Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22.06.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Erstattung von Sozialhilfeleistungen, die die Klägerin dem Zeugen Q nach dessen Einreise aus Polen in der Zeit vom 01.12.2001 bis 30.04.2003 bewilligt hatte.
Herr Q ist deutscher Staatsangehöriger und 1978 in Polen geboren. Er arbeitete in der Zeit vom 28.08.2001 bis 15.10.2001 bei einer deutsch-polnischen Baufirma, die ihn als Leiharbeiter in Deutschland einsetzte. Arbeitsstätten waren in Frankfurt, Düsseldorf und Dortmund, wobei die Firma ihm zusammen mit anderen Beschäftigten ein Zimmer als Unterkunft zur Verfügung stellte. Wegen fehlender Aufträge wurde das Arbeitsverhältnis beendet. Gemeldet war der Zeuge am 04.09.2001 bei der Meldebehörde N. Herr Q gab im Verwaltungsverfahren an, dass er während seiner Tätigkeit in Deutschland seinen Wohnsitz in Polen beibehalten habe. Er habe zudem nicht vorgehabt, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Erst nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses habe er beschlossen, endgültig nach Deutschland umzuziehen. Er habe daher seinen Wohnsitz in Polen aufgegeben und sei am 11.11.2001 nach B gezogen. Am 02.11.2001 – zu diesem Zeitpunkt hielt sich Herr Q noch in Polen auf – schlossen seine Schwester und sein Schwager in seinem Auftrag einen Mietvertrag über eine Wohnung in B, A-straße 00 mit Wirkung von 01.12.2001 ab. Am 11.11.2001 reiste Herr Q aus Polen kommend über Cottbus nach Deutschland ein. Er wohnte bis zum 30.11.2001 bei seiner Schwester, seinem Schwager und deren beiden in Deutschland geborenen Kindern. Ab 01.12.2001 bezog er die angemietete Wohnung.
Am 12.11.2001 sprach Herr Q wegen der Gewährung von Sozialhilfe beim Sozialamt der Klägerin vor. Er gab an, dass er sich bis zum 30.11.2001 bei seiner Schwester aufhalte, da er erst am 01.12.2001 eine eigene Wohnung habe. Herr Q erhielt von der Klägerin in der Zeit vom 12.01.2001 bis 30.04.2003 – zeitweilig ergänzende – Sozialhilfe. Die Aufwendungen der Klägerin betrugen insgesamt 8.013,77 EUR.
Das Bundesverwaltungsamt bestimmte am 22.02.2002 den Beklagten als für die Erstattung zuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe nach § 108 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Erstmals mit Schreiben vom 11.03.2002 bat die Klägerin den Beklagten um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht. Dieser lehnte die Kostenerstattung mit Schreiben vom 20.06.2002 mit der Begründung ab, Herr Q habe bei Eintritt des Bedarfs mit Verwandten zusammengelebt. Nach einem Austausch ihrer jeweiligen Rechtstandpunkte bat die Klägerin letztmalig mit Schreiben vom 25.11.2005 um die Abgabe eines Kostenanerkenntnisses. Auch hierauf zahlte der Beklagte nicht.
