NZB d. Kl.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.01.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der von ihr zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.01.2004 zu entrichtenden Beiträge.
Die zuvor bei der Beklagten pflichtversicherte Klägerin übt seit Januar 2001 die selbständige Tätigkeit einer Rechtsanwältin aus. Die Beklagte setzte durch Bescheid vom 03.01.2001 die von der Klägerin ab 01.01.2001 zu entrichtenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung unter Vorbehalt fest. Die Beitragsfestsetzung erfolgte auf der Grundlage der von der Klägerin in ihrer Beitrittserklärung abgegebenen Einschätzung, sie werde aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin monatlich höchstens 5.000,00 DM als Einkommen erzielen. Auch dem weiteren Bescheid vom 23.06.2003 lag diese Einkommensschätzung zugrunde. Nach Vorlage des Bescheides des Finanzamtes E vom 27.10.2003 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2001 am 12.11.2003, der Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit in Höhe von 90.292,00 DM auswies, berechnete die Beklagte durch den Bescheid vom 17.11.2003 die ab 01.01.2001 zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung neu. Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze für die Jahre 2001 bis 2003 setzte die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2002 eine Nachzahlung von 5.539,12 Euro und ab 01.01.2003 einen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 562,32 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 58,65 Euro fest. Außerdem verwies sie darauf, dass die Beitragseinstufung – vorbehaltlich künftiger Änderungen der beitragspflichtigen Einnahmen bzw. der Beitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) – bis zum Eingang des nächsten Einkommensteuerbescheides gelte.
Gegen den Bescheid vom 17.11.2003 legte die Klägerin am 04.12.2003 Widerspruch ein, mit dem sie vorbrachte, dass der für das Jahr 2002 zu erwartende Jahresgewinn deutlich geringer (als im Jahr 2001) ausfallen werde und legte eine vorläufige Gewinnermittlung des Steuerberaters L vom 02.12.2003 für das Jahr 2002 vor, wonach im Jahre 2002 ein Gewinn von 17.890,35 Euro erwirtschaftet wurde. Nach Eingang des Bescheides des Finanzamtes E über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2002 am 28.01.2004 erteilte die Beklagte den Betragsbescheid vom 04.02.2004, mit dem sie die von der Klägerin ab 02.02.2004 zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entsprechend den im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 23.643,00 Euro neu festsetzte.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 29.06.2004, zugestellt am 08.07.2004, zurück: Gemäß § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 29 Abs. 8 Nr. 7 der Satzung würden Beitragsänderungen, die sich aus einem Einkommensnachweis des Mitglieds ergeben würden, erst vom ersten Tage des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats wirksam.
Die Klägerin hat am 04.08.2004 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die von ihr zu entrichtenden Beiträge vom 01.01.2002 bis zum 31.01.2004 auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 zu erfolgen habe: Die Bescheide vom 03.01.2001 und vom 23.06.2003 hätten lediglich eine vorläufige Beitragsfestsetzung enthalten; auch habe sie seinerzeit gegen den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2001 Einspruch eingelegt. Die von der Beklagten für die Zeit ab 01.02.2004 festgesetzten Beiträge seien nicht zu beanstanden, da sich ihre Einkommenssituation zunehmend verbessert habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 17.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004 zu verurteilen, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach Maßgabe des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 bereits ab dem 01.01.2002 bis zum 31.01.2004 zu erheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V verwiesen, die im Fall des Vorliegens geeigneter Einkommensnachweise lediglich die Festsetzung niedrigerer Beiträge für die Zukunft vorsehe.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 10.01.2006 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 16.02.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.03.2006 Berufung eingelegt. Sie meint, die Beklagte müsse die von ihr zu entrichtenden Beiträge ab 01.01.2002 neu auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 festsetzen, weil eine rechtskräftige Entscheidung über die Höhe der von ihr für diesen Zeitraum zu entrichtenden Beiträge nicht vorliege. Außerdem habe von vornherein festgestanden, dass die Einkünfte des Jahres 2002 erheblich geringer seien würden als im Jahre 2001, weil sie damals das Notariat ihres verstorbenen Vaters habe abwickeln müssen und die Verwaltung dieser Notariatsstelle zeitlich befristet gewesen sei. § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V betreffe nach seinem Wortlaut Änderungen der Beitragsbemessung, die aber eine rechtswirksame Erstfestsetzung voraussetze.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.01.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004 zu verurteilen, die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.01.2004 auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 vorzunehmen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich der Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Beiträgen zur Pflegeversicherung haben sich die Beteiligten darauf geeinigt, diese entsprechend der rechtskräftigen Entscheidung über die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu beurteilen; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 17.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die von ihr zu entrichtenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.01.2004 auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 neu festsetzt.
Die Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung richtet sich nach § 240 SGB V. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt (Satz 2). Die Satzung muss gemäß § 240 Abs. 2 SGB V mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V gelten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Nach Satz 3 des § 240 Abs. 4 können Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden.
Die Festsetzung der Beiträge durch die Beklagte aufgrund dieser gesetzlichen Regelung i.V.m. § 28 Abs. 8 Nr. 7 der Satzung ist rechtmäßig.
