NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.11.2004 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger war bis 31.12.2001 als Scherenschleifer bei dem Unternehmen D-Schneidwaren, G L (Insolvenzschuldner) in T beschäftigt gewesen. Dieses Einzelunternehmen hatte seit 01.04.2001 zuletzt mit 4 Arbeitnehmern eine Produktion von Schneidwaren aller Art in den Räumlichkeiten ihrer verbliebenen einzigen Abnehmerin, der vom Sohn des Insolvenzschuldners geführten D-GmbH (Beigeladene) betrieben.
Am 02.01.2002, 8.15 Uhr, wurde über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 28.12.2001 – 145 IN 352/01 -).
Am 23.01.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten Insolvenzgeld für die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.10. bis 31.12.2001 und gab an, das Arbeitsverhältnis mit dem Insolvenzschuldner sei in Schriftform einvernehmlich zum 31.12.2001 beendet worden. Der seit 01.01.2002 bei der D GmbH beschäftigte Kläger fügte seinem Insolvenzgeldantrag eine Kopie einer zwischen ihm und der D GmbH am 08.11.2001 getroffenen Vereinbarung bei. Diese hatte im Wesentlichen Folgendes zum Inhalt: Da der Insolvenzschuldner nicht in der Lage sei, seine Verpflichtungen zur Zahlung von Gehalt gegenüber dem Kläger zu erfüllen, gewähre die D GmbH dem Kläger im Hinblick auf den voraussichtlichen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld für die Monate Oktober bis Dezember 2001 ein Darlehen in Höhe der jeweiligen Lohnforderungen des Klägers für die Monate Oktober bis Dezember 2001. Der Darlehensbetrag sei zu dem Zeitpunkt fällig und zahlbar, zu dem die jeweiligen Lohnforderungen für die entsprechenden Monate von dem Einzelunternehmen G L geschuldet würden. Zur Absicherung des Darlehensrückforderungsanspruchs trete der Kläger der D GmbH seinen Anspruch gegen die Beklagte auf Insolvenzgeld ab. Gleichzeitig erkläre der Kläger sein Einverständnis, dass in den Insolvenzgeldanträgen das Firmenkonto der D GmbH als begünstigtes Konto angegeben werde. Eine solche Vereinbarung schloss die D GmbH außer mit dem Kläger auch mit den anderen beim Insolvenzschuldner noch beschäftigten Arbeitnehmern.
Auf Befragen der Beklagten erklärte der Kläger dann im März 2002, dass er seine Ansprüche auf Insolvenzgeld nach Stellung des Insolvenzgeldantrags auf die D GmbH übertragen habe und fügte eine unter dem 06.03.2002 zwischen ihm und der D GmbH getroffene Vereinbarung bei, wonach er seine Ansprüche auf Insolvenzgeld an die D GmbH abtrete, diese die Abtretung annehme und berechtigt sei, die Abtretung offen zu legen.
Mit Bescheid vom 12.06.2002 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Antrag auf Insolvenzgeld mit der Begründung ab, dem Kläger stehe kein Insolvenzgeld zu, da er seine Ansprüche auf Arbeitsentgelt abgetreten habe. Den dagegen vom Kläger nicht begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2002 mit der Begründung zurück, der Anspruch auf Insolvenzgeld stehe gemäß § 188 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) der D GmbH zu.
Am 23.08.2002 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und eine Erklärung des Geschäftsführers der D GmbH vorgelegt, nach der er befugt sei, den abgetretenen Anspruch auf Insolvenzgeld im eigenen Namen geltend zu machen. Er hat vorgetragen, er habe an die D GmbH nicht seine Arbeitsentgeltansprüche, sondern den Anspruch auf Insolvenzgeld abgetreten. Er hat die Ansicht vertreten, ein Betriebsübergang vom Insolvenzschuldner auf die D GmbH habe nicht stattgefunden. Aber auch im Falle eines Betriebsübergangs hafte die D GmbH nicht für vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Forderungen gegen den Insolvenzschuldner. Die D GmbH habe Betriebsvermögen des Insolvenzschuldners erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbe- scheides vom 26.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Insolvenzgeld zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, es bestehe bereits deshalb kein Anspruch auf Insolvenzgeld, weil es keinen Arbeitsentgeltausfall gegeben habe. Der Kläger habe sein Arbeitsentgelt von der D GmbH erhalten. Es habe ein Betriebsübergang vom Insolvenzschuldner auf die D GmbH stattgefunden. Die Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners seien seit 01.01.2002 von der D GmbH beschäftigt worden. Sowohl im Falle des Klägers als auch in den drei weiteren vor dem SG Düsseldorf anhängigen Klageverfahren der anderen betroffenen Arbeitnehmer liege eine beabsichtigte mißbräuchliche Inanspruchnahme der Insolvenzgeldversicherung vor.