Am 22.12.2005 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich ihr Anspruch aus § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG ergebe. Ihr Anspruch sei nicht nach der Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG ausgeschlossen. Das Merkmal des Zusammenlebens im Sinne dieser Vorschrift sei nicht erfüllt. Ein solches setze eine auf eine gewisse Dauer gerichtete Absicht, als Familiengemeinschaft zusammenzuleben, voraus. Insoweit hat sich die Klägerin auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15.04.2003 sowie auf die in der Literatur vertretenen Auffassungen bezogen. Ihrem Kostenerstattungsanspruch stehe auch deshalb die Ausschlussvorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG nicht entgegen. Danach gelte die Kostenerstattungspflicht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG nicht für Personen, die im Geltungsbereich des BSHG geboren seien oder bei Eintritt des sozialhilferechtlichen Bedarfs mit einer solchen Person als Ehegatte, Verwandten oder Verschwägerten zusammenlebten. Das Merkmal des Zusammenlebens sei nicht erfüllt. Ein Zusammenleben gemäß § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG setze eine auf eine gewisse Dauer gerichtete Absicht des Zusammenlebens in einer Familiengemeinschaft voraus. Als Ausnahmevorschrift seien die Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen. Zudem verwende das Gesetz den Begriff des Zusammenlebens auch an anderer Stelle (§ 23 Abs. 2 Satz 1 BSHG) in dem Sinn, dass darunter ein verfestigtes, längeres Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung zu verstehen sei. Im Fall des Herrn Q habe sich das Zusammenleben in der Familie der Schwester von vornherein auf 20 Tage beschränkt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zur verurteilen, ihr 8.013,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die gegenteilige Auffassung vertreten, dass für ein Zusammenleben im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG ein verfestigtes, längeres Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung nicht erforderlich sei. Das ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch aus dem Regelungszusammenhang. Der Gesetzgeber habe den Personenkreis des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG bewusst weit gefasst, in dem er explizit nicht nur in Deutschland geborene Ehegatten und Kinder, also nur engste Familienangehörige, für ein Zusammenleben im Sinn des § 108 Abs. 1 Satz 1 Satz 3 BSHG benannt habe, sondern auch Verwandte und Verschwägerte. Wäre für ein Zusammenleben im Sinne dieser Vorschrift eine längerfristige Haushaltsgemeinschaft erforderlich, hätte es sich erübrigt, Verschwägerte und entfernte Verwandte einzubeziehen, da diese regelmäßig nicht längerfristig in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenleben würden. Es sei das erklärte Ziel des Gesetzgebers gewesen, mit den Änderungen des § 108 Abs. 1 BSHG die Anzahl der Kostenerstattungsfälle zu reduzieren, indem in Fällen, in denen eine Geburtsbeziehung in Deutschland vorgelegen habe, keine Kostenerstattung nach § 108 BSHG mehr möglich sein sollte. Auf keinen Fall habe der Gesetzgeber einen Tatbestand schaffen wollen, der weitere Konfliktfälle zwischen den Trägern der Sozialhilfe hervorrufen würde. Der Gesetzgeber habe mit dem Wegfall einer Kostenerstattung gemäß § 108 BSHG in allen Fällen mit Geburtsbeziehung im Inland eine Verringerung bzw. Vereinfachung der Kostenerstattung nach § 108 BSHG erreichen wollen. Erfahrungsgemäß verteilten sich die Geburtsorte solcher Personen auf das gesamte Bundesgebiet, so dass es im Sinn einer gerechten Lastenverteilung statthaft sei, dass bei der hier vorliegenden Fallkonstellation eine Kostenerstattung entfalle. Auch wenn man die Grundsätze des von der Klägerin herangezogenen Urteils des VG Augsburg anwende, schließe § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG den Erstattungsanspruch aus, weil Herr Q mit seinem Zuzug nach B dort am 11.11.2001 einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe. Das entscheidende Motiv für den Entschluss, nach B zu kommen, sei für ihn das Zusammenleben mit seinen bereits in B lebenden Angehörigen gewesen. Andernfalls wäre es kaum erforderlich gewesen, für ihn eine Wohnung in unmittelbarer Nähe der Nachbarschaft zur Wohnung seiner Schwester- die beiden Wohnadressen L-straße 00 und A-straße 00 lägen lediglich ca. 400 m voneinander entfernt – anzumieten. Damit sei es zu einer Verfestigung der Lebensbeziehung von Herrn Q in B gekommen.
Das Sozialgericht hat den Beklagten am 22.06.2006 verurteilt, der Klägerin 8.013, 77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 22.12.2005 zu erstatten.