Die Beklagte durfte durch den Bescheid vom 17.11.2003 die von der Klägerin zu entrichtenden Beiträge ab 01.01.2001 – und damit auch rückwirkend – neu festsetzen. Hieran war sie nicht etwa aufgrund der (bindenden) Bescheide vom 03.01.2001 und 23.06.2003 gehindert. Diese Bescheide enthalten nämlich keine endgültige Regelung, die grundsätzlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hätten zurückgenommen, widerrufen oder abgeändert werden können (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil (Urt) vom 22.03.2006, Az.: B 12 KR 14/05 R). Die Beklagte hat in den Bescheiden vom 03.01.2001 und 23.06.2003 vielmehr hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Beiträge lediglich vorbehaltlich einer späteren Änderung und Rücknahme festgesetzt würden. Im Bescheid vom 03.01.2001 hat sie darauf hingewiesen, dass die Beitragsberechnung unter Vorbehalt erfolge und dass die Beitragsberechnung nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides überprüft werde. Auch der Bescheid vom 23.06.2003 enthält den ausdrücklichen Vorbehalt der späteren Änderung und eventuellen Rücknahme nach Überprüfung des Einkommens der Klägerin bei Vorlage des Einkommensteuerbescheides. Die Bindungswirkung dieser Bescheide erstreckte sich damit auf einen von vornherein begrenzten Zeitraum nur bis zum Erlass des endgültigen Verwaltungsakts (vergl. BSG aaO).
Die Vorläufigkeit der Beitragsfestsetzung ist hier nicht zu beanstanden. Zwar sehen die gesetzlichen Regelungen der Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen (§ 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V) grundsätzlich eine endgültige Festsetzung der Beiträge der freiwillig Versicherten vor. Jedoch ist eine einstweilige Beitragsfestsetzung bei hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten ausnahmsweise zulässig, wenn diese – wie hier die Klägerin – mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbständige Tätigkeit aufgenommen haben. Diese Ausnahme ist zuzulassen, um die Selbständigen im Anfangsstadium ihrer Tätigkeit wirtschaftlich nicht zu sehr zu belasten. Grundlage der Beitragsfestsetzung ist bei hauptberuflich Selbständigen das Arbeitseinkommen iS des § 15 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), das dem Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit, der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts zu berechnen ist, entspricht (vergl. BSG aaO mwN). Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz SGB V sind dabei regelhaft monatliche Einkünfte in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Nur ausnahmsweise, nämlich bei einem entsprechenden Nachweis, ist von niedrigeren Einnahmen auszugehen (§ 240 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz SGB V). Da ein solcher Nachweis nur für die Vergangenheit geführt werden kann, können nach der gesetzlichen Regelung die tatsächlich erzielten (niedrigeren) Einnahmen grundsätzlich immer nur zeitversetzt berücksichtigt werden können (vergl. BSG aaO). Für einen hauptberuflich Selbständigen, der typischerweise im Anfangsstadium seiner Tätigkeit niedrige Einnahmen erzielt, hätte dies die Konsequenz, dass er gerade in der Phase der Konsolidierung seiner Existenzgrundlage zunächst bis zur Vorlage eines Einkommensnachweises immer (zunächst) den nach § 240 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz SGB V berechneten (Höchst-)Beitrag zu entrichten hätte. Um ihn nicht unzumutbar zu belasten, ist eine vorläufige Beitragsfestsetzung durch die Krankenkasse jedenfalls dann zulässig, wenn zu erwarten ist, dass die Einnahmen zunächst unterhalb der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze liegen werden (vergl. BSG aaO). Genau dies hatte die Klägerin gegenüber der Beklagten angegeben; die vorläufige Festsetzung der Beiträge ist deshalb nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat die Beitragshöhe durch den angefochtenen Bescheid vom 17.11.2003 nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2001 auch zutreffend festgesetzt. Als Einnahmen der hauptberuflich selbständigen Klägerin waren ihre im Jahre 2001 erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 15 SGB IV zu berücksichtigen (vgl. BSG a.a.O.). Diese Einnahmen durfte die Beklagte nicht nur für das Jahr 2001, sondern auch rückwirkend ab 01.02.2002 bis zum 31.12.2002 und laufend ab 01.01.2003 zugrunde legen. Denn die Klägerin hat erst mit Vorlage des Steuerbescheids für das Jahr 2002 am 28.01.2004 den Nachweis eines niedrigeren Einkommens erbracht. Gemäß § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V konnten die Veränderungen der Beitragsbemessung erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises der Einkünfte folgenden Monats – also ab 01.02.2004 entsprechend dem Bescheid vom 04.02.2004 – wirksam werden.
Der Nachweis niedrigeren Einkommens ist nicht etwa bereits im Dezember 2003 durch Vorlage der vorläufigen Gewinnermittlung des Steuerberaters L geführt worden. Nachweis im Sinne der Vorschrift ist die Vorlage des Einkommensteuerbescheides, da die Beitragsfestsetzung auf einer verlässlichen Grundlage und im Rahmen eines vertretbaren Verwaltungsaufwandes erfolgen muss (so BSG aaO). Unerheblich ist, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 eingelegt hatte. Der Einwand der Klägerin, die Beitragseinstufung ab 01.01.2002 müsse auf der Grundlage des Steuerbescheides für 2002 erfolgen, weil ein bindender (Steuer-) Bescheid noch nicht vorgelegen habe, beruht auf einer Verkennung der Vorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V. Eine einkommensbezogene Beitragseinstufung abweichend vom Höchstbetrag nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V setzt den Nachweis geringerer Einnahmen voraus. Diesen hat die Klägerin jedoch bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2002 am 28.01.2004 nicht erbracht. Die Beklagte hatte deshalb die Beitragsfestsetzung bis zu diesem Zeitpunkt auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für 2001 vorzunehmen.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 03.05.2007
Zuletzt verändert am: 03.05.2007