Mit Urteil vom 08.11.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt:
"Die D GmbH hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Insolvenzgeld für das Arbeitsentgelt des Klägers für die Monate Oktober bis Dezember 2001. Ein möglicher Anspruch scheitert daran, dass die D GmbH Schuldnerin der ausstehenden Arbeitsentgeltansprüche des Klägers geworden ist und die Forderung durch Aufrechnung untergegangen ist.
Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines früheren Arbeitgebers G L durch Beschluss vom 02.01.2002 hatte der Kläger gegen diesen noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Monate Oktober bis Dezember 2001. Der Insolvenzschuldner hat an den Kläger kein Arbeitsentgelt für diesen Zeitraum gezahlt. Der Kläger hat Zahlungen lediglich von der D GmbH aufgrund einer als Darlehen umschriebenen Vereinbarung erhalten. Die D GmbH hat durch die Zahlung nicht die Schuld der Einzelfirma D-Schneidwaren G L übernommen. Es lässt sich nicht feststellen, dass ein Schuldbeitritt stattfinden sollte und die gegen den Insolvenzschuldner bestehende Forderung auf Arbeitsentgelt erfüllt werden sollte. Ziel der Zahlung an den Kläger durch die D GmbH war nicht eine befreiende Schuldübernahme gemäß § 414 oder § 415 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es sollte nicht der Einzelfirma die Zahlung des Arbeitsentgelts ermöglicht werden. Denn dann wären die Arbeitsentgeltansprüche des Klägers erloschen und ein Anspruch auf Insolvenzgeld erst gar nicht entstanden. Die Vertragsparteien gingen aber übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger Insolvenzgeld zustehe. Deshalb sollte die Zahlung der D GmbH weder eine befreiende Schuldübernahme noch einen Schuldbeitritt beinhalten.
Der nicht erfüllte Arbeitsentgeltanspruch des Klägers begründet einen Insolvenzgeldanspruch des Klägers. Dieser Insolvenzgeldanspruch ist im März 2002 vom Kläger auf die D GmbH übertragen worden. Die in der schriftlichen Darlehensvereinbarung im November 2001 vorgesehene Abtretung des Insolvenzgeldanspruchs an die D GmbH ist nicht wirksam gewesen. Diese vertragliche Vereinbarung verstieß gegen die gesetzliche Regelung des § 189 Satz 1 SGB III. Danach kann der Anspruch auf Insolvenzgeld erst nachdem das Insolvenzgeld beantragt worden ist, wie Arbeitseinkommen gepfändet, verpfändet oder übertragen werden. Den Antrag auf Insolvenzgeld stellte der Kläger am 23.01.2002, so dass eine vor diesem Zeitpunkt vorgenommene Verfügung über den Insolvenzgeldanspruch rechtlich nicht zulässig war nach § 134 BGB. Die gesetzliche Regelung verhindert, dass vor der Antragstellung der Insolvenzgeldanspruch und der Anspruch auf Arbeitsentgelt auseinanderfallen. Diese Akzessorietät ist durch die weitere Regelung in § 188 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 1 SGB III gesichert. Bei Übertragung des Arbeitsentgeltanspruchs auf einen Dritten steht diesem auch der Anspruch auf Insolvenzgeld zu. Der neue Gläubiger des Arbeitsentgeltanspruchs hat aber keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn ihm die Arbeitsentgeltansprüche vor dem Insolvenzereignis ohne Zustimmung des Arbeitsamtes zur Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte übertragen wurden. Der Kläger und die D GmbH haben im November 2001 keine Vereinbarung über die Übertragung von Arbeitsentgelt getroffen, sondern es sollte ausschließlich der Insolvenzgeldanspruch des Klägers übergehen.
