Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.12.2006 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. D, W-Straße 0, E zu ihrer Vertretung beigeordnet.
Gründe:
Die Klägerin wendet sich mit ihrer am 06.07.2006 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2006.
Mit dem Bescheid vom 24.03.2004 hat die Beklagte Folgendes verfügt:
1. Die Bewilligungsbescheide vom 01. Januar 2003 bis 30. Juni 2003 und vom 01. Juli 2004 bis 30. Juni 2004, mit denen Ihnen Grundsicherung nach den §§ 1 ff. des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) in Höhe von 6.083,72 EUR für den Zeitraum (01.01.2003 bis 30.06.2004) bewilligt worden ist, werden hiermit gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungverfahrensgesetz (VwVfG) zurückgenommen.
2. Bezüglich der Entscheidung zu 1. wird im öffentlichen Interesse die sofortige Vollziehung hiermit besonders angeordnet.
Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, bei Beantragung der in der Zeit vom 29.10.2002 bis zum 31.12.2002 bezogenen Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) habe die Klägerin ein monatliches Erwerbseinkommen von 46,80 EUR angegeben. Es habe sich nunmehr herausgestellt, dass sie regelmäßig zweimal wöchentlich auf dem C Wochenmarkt bei der Fa. Q arbeite. Da der Markt von 07.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet sei und außerhalb der Öffnungszeiten noch Arbeiten zu tätigen seien, entspreche es nicht der Erfahrung, dass Klägerin monatlich nur 46,80 EUR verdiene. Außerdem habe sie bei Beantragung von Sozialhilfe die Frage, ob sie Vermögen in den letzten zehn Jahren auf andere Personen übertragen habe, verneint. Die entspreche jedoch nicht den Tatsachen, da sie am 09.11.1994 das Hausgrundstück G-straße 0 an ihren Sohn im Rahmen eines Schenkungsvertrages übertragen habe. Ihr habe bekannt sein müssen, dass unter diesen Umständen keine Sozialhilfe zu gewähren gewesen sei. Bereits im Jahre 1995 sei sie darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie gegen ihren Sohn einen Anspruch gemäß § 528 i.V.m. §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Rückgängigmachung der Schenkung wegen Notbedarfs habe. Leistungen nach dem GSiG ab dem 01.01.2003 seien auf der Grundlage der Angaben zum Sozialhilfeantrag geleistet worden. Die Beklagte sei berechtigt, die Bewilligung von Leistungen nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Widerspruchsbescheid wurde ergänzend ausgeführt, dass an den Sohn übertragene Haus sei nach sozialhilferechtlichen Kriterien nicht für eine Einzelperson angemessen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe die Klägerin nach ihren Angaben auch gar nicht darin gewohnt. Wegen des weiteren Inhalts wird auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 14.12.2006 hat das Sozialgericht die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen. Der am 27.12.2006 eingelegten Beschwerde der Klägerin hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 15.01.2007 nicht abgeholfen.
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) besteht bereits dann, wenn schwierigere Rechtsprobleme zu lösen oder wenn noch Ermittlungen notwendig sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 73a Rn. 7a und 7b). Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, ob der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides überhaupt den Bestimmtheitsgrundsatz (§ 37 Abs. 1 VwVfG) genügt. Denn weder der Ausgangsbescheid vom 24.03.2004 noch der Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006 nennt in seinem Verfügungssatz die konkreten Bescheide, welche aufgehoben seien sollen; auch aus der Begründung der Bescheide geht nicht hervor, welche Bescheide im Einzelnen gemeint sind. Es werden lediglich ohne nähere datumsmäßige Bezeichnung Bescheide genannt, die Leistungen über einen bestimmten Zeitraum regeln (vgl. zur fraglichen Bestimmtheit eines solchen Rücknahmebescheides Urteil des Senats vom 18.12.2006 – L 20 SO 20/06).
Im Übrigen ist vom Sozialgericht, sollte der angefochtene Bescheid inhaltlich hinreichend bestimmt sein, eine durchaus nicht einfache Rechtsfrage zu klären. Diese Rechtsfrage hat das Sozialgericht zum einen in dem angefochtenen Beschluss vom 14.12.2006 nicht hinreichend abgehandelt; zum andern bietet das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren auch keinen Raum, schwierige und ungeklärte rechtliche Fragen umfassend zu prüfen. Diese Prüfung ist vielmehr ggf. dem eigentlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten, für das bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann Prozesskostenhilfe zu gewähren ist:
Zwar erscheint es durchaus möglich, dass bei der Beantragung der Sozialhilfe pflichtwidrig die Angabe unterlassen wurde, dass das Hausgrundstück auf den Sohn der Klägerin übertragen worden war. Es erscheint ferner auch möglich, dass insoweit ein auf die Beklagte überleitbarer Anspruch nach § 528 BGB auf Rückübertragung an den Schenker wegen dessen Verarmung besteht. Schließlich erscheint es auch denkbar, dass im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens der Klägerin mit ihrem Sohn eine Berufung des Sohnes auf eine Verjährung dieses Rückforderungsanspruchs ausgeschlossen wäre bzw. die Übertragung des Grundstücks nichtig sein könnte. Vor allem dann könnte das Grundstück noch Vermögen der Klägerin sein. Sollte ein Anspruch nach § 528 BGB bestehen, wird der Frage näher nachzugehen sein, ob es sich um einen realisierbaren Anspruch gehandelt hat.
Allerdings beruft sich die Klägerin darauf, dass sie zwischenzeitlich wieder in dem auf den Sohn übertragenen Hause wohne. Sollte sie angesichts ihrer Verarmung mit Erfolg die Rückübertragung des Hauses vom Sohn auf sich betreiben, so sei die Verwertung des Hauses sozialhilferechtlich unzulässig. Dieser Frage hat das Sozialgericht ggf. noch nachzugehen. Zwar geht die Beklagte davon aus, dass das Haus sozialhilferechtlich nicht angemessen und eine Verwertung deshalb doch zulässig sei. Dies bedürfte jedoch im Klageverfahren ggf. näherer Ermittlung.
Angesichts der Komplexität der sich stellenden Rechtsfragen erscheint es deshalb gerechtfertigt, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren. Sollte sich dabei herausstellen, dass das Haus der Klägerin auf sie zurück zu übertragen und gleichzeitig sozialhilferechtlich von ihr zu verwerten ist, müsste die Klägerin allerdings gewärtigen, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe später wegen dann zur Verfügung stehender ausreichender Eigenmittel überprüft und ggf. gewährte Prozesskostenhilfeleistungen zurückgefordert werden (§ 124 Nr. 3 ZPO).
Im Übrigen wird ggf. vom Sozialgericht noch zu klären sein, ob die Klägerin tatsächlich über Erwerbseinkommen verfügt, wie es die Beklagte in ihrem Ausgangsbescheid andeutet.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 23.05.2007
Zuletzt verändert am: 23.05.2007