Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.03.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligen einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Dem Kläger werden Verschuldenskosten nach § 192 SGG in Höhe von 225,00 Euro sowie ein Anteil an der von der Beklagten nach § 184 SGG zu entrichtenden Gebühr in Höhe von 112,50 Euro auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für Zahnersatz zu erstatten.
Der am 00.00.1931 geborene Kläger erlitt am 09.06.1964 unter Tage einen Arbeitsunfall. Er wurde von einer abspringenden Gelenkkappe am Kopf getroffen und zog sich eine Hirnquetschung zu. Als Unfallfolgen wurden von der Beklagten die Reste einer Facialisparese rechts, eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts sowie ein Zustand nach Hirnquetschung mit nachfolgendem Anfallsleiden, Würgeanfällen und zunehmende psychische Veränderungen anerkannt. 1992 wurden – bei ausgeprägter Kieferkammatrophie – zur Besserung des Prothesensitzes präprothetische Operationen (Kieferaufbau mit Knochenersatzmaterial und Schleimhautverlagerungen) durchgeführt. In der Folgezeit wurde der Kläger im Unterkiefer zur Prothesenretention im Unterkiefer mit zwei enossalen Implantaten versorgt. 1997 ergab sich – nach Angaben des Klägers – die Notwendigkeit der Erneuerung der lmplantatsuprakonstruktion im Unterkiefer. Die zahnärztliche Behandlung wurde in der Zeit vom 17.11.1997 bis zum 02.04.1998 durchgeführt und dem Kläger Kosten in Höhe von 5428,53 DM (2775,56 EUR) in Rechnung gestellt.
Mit der am 12.11.1998 bei dem Sozialgericht Düsseldorf eingegangen Klage (S 24 KN 66/98 KR) begehrte der Kläger von der (damaligen) Bundesknappschaft als Trägerin der Krankenversicherung die Kosten für die implantatgestützte zahnprothetische Versorgung. Die Bundesknappschaft hatte mit Bescheid vom 25.05.1998 die Implantatleistung mit der Begründung abgelehnt, solche Leistungen seien seit dem 01.01.1997 von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen generell ausgeschlossen. Nachdem der behandelnde Neurologe Dr. J in einem vom Kläger überreichten Attest vom 01.06.1999 darauf hingewiesen hatte, dass die durch den Arbeitsunfall erlittene Facialisparese zum instabilen Sitz der Zahnprothesen geführt habe, reichte der Kläger im November 1999 den Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. X vom 08.12.1997 bei der Beklagten ein. Er machte geltend, die Zahnbehandlung sei Folge der unfallbedingten Facialisparese, die zu einem instabilen Sitz der zuvor getragenen Zahnprothese geführt habe. Dr. J wiederholte, dass es als Folge der Gesichtsnervenstörung zu einer Atrophie des rechten Kiefers mit Anpassungsproblemen bei der Zahnprothese gekommen sei. Der beratende Arzt der Beklagten Dr. O hielt es nicht für nachvollziehbar, dass eine Versorgung mit Implantaten erfolgen musste (Stellungnahme vom 16.12.1999). Darauf hin lehnt die Beklagte mit Bescheid vom 22.12.1999 die Übernahme von Kosten der Zahnbehandlung ab. Ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 09.06.1964 und dem Zahnverlust sei nicht zu erkennen. Mit seinem Widerspruch berief sich der Kläger auf eine Bescheinigung von Dr.J vom 26.08.1999, mit der dieser ausführte, aus neurologischer Sicht bestünde zweifelsfrei ein Zusammenhang zwischen den unfallbedingten Nervenlähmungen mit sensiblen und muskulären Störungen, die in der Regel zu Gewebsumbildungen im Sinne von Atrophien im Kieferbereich führten. Ob in solchen Gewebsumbildungen die ausschließliche Ursache für einen gestörten Prothesensitz zu sehen sei, ließe sich aus neurologischer Sicht nicht beurteilen. Hierzu bedürfe es einer Stellungnahme eines Kieferchirurgen. Die Beklagte holte daraufhin ein zahnärztlich-kieferchirurgisches Gutachten von Prof. Dr. Dr. I/Dr. Dr. N ein. Zusammenfassend stellten diese mit Gutachten vom 26.04.2001 fest, dass aufgrund der eingetretenen Unterkieferatrophie die Versorgung mit Implantaten zur ausreichenden Fixation der Unterkieferprothese nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst erforderlich und zweckmäßig gewesen sei. Ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der eingetretenen Unterkieferatrophie sowie des gestörten Prothesensitzes und der unfallbedingten peripheren Facialisparese sowie der Sensibilitätsstörung der drei Trigeminusäste rechts und der Einschränkung der Zungenbeweglichkeit durch eine Hypoglossusparese rechts sei jedoch nicht erkennbar.