Die im März 2002, also nach dem Insolvenzereignis vorgenommene erneute vertragliche Abrede zur Übertragung des Insolvenzgeldanspruchs des Klägers auf die D GmbH ist wirksam. Diesen Anspruch kann die D GmbH, hier durch ihren Prozessstandschafter, den Kläger, gegen die Beklagte aber nicht durchsetzen.
Vor der wirksamen Abtretung hat eine Betriebsübernahme der Einzelfirma D-Schneidwaren durch die D GmbH nach § 613 a BGB stattgefunden. Diese Betriebsübernahme führt dazu, dass die D GmbH Schuldnerin der bisher nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche des Klägers geworden ist. Geht ein Betrieb durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Als Schuldnerin des Arbeitsentgeltanspruchs kann die D GmbH von der Beklagten kein Insolvenzgeld beanspruchen. Die Beklagte ist Inhaberin des Arbeitsentgeltanspruchs des Klägers geworden. Gemäß § 187 Satz 1 SGB III gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über. Die Beklagte kann ihre Forderung gegenüber der D GmbH mit dem Insolvenzgeldanspruch, der an die D GmbH abgetreten worden ist, aufrechnen und dadurch den Insolvenzgeldanspruch tilgen (§ 389 BGB). Eine solche Aufrechnung hat die Beklagte konkludent vorgenommen durch die Ablehnung der Leistungsbewilligung. Die Erklärung einer Aufrechnung braucht nicht ausdrücklich abgegeben zu werden. Sie kann in der Leistungsverweigerung einer gleichartigen Schuld enthalten sein (Palandt/Heinrichs, BGB Kommentar 64. Auflage 2005 § 388 Rn 1 m.w.N. zur Rspr.).
Die D GmbH ist Betriebsnachfolgerin der Firma D-Schneidwaren G L geworden. Der Betrieb ist durch Rechtsgeschäft auf die D GmbH nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen. Ein Betriebsübergang eines Fertigungsbetriebes ist dann gegeben, wenn der Erwerber von dem Veräußerer die materiellen und immateriellen Produktionsmittel übernimmt und damit den Betriebszweck weiterverfolgen kann (BAGE 55, 228 ff. m.w.N. zur Rspr.). Die gesamte Geschäfts- und Betriebsausstattung der Einzelfirma wurde durch den Insolvenzverwalter an die D GmbH veräußert mit Wirkung zum 02.01.2002. Die Beschäftigungsverhältnisse der verbliebenen vier Arbeitnehmer wurden von der D GmbH mit Wirkung ab dem 01.01.2002 übernommen. Durch die Übernahme der Produktionsmittel und die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer konnte die D GmbH die Herstellung von Schneidwaren weiterführen und damit den bisherigen Betriebszweck des Insolvenzschuldners weiter verfolgen. Der Betrieb des Insolvenzschuldners ist nicht zwischenzeitlich stillgelegt worden. Der Insolvenzverwalter hat den Betrieb im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung fortgeführt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nahtlos wurde danach der Betrieb vom Erwerber, der D GmbH, fortgesetzt.
Mit der Betriebsnachfolge ist die D GmbH in die bestehenden Arbeitsverträge eingetreten. Der Betriebsübergang wird insbesondere dadurch deutlich, dass nach Auskunft des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung zwischen der D GmbH und dem Kläger kein neuer Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Der Kläger hatte offensichtlich auch kein Interesse an der schriftlichen Fixierung der Arbeitsvertragsbedingungen, da für ihn alles so weiterlief – mit gleichem Vertragsinhalt – wie bisher.
