Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12. November 2003 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 20.08.1999 als Arbeitsunfall.
Die am 00.00.1941 geborene und am 00.00.2005 verstorbene V C (VC) aus der Ukraine, Ehefrau des Klägers, der ihr Sonderrechtsnachfolger ist, wurde laut Bericht vom 01.09.1999 von Prof. Dr. H, Direktor der Neurochirurgischen Klinik der RWTH B, wo sie seit 21.08.1999 stationär behandelt und am 23.08.1999 wegen Schädelhirntrauma nach frontaler Kontusionsblutung links operiert worden war, am 21.08.1999 bewusstlos im Erbrochenen liegend aufgefunden. Der Transport ins Krankenhaus erfolgte um 7:25 Uhr.
VC befand sich laut Ermittlungsbericht des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 23.01.2001 – der aufgrund einer Ortsbesichtigung im Feuerwehrgerätehaus in B am 19.01.2001 unter Teilnahme u.a. von L T, dem Löschzugführer bis Mitte 1999, und seinem Sohn U T, der ihm als Löschzugführer nachgefolgt ist, erstattet worden ist – auf Einladung der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt B, Löschzug F, in Deutschland. Die Feuerwehr F führt seit 1984 Hilfstransporte nach Polen und ab 1990 in die Ukraine durch. Sie wird dabei finanziell unterstützt durch den später gegründeten Verein "Humanitäre Hilfe für Osteuropa e.V.", dessen Mitglieder im wesentlichen identisch mit denen der Feuerwehr (zuzügl. Angehörige) sind. VC war die Schwiegermutter des Zeugen U T. Für die Zeit ihres Aufenthaltes in Deutschland (seit 27.07.1999) hatte sie ebenso wie drei mit ihr angereiste Landsleute im Feuerwehrhaus gewohnt. Am 20.08.1999 habe sich VC, so der TAD-Bericht weiter, beim Sortieren und Verpacken von Hilfsgütern – wie die anderen Mitglieder der humanitären Aktion – an Reinigungs- und Aufräumarbeiten beteiligt. Um 21 Uhr sei sie bei dieser Tätigkeit gestolpert und zu Boden gefallen. Auf Nachfrage habe sie erklärt, dass es ihr wieder gut gehe und nichts passiert sei. Am nächsten Morgen um 6 Uhr sei sie bewusstlos im Bett aufgefunden worden.
Die Unfallanzeige des Löschzuges (Angabe: Treppensturz im Eingangsbereich um 06.00 Uhr) datiert vom 10.11.1999 und ist bei der Beklagten am 03.01.2000 eingegangen. Die klägerische Seite meint, VC sei für die Feuerwehr arbeitnehmerähnlich als Putzfrau tätig geworden.
Mit Bescheid vom 17.05.2001 und Widerspruchsbescheid vom 20.12.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen für VC mit der Begründung ab, dass Mitglieder und Helfer einer humanitären Hilfsaktion nicht versichert seien; es habe sich auch um keine feuerwehrtypische Tätigkeit gehandelt.
Auf die am 11.02.2002 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte am 12.11.2003 verurteilt, das Ereignis vom 21.08.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungsleistungen im gesetzlichen Umfang zu erbringen: VC habe im Unfallzeitpunkt den Flur des Feuerwehrgebäudes gereinigt; diese Tätigkeit habe der Feuerwehr ge-dient; ihre Handlungstendenz habe sich nicht etwa aus der Zweckbestimmung der humanitären Hilfsaktion ergeben; der Flur, der u.a. auch zu den Toiletten führe, sei vornehmlich durch den Dreck der Feuerwehrmitglieder verschmutzt gewesen.
Gegen das ihr am 16.12.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.01.2004 Berufung eingelegt: VC sei nicht berechtigt gewesen, in Deutschland zu arbeiten; sie habe Reinigungsarbeiten wie alle anderen Mitglieder der Hilfsaktion verrichtet und den Gütertransport unterstützen wollen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 12.11.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat eine Erklärung des Zeugen U T vom 13.04.2005 vorgelegt, wonach VC im Auftrag der Feuerwehr um Reinigungsarbeiten gebeten worden sei, und zwar in Ausübung eines Ehrenamtes.
Die Beklagte hat VC am 14.01.2005 von dem Chirurgen Dr. I und am 17.01.2005 von dem Neurologen Priv.Doz. Dr. O, beide aus L, untersuchen lassen. Unter Berücksichtigung des neurologischen Zusatzgutachtens ist Dr. I in seinem Gutachten vom 17.01.2005 zu dem Ergebnis gekommen, dass das Ereignis vom 21.08.1999 mit Wahrscheinlichkeit ursächlich für die noch bestehenden Verletzungen, insbesondere eine traumatische Hirnschädigung mit organisch-psychischen Störungen sowie links frontalem und rechts cerebellärem Substanzdefekt, gewesen sei und die Minderung der Erwerbsfähigkeit 90 v.H. betrage.
