Die Beschwerde der ASt in gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 2. November 2004 wird als unzulässig verworfen. Die ASt in trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.203,53 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die ASt in (Ast in) betreibt eine krankengymnastische Praxis in C. Sie beschäftigt mehrere Sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer/innen. Mit Bescheid vom 27.07.2004 erteilte die AG in (AG in) zu 2. in ihrer Funktion als Vollstreckungsbehörde der ASt in eine Mahnung bezüglich nicht fristgerecht gezahlter Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Mai bis Juni 2004 in Höhe von 4.261,01 EUR zuzüglich der bis zum 15.07.2004 angefallenen Säumniszuschläge in Höhe von 497,50 EUR sowie Kosten und Gebühren in Höhe von weiteren 55,61 EUR. Die Forderung setzte sie gemäß § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) förmlich fest. Zugleich drohte sie für den Fall, dass die Zahlungen nicht bis zum 05.08.2004 eingingen, die Vollstreckung an.
Mit der Begründung, die Forderung werde zu Unrecht geltend gemacht, denn alle Beiträge seien ordnungsgemäß abgeführt worden, hat die ASt in am Folgetag bei dem Sozialgericht Köln die vorläufige Aussetzung der Vollstreckung bis zu einer ordnungsgemäßen Kontenklärung beantragt.
Die AG in zu 1. hat mit Schriftsatz vom 02.08.2004 ein Anerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, die Kosten des Verfahrens zu übernehmen. Der Bevollmächtigte der ASt in hat daraufhin erklärt, er nehme das Anerkenntnis nur unter der Bedingung an, dass die AG in zu 1. "zur Vermeidung einer unnötigen Weiterung und aus Gründen der wirtschaftlichen Verwaltung eine Pauschalsumme von 200,00 EUR zum Ausgleich aller außergerichtlichen Kosten" der ASt in zahle. Eine pauschale Kostenerstattung ohne Nachweise und Belege hat die AG in zu 1. abgelehnt.
Mit Beschluss vom 02.11.2004 hat das Sozialgericht den Antrag der ASt in zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, mit Abgabe des Anerkenntnisses sei das Rechtsschutzbedürfnis der ASt in an der Fortführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entfallen. Als Unterlegene trage sie gemäß § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 15.11.2004 zugestellten Beschluss hat die ASt in am 22.11.2004, beschränkt auf die Kostenentscheidung, Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, sie habe die Zahlung einer Pauschalsumme zur Vermeidung eines Kostenfestsetzungsverfahrens vorgeschlagen. Dass die AG in auf den Vorschlag nicht eingegangen sei, habe ihr das Sozialgericht zumindest mitteilen müssen. Ihr sei die Möglichkeit genommen worden, eine vorbehaltslose Annahme des Anerkenntnisses zu erklären. Dass ihr stattdes-sen trotz des Kostenanerkenntnisses der AG in zu 1. die Kosten des Verfahrens auferlegt worden seien, könne sie nicht nachvollziehen. Die AG in zu 1. erachtet demgegenüber die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend. Ergänzend teilt sie mit, das Beitragskonto der ASt in sei zwischenzeitlich geklärt worden. Es ergebe sich lediglich ein Rückstand für den Beitragsmonat Januar 2001 in Höhe von 2.259,60 EUR. Zwangsmaßnahmen stünden weder unmittelbar bevor noch seien sie angedroht worden.
Der Senat hat der ASt in und der AG in Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Unzulässigkeit der Beschwerde – trotz anderslautender erstinstanzlicher Rechtsmittelbelehrung – gegeben.
II.
Die Beschwerde ist der ASt in gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 2. November 2004 ist unzulässig.Damit ist der Beschwerdeinstanz die Möglichkeit einer inhaltlichen Überprüfung der angefochtenen Kostenentscheidung genommen.
Das Beschwerdegericht prüft von Amts wegen gemäß § 202 SGG i. V. m. § 577 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), ob die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts statthaft ist. Fehlt es an der Statthaftigkeit, so ist die Beschwerde gemäß § 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses, die Beschwerde sei zulässig, bindet das Beschwerdegericht nicht.