Im vorliegenden Fall greifen nicht die Grundsätze eines Haftungsausschlusses des Erwerbers für Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die vor dem Insolvenzereignis entstanden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haftet der Betriebserwerber nach § 613 a BGB nicht für Ansprüche, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, wenn der Betriebsübergang nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist (vgl. BAG Urteil vom 20.06.2002, Az.: 8 AZR 459/01 in NZA 2003, 318 ff). Begründet wurde diese Rechtsprechung mit dem das Insolvenzrecht prägenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Würde die vom Betriebserwerber übernommene Belegschaft einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner für bereits entstandene Ansprüche erhalten, wäre sie im Verhältnis zu anderen Insolvenzgläubigern unangemessen bevorzugt (BAG a.a.O.). Dieser Vorteil müsste von den übrigen Insolvenzgläubigern finanziert werden, weil der Betriebserwerber den an die Masse zu zahlenden Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung mindern würde (BAG a.a.O.). Die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens seien daher vorrangig, § 613 a BGB sei insoweit teleologisch zu reduzieren (BAG Urteil vom 17.01.1980, Az.: 3 AZR 160/79 – BAGE 32, 326). Ist der Betriebsübergang vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, so gelten die insolvenzrechtlichen Einschränkungen nicht (BAG Urteil vom 20.06.2002 a.a.O.). Gleiches gilt, wenn eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verabredete Betriebsübernahme nach der Eröffnung vollzogen wird (vgl. Hess in Gemeinschaftskommentar zum SGB III § 187 Rz 65 unter Hinweis auf BAG Urteil vom 28.04.1987, Az.: 3 AZR 75/86 in BAGE 55, 228 ff. und Urteil vom 08.11.1988, Az.: 3 AZR 85/87 in BAGE 60, 118 ff.).
Das in § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzte Rechtsgeschäft ist die Einigung des bisherigen Betriebsinhabers mit dem neuen Betriebsinhaber, dass die Verfügungsgewalt über die sächlichen und immateriellen Gegenstände auf den Betriebsnachfolger übergehen soll. Das Rechtsgeschäft bezieht sich nach dem Wortlaut der Bestimmung auf den Übergang des Betriebes. Damit ist der Übergang der Leitungsmacht gemeint. Dies folgt auch aus dem mit § 613 a Abs. 1 Satz 1 GBG verfolgten Zweck: Es soll sichergestellt werden, dass die Arbeitsverhältnisse auf denjenigen übergehen, der die sächlichen und immateriellen Beriebsmittel übernimmt (BAG Urteil vom 08.11.1988 a.a.O.). Von dem einem Betriebsübergang zugrundeliegenden Rechtsgeschäft ist dasjenige Rechtsgeschäft zu unterscheiden, das den Vermögensübergang letztlich legitimieren soll, also zum Beispiel ein Kauf- oder Pachtvertrag. Dieses Rechtsgeschäft kann dem Betriebsübergang nachfolgen (BAG Urteil vom 08.11.1988 a.a.O.).
Im vorliegenden Falle geht die Kammer von einer einverständlichen Übertragung der Leitungsmacht auf den Betriebserwerber vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus. Dass eine entsprechende Einigung vorgelegen haben muss, ergibt sich bereits daraus, dass die Arbeitsverhältnisse mit den Arbeitnehmern vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (02.01.2002) auf den Betriebserwerber übergingen, nämlich ab dem 01.01.2002. Dies war im vorhinein so verabredet worden. Die Betriebsmittel befanden sich bereits in den Räumlichkeiten der D GmbH, so dass defacto die Leitungsmacht über den Betrieb von der GmbH ausgeübt werden konnte. Insbesondere die familiäre Nähe zwischen dem Inhaber der Einzelfirma und dessen Sohn als Gesellschafter der GmbH begründet für die Kammer nach den Umständen dieses Falles einen wesentlichen Anhaltspunkt für eine bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verabredete Betriebsübernahme. Auch die sonstigen Umstände deuten darauf hin. Es ist völlig unüblich, dass sich ein unbeteiligter Dritter, der Arbeitnehmern ein Darlehen gewährt, nicht die Arbeitsentgeltansprüche gegen den Arbeitgeber abtreten lässt. Für die Kammer ist es offensichtlich, dass eine solche Handhabung der Darlehensgewährung ohne entsprechende Sicherung vorgenommen worden ist, weil schon zum Zeitpunkt des Darlehensvertrages die Verabredung bestand, den Betrieb zu übernehmen. Diese Indizien reichen der Kammer aus, um die Betriebsveräußerung nicht als Masseverwertung anzusehen, sondern als von vornherein vorgesehene Weiterführung eines Familienbetriebes. Die Kammer sah es daher nicht als erforderlich an, den Kläger, der trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens im Termin nicht erschienen ist, zum Ablauf des Betriebsübergangs zu befragen.