Weiter hat Beklagte einen Bericht ihres TAD vom 29.04.2005 vorgelegt, dem eine eingehende Ortsbeschreibung mit Bauzeichnungen und Fotos beigefügt ist; danach ist das Gebäude des Löschzuges F am 20.08.1999 ausschließlich für die diesjährige Aktion von Mitgliedern des Vereins "Humanitäre Hilfe für Osteuropa" benutzt worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2006 ist der Löschzugführer U T als Zeuge vernommen worden. Wegen seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG sie zur Anerkennung "des Ereignisses vom 21.08.1999" als Arbeitsunfall und Erbringung von Entschädigungsleistungen verurteilt. Ihr die Gewährung von Versicherungsschutz ablehnender Bescheid vom 17.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2001 ist nicht rechtswidrig. VC hat keinen Arbeitsunfall erlitten, weil sie nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war, selbst wenn unterstellt wird, dass der Zustand, in dem sie am 21.08.1999 um 6 Uhr aufgefunden worden ist, auf ein Stolpern am Abend vorher bei Putzarbeiten und nicht auf eine ohnehin arbeitsfremde Einwirkung zurückzuführen ist.
Die verstorbene Ehefrau des Klägers war nicht als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert, weil ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis nicht bestanden hat. Das nimmt auch der Kläger nicht an.
Entgegen der Auffassung des SG bestand aber auch kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter tätig werden. Diese Vorschrift erstreckt den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 05.07.2005, B 2 U 22/04 R, SozR 4-2700 § 2 Nr 6 m.w.N.).
Der glaubhaften Aussage des Zeugen T zufolge mag die Reinigung des Feuerwehrgebäudes durchaus auch den Interessen der freiwilligen Feuerwehr gedient und dem Willen des Unternehmers entsprochen haben. Allerdings ist nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigungsähnlich versichert. Von besonderer Bedeutung ist vielmehr die – mit dem objektiv arbeitnehmerähnlichen Verhalten verbundene – Handlungstendenz, die vom bloßem Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (vgl. BSG aaO m.w.N.). Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, tatsächlich wesentlich allein eigene Angelegenheiten, so ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig (BSG aaO m.w.N.). Insofern ist hier von maßgeblicher Bedeutung, dass VC zusammen mit drei Landsleuten im Feuerwehrhaus untergebracht war und daher ein erhebliches eigenes Interesse daran hatte, dass der Einsatzbereich aus Gründen der Ordnung, insbesondere aber auch der eigenen Sicherheit (Gefahr eines Ausrutschens), von Verunreinigung befreit wurde. Ihre Situation ähnelt eher der eines Mieters, der auf Grund vertraglicher Verpflichtungen den im Eigentum des Vermieters stehenden, auch von anderen benutzten Hausflur reinigt. Daraus folgt, dass sie mit den Reinigungsarbeiten wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten wahrnehmen wollte.
Wenn dem nicht zu folgen wäre, scheitert der Versicherungsschutz an einem anderen Grund. Arbeitnehmerähnlich sind auch nicht solche Verrichtungen, die wesentlich geprägt sind durch familiäre, lebenspartnerschaftliche, freundschaftliche, nachbarschaftliche oder mitgliedschaftrechtliche oder ähnliche Beziehungen (ständige Rechtssprechung des BSG, vgl. Urteil vom 21.08.1993, 2 RU 2/91, SozR 3-2200 § 539 Nr 18; Brackmann/Wiester, Handbuch der Sozialversicherung, 12. Aufl., § 2 SGB VII Rn. 850 ff). In diesem Zusammenhang ist hier von Bedeutung, dass VC zusammen mit drei Landsleuten seit geraumer Zeit kostenlos im Feuerwehrhaus untergebracht war. Daher war es geradezu "selbstverständlich", wie es der Zeuge T anschaulich ausgedrückt hat, dass sie Reinigungsarbeiten übernahm, zumal auch ein Teil des Schmutzes durch sie und die (übrigen) Helfer bei den Pack- und Sortierarbeiten – jedenfalls beim Besuch der Toilette – angefallen war, einem Unternehmen, das – wenn auch möglicherweise nicht unmittelbar ihr selbst – jedenfalls aber ihren Landsleuten in der Ukraine zugute kommen sollte. Es ist fernliegend anzunehmen, dass eine Person, die sich längere Zeit in einem fremden Haushalt, etwa einer Gastfamilie, aufhält, arbeitnehmerähnlich tätig wird, wenn sie sich an Hausarbeiten beteiligt. Die vorliegende Konstellation ist nicht anders zu beurteilen. Die durch ihren Schwiegersohn vermittelte kostenlose Unterbringung im Feuerwehrhaus verbunden mit den altruistischen Aktivitäten des Feuerwehrlöschzuges bzw. der Mitglieder des Vereins "Hilfe für Osteuropa e.V." kennzeichneten die Situation der VC und führen dazu, dass diese besonderen Beziehungen und Gegebenheiten der (unterstellt) unfallbringenden Verrichtung des Putzens das Gepräge gaben.
Angesichts dieser Umstände scheidet auch eine Zurechnung ihrer Tätigkeit zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII aus. Eine Tätigkeit zugunsten des Vereins "Humanitäre Hilfe für Osteuropa e.V." wäre dieser Vorschrift ohnehin nicht zuzuordnen, weil es sich bei diesem Verein nicht um eine Institution im Sinne dieser Vorschrift handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 21.02.2007
Zuletzt verändert am: 21.02.2007