Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Erhöhung des dem Kläger gewährten maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens (Individualbudget (IB)).
Der Kläger nimmt als Facharzt für Gynäkologie seit dem 4. Quartal 1993 in F an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Zunächst war er mit seiner Ehefrau, die ebenfalls als Gynäkologin tätig ist, in Praxisgemeinschaft tätig, ab dem 01.01.1997 bestand dann eine Praxisgemeinschaft. Im Zuge der Umwandlung kam es zu Abrechnungsfehlern, die zu Honorarkürzungen für die Quartale I/1997 – II/1998 sowie disziplinarrechtlichen Maßnahmen gegen den Kläger und seiner Ehefrau führten. Die Zulassung der Ehefrau ruhte in den Quartalen II/2000 und III/2000, die Zulassung des Klägers ruhte im Quartal IV/2000 und I/2001. Seit dem 3. Quartal 2004 besteht zwischen den Eheleuten wieder eine Gemeinschaftspraxis.
Die Bemessung des Individualbudgets des Klägers nahm die Beklagte gemäß ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) auf der Basis der Quartale III/1997 – II/1998 vor, wobei sie die vorgenommenen Honorarberichtigungen berücksichtigte. Der Kläger beantragte am 07.10.1999 unter Hinweis darauf, dass er erst seit Oktober 1993 zugelassen sei, so dass der Bemessungszeitraum in den ersten 20 Quartalen seiner Niederlassung liege, eine Änderung des Bemessungszeitraums auf die Quartale IV/1998 – II/1999. Mit Bescheid vom 23.02.2000 änderte die Beklagte den Bemessungszeitraum für das IB auf die Quartale III/1997 und I – II/1998. Dabei ging die Beklagte für das Quartal IV/1997, in dem sich durch eine Honorarberichtigung ein deutlich niedrigeres Honorar ergeben hatte, von einem "Ausreißerquartal" aus, das zu Gunsten des Klägers nicht zu berücksichtigen sei. Die Beklagte errechnete ein IB für den Kläger in Höhe von 511.131,7 Punkten (Fachgruppendurchschnitt 596.255 Punkte). Der Kläger legte Widerspruch ein und machte geltend, in den Quartalen des Bemessungszeitraumes sei sein Honorar wegen der Abrechnungsfehler weit über den tatsächlichen Schaden hinaus gekürzt worden. Er habe diese Kürzungen als Wiedergutmachung akzeptiert. Eine Berechnung des IB auf der Basis dieser Quartale bedeute eine Perpetuierung der wiedergutgemachten und sanktionierten Abrechnungsfehler, er werde dadurch dauerhaft benachteiligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Widerspruchsbescheid gehe auf seine Widerspruchsbegründung nicht ein. Er hat erneut darauf hingewiesen, es sei unbillig, die Kürzungen des Honorars in den Quartalen III/1997 und II/1998, die weit über dem tatsächlich entstandenen Schaden gelegen hätten, zu berücksichtigen. Er habe diese Kürzungen hingenommen, um den Aufbau einer neuen und tragfähigen Vertrauensbasis zwischen ihm und der Beklagten zu ermöglichen. Nunmehr werde das IB anhand eines Bemessungszeitraums festgelegt, der den in diesem Zeitraum tatsächlich erbrachten und abrechenbaren Leistungen nicht entspreche.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Senat in dem Parallelverfahren der Ehefrau des Klägers, bei der die Beklagte in gleicher Weise bei der Festlegung des Bemessungszeitraums das 4. Quartal 1997 ausgespart hatte, die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt, weil entgegen ihrer Ansicht dieses Quartal kein "Ausreißerquartal" sei (Urteil vom 01.10.2003 – L 11 KA 289/01). Die Beklagte hat daraufhin angeboten, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide über den Antrag des Klägers auf Erhöhung des maximal zulässigen Punktzahlvolumens neu zu entscheiden. Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen und zusätzliche "Anklagepunkte" genannt. Unter anderem hat er gerügt, die Höhe des IB seiner Praxis sowie des seiner Frau sei zu niedrig festgelegt; es entspreche nicht der Leistung der Praxen und sei im Vergleich zu den Altpraxen verfassungswidrig. Die Beklagte müsse ihm auch verbindlich mitteilen, inwieweit ein Wachstum zugestanden werde. Ferner hat er gefordert, für ambulante Operationen eine Erhöhung des IB zu gewähren.
