Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 21.03.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus der Kapitalleistung einer Direkt-Lebensversicherung zu leisten hat.
Die im November 1939 geborene Klägerin bezieht seit Vollendung des 62. Lebensjahres vorgezogene Altersrente und ist im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten versichert. Sie bezieht eine laufende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von derzeit 923,82 Euro (netto) sowie eine Zusatzrente vom früheren Arbeitgeber in Höhe von 351,74 Euro (netto).
Ihr damaliger Arbeitgeber hatte zugunsten der Klägerin mit der H-Lebensversicherungs-AG eine Kapital-Lebensversicherung abgeschlossen. Die Versicherung begann am 01.06.1989 und lief am 01.06.2004 ab. Die Jahresprämie betrug 2400,00 DM bis zum Ablauf der Versicherung. Die Beiträge wurden aus den jährlich der Klägerin zustehenden Einmalzahlungen (Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld) gezahlt.
Mit Schreiben vom 06.05.2004 teilte die Lebensversicherungs-AG der Beklagten mit, dass die Klägerin zum 01.06.2004 eine Kapitalleistung in Höhe von 30.393,80 Euro aus einer Versicherung der betrieblichen Altersversorgung erhalten werde. Mit Bescheid vom 12.05.2004 setzte die Beklagte den ab 01.06.2004 aus der Kapitalleistung zu zahlenden monatlichen Krankenversicherungsbeitrag mit 34,70 Euro fest. Dabei legte sie 1/120 der Kapitalleistungen, nämlich 253,28 Euro, als monatliche beitragspflichtige Versorgungsbezüge und den allgemeinen Beitragssatz von 13,7 % zugrunde. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Beitragserhebung sei rechtswidrig, da sie nur eine einmalige Kapitalleistung, die steuer- und versicherungsfrei sei, erhalten habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, bei Abschluss des Versicherungsvertrages habe die Gewissheit bestanden, dass die Kapitalzahlung im Erlebensfall nicht als beitragspflichtiges Einkommen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen sei. Die gesetzliche Neuregelung ab dem 01.01.2004, die auch solche Kapitalzahlungen der Beitragspflicht unterwerfe, sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen das Rückwirkungsverbot. Der Vertrauensschutz der Versicherten werde verletzt, da ihre finanziellen Dispositionen geschädigt wurden. Sie habe nach ihrem Ausscheiden aus ihrem Beschäftigungsverhältnis die Direkt-Versicherung mit eigenen Beiträgen aufrechterhalten, um mit Vollendung des 65. Lebensjahres die volle Auszahlung zu erhalten.
Mit Urteil vom 21.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die der Klägerin zum 01.06.2004 ausbezahlte Kapitalleistung unterliege als Versorgungsbezug nach der seit dem 01.01.2004 geltenden Regelung der Beitragsbemessung. Ohne rechtliche Bedeutung sei, dass der schon zum 01.06.2002 beendbare Versicherungsvertrag mit eigenen Prämienzahlungen durch die Klägerin fortgeführt worden sei. Die gesetzliche Regelung sei nicht verfassungswidrig, insbesondere verstoße sie nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Sie bewege sich innerhalb der Grenzen, die sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem daraus folgenden Vertrauensschutz ergäben.
Mit der fristgerecht eingelegten Berufung vertritt die Klägerin die Auffassung, da sie die Lebensversicherung nach ihrem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis aus eigenen Mitteln weitergezahlt habe, habe sich diese in eine private Lebensversicherung umgewandelt. Hierauf sei das Gesetz nicht anzuwenden. Unabhängig davon liege ein Fall einer echten Rückwirkung vor. Mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages sei der Tatbestand der Begründung als Dauerschuldverhältnisse vollendet worden. In dieses Dauerschuldverhältnis werde nun rückwirkend eingegriffen. Unerheblich sei demgegenüber der Zeitpunkt des Ablaufs der Versicherung. Die Beitragspflicht sei sachlich nicht gerechtfertigt. So sei denkbar, dass die Einmalzahlung zur Ablösung einer bestehenden Schuld eingesetzt werde. Es könne somit der Fall eintreten, dass die Leistung verbraucht sei, gleichwohl aber aus dem sonstigen Einkommen laufende Krankenversicherungsbeiträge für diese Leistung zu errichten seien. Damit werde der Sinn einer zusätzlichen Altersvorsorge in das Gegenteil verkehrt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei der Vertrauensschutz verletzt. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, sich auf die gesetzliche Änderung einzurichten. Es sei rückblickend nicht sinnvoll gewesen, einen Versicherungsvertrag mit einer Leistung abzuschließen, durch den lediglich die Beklagte begünstigt werde, während sie Nachteile erleide, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten. Sie müsse rund 20 % der ausgezahlten Summe als Beiträge abführen; dies stelle einen Eingriff in den Stamm des Vermögens dar. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Beiträge überwiegend aus nicht beitragspflichtigen Einnahmen gezahlt worden seien. Es sei unverständlich, dass sie nunmehr Krankenversicherungsbeiträge aus einer Leistung zahlen solle, die aus nicht beitragspflichtigen Einkünften finanziert worden sei, ohne dass sie hierfür in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Gegenleistung erhalte. Dies bedeute auch eine Schlechterstellung gegenüber Personen, die keine Vorsorge betrieben hätten, ungeachtet der niedrigeren Beitragszahlung aber die gleichen Leistungen erhielten. Von ihr werde daher ein Sonderopfer gefordert, weil sie von der staatlich geförderten Möglichkeit des Abschlusses einer Direktversicherung Gebrauch gemacht habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 21.03.2005 zu ändern und den Bescheid vom 12.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und sieht sich in ihrer Auffassung durch die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestätigt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 12.05.2004, mit dem die Beklagte Beiträge zur Krankenversicherung aus der Kapitalzahlung festgesetzt hat, ist nicht zu beanstanden.
