Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 30.06.2006 geändert. Der Klägerin wird für die Durchführung des Klageverfahrens S 11 AS 118/06 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G L, L1, beigeordnet.
Gründe:
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage gegen die Ablehnung der am 07.03.2006 beantragten Leistungen nach dem SGB II durch Bescheid der Beklagten vom 27.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2006. Dieser Ablehnung wegen fehlender Bedürftigkeit lag eine Bedarfsberechnung zugrunde, bei der Kindergeld für den im Haushalt der Klägerin wohnenden volljährigen Sohn T als Einkommen der Klägerin zugrunde gelegt und der Wohnbedarf der T nicht einschließenden Bedarfsgemeinschaft unter Kürzung der gesamten Unterkunftskosten um den auf T entfallenden, nach Kopfanteilen aller Unterkunftsnutzer errechneten Bedarfsanteil ermittelt worden war.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt und sowohl die Berücksichtigung des Kindergeldes für T als Einkommen der Klägerin als auch die Ermittlung des Unterkunftsbedarfes ohne den auf ihn entfallenden Kostenanteil bestätigt. Gegen den am 07.07.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin vom 07.08.2006, mit der sie es für ungerecht und widersprüchlich hält, einerseits das Kindergeld für T als ihr Einkommen zu berücksichtigen und andererseits den auf ihn entfallenden Unterkunftsanteil bei der Bedarfsberechnung außer acht zu lassen.
Auf Anregung des Senats unter Hinweis auf die ab dem 01.07.2006 veränderte Rechtslage, nach der auch volljährige haushaltsangehörige Kinder, die ihren Eigenbedarf aus eigenen Einkünften nicht decken können, Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind, hat die Beklagte eine Überprüfung vorgenommen und mit Bewilligungsbescheiden vom 07.02.2007 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.07.2006 in Höhe von 10,77 EUR sowie für die Zeit vom 01.09.2006 bis 30.09.2006 in Höhe von 70,85 EUR bewilligt.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 09.08.2006), ist begründet. Prozesskostenhilfe steht der Klägerin nach §§ 73a SGG, 114ff ZPO zu, weil sie bedürftig ist und die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch hinreichende Erfolgsaussicht i.S. von § 114 ZPO aufweist. Zwar entsprachen sowohl die Berücksichtigung des Kindergeldes für volljährige haushaltsangehörige Kinder als Einkommen der Eltern als auch die Minderung des Unterkunftsbedarfes um den nach Kopfanteilen zu ermittelnden Anteil nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählender Unterkunftsnutzer der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Sozialgerichts wohl überwiegenden Auffassung und sind durch zwischenzeitliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestätigt worden (Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 1/06 R, worin das Bundessozialgericht beides als mit der Rechtslage in Einklang stehend angesehen hat).
Gleichwohl können der beabsichtigten Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten nicht abgesprochen werden. Denn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Sozialgerichts als dem für die Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt (Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 119 Rdn. 4 m.w.N.) war die am Folgetag der Beschlussfassung eintretende Rechtsänderung zum 01.07.2006, durch die der volljährige Sohn T der Klägerin Mitglied der Bedarfsgemeinschaft werden konnte, bereits bekannt und konnte der Klage zumindest für die Folgezeit zum Erfolg verhelfen. Gegenstand des gegen einen Ablehnungsbescheid ohne zeitliche Begrenzung gerichteten Klageverfahrens ist – je nach Klageantrag – die gesamte bis zur Entscheidung (in der Sache) verstreichende Zeit (Urteil des BSG vom 07.11.2006 – B 7b AS 14/06 R -). Mit Bescheid vom 27.04.2006 hatte die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt. Eine Sachentscheidung noch vor Eintritt der Rechtsänderung zum 01.07.2006 war bei Beschlussfassung am 30.06.2006 nicht abzusehen. Der Folgezeitraum musste daher in die Überprüfung der Erfolgsaussichten einbezogen werden. Nach der bis zum 30.06.2006 geltenden Fassung von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II konnten nur dem Haushalt angehörende minderjährige unverheiratete Kinder Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sein. Nach der ab dem 01.07.2006 geltenden Fassung dagegen können die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sein, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Diese Änderung ist eingeführt worden durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006, veröffentlich im Bundesgesetzblatt I Nr. 14 vom 30.03.2006. Diese, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Sozialgerichts bekannte Rechtsänderung hat die Einbeziehung des volljährigen Sohnes T in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin bewirkt, da er nicht über zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichende Eigenmittel verfügte. Die Einbeziehung der Unterdeckung seines Eigenbedarfes wiederum hat Bedürftigkeit der gesamten Bedarfsgemeinschaft ausgelöst und zur Leistungsbewilligung für nach dem 01.07.2006 liegende Zeiträume geführt.
Die Klägerin ist nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits auch nur teilweise zu tragen, so dass ihr ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewillen ist (§ 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO).
Dieser Beschluss ist – außer für die Staatskasse in den Fällen des § 127 Abs. 2 ZPO – nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 27.03.2007
Zuletzt verändert am: 27.03.2007