Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 06.09.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und bezieht seit dem 01.01.2005 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Vom 22.10.2005 bis 21.01.2006 hielt er sich zur Arbeitssuche in Italien auf, weswegen ihm der Vordruck E 303 ausgehändigt wurde zum Fortbezug der Leistungen in dem Gebiet der Europäischen Unionen (EU).
Durch formloses Schreiben vom 19.06.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Ausreise mit dem Vordruck E 303 seit dem 28.04.2006 nur noch für Kunden möglich sei, die innerhalb der letzten 24 Monaten Arbeitslosengeld (Alg) I bezogen und dadurch zumindest dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Zuschlag zum Alg II (§ 24 SGB II) hätten. Der Kläger legte am 22.06.2006 Widerspruch ein und machte geltend, er habe nach dem Gemeinschaftsrecht für eine Dauer von drei Monaten Anspruch auf Fortgewährung der Unterstützung zur Arbeitssuche in Italien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil die Mitnahme des Anspruchs auf Alg II für die Dauer von 3 Monaten in andere Mitgliedsstaaten durch die Verordnung (EG) Nr. 629/2006 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27.04.2006 (EU-Amtsblatt L 114/01) ausgeschlossen worden sei.
Der Kläger hat am 17.08.2006 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben, weil er die bestehenden Regelungen für rechtswidrig erachtet.
Mit Beschluss vom 06.09.2006 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die bestehenden Regelungen die Exportfähigkeit der Leistungen ausschlössen und weder eine Vertragswidrigkeit noch ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot erkennbar sei.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Klagebegehren bietet nicht die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht (§ 73a Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm § 114 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Der Anspruch auf Alg II – das ohne den Zuschlag nach § 24 SGB II bezogen wird – steht gemäß § 7 Abs. 4a SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) iVm der Erreichbarkeitsanordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA, 1997, 1685) geändert durch Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476) während eines Auslandsaufenthaltes lediglich für einen Zeitraum von 3 Wochen zu, sofern der Leistungsträger der Ortsabwesenheit zugestimmt hat. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung des Klägers mit dem Recht der EU konform.
Nach Art. 10a VO (EWG) Nr. 1408/71 gelten die Bestimmungen des Art. 10 und des Titels III nicht für die in Art. 4 Abs. 2a genannten besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen. Diese werden ausschließlich im Wohnmitgliedsstaat und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt, sofern diese Leistungen in Anhang II a aufgeführt sind (Art. 10a VO (EWG) Nr. 1408/71 Abs. 1 Satz 2). Das Alg II ist eine Geldleistung im Sinne des Art. 4 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71. Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen. Der Ausdruck "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" bezeichnet die Leistungen, die dazu bestimmt sind: einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Abs. 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedsstaat steht (Art. 4 Abs. 2a a) i)). Das Alg II ist einerseits ein Instrument, das auf die Integration in den Arbeitsmarkt zielt, wobei das SGB II weitere Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stellt (§§ 14 ff.), andererseits setzt der Anspruch auf Alg II neben der Erwerbsfähigkeit lediglich Bedürftigkeit voraus und ist im Wesentlichen mit der Sozialhilfe vergleichbar. Angesichts dieser Doppelnatur unterliegt es keinem Zweifel, dass es sich um eine besondere beitragsunabhängige Leistung im Sinne des Art. 4 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 handelt (vgl. Fuchs, NZS 2007, 1, 4).
Durch die VO (EG) Nr. 625/2006 des Europäischen Parlaments und Rates vom 05.04.2006 (Amtsblatt der EU L 114/01) zur Änderung der VO (EWG) Nr. 1408/71 ist in Anhang II a unter "D. Deutschland" folgender Zusatz aufgenommen worden: Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind.
Der daraus folgende grundsätzliche Ausschluss der Exportfähigkeit des Alg II verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG-), weil Alg II unter Gewährung des Zuschlags nach § 24 Abs. 1 SGB II weiterhin exportfähig ist. Letztere Leistung lässt sich nämlich als Leistung bei Arbeitslosigkeit nach Art. 4 Abs. 1g VO (EWG) Nr. 1408/71 einordnen, die uneingeschränkt dem Koordinierungsrecht nach Art. 67 ff. VO (EWG) Nr. 1408/71 unterliegt und damit während des Aufenthalts in anderen Mitgliedsstaaten fortzugewähren ist.
Nach der Gesetzesbegründung soll durch den Zuschlag berücksichtigt werden, dass der ehemalige Arbeitslosengeldempfänger durch häufig langjährige Erwerbstätigkeit – im Unterschied zu solchen Empfängern der neuen Leistung, die nur jeweils kurzfristig bzw. noch nie erwerbstätig waren – vor dem Bezug der neuen Leistungen einen Anspruch in der Arbeitslosenversicherung erworben hat. Er soll in vertretbarem Umfang einen Teil der Einkommenseinbußen abfedern, die in der Regel beim Übertritt in die neue Leistung entstehen werden (BT-Drucks. 15/1516, S. 46). Damit steht das Alg II unter Gewährung des Zuschlags der Arbeitslosenhilfe nah, deren Einordnung als Leistung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 g VO (EWG) Nr. 1408/71 unzweifelhaft war (vgl. Fuchs a.a.O. S. 4). Mit der Anknüpfung an das Alg I weist das unter Gewährung des Zuschlags gewährte Alg II Elemente einer Einkommensersatzleistung auf, was eine entsprechende Zuordnung gebietet (vgl. LSG NRW Beschl. v. 19.01.2006 – L 1 B 17/05 AS ER; Fuchs a.a.O. S. 4 f.) und die unterschiedliche Behandlung des Alg II bei Hinzutreten des Zuschlags nach den Koordinierungsvorschriften des Gemeinschaftsrechts rechtfertigt.
Auch bei summarischer Prüfung bietet das Klagebegehren daher bei der bestehenden Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 03.04.2007
Zuletzt verändert am: 03.04.2007