Auf dieser medizinischen Grundlage wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 07.11.2001). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Zahnlosigkeit im Ober- und Unterkiefer beidseitig bestehe. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass für die Zahnlosigkeit der linken Seite das neurologische Defizit verantwortlich gemacht werde. Die nach der vollständigen Zahnlosigkeit eingetretene Atrophie im Ober- und Unterkiefer könne ebenfalls nicht als Folge der unfallbedingten neurologischen Ausfälle gewertet werden.
Mit seiner Klage (Eingang 10.12.2001) hat der Kläger geltend gemacht, der instabile Sitz seiner Zahnprothese stehe im Zusammenhang mit der als Unfallfolge anerkannten Facialisparese. Zu Unrecht habe die Beklagte einen Zusammenhang zwischen den Nervenschädigungen im Gesichtsbereich und der Kieferatrophie verneint.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den bei ihm bestehenden Zahnverlust als Folge des Arbeitsunfalls vom 09.06.1964 anzuerkennen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zunächst ein mund-kiefer-gesichtschirurgisches Gutachten von Prof. Dr.Dr. C eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, die den Unter- und Oberkiefer betreffende mäßiggradige und hochgradige Atrophie mit nachfolgender Protheseninsuffizienz sei als unfallunabhängige Gesundheitsstörung anzusehen. Entscheidender Faktor für das Ausmaß einer Kieferkammatrophie sei die Dauer der Zahnlosigkeit. Zusammenfassend könne festgestellt werden, dass die beim Kläger vorliegende Atrophie von Ober- und Unterkiefer altersbedingt und für den zahnlosen Patienten typisch und somit nicht Folge der unfallbedingten neurologischen Störung sei. Ein Zusammenhang zwischen den Nervenlähmungen mit sensiblen und muskulären Störungen und den Gewebsumbildungen im Sinne einer Atrophie im Kieferbereich bestehe nicht. Auch ein Ursachenzusammenhang zwischen gestörtem Prothesensitz und unfallbedingter neurologischer Störung sei nicht erkennbar. Die in dem Zeitraum 17.11.1997 bis zum 02.04.1998 durchgeführte zahnärztliche Behandlung sei eindeutig aufgrund unfallunabhängiger Gesundheitsstörungen erforderlich geworden (Gutachten vom 13.01.2004).
Das Sozialgericht hat auf weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein neurologisches Gutachten von Prof. Dr. C1 eingeholt. Dieser Sachverständige hat mit Gutachten vom 26.04.2004 darauf hingewiesen, dass bei dem Kläger eine symmetrisch ausgeprägte knöcherne Atrophie des Ober- und des Unterkiefers bestehe. Diese sei am ehesten Folge der seit Jahren bestehenden Zahnlosigkeit. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der knöchernen Atrophie und dem bestehenden neurologischen Defizit aufgrund der rechtsseitigen Facialisparese sei aufgrund der symmetrischen Ausprägung nicht zu sehen.
Mit Urteil vom 01.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat sich der Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. Dr. C und Prof. Dr. C1 sowie den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. I angeschlossen. Weder der Zahnverlust des Klägers noch seine Versorgung mit Zahnersatz seien Folge der als Unfallfolgen anerkannten Nervenstörungen. Die einseitig (rechts) vorliegende neurologische Störung könne nicht die Ursache des symmetrisch beiderseits fortschreitenden Zahnverlusts im Oberkiefer und Unterkiefer gewesen sein. Auch die Kieferatrophie des Klägers könne den Unfallfolgen nicht zugerechnet werden, da sie altersbedingt und für zahnlose Patienten typisch sei. Der von Dr. J beschriebene Zusammenhang zwischen den als Unfallfolgen anerkannten Nervenstörungen und der beim Kläger bestehenden Kieferatrophie sei bereits deshalb unwahrscheinlich, weil die Atrophie im Ober- wie auch im Unterkieferbereich symmetrisch ausgeprägt sei, während die Nervenstörung nur die rechte Seite des Kiefers betreffe. Bereits Prof. Dr. Dr. I habe darauf hingewiesen, dass es bei einem Zusammenhang zwischen den unfallbedingten Nervenstörungen und der Atrophie zu einer rechtsseitig stärker ausgeprägten Atrophie hätte kommen müssen, die jedoch weder röntgenologisch noch klinisch vorliege. Die als Unfallfolge anerkannten Nervenstörungen könnten deshalb auch nicht Ursache des unzureichenden Prothesensitzes im Unterkiefer gewesen sein.