Es hat zur Begründung ausgeführt: Dem sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG ergebenden Kostenerstattungsanspruch der Klägerin stehe kein Ausschlusstatbestand des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG entgegen. Herr Q habe sich zwar bei Eintritt des sozialrechtlichen Bedarfs bei in Deutschland geborenen Verwandten, nämlich seiner Nichte und seinem Neffen, den Kindern seiner Schwester, aufgehalten. Dieser Aufenthalt erfülle jedoch nicht den Tatbestand des Zusammenlebens im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG. Diese Vorschrift setze eine auf gewisse Dauer gerichtete Absicht des Zusammenlebens als Familiengemeinschaft voraus. Erforderlich sei eine gemeinsame Wohnung, nicht nur das Wohnen in unmittelbarer Nähe. Eine Erweiterung des Begriffes des Zusammenlebens gehe über den Wortlaut der Norm hinaus. Das Gesetz habe den Begriff des Zusammenlebens an anderer Stelle (§ 23 Abs. 2 Satz 1 BSHG) auch in dem Sinne verwandt, dass darunter ein verfestigtes, längeres Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung zu verstehen sei (VG Augsburg, Urteil vom 15.04.2003/215). Satz 3 des § 108 Abs. 1 BSHG, der die Ausnahme zur Kostenerstattungsregelung des Satzes 1 regele, sei eng auszulegen. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Vorschrift nur noch Fälle eines Zuzugs aus dem Ausland ohne Geburtsbeziehung im Inland erfassen. Die in § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG enthaltene Ausnahme von der Lastenverteilungsregelung des Satzes 1 solle dann zur Anwendung kommen, wenn eine Person bewusst einen bestimmten Ort ausgewählt habe, um dort mit einem hier geborenen Verwandten zusammenzuleben. Dieses Motiv des Zuzugs müsse erkennbar für die Ortswahl entscheidend gewesen sein. Die Geburtsbeziehung zu einem bestimmten Ort setze daher eine Verfestigung für eine gewisse Dauer voraus. Nur in derartigen Fällen sei es gerechtfertigt, von einer Lastenverteilung des § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG abzuweichen. Eine solche Verfestigung des Zusammenlebens in einer gemeinsamen Wohnung mit den in Deutschland geborenen Verwandten sei im Fall des Herrn Q nicht zu bejahen. Sein Aufenthalt in der Familie seiner Schwester sei von vornherein nur auf kurze Zeit von maximal 20 Tagen bis zum Bezug der eigenen Wohnung begrenzt gewesen. Ferner hat das Sozialgericht der Klägerin Verzugszinsen zugesprochen.
Gegen das am 03.07.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.07.2006 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Zu Unrecht sei das Sozialgericht davon ausgegangen, dass eine auf gewisse Dauer gerichtete Absicht des Zusammenlebens als Familiengemeinschaft erforderlich sei. Eine derartige Auslegung könne dem Wortlaut der Vorschrift jedoch nicht entnommen werden. Die Vorschrift setze eindeutig nur ein Zusammenleben im Zeitpunkt des erstmaligen Bedarfseintritts voraus. Über die Dauer des Zusammenlebens sei nichts gesagt. Ein engeres, dauerhaftes Verhältnis in häuslicher Gemeinschaft hätte explizit im Gesetz zum Ausdruck kommen müssen. Wäre die vom Sozialgericht Aachen vertretene Auffassung zutreffend, wäre insbesondere auch das zeitliche Moment des Zusammenlebens bei erstmaligem Bedarfseintritt hinfällig. Im maßgeblichen Zeitpunkt des erstmaligen Bedarfseintrittes nach seiner Einreise am 11.11.2001 habe Herr Q bis zum 30.11.2001 bei seiner Schwester, seinem Schwager und deren beiden in Deutschland geborenen Kindern gewohnt. Allein hierauf sei abzustellen. Nach dem Umzug in die eigene Wohnung sei das Zusammenleben nach Auffassung des Beklagten nicht beendet worden, da sich die Wohnung des Hilfeempfängers in einer Nachbarstraße befinde und darauf abzustellen sei, dass zwischen dem Hilfeempfänger und seinen Angehörigen eine engere innere Bindung bestehe, so dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in Notfällen erwartet werden könne. Ein Zusammenleben brauche nicht im Rahmen einer Haushaltsgemeinschaft zu erfolgen. Außerdem komme es nicht darauf an, dass der Hilfesuchende zielgerichtet eine Ortswahl treffe. Derartige Einschränkungen der Ausschlussnorm wären sinnwidrig. Die Auffassung des Sozialgerichtes würde die Kostenerstattungsfälle zusätzlich erschweren, weil im Einzelfall die Aufenthaltsabsichten ermittelt werden müssten. Vor dem Hintergrund, dass § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG bewusst weit gefasst worden sei, komme eine Kostenerstattung nicht in Betracht.
Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2007 den Erstattungsbetrag in Höhe von 1.449,00 EUR reduziert hat und die Erschienenen den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beantragt der Beklagte,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Aachen vom 22.06.2006 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn Q zu den näheren Umständen seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Blatt 92 bis 94 verwiesen. Im Übrigen wird auf die Prozessakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der noch streitigen 6.564,77EUR, weil die Ausschlussvorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG eingreift.
