Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.08.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, welcher Grad der Behinderung (GdB) bei der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) festzustellen ist und ob ihr der Nachteilsausgleich der erheblichen Gehbehinderung "G" zuzuerkennen ist.
Mit Bescheid vom 24.07.2003, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 29.07.2003 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 30 fest wegen der Gesundheitsstörungen: "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenleiden, Spinalkanalenge" (GdB 20), "seelische Störungen, Migräne, Handtremor li." (GdB 20). Die Zuerkennung der erheblichen Gehbehinderung käme schon nicht in Betracht, weil eine Schwerbehinderung nicht bestehe.
Die Klägerin hat am 28.08.2003 rechtzeitig Klage erhoben. Sie beansprucht weiterhin die Schwerbehinderung und die Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Die Klägerin hat beantragt,
das Land unter Abänderung des Bescheides vom 24.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2003 zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen und den Nachteilsausgleich der erheblichen Gehbehinderung zuzuerkennen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat über die Höhe des GdB Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes von Dr. N (22.10.2003) nebst Fremdarztbericht von Dr. T (25.09.2003) und dem Entlassungsbericht der Klinik Q in Bad P (15.10.2003) über eine stationäre Kurmaßnahme der Klägerin in der Zeit vom 10.09. bis 08.10.2003. Es ist weiterhin ein neurologisches Gutachten von Dr. C, L-krankenhaus E (26.04.2004) mit ergänzender Stellungnahme (13.06.2005) eingeholt worden. Der Sachverständige hat ein chronifiziertes LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen mit mittelgradigen Auswirkungen (Einzel-GdB 20), eine dissoziative Sensibilitäts- und Bewegungsstörung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Einzel-GdB 30) sowie Spannungskopfschmerzen und Migräne mit einer mittelgradigen Verlaufsform (Einzel-GdB 20) festgestellt. Den Gesamt-GdB hat er mit 40 beurteilt. Auf Antrag der Klägerin ist gemäß § 109 SGG ein orthopädisches Gutachten von Dr. N1, F, (11.02.2005) eingeholt worden. Dieser hat die funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt unter Berücksichtigung des neurogenen Hinkens mit 30 bewertet. Unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Vorgutachters hat auch er die Sensibilitäts- und Bewegungsstörung mit Einzel-GdB 30 und die Spannungskopfschmerzen und die Migräne mit Einzel-GdB 20 eingestuft. Den Gesamt-GdB hat er aufgrund des Mischbildes zwischen den dissoziativen Empfindungsstörungen und der orthopädischen Erkrankung mit GdB 50 bewertet. Auf die Gutachten im Einzelnen wird Bezug genommen.
Der Beklagte hat zu den Feststellungen des Dr. N1 versorgungsärztlich durch Dr. X Stellung bezogen und angeboten, den GdB mit 40 festzustellen. Die Klägerin hat das Angebot nicht angenommen. Sie hat beantragt, Dr. N1 als sachverständigen Zeugen zu hören.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 24.07.2003 verurteilt, den GdB ab Juli 2003 mit 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat sich den Feststellungen des Dr. C, der den Gesamt GdB mit 40 bewertet habe, angeschlossen. Danach werde das Behinderungsausmaß der Klägerin durch die Beeinträchtigung der Lendenwirbelsäule mit einem Einzel-GdB 20, durch eine dissoziative Störung mit Bewegungsstörungen im rechtsseitigen Hüft- und Oberschenkelbereich und in der linken Hand mit einem Einzel-GdB 30 und durch ein Kopfschmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB 20 geprägt. Den Ausführungen des Dr. N1, der den Gesamt-GdB anders als Dr. C mit 50 bewerte, sei nicht zu folgen. Dr. N1 beurteile das neurogene Hinken unzulässigerweise sowohl bei dem Lendenwirbelsäulenleiden wie auch bei der dissoziativen Störung, also doppelt. Der höchste Einzel-GdB 30 werde durch die beiden 20-iger Einzel GdB um einen Zehnerschritt auf 40 erhöht.
Die Klägerin hat gegen das ihr 18.09.2006 zugestellte Urteil am 02.10.2006 Berufung eingelegt. Das SG habe offenkundig die vermeintliche eigene Sachkunde über die des Arztes Dr. N1 gesetzt. Auf dessen Feststellungen stütze sie ihren Anspruch weiterhin. Sie hat angeregt, die Akten des beim SG Dortmund unter dem Az.: S 25 R 8/06 geführten Rentenverfahrens beizuziehen. Dort sei die Klägerin neurologisch und orthopädisch begutachtet worden. Sie hat weiterhin mitgeteilt, stationär behandelt zu werden und einen Arztbrief der radiologischen Gemeinschaftspraxis T und Dr. G & Partner vom 11.12.2006 zu den Akten gereicht.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.08.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 24.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2003 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Grad der Behinderung von 50 zuzuerkennen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG habe in dem angefochtenen Urteil überzeugend dargelegt, dass ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt sei.
