Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für August 2005.
Die Klägerin lebt mit ihren zwei am 00.00.1993 und 00.00.1995 geborenen Töchtern, in einem gemeinsamen Haushalt. Im August 2005 erzielte die Klägerin ein Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung von brutto 1.072,49 EUR bzw. netto 833,83 EUR und erhielt Wohngeld in Höhe von 123,00 EUR. Für beide Kinder wurde Kindergeld in Höhe von je 154,00 EUR, für die 1995 geborene Tochter zudem eine Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 170,00 EUR gezahlt. Die Miete einschließlich Nebenkosten der gemeinsamen bewohnten Wohnung betrug im August 2005 406,60 EUR.
Am 18.04.2005 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Beigeladenen vom 11.08.2005 mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei nach ihren Einkommensverhältnissen nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II.
Am 15.09.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung eines Kinderzuschlages. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 22.09.2005 mit der Begründung ab, die Klägerin erreiche nach ihren Einkommensverhältnissen nicht die maßgebliche Mindesteinkommensgrenze für die Bewilligung eines Kinderzuschlages. Es werde empfohlen, Leistungen nach dem SGB II zu beantragen. Mit ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.09.2005 trug die Klägerin vor, ihr Antrag auf Leistungen nach dem SGB II sei wegen Überschreitung der Einkommensgrenze abgelehnt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Erbringung eines Kinderzuschlages sei ausgeschlossen, wenn auch durch Bewilligung des Kinderzuschlages Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II nicht beseitigt werden könnte. Ein solcher Fall sei bei der Klägerin gegeben. Ihr Bedarf nach dem SGB II setze sich aus dem Anspruch auf die Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von 345,00 EUR, einem Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 124,00 EUR und ihrem Anteil von 62,44 % an den Gesamtkosten der Unterkunft von 406,60 EUR, also 253,88 EUR, zusammen. Dem so zu errechnenden Gesamtbedarf von 722,88 EUR stehe ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 615,09 EUR gegenüber. Der Eigenbedarf der Klägerin nach dem SGB II sei nicht gedeckt. Mit der Klage zum Sozialgericht hat die Klägerin vorgetragen, eigene Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II sei nicht gegeben. Ansonsten wäre ihr Antrag auf Leistungen nach dem SGB II positiv beschieden worden. Wenn ihr nun noch gesagt werde, dass sie mehr verdienen müsse, damit der Kinderzuschlag zustehe, sei dies nicht mehr nachvollziehbar. Denn der Kinderzuschuss solle sozial schwache Familien unterstützen. Sie müsse annehmen, dass eine Lücke zwischen Arbeitslosengeld (Alg) II und dem Verdienst bestehe, ab dem Kinderzuschuss gezahlt werde. Dies könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, wenn der Kinderzuschuss gerade sozial schwache Familien unterstützen solle.
Die Beklagte hat sich vor dem Sozialgericht auf die Begründung ihres Ablehnungsbescheides bezogen. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts hat sich die Beklagte bereit erklärt, über einen möglichen Kinderzuschlag an die Klägerin ab September 2005 entsprechend der Entscheidung über den Anspruch für August 2005 zu entscheiden.
Mit Urteil vom 01.03.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2005 verurteilt, der Klägerin für August 2005 Kinderzuschlag in Höhe von 140,00 EUR zu zahlen. Zu Unrecht habe die Beklagte ihrer Berechnung der Mindesteinkommensgrenze einen nach § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG unter Anlehnung an die Werte aus dem Existenzminimumbericht berechneten Wohnbedarf zugrunde gelegt. Bei der Berechnung der Mindesteinkommensgrenze nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG sei der Berechnungsweise innerhalb des SGB II zu folgen. Es ergebe sich so ein Gesamtbedarf der Klägerin von 602,43 EUR, dem das zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin von 615,09 EUR entspreche. Die Bedarfsberechnung nach § 6a Abs. 4 BKGG betreffe allein die Höhe des zu zahlenden Kinderzuschlages. Auf die weitere Begründung der Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 14.03.2006 zugestellte Urteil richtet sich die vom Sozialgericht zugelassene Berufung der Beklagten vom 11.04.2006. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Berechnungsweise werde von dem Wortlaut des § 6a BKGG vorgegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie hat eine Neuberechnung der Ansprüche der Klägerin nach dem SGB II für August 2005 durchgeführt, wonach sich ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 72,51 EUR ergibt.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 22.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2005 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung eines Kinderzuschlages in Höhe von 140,- EUR für August 2005 verurteilt. Der Klägerin steht für August 2005 ein ungeminderter Kinderzuschlag in Höhe von 140,- EUR für ihre am 00.00.1993 geborene Tochter zu.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung eines Kinderzuschlages nach § 6a Abs. 1 BKGG in der Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I 2954) sind erfüllt.