Soweit in dem Bescheid vom 12.05.2004 zugleich auch Beiträge zur Pflegeversicherung festgesetzt worden sind, sind diese nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Die Beteiligten haben sich insoweit der Entscheidung über die Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterworfen.
1. Nach § 237 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind neben dem Zahlbetrag der Rente auch der Rente vergleichbare Einnahmen beitragspflichtig. Der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) sind auch Renten der betrieblichen Altersversorgung (§§ 237 Satz 2, 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V).
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 229 Nr. 13 m.w.N.) zählen auch Leistungen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt werden, zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezwecken. Dieser Versorgungszweck ergibt sich bei der hier in Frage stehenden Lebensversicherung aus der Ablaufzeit (01.06.2004), denn die vereinbarte Leistung sollte offenkundig der Versorgung der Klägerin nach dem "regulären" Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit Vollendung des 65. Lebensjahres dienen. Die Lebensversicherungs-AG hat dementsprechend auch selbst die Versicherung als Leistung der betrieblichen Altersvorsorge bezeichnet. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Beiträge teilweise oder ganz vom Versicherten aufgebracht worden sind und ob er die Versicherung nach Beendigung der Erwerbstätigkeit allein weitergeführt hat (BSG, a.a.O.). Die Auffassung der Klägerin, wegen der Fortführung der Versicherung nach ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben habe es sich im Zeitpunkt der Auszahlung um eine private Lebensversicherung gehandelt, die nicht § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V unterfalle, trifft nicht zu.
Nach der seit dem 01.01.2004 geltenden Fassung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V gelten 1/120 einer nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistung auch dann für längstens 120 Monate als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, wenn "eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden" ist. Damit sind die nicht regelmäßigen wiederkehrenden Leistungen u.a. aus als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen auch zur Beitragsbemessung heranzuziehen, wenn sie als solche bereits ursprünglich oder nachträglich vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart worden waren und nach der alten Rechtslage nicht beitragspflichtig waren. Diese Beitragspflicht gilt für alle Leistungen, die nach dem 01.01.2004 fällig geworden sind. Da die vereinbarte Leistung hier zum 01.06.2004 fällig geworden ist, ist der "Versicherungsfall" erst nach dem 01.01.2004 eingetreten, so dass § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der jetzt geltenden Fassung anzuwenden ist. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin schon seit dem Jahre 2002 (vorgezogene) Altersrente bezieht und auch die Leistungen aus der Lebensversicherung schon früher hätte abrufen können. Da sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, kann für die Anwendung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB nur auf den vertraglich vereinbarten Ablauf zum 01.06.2004 abgestellt werden.
Zutreffend hat die Beklagte für die Errechnung des zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrages 1/120 der Kapitalzahlung zugrundegelegt. Die nach § 237 SGB V insgesamt beitragspflichtigen Einnahmen überschritten auch nach den mitgeteilten Zahlbeträgen der gesetzlichen Rente und der Zusatzrente offensichtlich nicht die im Jahre 2004 geltende Beitragsbemessungsgrenze von monatlich 3487,50 Euro. Die Beklagte durfte auch die Klägerin in Anspruch nehmen, denn diese ist nach § 250 Abs. 1 Nr. 1, § 252 Satz 1 SGB V allein zur Tragung und Zahlung der Beiträge verpflichtet.
2. Die seit dem 01.01.2004 geltende Beitragsregelung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des BSG in den Urteilen vom 13.09.2006 (B 12 KR 1/06 R und B 12 KR 17/06) an.