Als Anspruchsgrundlage ist die Vorschrift des § 108 Abs. 1 BSHG heranzuziehen, obwohl das BSHG zum 01.01.2005 außer Kraft getreten ist. Für die Anwendung des BSHG ist entscheidend, dass es materiell-rechtlich nach seinem zeitlichen Geltungswillen auf den jeweils zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.05.2000, B 11 AL 61/99 R). Schon der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass jeder Sachverhalt in der Regel, falls nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges bestimmt ist, im Lichte der jeweils gleichzeitig geltenden Rechtssvorschriften zu würdigen ist (vgl. hierzu Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, SGb 1993, Seite 596, 597). Ungeachtet dessen entspricht der § 108 BSHG wortgleich dem § 108 Abs. 1 SGB XII, so dass sich der Regelungsinhalt beider Vorschriften deckt.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG sind Kosten bei der Einreise aus dem Ausland zu erstatten, wenn eine Person, die weder im Ausland noch im Inland einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, aus dem Ausland einreist und innerhalb eines Monats nach ihrer Einreise Leistungen der Sozialhilfe einsetzen. Grundsätzlich wäre der Beklagte als vom Bundesverwaltungsamt bestimmter überörtlicher Träger der Sozialhilfe verpflichtet, der Klägerin die für Herrn Q aufgewendeten Kosten zu erstatten. Die Vorschrift setzt unausgesprochen voraus, dass Sozialhilfeleistungen zu Recht erbracht worden sind. Hieran hat der Senat nach dem Vorbringen der Beteiligten und nach Aktenlage für die noch streitigen Leistungen ab Dezember 2001 keine Zweifel. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG liegen vor, da der Zeuge Q vor dem Übertritt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen hatte. Die arbeitsbedingten Aufenthalte in Deutschland waren nur vorübergehender Art und hatten an seinem gewöhnlichen Aufenthalt in Polen nichts geändert.
Der demgemäß grundsätzlich bestehende Anspruch der Klägerin ist jedoch nach § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG (jetzt § 108 Abs. 1 Satz 3 SGB XII) ausgeschlossen, weil der Zeuge Q bei der Beantragung der Sozialhilfe mit seinem in Deutschland geborenen Neffen bzw. seiner ebenfalls in Deutschland geborenen Nichte in der der Zeit vom 11.11.2001 bis zum 30.11.2001 zusammengelebt hat. Entscheidend ist nach der Auffassung des Senats hierbei nicht, dass sich das Zusammenleben über einen längeren Zeitraum verfestigt und im Fall des Herrn Q von vornherein feststand, dass er sich nur ca. 3 Wochen bei seinen Verwandten aufhalten wird. § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG bestimmt, dass der Ersatzanspruch nicht für eine Person gilt, die im Inland geboren ist oder bei Einsetzen der Leistungen mit ihm als Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte oder Verschwägerte zusammenlebt. Eine Person lebt nicht mit Ehegatten, Lebenspartnern, Verwandten oder Verschwägerten zusammen, wenn er sich lediglich als Urlauber oder als Besucher bei ihnen aufhält (vgl. Schoch, Lehr- und Praxiskommentar, 7. Auflage, 2005, § 108 RdNr. 7, Schellhorn, Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17 Auflage, § 108 RdNr. 6). Ein derartiges Verständnis lässt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift ableiten, sondern ergibt sich auch aus dem Sinnzusammenhang mit § 108 Abs. 1 Satz 1 BSHG, der maßgeblich darauf abstellt, dass die einreisende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland aufgegeben hat und noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland vorweisen konnte. Ein Besucher hat von vornherein die Absicht, an seinen gewöhnlichen Aufenthalt zurückzukehren oder eine Gemeinde aufzusuchen, in der er seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch begründen wird. Der Zeuge Q hatte zweifellos, was die Klägerin auch nicht mehr in Abrede stellt, seinen Wohnsitz in Polen aufgegeben und nach der Einreise seinen neuen Wohnsitz in ihrem Zuständigkeitsbereich begründet. Somit kann der ca. dreiwöchige Aufenthalt im Haushalt seiner Schwester und seines Schwagers nicht als Besuch angesehen werden, weil eine Rückkehr nach Polen nicht mehr vorgesehen war, und er in der Stadt B seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen hat.
Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG legen bei verständiger Betrachtung nahe, dass bereits ein Zusammenleben vorübergehender Art den Erstattungsanspruch ausschließt ( a. A. Schröder, Jahn, SGB XII, 2005, § 108 Rdnr.6). Dem Wortlaut der Bestimmung selbst ist nicht zu entnehmen, dass ein Zusammenleben über einen längeren Zeitraum in einer gemeinsamen Wohnung beabsichtigt ist oder stattfinden muss. Systematische Gründe sprechen dafür, dass eine Kostenerstattung in Fällen mit Geburtsbeziehung bereits auszuschließen ist, in denen ein dauerhaftes Zusammenleben im gleichen Haushalt mit in Deutschland geborenen Angehörigen nicht erfolgt. Der Umstand, dass bereits in Deutschland lebende Angehörige eine Einreise und Verlagerung des Lebensmittelpunktes vereinfachen, ist regelmäßig das prägende Motiv für eine zielgerichtete Ortswahl des Einreisenden, unabhängig von der Frage, ob sich daran auch ein dauerhaftes Zusammenleben mit dem entsprechenden Angehörigen anschließt. Vor dem Hintergrund der an der Vorschrift vorgenommenen Änderungen spricht alles dafür, nicht, wie das Sozialgericht angenommen hat, ein verfestigtes, auf längere Dauer angelegtes, engeres Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung zu verlangen. Durch die Änderungen des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogrammes ist der Tatbestand bewusst weit gefasst worden. Schon ein Zusammenleben mit Verwandten – unabhängig vom Grad der Verwandtschaft -führt zum Ausschluss des Kostenerstattungsanspruchs. So kann bei einer Geburtsbeziehung zum Neffen bzw. zur Nichte kaum ein dauerhaftes oder engeres Zusammenleben erwartet werden. Auch würde sich die Tatbestandsvoraussetzung, wonach allein auf den Zeitpunkt des Bedarfseintritts abzustellen ist, bei dem vom Sozialgericht zugrunde gelegten Verständnis der Norm erübrigen.
Die vom Senat vorgenommene Auslegung fügt sich auch in den mit § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG verfolgten Zweck ein. Die jetzige Fassung des § 108 Abs. 1 BSHG geht auf Artikel 7 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung des Förderalen Konsolidierungsprogrammes zurück, das das Ziel verfolgte, die Kostenerstattungsmöglichkeiten, wie sie die bis dahin gültige Fassung eröffnet hatte (vgl. hierzu Bräutigam, Fichtner (Hrsg), BSHG, 2. Auflage, 2003, § 108 RdNr. 1) zu verringern, um auf diese Weise den als unverhältnismäßig empfundenen Verwaltungsaufwand zu verringern. Eine einengende Interpretation des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG, wie vom Sozialgericht vorgenommen, hätte die gegenteilige Wirkung.
Aus der Vorschrift des § 23 Abs. 2 BSHG (jetzt § 30 Abs. 3 SGB XII) lässt sich kein überzeugendes, gegen die hier vorgenommene Auslegung anzuführendes Argument entnehmen. Das Sozialgericht folgt insoweit der Entscheidung des VG Augsburg (Urteil vom 15.04.2003, Au 3 K 03.215). Zwar verwendet die genannte Vorschrift den Begriff des Zusammenlebens in dem Sinn, dass darunter ein verfestigtes, längeres Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung verstanden wird. Jedoch trägt sie einer besonderen Bedarfslage Rechnung, die mit der des Erstattungsbegehrens nicht ohne weiteres zu vergleichen ist. Durch die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 23 Abs. 2 BSHG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei Alleinerziehenden, die keine Unterstützung durch andere Personen haben, höhere Bedarfe, die nicht vom Regelsatz abgegolten werden, entstehen. Bei der Erstattungsvorschrift des § 108 Abs. 1 BSHG geht es allein um eine effektive, verwaltungsangemessene Lastenverteilung.
Letztlich reicht es für ein Zusammenleben aus, dass Herr Q auch nach dem Einzug in die A-straße 00 in unmittelbarer Nähe zu seinen Verwandten in einer Entfernung von rund 400 m wohnt. Es kann nach dem dargelegten Schutzzweck der Vorschrift davon ausgegangen werden, dass auch in einem derartigen Fall ein Zusammenleben anzunehmen ist (vgl. Schoch, LPK-BSHG, § 108 Rdnr.27). Ob Gleiches gilt, wenn sich die eigene Wohnung in einer größeren Entfernung von der der Verwandten befindet, war hier nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), soweit die Klägerin im Berufungsverfahren unterlegen ist. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 VwGO, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. In Höhe von 1.449,00 EUR hat die Klägerin ihren Erstattungsanspruch reduziert, so dass es der Billigkeit entspricht, sie auch insoweit mit den Kosten zu belasten.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der Senat der Auslegung der Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 3 BSHG grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Erstellt am: 29.05.2007
Zuletzt verändert am: 29.05.2007