) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen verneint. Dabei haben sie übersehen, dass diese Vorschriften nur für ambulante Behandlungen gilt. In Frage stand aber ausschließlich eine stationäre Behandlung. Eine Therapie mit radioaktiven Arzneimitteln darf aus strahlenschutzrechtlichen Gründen nur während eines mindestens 48stündigen stationären Aufenthalts erfolgen (Gutachten Dr. I, auch Dr. S weist in ihrem Gutachten vom 21.06.2002 auf die strahlenschutzrechtlichen Bestimmungen hin; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 8); hierauf beruht die "Erforderlichkeit" der Behandlung im Krankenhaus.
Eine fehlende Anerkennung der Methode steht deren Inanspruchnahme im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht entgegen. Nach geltendem Recht bestehen nämlich für die Leistungserbringung im ambulanten und stationären Bereich grundsätzliche rechtliche Unterschiede. Während für die ambulante Versorgung nach § 135 Abs. 1 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, so dass neue Behandlungsmethoden erst dann vom Leistungskatalog der GKV umfasst sind, wenn sie der Bundesausschuss positiv bewertet hat, bedürfen nach § 137c SGB V neuartige Behandlungsmethoden im Krankenhaus keiner Anerkennung durch den Bundesausschuss. Sie sind nur dann ausgeschlossen, wenn der Bundesausschuss eine negative Stellungnahme abgegeben hat (BSG SozR 4-2500 § 137c Nr. 1; BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 12/05 R; Urteil vom 26.09.2006 – B 1 KR 3/06 R).
Daher war es unabhängig von der Frage, ob angesichts der Seltenheit von neuroendokrinen Tumoren überhaupt Studien von der offenbar vom MDK geforderten Qualität erstellt werden können, irrelevant, ob durch die vorliegenden Studien Qualität und Wirksamkeit der DOTATOC-Therapie wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen sind, da im stationären Bereich nach der geschilderten Gesetzeslage auch "unerprobte" Behandlungsmethoden eingesetzt werden dürfen. Ebenso lag der Hinweis auf die vermeintlich fehlende arzneimittelrechtliche Zulassung des verwendeten Radiopharmakons neben der Sache, da eine Zulassung nur für Fertigarzneimittel erforderlich ist (§ 21 Abs. 1 i.V. m. § 2 Abs. 1, 2 Arzneimittelgesetz (AMG)). Für die "In-house"-Herstellung in der Klinik (siehe Bericht Prof. N) war eine arzneimittelrechtliche Zulassung nicht erforderlich (und die für die Behandlung mit einem Rezepturarzneimittel erforderliche positive Bewertung durch den Bundesausschuss, vgl. BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 5, gilt nur für den ambulanten Bereich).
Die Beklagte wäre nach alledem verpflichtet gewesen, der Versicherten eine stationäre Behandlung in einer der jetzt genannten Kliniken im Inland anzubieten. Da sie statt dessen ihre Leistungspflicht für eine DOTATOC-Therapie grundsätzlich verneint hat, war die Versicherte gezwungen, sich die Leistung selbst zu beschaffen. Sie durfte das ihr offenbar von ihren behandelnden Ärzten des Universitätsklinikums F empfohlene L-spital in Basel aufsuchen. Die ihr hierfür entstandenen Kosten in Höhe von 8.930,- Euro, die durch Vorlage der Rechnungen des L-spitals bzw. der Kontoauszüge nachgewiesen sind, hat die Beklagte in voller Höhe zu erstatten (wobei die Versicherte sogar davon abgesehen hat, die ihr zustehenden Fahrkosten, § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, geltend zu machen). Ob bei einer Behandlung im Inland geringere Kosten angefallen wären, ist für die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs ohne Belang. Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V sind dem Versicherten die durch die rechtswidrige Ablehnung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Versicherte höhere Beträge aufwenden musste, als die Krankenkasse für die Sachleistung hätte bezahlen müssen (vgl. KassKomm-Höfler, § 13 SGB V Rd.-Nr. 12). Nach dem Bericht von Prof. N, wonach die Entwicklung der Therapie ausschließlich über Drittmittel erfolgt und nur die effektiven Kosten für den Aufenthalt und das Isotop in Rechnung gestellt werden, erscheint es auch ausgeschlossen, dass die Versicherte unter Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 Abs. 1 SGB V) eine unangemessen teure Behandlungsalternative gewählt hat.
Bei dieser Sachlage braucht nicht entschieden werden, ob nicht (auch) grundsätzlich der Versicherten nach den Grundsätzen des Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 (a.a.O.) und den hierzu vom BSG zur Umsetzung entwickelten Kriterien (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R "Tomudex"; Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 24/06 R "LITT") die streitige Leistung zustand. Insoweit ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Versicherte unzweifelhaft an einer unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung litt. Standard-Therapien standen in ihrem Fall nicht zur Verfügung (eine Chemotherapie war wegen der Lebertransplantation nicht erfolgversprechend, wenn nicht sogar kontraindiziert) bzw. bereits erfolglos angewendet worden (Behandlung mittels Octreotid). Die DOTATOC-Therapie bot nach der vorliegenden Studienlage zumindest eine im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach dem Gutachten von G S vom 21.06.2002 existierte die beste Datenlage für das verwendete Radiopharmakon (Y-90-DOTATOC); danach konnte bei 80 % der Patienten mit metastasierten SMS-Rezeptor positiven Tumoren das Tumorwachstum günstig beeinflusst werden. In dem Gutachten vom 04.10.2006 führt sie eine 2006 publizierte Studie zur Behandlung von 116 Patienten mit metastasierten neuroendokrinen Tumoren auf, die diese Ansprechrate bestätigt. Danach fand sich bei 27 % der Patienten eine vollständige oder teilweise Remission und bei weiteren 62 % der Patienten blieb der Zustand zumindest stabil. Auch die individuelle Prognose für die Behandlung war bei der Versicherten wegen der hohen SMS-Rezeptor Expression aller Herde positiv;diese Prognose wird durch die Angabe in den Berichten von Prof. Dr. G und Prof. N bestätigt, wonach zumindest eine Linderung der Beschwerden (deutliche Konsolidierung der Aszites-Bildung) erreicht werden konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 19.03.2007
Zuletzt verändert am: 19.03.2007