Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Soialgerichts Detmold vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte ein Ereignis vom 20. April 2005 als Arbeitsunfall anerkennen muss.
Der im September 2002 geborene Kläger lebte seinerzeit mit seinen Eltern auf dem Ferienhof, den sein Großvater in Q betrieb (Urlaub auf dem Bauernhof). Am Unfalltag mähte der Onkel des Klägers die Spiel- und Liegewiese des Ferienhofes mit einem Aufsitzrasenmäher, erfasste den Kläger beim Rückwärtsfahren und schnitt ihm dabei vier Zehen des rechten Fußes ab.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 16. Juni 2005 ab, dieses Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Leistungen zu gewähren, weil er im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Denn er sei weder Angestellter des Ferienhofes noch selbst Unternehmer gewesen. Dagegen erhob der Kläger am 05. Juli 2005 Widerspruch und berief sich auf § 57 Abs. 1 Buchstabe f der Satzung der Beklagten, wonach auch Familienangehörige unfallversichert sind, die im Interesse des Versicherten die Stätte des Unternehmens im Auftrag oder mit Zustimmung des Unternehmers aufsuchen oder auf ihr verkehren. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Es sei nicht erkennbar, dass sich der Kläger während des Rasenmähens im betrieblichen Interesse des Unternehmers auf der Spiel- und Liegewiese aufgehalten habe. Vielmehr sei bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass er dem Rasenmäher aufgrund seines Spieltriebs gefolgt sei.
Dagegen hat der Kläger am 24. Oktober 2005 vor dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben und behauptet, er habe sich im Interesse des Versicherten auf dem Ferienhofgelände aufgehalten, weil er mit seinen Eltern dort gewohnt habe.
Mit Urteil vom 25. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger sei im Unfallzeitpunkt nicht versichert gewesen. Versicherungsschutz könne er auch nicht aus § 57 Abs. 1 Buchstabe f der Satzung herleiten, weil er sich nicht im Interesse des Versicherten auf der Unternehmensstätte aufgehalten habe. Hierbei müsse es sich um ein betriebliches oder dem Unternehmen dienendes Interesse handeln. Der Kläger sei aber im Unfallzeitpunkt schon aufgrund seines Alters gar nicht in der Lage gewesen, für den Ferienhof eine ernsthafte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert zu leisten. Zwar sei der Vater des Klägers als Privatperson daran interessiert, dass sich sein Sohn in seiner Umgebung aufhalte. In der gesetzlichen Unfallversicherung sei er aber nur in seiner Eigenschaft als Ferienhofunternehmer und nicht als Privatperson versichert. Aus der Formulierung "im Interesse des Versicherten" sei zu schließen, dass die Beklagte den Familienangehörigen des Versicherten keinen umfassenden Versicherungsschutz gewährleisten wollte.
Nach Zustellung am 12. Mai 2006 hat der Kläger gegen dieses Urteil am 30. Mai 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, er habe sich auf dem Betriebsgelände in der Nähe seines versicherten Vaters aufgehalten und müsse wie dieser abgesichert sein, weil er denselben Gefahren ausgesetzt gewesen sei. Außerdem hat er eine E-Mail des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 19. Mai 2005 vorgelegt, wonach unternehmensfremde Dritte nur dann unfallversichert seien, wenn die Satzung der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) dies bestimme.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25. April 2006 zu ändern, den Bescheid vom 16. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass er am 20. April 2005 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Az.: 000) verwiesen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid vom 16. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2005 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) rechtmäßig ist und den Kläger nicht beschwert (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG), denn er hat am 20. April 2005 keinen Arbeitsunfall erlitten. Dass er im Berufungsverfahren von seinem ursprünglichen Entschädigungsantrag auf einen Feststellungsantrag übergegangen ist, stellt gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG keine Klageänderung dar und war deshalb zulässig (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2006, Az.: L 17 U 206/05; Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG-Kommentar, 7. Aufl. 2005, § 99 Rn. 4).
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Am Unfalltag kann der damals zweieinhalbjährige Kläger nur nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII i.V.m. § 57 Abs. 1 Buchstabe f) der Satzung der Beklagten unter Versicherungsschutz gestanden haben. Nach dieser Satzungsbestimmung sind Personen, die nicht im Unternehmen beschäftigt sind, aber als Familienangehörige im Interesse des Versicherten die Stätte des Unternehmens im Auftrag oder mit Zustimmung des Unternehmers aufsuchen oder auf ihr verkehren, während ihres Aufenthaltes auf der Stätte des Unternehmens gegen die ihnen hierbei zustoßenden Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten beitragsfrei versichert, soweit sie nicht schon nach anderen Vorschriften versichert sind (sog. Aufenthaltsversicherung). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil dem Kläger kein "Arbeitsunfall" zugestoßen ist, als er sich am Unfalltag auf der Betriebsstätte seines Großvaters aufhielt.
