Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2006 geändert. Die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21.09.2006 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten noch, ob eine Einbehaltung von monatlich 103,50 EUR nach § 65e Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aus den monatlichen Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende für die Monate November 2006 bis Februar 2007 durch die Antragsgegnerin rechtmäßig ist, oder ob insoweit die beim Sozialgericht anhängige Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.09.2006 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 aufschiebende Wirkung entfaltet. Mit Änderungsbescheid vom 26.01.2007 hat die Antragsgegnerin insoweit wegen einer zwischenzeitlich zwischen dem Antragsteller und der Stadt X am 23.01.2007 getroffenen Vereinbarung die monatliche Einbehaltung zu Gunsten der Stadt X für den Bewilligungszeitraum 01.04.2007 bis 30.09.2007 auf 20,00 EUR reduziert. Insoweit führt der Bescheid vom 26.01.2007 aus: "Die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen werden insoweit aufgehoben". Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtenen Bescheide, insbesondere auf den analog § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewordenen Bescheid vom 26.01.2007, Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel des Antragstellers gegen den Ausgangsbescheid bzw. gegen den Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid mit Beschluss vom 12.12.2006 abgelehnt. Der Antragsteller habe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil er gegen den Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 20.10.2006 nicht fristgerecht Klage erhoben habe. Er habe erstmals am 30.11.2006 ausgeführt, er klage gegen jeden Widerspruchsbescheid. Auf ein richterliches Schreiben vom 31.10.2006 habe er sich hingegen lediglich zu den Aspekten Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund und Mietrückstände geäußert, jedoch keine Absicht zur Klageerhebung kundgetan. Auch der am 23.10.2006 gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stelle nicht zugleich eine Klage dar, da der Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 20.10.2006 dem Antragsteller erst am 25.10.2006 zugestellt worden sei. Im Übrigen habe der Antragsteller selbst auf ein noch laufendes Widerspruchsverfahren hingewiesen und keine Einwände gegen die dieses Verfahren beendende Entscheidung erhoben. Die Bestandskraft des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides stehe der Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der Aufrechnung im einstweiligen Rechtsschutz entgegen, weil die Klage in der Hauptsache als unzulässig abgewiesen werden müsste.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.
Der Senat geht bei summarischer Prüfung davon aus, dass der vom Antragsteller angefochtene Bescheid vom 21.09.2006 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 zwischenzeitlich durch den weiteren Bescheid vom 26.01.2007 jedenfalls hinsichtlich der streitigen Aufrechnung nach § 65e SGB II aufgehoben worden ist. Die Antragsgegnerin ist allerdings erkennbar der Ansicht, dem vom Antragsteller im Hauptsacheverfahren nach wie vor angefochtenen Bescheid komme noch Rechtswirkung zu; insoweit existiert zumindest noch der Anschein eines nach wie vor wirksamen Bescheides. Dementsprechend ordnet der Senat bis zur endgültigen Klärung der streitigen Fragen im Hauptsacheverfahren die Aufhebung der Vollziehung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des angefochtenen Bescheides an.
Bei einer solchen Aufhebung der Vollziehung eines angefochtenen Bescheides ist, ebenso wie bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), eine umfassende Abwägung der wechselseitigen Interessen der Beteiligten vorzunehmen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, 2005, § 86b ff.).
Im vorliegenden Verfahren gewinnt dabei vorrangige Bedeutung, dass der Antragsteller auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zur Sicherung seines Lebensunterhaltes unmittelbar angewiesen ist, weil keine anderweitigen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den Lebensunterhalt zu sichern. Dabei stellt sich die aufrechnungsweise Einbehaltung eines Betrages von 103,50 EUR aus den Regelleistungen des Antragstellers nach § 65e i.V.m. § 43 Satz 1 SGB II (bei einem Regelleistungssatz des Antragstellers von 311,00 EUR) als nach den genannten Vorschriften maximale Ausschöpfung der Einbehaltungsmöglichkeit dar; dem Antragsteller verblieben aus seinem Regelsatz zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes außerhalb der Kosten für Unterkunft und Heizung lediglich 207,50 EUR monatlich.