Da die D GmbH durch den Betriebsübergang Schuldnerin der Arbeitsentgeltansprüche des Klägers für die Zeit von Oktober bis Dezember 2001 geworden ist und die Beklagte nach § 187 Satz 1 SGB III durch Legalzession Inhaberin des Arbeitsentgeltanspruchs geworden ist, stehen sich zwei gleichartige Forderungen gegenüber. Die D GmbH hat gegen die Beklagte einen Insolvenzgeldanspruch aus abgetretenem Recht in Höhe des Nettoarbeitsentgeltanspruchs des Klägers. Die Beklagte hat gegenüber der D GmbH den Anspruch auf Auszahlung des Nettoarbeitsentgelts des Klägers für den streitigen Zeitraum. Die Beklagte ist zur Aufrechnung mit ihrer Gegenforderung berechtigt. Durch Ablehnung der Bewilligung von Insolvenzgeld zugunsten der D GmbH hat die Beklagte von der Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Damit ist der Insolvenzgeldanspruch der D GmbH erfüllt. Ein Zahlungsanspruch besteht nicht."
Gegen das am 29.12.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.01.2005 Berufung eingelegt. Mit ihr vertritt er im Wesentlichen die Auffassung, die D GmbH sei nicht Schuldnerin seiner Arbeitsentgeltansprüche geworden, weil der Betriebsübergang entgegen der Auffassung der SG nicht vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 02.01.2002 stattgefunden habe. Der Betriebsübergang sei erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, weil die Leitungsmacht über den Geschäftsbetrieb des Schuldners erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Übertragung der Betriebsmittel auf die D GmbH übergegangen sei. Es sei auch keine Übernahme der Beschäftigungsverhältnisse zum 01.01.2002 erfolgt. Der Insolvenzverwalter habe zutreffend bestätigt, dass der Insolvenzschuldner und er, der Insolvenzverwalter, die Leitungsmacht bis zuletzt besessen hätten. Auch sei dem SG zu widersprechen, dass eine konkludente Aufrechnung der Beklagten aus der abgelehnten Leistungsbewilligung zu entnehmen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.11.2004 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und ist der Ansicht, die Übernahme der Beschäftigungsverhältnisse zum 01.01.2002, also noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, spreche für eine einverständliche Übertragung der Leitungsmacht auf den Betriebserwerber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Erklärungen des Insolvenzverwalters, Rechtsanwalt L, könnten die Entscheidung des SG nicht erschüttern.
Auf Befragung durch den Senat hat der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 12.07.2005, 27.02.2006 und 27.03.2006, auf deren Inhalt im Übrigen verwiesen wird, im Wesentlichen Folgendes erklärt: Der Insolvenzschuldner und er hätten seit der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung die Leitungsmacht über den Geschäftsbetrieb des Schuldners gehabt. Bis zum 31.12.2001 hätten sich der Betrieb des Insolvenzschuldners und die D GmbH in einem Lieferantenverhältnis gegenüber gestanden. Der Betrieb des Insolvenzschuldners habe geliefert und in Rechnung gestellt und die D GmbH sei verpflichtet gewesen zu zahlen. Bereits im Stadium der vorläufigen Insolvenz sei erörtert worden, was mit den Betriebsmitteln nach Insolvenzeröffnung geschehen solle, um eine Zerschlagung dieser Betriebsmittel zu vermeiden. Die Übertragung der Betriebsmittel auf die D GmbH habe erst unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden. Am Feiertag, dem 01.01.2002, sei im Betrieb des Insolvenzschuldners nicht gearbeitet worden und er gehe davon aus, dass dies bei der D GmbH in gleicher Weise der Fall gewesen sei. Da die D GmbH nach seiner Kenntnis ausschließlich Mitarbeiter aus dem Betrieb des Insolvenzschuldners übernommen habe, die im Lohnbezug standen, sei von daher weder vor dem 02.01.2002 Leitungsmacht ausgeübt worden noch seien Verpflichtungen zu Lasten der D GmbH entstanden. Soweit er dem Insolvenzgericht mit Schreiben vom 19.12.2001 berichtet habe, dass "die Beschäftigungsverhältnisse mit den zur Zeit noch beschäftigten Arbeitnehmern von der D GmbH mit Wirkung ab dem 01.01.2002 übernommmen werden", habe dies nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als dass mit dem Geschäftsführer der D GmbH Einigkeit dahin erzielt gewesen sei, dass nach Insolvenzeröffnung die Betriebsmittel des Insolvenzschuldners erworben und auch die Arbeitsverhältnisse der noch beschäftigten Arbeitnehmer auf die D GmbH übergehen würden. Darüber verhalte sich auch sein Bericht zur Gläubigerversammlung vom 13.02.2002.
