PKH Antrag abgelehnt
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.11.2005 wird als unzulässig verworfen. Die Klage vom 19.02.2007 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Untätigkeitsklage des Klägers nach § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Mit Bescheid vom 17.11.2004 bewilligte die Agentur für Arbeit E dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Arbeitslosengeld II – Alg II -) nach §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 20 ff. Sozialgesetzbuch 2. Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für die Zeit vom 01.01. – 30.06.2005 i. H. v. monatlich 570,60 EUR.
Mit Widerspruch vom 01.12.2004 (Schriftsätze vom 29.11.2004, 11.01., 02.02. und 03.02.2005) erhob der Kläger Widerspruch und machte u. a. geltend, der bewilligte Betrag ermögliche ihm kein Leben in Menschenwürde. Es sei die Pfändungsgrenze von 947 EUR nicht beachtet worden. Die bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung seien zu niedrig. Es werde nicht transparent, wie sich die Regelleistung von 345,00 EUR zusammensetze. Er vermisse eine Begründung, weshalb sein Antrag auf Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen einer Sehschwäche abgelehnt worden sei. Zu beanstanden sei auch, dass sich Leistungsbezieher vermehrt um Arbeit zu bemühen hätten, was nicht unerhebliche Kosten verursache, diese aber nicht voll erstattet würden. Im Übrigen müssten Leistungsbezieher in Vorleistung treten, was ungerecht sei. Eine Unterscheidung zwischen Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen sei mit Art. 22.2 und 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen nicht vereinbar. Das Alg II, das massive finanzielle Einschnitte bedeute, gebe Leistungsbeziehern keine soziale Sicherheit mehr. Durch den Wegfall der Zuzahlungbefreiung sei ihm auch ein Leben in körperlicher Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) nicht mehr garantiert. Die Verpflichtung zum Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen nach § 15 SGB II ermögliche Willkür. Zu beanstanden sei schließlich, dass § 20 SGB II bei der Höhe der Regelleistung nicht nach Geschlechtern und regionalen Besonderheiten differenziere.
Mit Schreiben vom 22.05.2005 bat der Kläger um Erteilung eines Widerspruchsbescheides bis 24.06.2005.
Am 28.06.2005 hat der Kläger mit der Begründung Klage erhoben, er habe zusammen mit seinem Folgeantrag am 23.05.2005 bei der Agentur für Arbeit E sein Schreiben vom 22.05.2005 abgegeben, mit dem er der Agentur für Arbeit E für die Erteilung eines Widerspruchsbescheids eine Frist bis 24.06.2005 gesetzt habe. Er hat in seiner Klageschrift vom 28.06.2005 sowie mit weiteren Schriftsätzen vom 30.07.2005 und 05.08.2005 zudem erneut eingehend dargelegt, weshalb er sich sachlich gegen den Leistungsbescheid wende.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, seinen Widerspruch vom 29.11.2004 gegen den Bescheid vom 17.11.2004 zu bescheiden.
Die Beklagte hat sinngemäß beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter dem 21.07.2005 mitgeteilt, dass der Widerspruch in Bearbeitung sei und innerhalb der nächsten 3 Wochen eine Entscheidung getroffen werde.
Die Beklagte hat ferner mitgeteilt, dass sie im Wege der Rechtsnachfolge zum 01.07.2005 an die Stelle der Agentur für Arbeit E getreten sei.
Mit Beschluss vom 28.07.2005 hat das Sozialgericht (SG) der Beklagten aufgegeben, den Widerspruch des Klägers vom 29.11.2004 bis 19.08.2005 zu bescheiden und das Verfahren bis 19.08.2005 ausgesetzt. Gestützt auf § 88 Abs. 1 Satz 2 SGG hat das SG ausgeführt, es bestehe ein zureichender Grund, dass die Beklagte bis zu dem Zeitpunkt keinen Widerspruchsbescheid erteilt habe. Offenbar sei sie durch andere, vordringliche Verfahren an einer früheren Entscheidung gehindert gewesen.