Mit Urteil vom 05.04.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte entsprechend ihrem Teilanerkenntnis zur Neubescheidung verurteilt. Die darüber hinausgehende Klage sei unzulässig, soweit es um Punkte gehe, die nicht Gegenstand des Bescheides seien. Der Streitgegenstand beschränke sich auf die Frage, welcher Bemessungszeitraum für die Berechnung des IB zu Grunde zu legen sei. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang fordere, dass die Quartale IV/1998 – II/1999 als Bemessungszeitraum für die Berechnung des IB zu Grunde zu legen seien, habe die Beklagte dem zu Recht nicht entsprochen.
Gegen das am 01.06.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.06.2006 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, mit dem Anerkenntnis sei sein Antrag auf Erhöhung des IB nicht erschöpft. Der Antrag habe ersichtlich darauf gezielt, die umsatzstärkeren Quartale zu Grunde zu legen, um zumindest den Fachgruppendurchschnitt erreichen zu können. Es sei auch unrichtig, dass er seinen Anspruch auf eine Wachstumsmöglichkeit bis zum Fachgruppendurchschnitt ausschließlich innerhalb der jeweiligen Honorarabrechnung klären könne. Er habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagte von vornherein bei der Festlegung des IB eine Auffangklausel dergestalt vorsehe, dass ein Wachstum in jedem Fall zumindest bis zum Fachgruppendurchschnitt ermöglicht werde. Die Festlegung eines IB sei im Hinblick auf seine Teilnahme im Bereich der ambulanten Operationen verfassungswidrig, weil es zu ungleichen Vergütungen der ambulanten Operationen für Krankenhäuser und für Vertragsärzte führe. Während die Operationen in den Krankenhäusern völlig budgetlos erfolgten, würden sie bei ihm auf sein IB angerechnet. Entweder müssten die ambulanten Operationen aus dem IB ausgegliedert oder es müsse ihm hierfür ein Zuschlag gewährt werden. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei diese Frage auch Gegenstand des Verfahrens. Auch müsse in diesem Verfahren über seine Forderung entschieden werden, ihm budgeterhöhend einen Förderungszuschlag für Gemeinschaftspraxen zuzuerkennen. Die Berechnung des IB sei in seinem Fall auch deshalb zu beanstanden, weil der Umfang der Honorarberichtigung in den Quartalen des Bemessungszeitraumes von der Beklagten geschätzt worden sei. Damit lägen letztlich dem IB geschätzte Honorarumsätze zu Grunde. Diese Schätzung werde auch nicht dadurch zutreffend, dass die früheren Honorarberichtigungsbescheide bestandskräftig geworden seien. Er habe die gegen diese Berichtigungsbescheide eingelegten Widersprüche nur deswegen zurückgenommen, um das Vertrauensverhältnis zur Beklagten vor dem Hintergrund des eingeleiteten Disziplinarverfahrens nicht weiter zu belasten. Es sei fehlerhaft, Honorarberichtigungen zwangsläufig zu berücksichtigen, vielmehr müsse im Einzelfall geprüft werden, ob Honorarberichtigungen bei der Ermittlung des IB zu berücksichtigen seien. Diese Prüfung habe die Beklagte unterlassen. Ferner meint der Kläger, die Bestimmungen über das IB verletzten ihn in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Sie orientierten sich ausschließlich an den in der Vergangenheit erzielten Umsätzen der jeweiligen Vertragsarztpraxis. Dadurch würden kleinere und neu gegründete Vertragsarztpraxen, die lediglich bis zum Fachgruppendurchschnitt wachsen dürften, gegenüber alteingesessenen Praxen benachteiligt. Durch den Bestandsschutz für Altpraxen werde der freie Wettbewerb unter den Vertragsärzten in einem nicht hinnehmbaren Ausmaß beeinträchtigt.