Mit Beschluss vom 10.07.2006 hat der Senat die D GmbH beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte und der "KauG"-Akte (Stammnummer 000) der Beklagten sowie der Insolvenzakten des Amtsgerichts Wuppertal – 145 IN 352/01 -, die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
1. Die nach dem Wortlaut des Klageantrags erhobene unechte Leistungsklage (kom binierte Anfechtungs- und Leistungsklage) gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2002 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Insolvenzgeld im Ergebnis zutreffend abgelehnt, weil dieser seinen Anspruch auf Insolvenzgeld durch die Vereinbarung vom 06.03.2002 wirksam an die Beigeladene abgetreten hat. Zur weiteren Begründung dazu wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils zur Abtretung des Insol venzgeldanspruchs am 06.03.2002 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen wird die Wirksamkeit dieser Abtretung vom Kläger auch nicht bestritten bzw. geht er selbst von der wirksamen Abtretung aus.
2. Soweit gemäß § 123 SGG über den vom Kläger erkennbar erhobenen Anspruch der D GmbH auf Zahlung des an sie vom Kläger abgetretenen Insolvenz geldanspruchs und die vom Kläger insoweit in Prozeßstandschaft erhobene echte Leistungsklage zu entscheiden war, hat das SG die Klage ebenfalls zu Recht abge wiesen.
Die D GmbH hat aus abgetretenem Recht keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Insolvenzgeldes. Dieser Zahlungsanspruch ist erloschen, weil die D GmbH durch den vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Betriebsübergang Schuldnerin des Arbeitsentgeltanspruchs des Klägers für Oktober bis Dezember 2001 wurde und die Beklagte durch den Klageabweisungsantrag konkludent mit dem durch den Insolvenzgeldantrag auf sie übergegangenen Arbeitsentgeltanspruch (§ 187 Satz 1 SGB III) gegen den Zahlungsanspruch der D GmbH wirksam aufgerechnet hat.
Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, denen er sich nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung. Nicht zutreffend ist, dass der Betriebsübergang erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfand, insbesondere ist nicht richtig, dass das Rechtsgeschäft zur Übertragung der sächlichen und immateriellen Betriebsmittel erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfand.