Am 24.08.2005 hat die Beklagte um Terminverlängerung bis 23.09.2005 gebeten. Sie hat mitgeteilt, sie habe den Termin aus organisatorischen Gründen und, weil in einer Übergangsphase bis zu ihrer Gründung und der Aufnahme der Arbeit zum 01.07.2005 zusätzliche Probleme zu bewältigen gewesen seien, nicht einhalten können.
Das SG hat den Beteiligten mitgeteilt, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Dem Fristverlängerungsantrag der Beklagten vom 24.08.2005 könne nicht entsprochen werden, da er ausserhalb der Aussetzungsfrist gestellt worden sei.
Der Kläger hat mitgeteilt, dass er als Beklagte die Agentur für Arbeit E ansehe und nicht ausschließlich eine Untätigkeitsklage habe erheben wollen. Er beantrage die Aussetzung des Verfahrens gem. Art. 100 GG.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.11.2005 hat das SG die Beklagte verurteilt, den Widerspruch des Klägers vom 29.11.2004 gegen den Bescheid vom 17.11.2004 zu bescheiden. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe ohne zureichenden Grund über den Widerspruch des Klägers nicht entschieden. Innerhalb der Frist, während der das Verfahren ausgesetzt gewesen sei, habe die Beklagte keine weitere Verhinderung geltend gemacht. Das Gericht habe das Verfahren gem. § 88 Abs. 1 Satz 2 SGG bis 19.08.2005 ausgesetzt. Erst am 24.08.2005 habe die Beklagte mitgeteilt, dass sie aus organisatorischen Gründen und, weil in der Übergangsphase bis zur ihrer Gründung und Arbeitsaufnahme zusätzliche Probleme zu bewältigen gewesen seien, den Termin nicht habe einhalten können. Diesem Antrag habe nicht mehr entsprochen werden können, da er ausserhalb der Aussetzungsfrist gestellt worden sei.
Am 09.12.2005 hat der Kläger gegen den ihm am 22.11.2005 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung u. a. vor: Bei seiner Klageerhebung am 28.06.2005 sei noch die Agentur für Arbeit E zuständig gewesen. Diese sei untätig gewesen. Sie sei am 25.06.2005 mit Erteilung des Widerspruchsbescheides in Verzug gewesen. In Bezug auf die Rechtsnachfolge zum 01.07.2005 sage die Beklagte die Unwahrheit. Am 07.07.2005 habe noch die Agentur für Arbeit als für ihn zuständig ihm den Alg II-Folgebescheid sowie einen Scheck ausgehändigt. Offensichtlich sei die Zuständigkeit am 07.07.2005 noch nicht eindeutig geregelt gewesen. Der öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen der ARGE ME-aktiv und der Bundesagentur für Arbeit über die Rechtsnachfolge könne auch nicht rückdatiert werden. Beklagte sei daher die Agentur für Arbeit E. Zur weiteren Begründung hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchs- und dem Klageverfahren im Berufungsschriftsatz vom 09.12.2005 sowie in weiteren Schriftsätzen vom 05.06., 13.08. und 14.08.2006, 15.01. und 16.01.2007 wiederholt.