Für den Begriff des Arbeitsunfalls verweist der Satzungsgeber jedenfalls in § 49 der Satzung ausdrücklich auf die §§ 7 bis 12 SGB VII. Bei logisch-systematischer Auslegung ist davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch innerhalb einer Satzung einheitlich ist, d.h. dasselbe Wort innerhalb der Satzung dieselbe Bedeutung hat. Für den Begriff des Arbeitsunfalls ist daher auf § 8 Abs. 1 SGB VII zurückzugreifen. Dabei verweist § 57 Abs. 1 der Satzung nicht nur auf den Begriff des Unfalls in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (den der Kläger zweifellos erlitten hat), sondern fordert gleichzeitig auch die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (so der Begriff des "Arbeitsunfalls" in § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Folglich muss der Verunglückte im Zeitpunkt des Unfalls eine Tätigkeit verrichten, die mit dem Betrieb, auf dessen Gelände er sich aufhält, in einem (wie auch immer gearteten) sachlichen oder inneren Zusammenhang steht. Denn indem die Satzung in § 57 Abs. 1 auf den Begriff des Arbeitsunfalls Bezug nimmt, macht sie deutlich, dass die geschützte (und damit versicherte) Person in irgendeiner Weise aktiv, eben tätig, werden muss; der bloße (passive) Aufenthalt auf dem Betriebsgelände reicht allein nicht aus. Dies deckt sich mit dem erkennbaren Sinn und Zweck der Satzungsbestimmung. Denn § 57 Abs. 1 Buchstabe f) sollte offenkundig diejenigen Familienangehörigen schützen, die im Rahmen familienhafter Mithilfe gem. § 1619 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Geschäft ihrer Eltern Dienste leisten oder sonst im Rahmen bloßer Gefälligkeiten (außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses) aushelfen. Denn gerade im Gastgewerbe exisitieren viele Familienbetriebe, in denen Großeltern, Ehegatten, Brüder, Schwestern, Nichten und Neffen sowie die eigenen Kinder mit- und aushelfen, soweit dies ihren Kräften und ihrer Lebensstellung entspricht. Erfüllt ein (Haus-)Kind seine gesetzliche Dienstleistungspflicht nach § 1619 BGB oder arbeiten sonstige Familienangehörige im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses, so werden sie in der Regel weder als Beschäftigte noch als Wie-Beschäftigte tätig und sind folglich nicht nach § 2 Nr. 1, Abs. 2 SGB VII unfallversichert. Diese Lücke im Versicherungsschutz und in der Haftungsfreistellung des Unternehmers soll § 57 Abs. 1 Buchstabe f) schließen, indem es Kinder und andere mithelfende Familienangehörige in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (beitragsfrei) einbezieht.
Um zu vermeiden, dass der Unfallversicherungsschutz uferlos ausgedehnt wird (und im Zuständigkeitsbereich der Beklagten letztlich auch familienangehörge Gäste erfasst), muss auch hier – wie sonst im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung – ein innerer Zusammenhang zwischen der konkret zum Unfalll führenden Verrichtung und der eigentlich versicherten (weil unmittelbar betriebsdienlichen) "Kerntätigkeit" bestehen. Ob ein solcher Zurechnungszusammenhang besteht, ist im Rahmen einer Wertungsentscheidung zu beantworten. Im Rahmen dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG, Urteil vom 5. Mai 1994, Az: 2 RU 26/93, SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG, Urteile vom 21. August 1991, Az: 2 RU 62/90, SozR 3-2200 § 550 Nr. 4 und vom 24. März 1998, Az: B 2 U 4/97 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG, Urteil vom 31. Mai 1988, Az: 2/9b RU 16/87, SozR 2200 § 548 Nr. 90). Denn bei der Feststellung des inneren Zusammenhangs zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten und der versicherten Tätigkeit geht es um die Grenzen, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 20. Januar 1987, Az: 2 RU 27/86, SozR 2200 § 548 Nr. 84, vom 04. Juni 2002, Az: B 2 U 11/01 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 10 und vom 09. Dezember 2003, Az: B 2 U 52/02 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 2). Es ist wertend zu entscheiden, ob das Handeln der betreffenden Person zur versicherten Tätigkeit gehört. Hierzu ist eine wesentliche sachliche Verbindung der Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit erforderlich.
Ein zweieinhalbjähriges Kind ist aber noch gar nicht in der Lage, einen irgendwie gearteten unternehmesdienlichen Willen mit entsprechender Handlungstendenz zu bilden, geschweige denn umzusetzen. Der bloße Aufenthalt auf dem Betriebsgelände reicht nicht aus. Folglich hat der Kläger am 20. April 2005 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 21.02.2007
Zuletzt verändert am: 21.02.2007