Die Klägerin hat für die in ihrem Haushalt lebenden Kinder Anspruch auf Kindergeld nach dem X. Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes und erfüllt damit die Voraussetzung nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 BKGG.
Die Klägerin verfügt auch über ein berücksichtigungsfähiges Einkommen, das innerhalb des durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 BKGG beschriebenen "Einkommensfensters" (Eicher/Spell-brink, SGB II, Anhang § 6a BKGG Rn 13) liegt und insbesondere ihren Eigenbedarf nach dem SGB II deckt. § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG setzt voraus, dass sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne von § 11, 12 SGB II "mindestens in Höhe des nach Abs. 4 Satz 1 maßgeblichen Betrages" und höchstens in Höhe der Summe aus diesem Betrag und dem Gesamtkinderzuschlag nach Abs. 2 verfügt. Zutreffend hat die Beklagte berechnet, dass die Klägerin im August 2005 bei einem nachgewiesenen Einkommen von 1072,49 EUR brutto, 833,83 EUR netto über ein nach den Vorschriften des seinerzeit anzuwendenden SGB II einzusetzendes Einkommen von 615,09 EUR verfügte.
Nach § 11 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I 2014), § 30 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2954) in Verbindung mit der auf § 13 SGB II beruhenden ALG II – Verordnung (ALG II-V) in der Fassung vom 20. Oktober 2004 (BGBl. I 2622) – hier weiter anzuwenden gem. der Übergangsregelung des § 6 Alg II-V in der Fassung vom 22.08.2005 (BGBl. 2499) – sind vom Bruttoeinkommen der Klägerin im August 2005 insgesamt 1072,49 EUR abzusetzen, nämlich: 238,66 EUR für auf das Einkommen entrichtete Steuern und Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung (§ 11 Abs. 2 Nrn. 1,2 SGB II) für mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben 15,33 EUR (§ 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II, § 3 Abs. 3a) aa ALG II V in Verbindung mit § 9a Nr. 1 EStG) eine Versicherungspauschale von 30,- EUR (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 3 Nr. 1 ALG II-V).
Von den hiernach verbleibenden 788,50 EUR ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 6 und § 30 SGB II in Verbindung mit § 3 Nr. 2 ALG II-V ein Betrag von 173,41 EUR abzusetzen. Dieser Betrag ergibt sich als Summe der nach Maßgabe des einheitlichen Satzes nach § 2 Nr. 3 ALG II-V bereinigten Einkommensanteile in den drei Stufen des § 30 Nrn. 1-3 SGB II. Der einheitliche Satz im Falle der Klägerin entspricht dem Verhältnis des gesamten um die Absetzbeträge nach §§ 11 Abs. 2 Nrn. 1-5 SGB II bereinigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit zum Bruttolohn (788,50 EUR: 1072,49 = 0,7352). Der stufenspezifische Freibetrag nach § 30 Nr. 1 beträgt hiernach 44,11 EUR (400,- EUR x 0,7352 x 0,15), nach § 30 Nr. 2 110,28 EUR (500,- EUR x 0,7352 x 0,3) und nach § 30 Nr. 3 19,02 EUR (172,49 EUR x 0,7352 x 0,15), die Summe der Teilbeträge 173,41 EUR.