Der Senat hat die im Rentenverfahren erstellten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie V S, I (Gutachten vom 31.07.2006) und des Facharztes für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie, Physikalische Therapie Dr. I, M (Gutachten vom 18.09.2006) beigezogen.
Er hat die Beteiligten mit Schreiben vom 24.10.2006 und 18.12.2006 auf die Sach- und Rechtslage und die Vorschrift des § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen. Im Zusammenhang mit dem Terminsverlegungsantrag des Bevollmächtigten vom 05.02.2007 hat dieser angeregt, entsprechend zu verfahren.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).
Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen, als die Klägerin statt des GdB 40 einen GdB 50 beansprucht. Der angefochtene Bescheid vom 24.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2003 ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 sowie auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G". Das Sozialgericht hat die entscheidungserheblichen Kriterien zutreffend dargestellt. Auch der Senat hält die Ermittlung des Gesamt-GdB durch Dr. N1 nicht für nachvollziehbar. Seine Ausführungen lassen den Schluss auf einen Gesamt-GdB 50 nicht zu. So führt der Sachverständige aus, dass die verschleißbedingten Veränderungen an der Wirbelsäule hier einen GdB 20 rechtfertigen und das neurogene Hinken bereits in der dissoziativen Störung mit einer GdB-Erhöhung um 10 erfasst sei. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. Sollte Dr. N1, wie es auch das SG angenommen hat, auch den GdB 20 an der Wirbelsäule um 10 erhöht haben, so würde dies eine unsachgemäße Doppelbewertung der Bewegungsstörung bedeuten. Das sieht Dr. N1 im Ergebnis selbst auch so, denn er bezeichnet beide Einzel-GdB als sehr wohlwollend. Das SG ist danach zu Recht in der Beurteilung des Gesamt-GdB dem Gutachten des Dr. C gefolgt und hat den Gesamt-GdB mit 40 festgestellt. Das SG brauchte sich insoweit auch nicht gedrängt zu fühlen, dem in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufrecht erhaltenen Antrag der Klägerin nachzukommen und Dr. N1 als sachverständigen Zeugen zu hören. Die Sachverständigen Dr. C und Dr. N1 waren lediglich in der Frage der Bildung des Gesamt GdB verschiedener Auffassung. Es ist indes allein richterliche Aufgabe, die Überzeugungskraft einzelner Umstände und Beweismittel zu bewerten und den Gesamt-GdB in freier Beweiswürdigung festzustellen. Der Senat sieht im Übrigen von einer weiteren Darstellung der überzeugenden Entscheidungsgründe ab. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er auf die Gründe des angefochtenen Urteils und auf die gerichtlichen Hinweise vom 24.10.2008 und 18.12.2006 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die im Berufungsverfahren beigezogenen Gutachten des V S und des Dr. I führen zu keiner anderen Beurteilung. Die dort erhobenen Befunde bestätigen die bisherigen Feststellungen und deuten nicht auf eine weitere Verschlimmerung der Beschwerden hin. Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, im Hinblick auf die aktuelle stationäre Behandlung und der im radiologischen Bericht vom 11.12.2006 beschriebenen Lumboischialgie links mit akuter Läsion L 5 den weiteren Verlauf abzuwarten. Ungeachtet der Tatsache, dass die mit bildgebenden Verfahren festgestellten Veränderungen allein noch nicht die Annahme eines GdB rechtfertigen, besagen diese Befunderhebungen nichts darüber, welche Funktionsstörungen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate bei der Klägerin vorliegen werden und ob wegen dauerhafter weiterer Funktionseinschränkungen schließlich doch der GdB mit 50 festzustellen ist. Diesbezüglich besteht die jederzeitige Möglichkeit, beim Beklagten einen Änderungsantrag zu stellen.
Auch wenn das SG in den Gründen auf den Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht eingegangen ist und die Klägerin dies in ihrem schriftsätzlich gestellten Antrag (möglicherweise versehentlich) auch nicht mehr erwähnt, ist rein vorsorglich festzustellen, dass bei einem GdB von aktuell 40 ein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 13.03.2007
Zuletzt verändert am: 13.03.2007