Gegen das dem Kläger am 23.03.2005 zugestellte Urteil hat dieser am 22.04.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung legt er u.a. eine Stellungnahme von Dr. J vom 25.04.2006 vor. Danach sei es wissenschaftlich unbestreitbar, dass nach Verletzung eines Nervs in dessen Ausbreitungsgebiet Gewebestörungen im Sinne einer Atrophie entstünden. Ob eine Atrophie stattgefunden habe, lasse sich oft nur an indirekten Symptomen erkennen. Solch ein indirektes Symptom könne ein Zahnverlust darstellen, wenn er sich im Ausbreitungsgebiet der geschädigten Nerven ereignet. Der Verlauf des Zahnverlustes spreche gegen die Behauptungen, es handele sich um einen symmetrischen altersbedingten Zahnverlust.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.03.2005 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2001 zu verurteilen, den bei ihm bestehenden Zahnverlust als Folge des Arbeitsunfalls vom 09.06.1964 anzuerkennen und die für die zahnärztliche Behandlung in der Zeit vom 17.11.1997 bis 02.04.1998 entstandenen Kosten in Höhe von 2775,56 Euro an ihn zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie den Kläger an der von ihr zu tragenden Pauschgebühr anteilmäßig zu beteiligen.
Der Senat hat im Rahmen der Beweisaufnahme zunächst eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. C1 eingeholt. Dieser hat darauf hingewiesen, dass als Unfallfolgen eine motorische Parese der mimischen Muskulatur im Bereich des rechten Gesichts bedingt durch die Schädigung des N. facialis bestehe. Der insuffiziente Prothesensitz sei durch eine beidseitige Atrophie des knöchernen Kiefers bedingt, welcher Folge des altersgemäßen Zahnverlustes sei. Nachdem sich der Kläger kritisch zu dem Gutachten geäußert hat, ist Prof. Dr. C1 nochmals ergänzend gehört worden. Der Sachverständige weist weiter darauf hin, dass die immer wieder vorgebrachte Beweisführung durch den zeitlichen Zusammenhang von Unfallereignis und Zahnverlust für ihn unerheblich sei, da ausschließlich der kausale Zusammenhang zu beurteilen sei. Der Behauptung des Klägers, es würde keine beidseitige Atrophie vorliegen, würde die Befunderhebung durch Inspektion während der neurologischen Untersuchung entgegenstehen und insbesondere das Ergebnis des kieferchirurgischen Gutachtens.
Mit Beschluss vom 09.05.2007 ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft – Bahn – See zum Verfahren beigeladen worden.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 22.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2001 nicht beschwert, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Zahnverlust als Folge des Arbeitsunfalls vom 09.06.1964 anzuerkennen und die Kosten der zahnärztlichen Behandlung in Höhe von 2775,56 Euro zu zahlen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Zahnverlust nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist und ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht besteht.
