Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 18.07.2006 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin beansprucht Erstattung der Kosten für selbst beschaffte Pflegehilfsmittel in Höhe von pauschal 31 EUR im Monat.
Die Klägerin bezieht ab 01.07.2004 Leistungen nach der Pflegestufe I, ab 01.07.2005 nach der Pflegestufe II und nunmehr ab 01.01.2006 nach der Pflegestufe III. Sie beantragte am 02./05.11.2004 die Übernahme der Kosten für die laufend benötigten Einmal-Pflegehilfsmittel. Sie unterzeichnete einen Kostenübernahmeantrag, in dem ausdrücklich geregelt ist, dass die Kosten von einem Leistungserbringer unmittelbar mit der Pflegekasse abgerechnet werden sollten.
Mit Schreiben vom 13.01.2005 widersprach sie einer zuvor mündlich erteilten Ablehnung, nach der die bisher selbstbeschafften Pflegehilfsmittel mangels entsprechender Belege nicht übernommen würden. Sie vertrat die Ansicht, dass ihr die Kosten pauschal und unkompliziert zu erstatten seien. Es könne nicht verlangt werden, dass sie die Pflegehilfsmittel bei einem sog. Leistungserbringer erwerben müsse. Die Pflegehilfsmittel seien dort um das Doppelte teurer als bei dem Geschäft um die Ecke. Sie möchte eigenständig entscheiden, bei wem sie ihr Geld lasse.
Die Klägerin hat zunächst erfolglos im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes versucht, von der Beklagten die Erstattung der Kosten für die von ihr selbst beschafften Pflegehilfsmittel zu erhalten (Beschluss SG Aachen vom 24.03.2005 – S 15 P 4/05 ER, bestätigt durch Beschluss des erkennenden Senates vom 13.06.2005 – L 6 B 8/05 P ER -).
Die Klägerin hat am 03.05.2005 Klage erhoben und Kostenerstattung statt der gewährten Sachleistung beansprucht. Sie hat angeführt, die Produkte des Leistungsanbieters vor Ort seien zu teuer. Woanders würde sie für das gleiche Geld mehr an Leistung bekommen. Sie wohne auch sehr weit von dem Geschäft des Leistungserbringers. Es sei bei ihr zuhause selten eine dritte Person anwesend, um die Hilfsmittel anzunehmen. Sie selbst sei bettlägerig und könne nicht aufstehen um die Lieferung entgegenzunehmen.
Die Beklagte hat zunächst das Vorverfahren durchgeführt und mit Bescheid vom 01.08.2005, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 den Antrag der Klägerin abgelehnt.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 18.07.2006 abgewiesen und die angefochtenen Bescheide der Beklagten bestätigt. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln sei eine Sachleistung und grundsätzlich auch nur über zugelassene Leistungserbringer zu erhalten. Um den Qualitätsstandard der Pflegehilfsmittel zu gewährleisten, bleibe die Lieferung den zugelassenen Leistungserbringern vorbehalten. Gesichtspunkte, die eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung nahe legen würden, seien nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt und auf den Schwerbehindertenausweis mit GdB 100 und den zuerkannten Merkzeichen G, aG, Bl, H und RF hingewiesen. Sie sei völlig erblindet, gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen, zudem alleinstehend und alleinerziehend von zwei minderjährigen Kindern, die eine Ganztagsschule besuchen würden. Der Gesundheitszustand habe sich weiter rapide verschlechtert. Sie hat in einem Telefonat mit dem Senatsvorsitzenden angeführt, sie verstehe die Verwaltungspraxis der Beklagten nicht. Beispielsweise die Barmer Ersatzkasse zahle aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung pauschal 31 EUR und würde entsprechend bis zu diesem Betrag abrechnen, auch wenn die Hilfsmittel bei einem Billigdiscounter gekauft worden seien. Das Verhalten der Beklagten sei nicht mehr zeitgerecht. So könne man heute schon Zahnprothesen in China kaufen oder über das Internet verschreibungspflichtige Medikamente erwerben. Das Verhalten der Beklagten sei wettbewerbswidrig und sie kämpfe auch für andere Pflegebedürftige. Sie selbst sei bettlägerig und könne die von einem Leistungserbringer gebrachten Pflegemittel nicht entgegennehmen. Der Leistungserbringer sei auch nicht bereit, einen Liefertermin zu vereinbaren, sondern er würde die Hilfsmittel irgendwann zwischen 9 Uhr und 17 Uhr anliefern. Im Übrigen habe sie seit 2004, von wenigen Einkäufen im letzten Jahr einmal abgesehen, keine Pflegehilfsmittel von der Beklagten erhalten. In ihrem speziellen Fall bitte sie die Beklagte, ihr die Hilfsmittel bis zu einem Betrag von mtl. 31 EUR rückwirkend ab November 2004 zur Verfügung zu stellen.