Die Auffassung der Klägerin, es liege ein Fall echter Rückwirkung vor, weil auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Lebensversicherungsvertrages abzustellen sei, trifft nicht zu. Die Beitragspflicht knüpft nur an ein in der Vergangenheit begründetes Versicherungsverhältnis an, gilt aber nur für Zahlungen, die nach dem 01.01.2004 erfolgen. Somit greift das Gesetz nicht nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein, sondern wirkt nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft ein. Dies ist ein Fall der unechten Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung", vgl. BVerfGE 72, 200, 243). Zutreffend hat das BSG (a.a.O.) dargelegt, dass aufgrund der bereits wiederholten Änderungen sowohl des Beitragsrechts als auch des Zugangs zur KVdR bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der Beitragsfreiheit einer in Zukunft fälligen einmaligen Leistungen nicht entstehen konnte. Im Übrigen überwiegen gegenüber dem Vertrauen der Versicherten auch die öffentlichen Interessen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit der Einbeziehung der Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht ausdrücklich darauf hingewiesen, es sei gerechtfertigt, dass der Rentner die Solidargemeinschaft der Versicherten durch Beiträge mitfinanziere, deren Höhe sich auch an den der Rente vergleichbaren Einnahmen orientiere (BVerfGE 79, 223, 237). Es ist somit nur folgerichtig, wenn nunmehr grundsätzlich auch von Kapitalleistungen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten ebenso wie laufende Zahlungen erhöhen, Krankenversicherungsbeiträge erhoben werden. Zutreffend weist das BSG (a.a.O.) auch darauf hin, dass sich weniger die Frage der Rechtfertigung der Beitragspflicht von Einkünften, die von § 229 Abs. 1 SGB V erfasst werden, stellt, sondern vielmehr die Nichteinbeziehung von sonstigen Renten aus privaten Versicherungen und von anderen beitragsfreien Einnahmen der Rechtfertigung bedarf.
Die Rüge der Klägerin einer Verletzung des Art. 14 Grundgesetz (GG) wegen eines behaupteten Eingriffs in den Stamm des Vermögens geht fehlt. Zum einen sind aus der Kapitalzahlung nur Beiträge in Höhe der jeweiligen Beitragsätze zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, also deutlich weniger als 20 %. Zum anderen verteilen sich die Zahlungen auf 10 Jahre. Bedenkt man, dass die Klägerin aus den ausgezahlten Kapital bei einer nur 3 %igen Verzinsung jährlich 900,00 Euro Zinsen erlangen kann, also weitaus mehr als die jährlichen Beiträge, wird deutlich, dass keineswegs durch die Beitragspflicht ihre Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt werden.
Die weitere Argumentation der Klägerin zu der angeblichen Schlechterstellung gegenüber Versicherten, die keine private Vorsorge getroffen haben, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Es trifft zwar zu, dass die Klägerin keine "Gegenleistung" etwa in Gestalt erweiterter Leistungen aus der Krankenversicherung erlangt. Es ist aber Ausfluss des die GKV bestimmenden Solidaritätsprinzips, dass leistungsfähigere Versicherte ungeachtet des für alle Versicherten gleichen Krankenversicherungsschutzes höhere Beiträge leisten – und dass in diesem Sinne die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Kapitalzahlung erhöht ist, steht außer Frage. Von daher geht ihr Vergleich mit Versicherten, die keine Vorsorge getroffen haben, aber dementsprechend auch heute wirtschaftlich weniger leistungsfähig sind, schon im Ansatz fehl. Im Übrigen übersieht die Klägerin, dass sie in der Vergangenheit durch den Abschluss des Lebensversicherungsvertrages auch von der staatlichen Förderung profitiert hat.
Welche Bedeutung der Umstand haben soll, dass die Beiträge zur Lebensversicherung aus Entgeltbestandteilen gezahlt worden sind, die wegen des Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze nicht beitragspflichtig waren, erschließt sich dem Senat nicht. Es ist völlig irrelevant, ob die Beiträge für die Lebensversicherung aus beitragspflichtigem oder nicht beitragspflichtigem Entgelt gezahlt worden sind. Entscheidend für die Beitragspflicht zum Zeitpunkt der Auszahlung der Leistung ist allein, dass die heutigen beitragspflichtigen Einnahmen nicht die Beitragsbemessungsgrenzen überschreiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen im Hinblick auf die vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung, die von der Klägerin nicht mit beachtlichen Gründen in Frage gestellt worden ist, nicht vor.
Erstellt am: 03.05.2007
Zuletzt verändert am: 03.05.2007