Die Beklagte hat am 20.02.2006 mitgeteilt, sie habe am 08.12.2005 den Widerspruchsbescheid erlassen. Daraufhin habe der Kläger am 20.12.2005 vor dem SG Düsseldorf Klage erhoben, so dass das materiell rechtliche Begehren des Klägers in diesem Verfahren überprüft werde. Mit Schriftsatz vom 06.04.2006 trägt der Kläger ebenfalls vor, er habe gegen den Gerichtsbescheid vom 07.11.2005 fristgerecht Berufung eingelegt. Über seinen Widerspruch sei inzwischen durch die Beklagte entschieden worden. Der Widerspruchsbescheid hätte jedoch von der Agentur für Arbeit E erteilt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
die Nichtigkeit des Bescheides vom 17.11.2004 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte fragt sich, was der Kläger mit der Berufung noch erreichen wolle, denn sein materiell-rechtliches Begehren werde aufgrund der Klage vom 20.12.2005 vor dem SG Düsseldorf überprüft werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die trotz ausdrücklich gestellten Antrags wegen seines gesamten schriftsätzlichen Vorbringens darauf gerichtete Berufung des Klägers, ihm unter Änderung des Bescheides vom 17.11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2005 für die Zeit vom 01.01. – 30.06.2005 höhere Alg II-Leistungen zu gewähren, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Zu Recht hat das SG die Beklagte nach Fristsetzung (Beschluss vom 28.07.2005) durch Gerichtsbescheid vom 07.11.2005 verurteilt, den Widerspruch des Klägers vom 29.11.2004 zu bescheiden. Denn die am 28.06.2005 erhobene Klage ist eine Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 2 SGG, die lediglich die Bescheidung schlechthin zum Ziel haben konnte, mit der jedoch nicht beantragt werden konnte, den Bescheid vom 17.11.2004 zu ändern und die Beklagte zur Gewährung höherer Alg II-Leistungen zu verurteilen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 88 Rdnr. 9b). Insoweit verweist der Senat zur weiteren Begründung auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids und schließt sich ihnen an (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Durch die Verurteilung der Beklagten zum Erlass des Widerspruchsbescheids sowie durch die urteilsgemäße Erteilung des den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheides durch die Beklagte vom 08.12.2006 ist der Klageanspruch vollständig erfüllt.
Ein darüber hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers besteht nicht.
Die gleichwohl aufrechterhaltene Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen.
Soweit der Kläger mit der aufrechterhalten Berufung ausserdem geltend macht, die ARGE ME-aktiv sei nicht die richtige Beklagte, vermag dies am Ergebnis nichts zu ändern. Bei der von der Beklagten seit 01.07.2005 gegebenen Wahrnehmungszuständigkeit für die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II (§ 44 b Abs. 3 Satz 1 SGB 2) handelt es sich um eine kraft Gesetzes ausnahmslos geltende Wahrnehmungszuständigkeit. Daraus folgt, dass auch dann keine ohne Einwilligung des Klägers erfolgte und damit unzulässige Klageänderung vorläge, wenn davon auszugehen wäre, dass bei Klageerhebung noch die Agentur für Arbeit E Beklagte war (vgl.: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 99 Rdnr. 7 a).
Aber selbst wenn von einer Klageänderung ausgegangen würde, wäre der Beklagtenwechsel als sachdienlich (§ 99 Abs. 1 2. Alternative SGG) zu beurteilen.
Soweit der Kläger mit seinem weiteren Vorbringen begehrt, ihm höhere Alg II-Leistungen zu bewilligen, ist er auf die von ihm am 20.12.2005 vor dem SG Düsseldorf erhobene Klage (S 23 AS 329/05) zu verweisen. In diesem Klageverfahren wird der Bescheid vom 17.11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2006 inhaltlich überprüft.
Die in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren erhobene Klage, die Nichtigkeit des Bescheides vom 17.11.2004 festzustellen, ist ebenfalls unzulässig.
Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG kann mit der Klage die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden. Zwar ist diese Feststellungsklage nicht fristgebunden, sie ist jedoch nur zulässig, wenn der Kläger ein eigenes berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Dieses fehlt vorliegend. Der Kläger hat kein eigenes berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 17.11.2004. Nichtige Verwaltungsakte sind unwirksam (§ 39 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 10. Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X -).
Zum einen hat der Kläger kein Interesse an der Unwirksamkeit des Bescheides vom 17.11.2004, wenn er letztlich höhere Leistungen als die damit bewilligten Leistungen begehrt. Zum anderen fehlt ihm das rechtliche Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit, weil der Kläger seine Rechte durch die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG im oben genannten Klageverfahren vor dem SG geltend macht und die Nichtigkeitsklage gegenüber der unechten Leistungsklage subsidiär ist (vgl.: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rdnr. 19 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG).
Erstellt am: 14.08.2007
Zuletzt verändert am: 14.08.2007