Hieraus errechnet sich ein nach SGB II berücksichtigungsfähiges Einkommen von 615,09 EUR im August 2005. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt dieses Einkommen jedoch oberhalb der für die Klägerin maßgeblichen Mindesteinkommensgrenze des § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG. Denn mit 615,09 EUR im August 2005 verfügte die Klägerin auch zur Überzeugung des Senats über ein Einkommen, das über der Mindesteinkommensgrenze und unter der Einkommenshöchstgrenze des § 6a Abs. 1 Nr. 2 lag. Das Einkommen der Klägerin lag oberhalb der Mindesteinkommensgrenze. Diese ist nach § 6a Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 BKGG in Höhe des ohne Berücksichtigung von Kindern jeweils maßgebenden Arbeitslosengeldes II nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II oder des Sozialgeldes nach § 28 Abs. 1 SGB II zu ermitteln. Dieser Betrag beläuft sich im Falle der Klägerin auf 604,53 EUR. Insoweit zutreffend hat die Beklagte einen Bedarf der Klägerin in Höhe ihres Anspruches auf die Regelleistung von 345,- EUR nach § 20 Abs. 2 SGB II und ihres Mehrbedarfes als Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von 124,- EUR angenommen. Unzu-treffend ist jedoch die Annahme der Beklagten, der Unterkunftsbedarf im Sinne von § 22 SGB II der Klägerin sei nach Maßgabe des § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG und damit nach dem sich aus dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung ergebenden Verhältnis des Unterkunftskostenanteiles der Erwachsenen zu dem der Kinder zu berechnen.
Zur Überzeugung des Senats ist die Berechnung der Mindesteinkommensgrenze nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG auch hinsichtlich der Unterkunftskosten im Sinne von § 22 SGB II nach dem Recht des SGB II und damit nach Kopfteilen der Unterkunftsnutzer (weitge-hend unstreitig, vgl. Berlit in LPK SGB II 2. Auflage, § 22 Rn 24 mit umfangreichen Nach-weisen) vorzunehmen. Die an die Werte des Existenzminimumberichts der Bundesregierung (hier: Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 vom 05.02.2004 – BT-Drs. 15/2462) – angelehnte Aufteilung von Unterkunftskosten nach § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG stellt lediglich eine Berechnungsmodalität für die Höhe des zustehenden gesamten Kinderzuschlages dar (so auch Beschluss des Senats vom 31.01.2007, – L 19 B 24/06 AL ER -).
Die Nichtanwendbarkeit von § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG bei der Berechnung der Mindest-einkommensgrenze des § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Diese bestimmt das sogenannte "Einkommensfenster" durch ein Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11, 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mindestens in Höhe des nach Abs. 4 "Satz 1" maßgebenden Betrages. Diese Verweisung in § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG ist nach der Überzeugung des Senats eindeutig und unmissverständlich. Damit verweist § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG lediglich auf Abs. 4 Satz 1 BKGG, nicht aber auf den von der Beklagten für anwendbar gehaltenen Abs. 4 Satz 2 BKGG.
Das Wortlautargument wiegt um so schwerer, weil bei der Einfügung des § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG die Verweisung in § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG unverändert geblieben ist.
§ 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG ist durch das kommunale Optionsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl. I 2014) – in Kraft ab 06.08.2004 – neu eingefügt worden. Die Änderung geht auf eine Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) vom 28.04.2004 (BT-Drs. 15/2997) zurück: "Die Aufteilung in Anlehnung an den Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern im neuen Satz 2 stellt eine sachgerechte Lösung dar." (BT-Drs 15/2997, S. 26 zu Artikel 14a). Aus der Einfügung der Änderung in den schon nach der bisherigen Konzeption der Vorschrift die Höhe des Anspruches regelnden Absatz 4 kann geschlossen werden, dass auch der neue § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG Vorgaben für die Begrenzung des Anspruches enthält. Hätte der Gesetzgeber eine Übertragung der Berechnung auch für die Mindesteinkommensgrenze im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG beabsichtigt, hätte er die Verweisung dort auf Abs. 4 Satz 2 erstrecken müssen. Dies ist aber unterblieben.