Die Klägerin, die die Terminsmitteilung erhalten hat, hat mitgeteilt, dass sie zum Termin nicht erscheinen könne. Auch für den Beklagten ist zur Terminsstunde niemand erschienen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen im letzten am Tag vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 18.07.2006 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 zu verurteilen, ihr ab November 2004 die Kosten für selbst beschaffte Pflegehilfsmittel in Höhe von 31 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bisher sei es zwar gängige Praxis gewesen, die Kosten für zum Verbrauch bestimmte, selbstbeschaffte Pflegehilfsmittel gegen Quittung zu erstatten. Die Spitzenverbände hätten vor diesem Hintergrund davon abgesehen, mit Leistungserbringern Verträge nach § 78 Abs. 1 SGB XI abzuschließen. Zwischenzeitlich sei sie unter Androhung rechtlicher Schritte aufgefordert worden, Versorgungsverträge mit Leistungserbringern abzuschließen. Sie hätte danach folgende Regelung für die Leistungsdarbietung getroffen:
1.Die Versorgung mit zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel darf aus Gründen des Sachleistungsprinzips grundsätzlich nur über zugelassene Leistungserbringer erfolgen (Regelfall).
Eine Selbstbeschaffung durch den Versicherten mit nachträglicher Kostenerstattung kommt nur als Ausnahmefall (z.B. Not-/Eilsituationen oder vergleichbare andere Konstellationen) in Betracht.
2.Dem für die Versorgung unserer Versicherten mit zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel nach Maßgabe der Ziffer 1 geltenden Regel- Ausnahmeprinzip ist in allgemeiner Form wie auch in Einzelfällen bei Bedarf durch eine entsprechende Beratung Rechnung zu tragen. Eine solche Beratung erfordert auch stets den Hinweis, dass eine Selbstbeschaffung von Pflegehilfsmitteln bei Apotheken, bei Sanitätshäusern oder anderen nicht zugelassenen Anbietern nur in Ausnahmefällen möglich ist.
Gesichtspunkte, die die Annahme eines Ausnahmefalls nahe legen, seien hier nicht ersichtlich. Es treffe auch nicht zu, dass die Klägerin seit 2004 keine Hilfsmittel erhalten hätte.Der Leistungsanbieter vor Ort habe in 2006 – wenn auch unregelmäßig – an die Klägerin Pflegehilfsmittel geliefert und die Leistung unmittelbar mit der Pflegekasse abgerechnet.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache verhandeln und entscheiden, obwohl für die Beteiligten niemand erschienen ist. Die Beteiligten, die beide vorab ihr Nichterscheinen mitgeteilt haben, sind in den Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Der Senat entnimmt dem bisherigen Vorbringen im Verwaltungsverfahren, im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes und im Klageverfahren, dass es der Klägerin darum geht, monatlich ohne konkreten Nachweis pauschal 31 EUR ausgezahlt zu erhalten. Über diesen Anspruch hat das Sozialgericht auch entschieden.