Die Beklagte hat nach Einlegung der Berufung mit Bescheid vom 17.08.2006 entsprechend ihrem Anerkenntnis den Antrag auf Änderung des Bemessungszeitraums neu beschieden und nunmehr auch das 4. Quartal 1997 berücksichtigt. Der darüber hinausgehende Antrag ist abgelehnt worden. Auf Grund der Neuberechnungen ergibt sich nun ein IB von 543.637 Punkten, das ab dem 3. Quartal 1999 gilt.
Nach seinem Vorbringen beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.04.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2006 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Erhöhung des IB unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine weitergehende Erhöhung des IB habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17.08.2006, mit dem die Beklagte in Ausführung des Anerkenntnisurteils über den Antrag des Klägers auf Änderung des Bemessungszeitraums neu entschieden hat. Dieser Bescheid ist nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, da er an die Stelle des durch das – insoweit rechtskräftige – Urteil des Sozialgerichts aufgehobenen Bescheides vom 23.02.2000 getreten ist. Zwar werden Bescheide, die eine Behörde vorsorglich in Ausführung eines noch nicht rechtskräftigen und von ihr angegriffenen Urteils erlässt, nicht Gegenstand des Rechtsstreits, in dem das durch den Bescheid ausgeführte Urteil ergangen ist (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 27). Dies gilt aber nicht für einen Bescheid, mit dem die Beklagte ein Anerkenntnisurteil (das nur erforderlich war, weil der Kläger noch nicht einmal das Teilanerkenntnis angenommen hat) umgesetzt hat. In diesem Fall hat sie nicht nur eine "vorläufige", von der Rechtskraft der auferlegten Verpflichtung abhängige, sondern schon eine "endgültige" verbindliche Regelung getroffen. In einem solchen Fall gilt nichts anderes, als wenn die Beklagte ohne vorangegangenes Anerkenntnis den angefochtenen Bescheid aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt hätte. Der Senat hat somit auf Klage zu entscheiden.
Die Klage ist unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung seines IB. Die Beklagte hat zutreffend die Quartale III/1997 – II/1998 für die Bemessung des IB herangezogen. Eine Verlegung des Bemessungszeitraums kann der Kläger nicht beanspruchen. Zur Begründung bezieht sich der Senat entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts sowie auf seine Ausführungen in dem die Ehefrau des Klägers betreffenden Urteil vom 01.10.2003 (a. a. O.).
Der Kläger hat auch aus sonstigen Gründen keinen Anspruch auf eine Erhöhung des IB. Soweit er die Herausnahme der Vergütung für ambulante Operationen aus dem IB bzw. eine entsprechende Erhöhung des IB verlangt, weil § 115 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine einheitliche Vergütung der Operationen für Krankenhäuser und Vertragsärzte vorschreibe, die nicht gewährleistet sei, wenn die ambulanten Operationen im IB berücksichtigt würden, kann ihm nicht gefolgt werden. Er übersieht, dass nach § 115 b Abs. 2 Satz 4 SGB V die Leistungen im Krankenhaus unmittelbar von den Krankenkassen vergütet werden und insoweit der Vergleich zwischen der Vergütung innerhalb eines – selbstverständlich nur auf der Ebene einer Kassenärztlichen Vereinigung bestehenden – IB und der dem Krankenhaus unmittelbar gezahlten Vergütung fehl geht. Dass sich die Operationen für einen Arzt, der mit diesen Operationen sein IB überschreitet, "geringer" auswirken, bedeutet nicht, dass damit im Sinne des § 115 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V keine "einheitlichen Vergütungen" vereinbart wären. Das IB betrifft nur die Frage der Verteilung der Gesamtvergütung unter den Ärzten.