Nur durch die hier vertretene Auslegung bleibt der mit der Einführung des Kinderzu-schlages nach § 6a BKGG verfolgte Gesetzeszweck erhalten. Der Kinderzuschlag ist im Rahmen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2954, 2994), vor Inkrafttreten geändert durch Gesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I 2014, 2024), neu eingeführt worden und zum 01.01.2005 in Kraft getreten. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrs. 15/1516, S. 83) heißt es zu Abs. 1: "Eltern sollen nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen und durch den Kinderzuschlag einen Arbeitsanreiz erhalten. Diese Zielsetzung kann durch den Kinderzuschlag bei Eltern erreicht werden, die Kindergeld oder eine vergleichbare Leistung für ihre Kinder erhalten, denn der Kinderzuschlag deckt zusammen mit dem Kindergeld und dem auf das Kind entfallenden Wohngeldanteil den durchschnittlichen Bedarf an Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld eines Kindes ab. Eltern erhalten den Kinderzuschlag nur für die in ihrem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder. Durch die Festsetzung eines Mindesteinkommens in Höhe des elterlichen Bedarfs an Arbeitslosengeld II und/oder Sozialgeld ist gewährleistet, dass nur die Eltern den Kinderzuschlag erhalten, deren eigener Bedarf an Arbeitslosengeld II und Sozialgeld durch eigenes Einkommen gedeckt ist. Mit dem Kinderzuschlag ist damit regelmäßig auch der Bedarf im Sinne des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes der Familie gedeckt …". Auch hieraus ist zu entnehmen, dass alleine eine Berechnung der Mindesteinkommensgrenze gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG nach den Regelungen des SGB II dem Gesetzeszweck gerecht wird, nicht dagegen die Verfahrensweise der Beklagten, bei der – infolge des hohen Elternanteiles am Gesamtunterkunftsbedarf – die Schwelle zur Berechtigung, Kindergeldzuschlag zu beziehen, höher liegt als die Anspruchsschwelle nach dem SGB II. Bei der Berechnungsweise der Beklagten werden Fallgruppen nicht erfasst, bei denen nach der Motivation des Gesetzgebers gerade der "Verschiebebahnhof" (Eicher/Spellbrink a.a.0., Rn. 3) vermieden werden sollte. Dies widerspricht dem Regelungsziel des Gesetzgebers bei Einführung des § 6a BKGG und hat sicherlich auch zu dem ernüchternden Zwischenfazit beigetragen, dass im Zeitraum von Januar 2005 bis Mai 2006 von 659.260 gestellten Anträgen auf Kinderzuschlag die überwältigende Zahl von 589.203 Anträgen abgelehnt wurde, was einer Bewilligungsquote von etwa 11% entspricht (BT-Drs 16/1818, Schwitzky, Sozialrecht aktuell 6/2006, 196 ff ). Wegen Unterschreitung der Mindesteinkommensgrenze wurde eine so große Zahl der Anträge abgelehnt, dass der Kinderzuschlag nach Einschätzung der Bundesregierung bislang einen nur schmalen Wirkungsbereich aufwies (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage BT-Drs. 16/1637 vom 14.06.2006, BT-Drs. 16,1818, S. 4,6).
Bei der Berechnung der Mindesteinkommensgrenze nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG ergibt die Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen einen Unterkunftsbedarf der Klägerin von 135,53 EUR (406,60 EUR: 3 = 135,53 EUR) und eine Mindesteinkommensgrenze der Klägerin von 604,53 EUR ( 345,- EUR + 124,- EUR + 135,35 EUR = 604,53 EUR). Damit liegt das berücksichtigungsfähige Einkommen der Klägerin mit 615,09 EUR innerhalb des Einkommensfensters zwischen der Mindesteinkommensgrenze von 604,53 EUR und der Höchsteinkommensgrenze nach § 6a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BKGG von 884,53 EUR (604,53 EUR + 140,- EUR + 140,- EUR = 884,53 EUR).