Unfallversicherte haben nach § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf Heilbehandlung, die die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz umfasst (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII). Diese Leistungen werden als Dienst- und Sachleistungen den Versicherten vom Unfallversicherungsträger zur Verfügung gestellt, soweit die Regelungen des SGB VII oder Neuten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) keine Abweichungen vorsehen (§ 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII). In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt damit grundsätzlich das Sachleistungsprinzip, dh der Unfallversicherungsträger hat die zur Heilbehandlung erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich als Sachleistung bzw Naturalleistung zu gewähren; ein unmittelbarer Kostenerstattungsanspruch gegen den Unfallversicherungsträger für eine selbstbeschaffte Leistungen ist in der Regel nicht gegeben. Eine Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen erfolgt lediglich unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach kommt eine Kostenerstattung in der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich einer selbstbeschafften Leistung nur dann in Betracht, wenn der Unfallversicherungsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die letztere Alternative setzt voraus, dass die Beklagte rechtzeitig von der Notwendigkeit einer Maßnahme erfährt und somit auch rechtzeitig ihre Zuständigkeit und die Geeignetheit in Betracht kommender Maßnahmen vor deren Beginn prüfen kann. Zwar hat die Beklagte vorliegend erst im Nachhinein von der Notwendigkeit der zahnärztlichen Versorgung erfahren, gleichwohl besteht grundsätzlich dann ein Erstattungsanspruch, wenn der Versicherte die zahnärztliche Behandlung zunächst in Unkenntnis über die Leistungspflicht der Beklagten in Anspruch genommen hat (vgl. BSG Urteil vom 04.10.1988; 4/11a RK 2/87; SozR 2200 § 182 Nr. 113). Selbst wenn dies zugunsten des Klägers unterstellt würde, besteht kein Kostenerstattungsanspruch. Denn die Beklagte hat nur für eine Heilbehandlung einzutreten, die wegen der Folgen des Arbeitsunfalls notwendig geworden ist. Damit ist notwendige Voraussetzung, dass zwischen den Folgen eines Arbeitsunfalls und der Heilbehandlung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher ursächlicher Zusammenhang besteht zur Überzeugung des Senats nicht. Der die Heilbehandlung notwendig machende Zahnverlust des Klägers ist nicht infolge eines Versicherungsfalls, zu dem Arbeitsunfälle (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII –) rechnen, eingetreten.
Als Folgen eines Arbeitsunfalls sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen und in die Bewertung einzubeziehen, die mit Wahrscheinlichkeit unmittelbar oder mittelbar im Sinne zumindest wesentlicher Teilursächlichkeit auf die bei dem Unfall erlittenen gesundheitlichen Schäden zurückzuführen sind (BSG Urteil vom 24.02.1988, SozR 2200 § 548 RVO Nr 89 mwN), sog. haftungsausfüllende Kausalität. Wahrscheinlich ist ein solcher Zusammenhang, wenn unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Tatsachen mehr dafür als dagegen spricht (zur im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblichen Ursachentheorie von der wesentlichen Bedingung vgl Hauck in: Weiss/Gagel (Hrsg), Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts, Stand Januar 2003, § 22 A Die Unfallrenten, Rdnr. 67ff; zum Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden insbesondere Rdnr. 71 f und Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung. Handkommentar. 5. Auflage. Stand März 2007. § 8 Nr. 8-10, jeweils mwN). Die als Unfallfolgen in Betracht kommenden Gesundheitsstörungen müssen allerdings nachgewiesen sein, d.h. mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit vorliegen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Verlust der Zähne weder unmittelbar noch mittelbar auf den Arbeitsunfall vom 09.06.1964 zurückzuführen ist.
Dass der Zahnverlust unmittelbar durch den Arbeitsunfall verursacht worden ist, lässt weder der (Unfall-) Erstbericht von Dr. X1, Krankenhaus C vom 09.06.1964 erkennen, noch wird dies vom Kläger selbst behauptet.
Der Zahnverlust ist auch nicht mittelbar auf eine der anerkannten Unfallfolgen, insbesondere auch nicht auf die Facialisparese zurückzuführen. Soweit der Kläger (pauschal) behauptet, die Zähne oben rechts hätten sich erst nach dem Unfall gelockert, ist bereits der Sachverhalt nicht weiter aufklärbar. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, wann der Kläger seine (ersten) Zähne verloren hat bzw. bis zu welchem Zeitpunkt es zum (vollständigen) Verlust der Zähne gekommen ist. Die zeitnah zum Arbeitsunfall bzw. im Zeitraum bis 1967 erstellten Sachverständigengutachten belegen keinesfalls, dass es erst im Anschluss an den Arbeitsunfall zu einem Zahnverlust gekommen ist. Keinem der seinerzeit angehörten Sachverständigen gegenüber hat der Kläger angegeben, dass es infolge des Unfalls zu einem Zahnverlust gekommen sei. Dies hätte sicherlich aufgrund des damaligen Alters des Klägers nahe gelegen, denn die Versorgung des noch nicht 35jährigen Klägers mit einer Vollprothese oben und einer Teilprothese unten (vgl. Dr. S, Gutachten vom 04.04.1966) dürfte auch seinerzeit nicht alltäglich gewesen sein. Die Behauptung, die Zähne oben rechts hätten sich erst nach dem Unfall gelockert und die Zähne oben links seien im Zeitpunkt zu dem sie gezogen wurden, gesund gewesen, können daher nicht belegt werden. Geeignete, d. h. zeitnahe Unterlagen befinden sich weder in den (umfänglichen) Verwaltungsakten noch sind diese vom Kläger vorgelegt worden. Grundsätzlich haben insoweit zur Überzeugung des Senats – alle Sachverständigen, insbesondere auch Prof. Dr. Dr. I – dessen im Verwaltungsverfahren erstattetes Gutachten im Wege des Urkundenbeweises Verwertung gefunden hat – ausgeführt, dass die Zahnlosigkeit im Ober- und Unterkiefer beiderseits bestehe, so dass für die Zahnlosigkeit der linken Seite ein neurologisches Defizit nicht verantwortlich gemacht werden könne.