Dabei erscheint es zum einen entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht zwingend, dass die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 25.09.2006 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 verfristet ist. Denn entgegen der Ansicht des Sozialgerichts kann aus dem auch nach Zustellung des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 25.10.2006 aufrecht erhaltenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, der am 23.10.2006 beim Sozialgericht gestellt worden war, durchaus konkludent hervorgehen, dass er sich mit der Entscheidung der Antragsgegnerin im Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid nach wie vor nicht einverstanden erkläre und insoweit eine gerichtliche Klärung wünsche. Denn es erscheint zumindest möglich, dass der Antragsteller als juristischer Laie Notwendigkeit und Tragweite prozessrechtlicher Erklärungen nicht überblickt hat. Zudem ist auch im Falle einer verfristeten Klage im Hauptsacheverfahren über diese Klage in der Hauptsache bisher nicht entschieden worden. Im Übrigen bestünde für den Antragsteller auch die Möglichkeit, bei Verfristung der Klage durch Antrag auf Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) doch noch eine inhaltliche Überprüfung des Bescheides zu erreichen.
Zum anderen ist jedenfalls von entscheidender Bedeutung, dass die Antragsgegnerin selbst ihre im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheide durch spätere Bescheide dahingehend abgeändert haben dürfte, dass aus den angefochtenen Bescheiden keine Rechte der Antragsgegnerin zur aufrechnungsweisen Einbehaltung von Leistungen mehr hergeleitet werden können. Denn mit Bescheid vom 26.01.2007 hat sie die "bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen … insoweit aufgehoben". Dabei bezog sie sich auf den zuvor in diesen Bescheiden referierten Umstand, dass ab März 2007 nunmehr monatlich 20,00 EUR von den Leistungen in Abzug gebracht und an die Stadt Wuppertal, Ressort Soziales, überwiesen würden. Dieser Bescheid vom 26.01.2007 ist nach allgemein gültigen Regeln danach auszulegen, wie der Antragsteller ihn verstehen durfte. Insofern sprechen bei summarischer Prüfung die besseren Gründe dafür, dass mit dem Bescheid vom 26.01.2007 die gesamte vorherige Entscheidung über die Einbehaltung monatlicher Beträge nach § 65e SGB II aufgehoben wurde.
Sofern die Antragsgegnerin hierzu vorträgt, es habe damit nur der Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 20.10.2006 aufgehoben werden sollen, so steht dies bereits mit § 95 SGG in Widerspruch. Aus dieser Norm ergibt sich, dass ein Widerspruchsbescheid dem Ausgangsbescheid eine ggf. andere Gestalt gibt. Ein Widerspruchsbescheid kann deshalb ohne den betreffenden Ausgangsbescheid gar nicht in den Blick genommen werden. Eine Aufhebung allein des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2006 hätte ohnehin nur zur Folge gehabt, dass der Ausgangsbescheid vom 21.09.2006 (und damit die Leistungsbewilligung ohne Einbehaltung nach § 65e SGB II) vollends wieder aufgelebte wäre. Dies war jedoch mit dem Bescheid vom 26.01.2007 ersichtlich nicht gewollt. Der Bescheid vom 26.01.2007 ist auch nicht etwa so zu verstehen, dass er nur den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 15.10.2006 hinsichtlich der Leistungshöhe abänderte. Denn der im Bescheid vom 26.01.2007 angesprochene "Zusammenhang" bezieht sich ersichtlich auf die Einbehaltung monatlicher Beträge von den Leistungen nach § 65e SGB II aufgrund der Schulden des Antragstellers gegenüber dem Sozialhilfeträger.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Bescheid vom 26.01.2007 die bisher in diesem (Aufrechnungs- und Einbehaltungs-) Zusammenhang ergangenen Entscheidungen "insoweit" aufhebt und in diesem Rahmen davon spricht, dass (erst) ab März 2007 monatlich 20,00 EUR zu Gunsten der Stadt X einbehalten würden. Denn das Wort "insoweit" kann sich bei Auslegung aus dem Empfängerhorizont auch allein darauf beziehen, dass die in den früheren Bescheiden verfügten Einbehaltungen bis auf den ab März 2007 einbehaltenen Betrag von 20,00 EUR ab März – und damit mit der Folge des Entfallens jeglicher Einbehaltung für die Zeit bis Februar 2007 – aufgehoben würden. Sprachliche Unklarheiten gehen bei summarischer Prüfung insoweit zu Lasten der Antragsgegnerin.
Fehlt es für eine Einbehaltung im streitigen Zeitraum bei summarischer Prüfung an einer rechtlichen Grundlage, so geht die zu treffende Interessenabwägung insgesamt zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Antragsgegnerin ist demgegenüber zumutbar auf eine genauere Klärung im Hauptsacheverfahren zu verweisen. Da dem Antragsteller die bisher einbehaltenen Leistungen nach wie vor fehlen, erscheint es dem Antragsteller auch nicht zumutbar, auf eine Aufhebung der Vollziehung der von ihm angefochtenen Bescheide nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGB II einstweilen zu verzichten.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 23.05.2007
Zuletzt verändert am: 23.05.2007