Auch die Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG ist erfüllt, denn durch Gewährung des Kindergeldzuschlages kann Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden werden. Im Rahmen dieser Berechnung treten zum bereits festgestellten Bedarf der Klägerin von 604,53 EUR Einzelbedarfe beider Kinder in Höhe von je 207,- EUR nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II für die unter 14 jährigen Töchter sowie der Wohnbedarf beider Kinder nach § 22 SGB II von 271,06 EUR (2 x 135,53 EUR) hinzu. Dem hieraus resultierenden Bedarf von 1289,60 EUR steht im Rahmen der Berechnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BKGG zunächst das berücksichtigungsfähige Einkommen der Klägerin von 615,09 EUR, Kindergeld für zwei Kinder in Höhe von je 154,- EUR, ein Anspruch nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von 170,- EUR für die 1995 geborene Tochter und der Wohngeldanspruch von 123,- EUR, mithin Einkünfte in einer Gesamthöhe von 1216,09 EUR, gegenüber.
Die verbleibende Unterdeckung von 73,51 EUR (1289,60 EUR – 1216,09 EUR) kann durch Gewährung des Kinderzuschlages für ein Kind abgewendet werden. Die Voraussetzung nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG ist danach gleichfalls erfüllt. Ein Kindergeldzuschlag für die ältere Tochter steht der Klägerin nicht zu, da zwar das Kindergeld insofern außer Betracht bleibt (§ 6a Abs. 3 Satz 2 BKGG), die nach § 11 SGB II anrechenbaren Bezüge nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (Brühl in LPK SGB II, 2. Auflage, § 11 Rn 23)) den Anspruch auf deren Kinderzuschlag jedoch ausschließen (§ 6a Abs. 3 Satz 1 BKGG). Der Kinderzuschlag von 140,- EUR steht der Klägerin schließlich auch ohne Minderung nach Maßgabe von § 6a Abs. 4 BKGG zu. Der Klägerin ist nach § 6a Abs. 4 Satz 1 BKGG der Kinderzuschlag in voller Höhe zu zahlen, weil ihr bereits festgestelltes berücksichtigungsfähiges Einkommen von 615,09 EUR den Grenzbetrag für das Einsetzen der stufenweisen Minderung nach § 6a Abs. 4 Satz 3 BKGG nicht erreicht. Danach wird der Kinderzuschlag dann stufenweise gemindert, wenn das nach §§ 11 und 12 SGB II mit Ausnahme des Wohngeldes zu berücksichtigende elterliche Einkommen den in Satz 1 genannten jeweils maßgeblichen Betrag übersteigt. Dabei wirkt sich die Regelung in § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG zugunsten der Klägerin aus: ihr berücksichtigungsfähiges Einkommen von 615,09 EUR im August 2005 erreicht die Schwelle in Höhe der Summe ihres Eigenbedarfes nach § 6a Abs. 4 Satz 1 BKGG von 469,- EUR (345,- EUR nach § 20 Abs. 2 SGB II + 124,- EUR nach § 21 Abs 3 Nr. 1 SGB II = 469,- EUR) und ihres Unterkunftsbedarfes nach Maßgabe von § 6a Abs. 4 Satz 2 SGB II nicht. Dieser Unterkunftsbedarf ist in Höhe des sich aus dem Existenzminimumberichts der Bundesregierung für das Jahr 2005 ergebenden Anteiles Allein-stehender mit zwei Kindern in Höhe einer Quote von 62,44 % der Gesamtunterkunftskosten von 406,60 EUR, demnach in Höhe von 253,89 EUR zu ermitteln. Die Summe beider Werte beträgt 722,89 EUR und wird vom berücksichtigungsfähigen Eigeneinkommen der Klägerin nicht erreicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 23.10.2007
Zuletzt verändert am: 23.10.2007