Die Unzulässigkeit der Anfechtung des Beschlusses des Sozialgerichts Köln vom 2. November 2004 ergibt sich aus § 197 a SGG i. V. m. § 183 SGG und § 158 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 197 a SGG in der hier anwendbaren Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 (BGBI l S. 2144), in Kraft seit dem 02.01.2002, werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 (SGG) genannten Personen gehören; die §§ 154 bis 162 VwGO sind entsprechend anzuwenden. Zum kostenmäßig privilegierten Personenkreis des § 183 SGG zählen weder die ASt in noch die AG innen; denn sie sind nicht in der Eigenschaft als Versichterte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte bzw. deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch an dem vorliegenden Verfahren beteiligt. Mit der Verweisung auf §§ 154 bis 162 VwGO ist auch § 158 Abs. 1 VwGO in Bezug genommen. Danach ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt ist. Der Bevollmächtigte der ASt in hat die Beschwerde mit Schriftsatz vom 20.11.2004 ausdrücklich von Beginn an mit der Begründung, die AG in zu 1. habe ihrem Begehren vollumfänglich durch das Anerkenntnis entsprochen, auf die Überprüfung der Kostenentscheidung des Sozialgerichts beschränkt.
Der Auffassung, dass § 158 Abs. 1 und 2 VwGO, die eine isolierte Anfechtung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung ausschließen, trotz der Verweisung in § 197 a Abs. 1 S, 1 SGG in sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar und auch diese Entscheidungen gemäß § 172 Abs. 1 SGG mit der Beschwerde anfechtbar seien
(vgl. LSG Berlin, Beschluss vom 28.04.2004, L 6 B 44/03 AL ER, in: SGb 2005, 55; LSG NRW, Beschluss vom 05.08.2003, L 5 B 25/03 KR, in: Breithaupt 2003, 877-800; Henning/Knittel, SGG, 7. Aufl., § 197a RdNr. 17; Jan-sen/Sträßfeld, SGG, 2003, § 197a RdNr. 56)
ist nicht zu folgen.
(ebenso: LSG NRW, Beschluss vom 17.01.2005, Az.: L 2 B 162/04 KR, www.sozialgerichtsbarkeit.de; HessLSG, Beschluss vom 29.03.2004, Az.: L 14 B 55/03 P, www.jurisweb.de, juris-Kennziffer KSRE052481727; LSG NRW, Beschluss vom 28.04.2003, Az.: L 11 B 8/03 KA, Beschluss vom 09.04.2003, Az.: L 10 B 6/03 KA; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 197a RdNr. 21; Zeihe/Hauck, SGG, 8. Aufl., nach § 197a § 158 VwGO Anm. 2; Krasney, Anmerkung zum Beschluss des LSG Berlin vom 28.04.2004, Az.: L 6 B 44/03 AL ER, SGb 2005, 57 ff.; bisher offen gelassen: LSG NRW, Beschluss vom 21,03.2005, Az.: L 16 B 14/04 SF).
Die zur Begründung dieser Auffassung herangezogenen systematischen Unstimmigkeiten sind zwar nicht zu leugnen: Die Anwendung von § 158 Abs. 1 und 2 VwGO führt in sozialgerichtlichen Verfahren zu einer unterschiedlichen Behandlungen von Kostenentscheidungen in gerichtskostenpflichtigen und gerichtskostenfreien Verfahren. Bei letztgenannten sind Kostenbeschlüsse allgemein gemäß § 172 Abs. 1 SGG mit der Beschwerde anfechtbar. Für die Anwendbarkeit des § 158 Abs. 1 VwGO in gerichtskostenpflichtigen sozialgerichtlichen Verfahren spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 197 a Abs. 1 SGG sowie der Sinn und Zweck der durch das 6. SGG-ÄndG geschaffenen Änderung.
§ 197a Abs. 1 S. 1 3. Halbsatz SGG bestimmt, dass §§ 154 bis 162 VwGO entsprechend anzuwenden sind. Einzelne Bestimmungen der §§ 154 bis 162 VwGO grundsätzlich von der entsprechenden Anwendung auszuschließen, wie dies die Verfechter der o. g. anderen Auffassung vertreten, lässt sich bereits nicht mit dem Wortlaut des § 197a Abs. 1 S. 1 3. Halbsatz SGG vereinbaren. Dieser ist insoweit nicht offen. Im Gegensatz zu der beispielsweise in § 202 SGG verwendeten Formulierung "soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält …" beinhaltet § 197a Abs. 1 S. 1 3. Halbsatz SGG keinen Subsidiaritätsvorbehalt. Ebenso fehlt, wie beispielsweise in § 202 SGG ("sofern die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen …"), eine zusätzlich getroffene Einschränkung der Anwendbarkeit der Normen, auf die verwiesen wird. § 197a Abs. 1 S. 1 3. Halbsatz SGG enthält vielmehr eine konkrete Verweisung auf §§ 154 bis 162 VwGO. Der Gesetzgeber hat durch die Verweisung auf wenige, besonders aufgeführte und entsprechend anzuwendende Vorschriften einer anderen Verfahrensordnung – der VwGO (§§ 154 bis 162) – deutlich gemacht, dass er eine bewusste Auswahl getroffen hat. Dies ergibt sich insbesondere aus der Regelung des § 197a Abs. 1 S. 2 SGG, der § 161 Abs. 2 VwGO ausdrücklich von der Verweisung ausnimmt. Auch für die Fälle, in denen er wesentliche Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens weiterhin berücksichtigt haben wollte, hat der Gesetzgeber in § 197a Abs. 2 SGG Sonderregelungen getroffen, die von den in der VwGO festgeschriebenen abweichen. Dagegen hat der Gesetzgeber § 158 Abs. 2 VwGO nicht von der entsprechenden Anwendung ausgenommen.