Die insoweit zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist richtig. Zu Recht hat es der Beklagte grundsätzlich abgelehnt, der Klägerin die Kosten für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel, die die Klägerin statt bei einem Leistungserbringer nach § 78 SGB XI (kostengünstiger) bei einem sog. (Billig)-Discounter erwerben möchte, zu erstatten oder – wie die Klägerin meint – ihr unkompliziert pauschal 31 EUR auszuzahlen. Das Sozialgericht hat das Begehren der Klägerin mit zutreffender Begründung unter Hinweis auf das Sachleistungsprinzip und die Sicherung des Qualitätsstandards der Pflegehilfsmittel abgelehnt. Es hat die von der Klägerin in dem Telefonat mit dem Senatsvorsitzenden erneut angeführten Gesichtspunkte bereits angesprochen. Der Senat nimmt auf die Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Klägerin kann insbesondere nicht damit gehört werden, die Verwaltungspraxis sei nicht mehr zeitgerecht und im Übrigen aus Sicht der Discounter wettbewerbswidrig. Die Klägerin verkennt, dass die Versorgung mit zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln von der Beklagten als Sachleistung zu erbringen ist und der Gesetzgeber in § 29 Abs. 2 SGB XI ausdrücklich bestimmt hat, dass Leistungen nur bei Leistungserbringern in Anspruch genommen werden dürfen, mit denen die Pflegekassen Verträge (über die Art, die Qualität und die Frage der Vergütung) abgeschlossen haben. Eine Selbstbeschaffung von Pflegehilfsmittel sieht das SGB XI gerade nicht vor. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte von ihrer früheren nicht gesetzeskonformen Verwaltungspraxis Abstand genommen und ihre Leistungsdarbietung modifiziert hat. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben, die die Kostenerstattung gerade nicht als Regelfall vorsieht. Es liegen schließlich auch keine besonderen Umstände vor, die die Annahme eines Ausnahmefalls rechtfertigen. Die Klägerin bezieht Leistungen der Pflegestufe III. Das bedeutet, dass bei ihr ein Hilfebedarf von mindestens fünf Stunden täglich besteht und in diesem zeitlichen Rahmen eine Pflegeperson in Ihrem Haushalt anwesend sein müsste. Es stößt deshalb bei unterstellter Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin nicht auf besondere Schwierigkeiten, mit einem Leistungserbringer einen Termin abzusprechen, zu dem die Pflegehilfsmittel entgegen genommen werden könnten. Hierzu ist dieser vertraglich verpflichtet. Zudem wohnt die Klägerin nicht allein. Die Beklagte ist danach zu Recht nicht bereit, der Klägerin dauerhaft die Selbstbeschaffung zu gestatten. Soweit die Klägerin meint, von der Beklagten noch keinen Cent für Pflegehilfsmittel gesehen zu haben, so trifft dies zu. Leistungen sind im Jahr 2006 bisher sieben Mal unmittelbar von dem Leistungserbringer mit der Beklagten abgerechnet worden. Mit dieser Verfahrensweise hatte die Klägerin sich im Januar 2005 auch ausdrücklich einverstanden erklärt. Wenn die Klägerin darüber hinaus für sich den Weg der Selbstbeschaffung wählt, statt auf die Lieferung durch den Leistungserbringer zurückzugreifen, kann sie von der Beklagten auch keine Erstattung der Kosten verlangen.
Soweit die Klägerin mit ihrem letzten Schriftsatz die Beklagte bittet, ihr für die Zeit von November 2004 bis Dezember 2006 rückwirkend in einer Lieferung Pflegesachleistungen (über den Leistungserbringer vor Ort) nachzuliefern und zukünftige Lieferungsmodalitäten vorschlägt, so wertet der Senat dieses als Bitte formulierte Anliegen als Antrag an die Beklagte, entsprechend zu verfahren. Dieser Komplex ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 22.03.2007
Zuletzt verändert am: 22.03.2007