Die Facialisparese kann nicht verantwortlich für eine Atrophie des rechten Kiefers (mit daraus folgenden Anpassungsproblemen bei der Zahnprothese) gemacht werden. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf den ihn behandelnden Neurologen Dr. J (Bescheinigung vom 26.08.1999; ebenso Befundbericht vom 25.11.1999) ausgeführt, dass aus neurologischer Sicht zweifelsfrei ein Zusammenhang zwischen den unfallbedingten Nervenlähmungen mit sensiblen und muskulären Störungen und den Atrophien bestünde, da solche in der Regel zu Gewebsumbildungen im Sinne von Atrophien im Kieferbereich führten. Diese Auffassung sieht der Senat durch die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. C und Prof. Dr. C1 als widerlegt an. Prof. Dr. Dr. C sieht die den Unter- und Oberkiefer betreffende mäßiggradige und hochgradige Atrophie mit nachfolgender Protheseninsuffizienz als unfallunabhängige Gesundheitsstörung an, ein Zusammenhang zwischen den Nervenlähmungen mit sensiblen und muskulären Störungen sowie Gewebsumbildungen im Sinne einer Atrophie im Kieferbereich bestehe nicht. Dem hat Prof. Dr. C1 zugestimmt. Bei dem Kläger bestehe eine symmetrisch ausgeprägte knöcherne Atrophie des Ober- und des Unterkiefers. Diese sei am ehesten Folge der seit Jahren bestehenden Zahnlosigkeit. Ein ursächlicher Zusammenhang der knöchernen Atrophie mit dem bestehenden neurologischen Defizit der rechtsseitigen Facialisparese sei aufgrund der symmetrischen Ausprägung nicht zu sehen. Der Zahnverlust und die nachfolgende kontinuierliche und symmetrisch ausgeprägte knöcherne Atrophie und nicht die residuale (unilaterale) neurologische Symptomatik hätten die Änderungen im Bereich der implantatgestützten Prothesen erforderlich gemacht. Die Behauptung des Klägers, es würde keine beidseitige Atrophie vorliegen, sieht Prof. Dr. C1 durch die Inspektion während der neurologischen Untersuchung und insbesondere durch das Ergebnis des kieferchirurgischen Gutachtens ebenfalls als widerlegt an. Dem entspricht die Feststellung von Prof. Dr. I, die Atrophie sei als Folge der vollständigen Zahnlosigkeit eingetreten. Die im Bereich des Ober- und Unterkiefers weitgehend symmetrisch ausgeprägte Atrophie mache ebenfalls einen wesentlichen Einfluss der genannten neurologischen Störungen unwahrscheinlich, da es dann zu einer rechtsseitig stärker ausgeprägten Atrophie hätte kommen müssen. Diese liege jedoch sowohl röntgenologisch, als auch klinisch nicht vor. Der Senat hat keine Anhaltspunkte an der Richtigkeit dieser medizinischen Beurteilungen zu zweifeln. Dr.J – auf den sich der Kläger insoweit beruft – hat letztlich selbst darauf hingewiesen, dass es sich aus neurologischer Sicht nicht beurteilen ließe, ob die unfallbedingten Nervenlähmungen ausschließliche Ursache für die Gewebsumbildungen im Sinne einer Atrophie im Kieferbereich seien. Er hat daher ausdrücklich die Stellungnahme eines Kieferchirurgen für notwendig erachtet. Dieser Anregung ist mit der Einholung eines mund-kiefer-gesichtschirurgischen Gutachtens von Prof.Dr.Dr. C ausreichend Rechnung getragen worden.