Die entsprechende Anwendung des § 158 Abs. 2 VwGO auf sozialgerichtliche Verfahren entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 197a SGG, die er durch das 6. SGG-ÄndG erfahren hat. Der Gesetzgeber will – dies macht die Gesetzesreform deutlich (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 14/5943 S. 29) – gerichtskostenfreie (§ 183 SGG) und gerichtskostenpflichtige Verfahren (§ 197a SGG) grundlegend unterschiedlich behandelt wissen. Die dahinter stehende Werteentscheidung räumt das Privileg des gerichtskostenfreien Verfahrens nur Personengruppen ein, die der Gesetzgeber als besonders schutzbedürftig betrachtet. Es bedeutet dann aber auch keinen Wertungswiderspruch, wenn die hinsichtlich der Kosten unterschiedlichen Verfahrensarten nach § 183 SGG bzw. § 197a SGG unterschiedlichen Kostensystemen (§§ 183 bis 195 SGG bezüglich der gerichtskostenfreien Verfahren, §§ 154 bis 162 VwGO bezüglich der gerichtskostenpflichtigen Verfahren) zugeordnet werden und die Möglichkeit der Kostenbeschwerde dem besonders schutzwürdigen Personenkreis vorbehalten bleibt. Systemgerecht schließt die Werteentscheidung bei Verfahren nach § 197a SGG die Bezugnahme auf § 158 Abs. 2 VwGO ein. Auch in anderer Hinsicht sieht der Gesetzgeber im Übrigen bei übereinstimmendem Sachverhalt unterschiedliche Rechtsfolgen für gerichtskostenfreie und -pflichtige Verfahren vor, worin die unterschiedliche Wertentscheidung ebenfalls deutlich wird: Während der Klägerseite bei einer Klagerücknahme in gerichtskostenpflichtigen Verfahren zwingend gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten aufzuerlegen sind, können bei gerichtskostenfreien Verfahren über §193 SGG unterschiedliche Gesichtspunkte in die Kostenentscheidung des Gerichts einbezogen und von der Auferlegung von Kosten gegenüber dem Kläger ganz oder teilweise abgesehen und diese der Gegenseite auferlegt werden.
Einer Auslegung der Beschwerde der ASt in als "außerordentliche Beschwerde" (BGH, Beschluss vom 04.03.2003, Az.: V ZB 5/93, NJW1993,1865 ff.) stehen schon die Neuregelung des Beschwerderechts durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001 (BGBI l S. 1887) sowie das Anhörungsrügegesetz vom 19.12.2004, BGBÜ S. 3220) entgegen. Außerordentliche Beschwerden sind auch in sozialgerichtlichen Verfahren generell ausgeschlossen (LSG NRW, Beschluss vom 17.01.2005, a. a. 0., mwN). Solche gesetzlich nicht geregelten Rechtsbehelfe sind – wie die Einführung des § 321 a ZPO und des § 178a SGG zeigen – nicht statthaft.
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten sind imHinblick auf die unrichtige Rechtsfolgenbelehrung in dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Köln nicht zu erheben, vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der nach § 72 Nr. 1 GKG bereits anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) vom 12.03.2004 (BGBI l S. 390), da das Beschwerdeverfahren nach dem 01.07,2004, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des GKG, vgl. Art. 8 KostRMoG, anhängig geworden ist. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dessen Höhe (1.203,53 EUR) ergibt sich, ausgehend von der von der AG in zu 2. geltend gemachten Forderung, reduziert auf ein Viertel, im Hinblick auf das mit dem Verfahren wegen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verfolgte, im Vergleich zum Hauptsacheverfahren geringwertigere Interesse auf vorläufige Aussetzung der Vollstreckung (siehe auch Beschluss des erkennenden Senates vom 25.02. 2004, Az.: L 16 B 106/03 KR ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, vgl. §177 SGG.
Erstellt am: 18.04.2007
Zuletzt verändert am: 18.04.2007