Der Betriebsübergang und damit auch die Überlassung der Betriebsmittel muss entsprechend dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 613 a BGB durch Rechtsgeschäft erfolgen. Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist allerdings weit zu verstehen (BAG, Urteil vom 20.06.2002 – 8 AZR 469/01 -). Da es ein Recht am Betrieb oder an einem Betriebsteil nicht gibt, ist der Betrieb als solcher ein Gegenstand, der durch Rechtsgeschäft übertragen werden kann. Rechtsgeschäftlicher Betriebsinhaberwechsel bedeutet zunächst, dass die zum Betrieb gehörenden materiellen oder immateriellen Rechte durch besondere Übertragungsakte – und nicht durch Gesamtrechtsnachfolge oder Hoheitsakt – auf den neuen Inhaber übertragen werden und der Erwerber damit neuer Inhaber des Betriebes wird (BAG, a.a.O.). Dabei hat es das BAG als ausreichend angesehen, wenn sich der bisherige Betriebsinhaber mit dem neuen Betriebsinhaber darüber einigt, dass die Verfügungsgewalt über die sächlichen und immateriellen Gegenstände auf den Betriebsnachfolger übergehen sollen (BAGE 60, 118). Das Rechtsgeschäft im Sinne des § 613 a BGB bezieht sich auf den Übergang des Betriebes, womit der Übergang der Leitungsmacht gemeint ist. Die diesen Übergang letztlich legitimierenden Rechtsgeschäfte wie Kauf- oder Nutzungsverträge können dem Betriebsübergang nachfolgen (BAGE, a.a.O.). Dies heißt aber nicht, dass § 613 a BGB nur dann anwendbar wäre, wenn der Betrieb oder Betriebsteil als Ganzes, unmittelbar durch ein einheitliches Rechtsgeschäft von dem Veräußerer auf den Erwerber übertragen wird (BAG, Urteil vom 20.06.2002 – 8 AZR 459/01 -). Vielmehr liegt ein Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft auch dann vor, wenn der Übergang von dem alten auf den neuen Betriebsinhaber rechtsgeschäftlich veranlasst wurde, auch durch eine Reihe von verschiedenen Rechtsgeschäften. Entscheidend ist nur, ob die unterschiedlichen Rechtsgeschäfte darauf gerichtet sind, eine funktionsfähige betriebliche Einheit zu übernehmen (BAG, a.a.O.).
Eine solche rechtsgeschäftliche Übertragung der Leitungsmacht und auch eine Übertragung der Nutzungsbefugnis, wenn nicht sogar des Eigentums an den der Einzelfirma zuvor gehörenden Betriebsmittel am 01.01.2002, aber spätestens zu Arbeitsbeginn am 02.01.2002 und damit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 02.01.2002 um 8.15 Uhr ist zu bejahen.
Im Falle einer tatsächlichen Nutzung spricht der Beweis des ersten Anscheins auch dafür, dass diese Nutzung aufgrund eines Rechtsgeschäfts geschieht (BAGE 48, 345). Handelt es sich vorliegend um eine tatsächliche Nutzung vor dem am 02.01.2002 um 8.15 Uhr eröffneten Insolvenzverfahrens, wird der Beweis des ersten Anscheins der Nutzung aufgrund Rechtsgeschäfts auch nicht durch die Erklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Senat widerlegt, seine Erklärung im Bericht an das Insolvenzgericht vom 19.12.2001 bedeute nicht mehr und nicht weniger, als dass mit dem Geschäftsführer der D GmbH Einigkeit dahin erzielt gewesen sei, dass n a c h Insolvenzeröffnung die Betriebsmittel des Insolvenzschuldners erworben würden und auch die Arbeitsverhältnisse der noch beschäftigten Arbeitnehmer auf die D GmbH übergingen. Denn der Insolvenzverwalter führte auch in seinem Bericht zur Gläubigerversammlung vom 13.02.2002 aus, sich mit dem Sohn des Insolvenzschuldners (Geschäftsführer der D GmbH) darauf verständigt behabt zu haben, dass mit dem Tag der Insolvenzeröffnung die D GmbH die Produktionsmittel des Schuldners übernehme und die beim Insolvenzschuldner verbliebenen Arbeitnehmer vom 01.01.2002 an in die Dienste der D GmbH einträten. Auch lässt der Inhalt dieser von dem Insolvenzverwalter geschilderten Vereinbarungen nicht erkennen, dass damit eine Übernahme der Produktionsmittel und der Arbeitnehmer vom Insolvenzschuldner erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemeint gewesen sein könnte. Insbesondere ist aber, wenn die D GmbH sich befugt sah, sämtliche Produktionsmittel durch Einsatz der vom Insolvenzschuldner übernommenen Arbeitnehmer bereits ab Arbeitsbeginn am 02.01.2002 zu nutzen, jedenfalls nicht zu erkennen, dass dies den Vereinbarungen widersprach. Dann aber kann dies nur als Übernahme des Betriebes des Insolvenzschuldners vor der Eröffnung des Insolvenz- verfahrens bewertet werden.
Damit hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen und ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG und der entsprechenden Anwendung der §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 13.07.2007
Zuletzt verändert am: 13.07.2007