Soweit der Kläger fordert, die Beklagte müsse schon vorab verbindlich über den sogenannten Zuwachs entscheiden, teilt der Senat die Ansicht des Sozialgerichts, dass über den erlaubten Zuwachs im Rahmen der Anfechtung eines konkreten Honorarabrechnungsbescheides zu entscheiden ist. Im Übrigen kann der Kläger ausweislich der vorgelegten Leistungsübersicht ohnehin seit dem 2. Quartal 2001 das Punktzahlvolumen der Fachgruppe abrechnen, so dass sich sein diesbezügliches Begehren erledigt hat. Soweit er schon vor diesem Quartal meint, einen höheren Zuwachs beanspruchen zu können, muss er einen solchen Anspruch im Zusammenhang mit den Honorarabrechnungsbescheiden klären. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger keinen Anspruch auf einen Zuwachs über den Fachgruppendurchschnitt hinaus hat (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 5 Rdnr. 28; BSG Beschluss vom 6.9.2006 – B 6 KA 54/05 B).
Die Beklagte hat auch zu Recht die Honorarberichtigungen in dem Bemessungszeitraum bei der Festlegung des IB berücksichtigt. Auch insoweit kann auf die Ausführungen des Senats in dem die Ehefrau des Klägers betreffenden Urteil vom 01.10.2003 verwiesen werden. Der Kläger übersieht, dass auf Grund der Bestandskraft der Honorarberichtigungsbescheide feststeht, in welcher Höhe ihm im fraglichen Zeitraum Honorar zugestanden hat. Dieser Umsatz ist Anknüpfungspunkt für die Bemessung des IB. Aus welchen Gründen die Honorarberichtigungsbescheide bestandskräftig geworden sind, ist irrelevant.
Soweit der Kläger verlangt, der vom Gesetz gewollte Förderungszuschlag für Gemeinschaftspraxen müsse budgeterhöhend anerkannt werden, ist die Klage unzulässig, weil zum Einen darüber die Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht entschieden hat, zum Anderen ein solcher Anspruch nur der seit dem 3. Quartal 2004 wieder bestehenden Gemeinschaftspraxis und nicht dem Kläger selbst zustehen kann.
Auch die grundsätzlichen Einwendungen des Klägers gegen das IB hält der Senat nicht für durchgreifend. Zwar trifft im Ausgangspunkt zu, dass Altpraxen ein in der Vergangenheit erarbeitetes überdurchschnittliches IB auf Dauer erhalten wird, während neu zugelassene Ärzte nur bis maximal zum Fachgruppendurchschnitt anwachsen dürfen. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes gerechtfertigt. Praxen, die schon in der Vergangenheit in überdurchschnittlichem Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen haben, müssen darauf vertrauen dürfen, ihren erreichten Leistungsumfang beibehalten zu dürfen. Auf der anderen Seite ginge die Möglichkeit eines unbegrenzten Zuwachses auch von Neupraxen zu Lasten der anderen Praxen bzw. wäre mit einem Punktwertverfall verbunden; das Erreichen des mit dem IB verfolgten Ziels einer Stabilisierung der Gesamthonorarsituation wäre damit gefährdet (BSG BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 5 Rdnr. 28). Vor diesem Hintergrund liegt es in der Gestaltungsfreiheit des Normgebers des Honorarverteilungsvertrages, weiterhin an der Begrenzung des Punktzahlvolumens in Anknüpfung an einem in der Vergangenheit erarbeiteten Umsatz festzuhalten und die Steigerung des Umsatzes auf den Fachgruppendurchschnitt zu begrenzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.02.2002 geltenden Fassung. Das Verfahren ist bereits seit dem Jahr 2000 anhängig, so dass ungeachtet des Umstandes, dass der Senat nach § 96 SGG über einen erst am 17.08.2006 ergangenen Bescheid zu entscheiden hat, der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für eine Kostenentscheidung nach dem zur Zeit der Klageerhebung geltenden Kostenrecht spricht.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 11.10.2007
Zuletzt verändert am: 11.10.2007