Die Facialisparese ist auch nicht deshalb kausal für den Verlust der Zähne, weil sie zu einer mangelnden Selbstreinigung der Mündhöhle und dadurch zum Zahnverlust geführt hat. Der Auffassung des Klägers, aufgrund der Muskellähmungen der Wange und der Zunge hätten Speisereste zwischen Wange und Zunge nicht im erforderlichen Maße herausbefördert werden könnten hat der Sachverständige Prof. Dr. C1 zwar grundsätzlich zugestimmt: Die halbseitige Lähmung des N. orbicularis oris als Folge der Facialisschädigung sowie die herabgesetzte Sensibilität im Bereich der Mundhöhle rechts könne zu Schwierigkeiten bei der Beförderung von Speiseresten in der Mundhöhle führen. Jedoch hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. I – für den Senat nachvollziehbar – darauf hingewiesen, dass bei einer solchen Störung durch regelmäßige Mundpflege eine Zerstörung der Zähne durch Karies oder ein fortschreitender Zahnverlust durch Erkrankungen des Parodonts in ausreichendem Maße vermieden werden kann.
Taubheitsgefühle und muskuläre Lähmungen (der rechten Seite) haben – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht zu einem instabilen Sitz der Zahnprothese geführt. Keiner der im Verwaltungs- und im Streitverfahren gehörten Mediziner hat sich dieser Auffassung anschließen können. Zwar vertritt Prof. Dr. Dr. I die Auffassung, für den Halt der Prothesen im Ober- und Unterkiefer sei eine gewisse Mitfunktion der mimischen Muskulatur sowie eine erhaltene Sensibilität im Bereich der Wange und Zunge unterstützend, jedoch sei diese nicht als wesentlich für einen ausreichenden Prothesenhalt anzusehen. Prof. Dr. Dr. C sieht letztlich keinen Ursachenzusammenhang zwischen gestörtem Prothesensitz und unfallbedingter neurologischer Störung. Prof. Dr. C1 meint, der insuffiziente Prothesensitz sei nicht als Folge der einseitigen Facialisparese (motorisch) und der einseitigen Schädigung im Bereich des N.trigeminus (senibel) zu werten. Nachhaltige Einwendungen, die diese fachärztlichen Einschätzungen erschüttern können, kann der Senat nicht erkennen.
Zusammenfassend bleibt mithin festzustellen, dass die Facialisparese weder unmittelbar noch mittelbar zum Zahnverlust geführt hat; sie kann daher nicht für die Atrophie des rechten Kiefers verantwortlich gemacht werden. Vielmehr muss muss davon ausgegangen werden, dass der Zahnverlust – unfallunabhängig – schicksalsmäßig eingetreten.
Der Senat hat es für angemessen erachtet, dem Kläger Kosten in Höhe von 225,00 Euro (Mindestbetrag nach §§ 192 Abs. 1 Satz 3, 184 Abs.2 SGG) und die hälftige Pauschgebühr (§§ 184 Abs.1, 186 Satz 1 SGG) als Verschuldenskosten nach § 192 SGG aufzuerlegen. Die Fortsetzung des Berufungsverfahrens war angesichts des eindeutigen Beweisergebnisses von zwei – im Ergebnis übereinstimmenden – Sachverständigengutachten nach § 109 SGG missbräuchlich. Die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung ergibt sich nach Auffassung des Senats insbesondere auch daraus, dass der Kläger im laufenden Verfahren mit unterschiedlicher Argumentation – abhängig vom jeweils vorliegenden Beweisergebnis – versucht hat, einen Zusammenhang zwischen der Facialisparese und der Notwendigkeit der zahnärztlichen Behandlung in der Zeit vom 17.11.1997 bis zum 02.04.1998 herzustellen, ohne letztlich die Feststellungen der – von ihm selbst benannten – Sachverständigen, im Ergebnis und in einer Gesamtschau, gegen sich gelten zu lassen. Dem Kläger ist ausweislich der Sitzungsniederschrift am 24.05.2007 nach Zwischenberatung des Senats die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung eingehend und klar dargelegt worden. Sachliche Gründe, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind von ihm daraufhin nicht vorgetragen worden. Vielmehr hat sich der Kläger sodann allein darauf beschränkt, die Kostentragungspflicht der Beklagten mit der Schwere des Unfallereignisses – an der der Senat mehrmals ausdrücklich keine Zweifel geäußert hatte – zu begründen.
Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 11.07.2007
Zuletzt verändert am: 11.07.2007