Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 17.03.2006 aufgehoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Kosten einer Untätigkeitsklage nach § 88 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Mit Bescheid vom 04.10.2004 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG, B, H sowie RF" ab. Mit dem am 28.10.2004 beim Beklagten eingegangenen Widerspruch verwies der Kläger auf die erheblichen Folgen eines Schlaganfalles sowie eines weiteren Herzinfarktes, die der Beklagte nicht berücksichtigt habe. Der Beklagte bat am Tage des Einganges des Widerspruches um Angabe der den Kläger wegen des Herzinfarktes behandelnden Ärzte. Am 05.11.2004 ging bei dem Beklagten ein Schreiben des Klägers ein, mit dem er den Kardiologen Dr. I und den Neurologen und Psychiater Dr. H1 als behandelnde Ärzte benannte. Der vom Beklagten angeforderte umfangreiche Befundbericht des Dr. F traf am 12.11.2004 mit mehreren Anlagen beim Beklagten ein, der des Dr. H1 erst am 10.02.2005. Der Beklagte holte eine gutachtliche Stellungnahme von dem Praktischen Arzt Dr. N ein, die nach Abklärung des Gangbildes sowie der Belastbarkeit am 08.04.2005 abgeschlossen wurde. Am gleichen Tage unterrichtete das Versorgungsamt C die Bezirksregierung davon, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne und legte die Schwerbehindertenakte zur Entscheidung über den Widerspruch vor. Der Kläger wurde hiervon durch Anschreiben vom 08.04.2005 unterrichtet. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2005 zurück. Der "Ab-Vermerk" datiert vom 15.04.2005.
Am 13.06.2005 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben, mit der er geltend machte, dass über seinen Widerspruch bislang nicht entschieden sei. – Nach Übersendung einer Ablichtung des Widerspruchsbescheides ist der Kläger dabei verblieben, den Widerspruchsbescheid nicht erhalten zu haben. Im Übrigen handele es sich lediglich um einen Entwurf eines Widerspruchsbescheides, der sich in der Schwerbehindertenakte befinde. Dies lasse eindeutig den Rückschluss erkennen, dass es sich nicht um den Original-Widerspruchsbescheid handele.
Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Klägers, den Widerspruchsbescheid nicht erhalten zu haben, keine Zweifel an der Zugangsvermutung zulasse, zumal der Widerspruchsbescheid nicht wieder an den Beklagten zurückgesandt worden sei.
Unter Zurückstellung seiner erheblichen Bedenken hat der Beklagte einen neuen Widerspruchsbescheid unter dem 16.09.2005 an den Kläger zugestellt.
Mit Schreiben vom 18.10.2005 hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Mit Beschluss vom 17.03.2006 hat das Sozialgericht (SG) Detmold dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, dass der Widerspruchsbescheid dem Kläger im April 2005 bekanntgegeben worden sei. Der Nachweis für den Zugang des Bescheides sei nicht erbracht (§ 37 Abs. 2 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches – SGB X -). Das SG hat Zweifel am Zugang des Widerspruchsbescheides im April 2005 gesehen, weil der Kläger Untätigkeitsklage erhoben hat. Dies deute darauf hin, dass der Widerspruchsbescheid zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugegangen war. Da sich der Zugang nicht feststellen lasse, gehe dies gemäß § 37 Abs. 2 SGB X zulasten des Beklagten. – Auch habe der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht erkennen können, dass die Untätigkeitsklage unbegründet war, weil ein zureichender Grund für die Untätigkeit der Verwaltung bestanden habe. Der Kläger habe zwar davon ausgehen können, dass das Versorgungsamt von den beiden benannten Ärzten Befundberichte einholen werde. Dass die Ermittlungen erst im April 2005 abgeschlossen waren, sei dagegen für den Kläger nicht erkennbar gewesen. Auch sei dem Kläger keinerlei Zwischennachricht erteilt worden, obwohl die Akten erst nach Ablauf von 6 Monaten seit Erlass des Bescheides an die Widerspruchsstelle abgegeben worden seien. Danach habe der Kläger bereits im April 2005 Anlass zur Erhebung einer Untätigkeitsklage gehabt. Deshalb könne es dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers zutreffe, den Widerspruchsbescheid gar nicht erhalten zu haben.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Es entspricht billigem Ermessen, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Gemäß § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht nach billigem Ermessen darüber zu befinden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn der Rechtsstreit anders als durch Urteil geendet hat. Dabei ist auch der vermutliche Verfahrensausgang zu berücksichtigen, der unter summarischer Prüfung nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreites zu beurteilen ist.
Bei summarischer Überprüfung ergibt sich, dass die erhobene Untätigkeitsklage weder im Zeitpunkt ihrer Erhebung noch im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses begründet war. Der Beklagte hatte zureichende Gründe, nicht innerhalb der dreimonatigen Wartefrist, die mit der Einlegung des Widerspruches am 28.10.2004 begonnen hatte, zu entscheiden (§ 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 SGG). Es ist auch nicht festzustellen, dass der Beklagte ansonsten Anlass zur Klage gegeben hat.
Die Wartefristen des § 88 SGG bestimmen den Zeitraum, innerhalb dessen der Beklagte seine Sachentscheidung zu treffen hat. Dieser Zeitraum ist jeweils um Zeiten zu verlängern, die im konkreten Fall zu einer vom Normalfall abweichenden Sachbehandlung geführt haben und einen zureichenden Grund darstellen, noch nicht zu entscheiden. Dies gilt stets für Verzögerungen, die dem Widerspruchsführer oder seinem Bevollmächtigten zuzurechnen sind, aber auch für die dadurch entsprechenden Verzögerungen, dass der Beklagte sachgerechte Ermittlungen durchzuführen hat (vgl. dazu Beschluss des 6. Senates des LSG NRW vom 22.05.1995 – L 6 S 10/94 -).
Der Beklagte war während des gesamten Zeitraumes nicht untätig. Er hat mit der gebotenen Zügigkeit Ermittlungen durchgeführt und die ihm dabei zur Beschleunigung des Verfahrens obliegenden Maßnahmen getroffen. Er hat unmittelbar nach Widerspruchseinlegung die wegen des Herzinfarktes behandelnden Ärzte beim Kläger erfragt und von den benannten Medizinern Befundberichte eingeholt. Sofort nach Eingang des letzten Befundberichtes hat er eine gutachtliche Stellungnahme seines medizinischen Dienstes eingeholt, die am 08.04.2005 vorlag. Noch am selben Tage hat er die Akten dem Regierungspräsidenten in Münster zur Entscheidung vorgelegt und den Kläger hierüber informiert (S. 46 der Gerichtsakte). – Bereits am 14.04.2005 erging der für den Kläger negative Widerspruchsbescheid. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger dieser Widerspruchsbescheid zugegangen ist. Jedenfalls geht der Senat angesichts der schnellen Sachbearbeitung durch den Beklagten sowie die Anzeige über die Aktenabgabe an den Regierungspräsidenten davon aus, dass es dem Kläger vor Klageerhebung zumutbar war, sich durch Nachfrage beim Regierungspräsidenten darüber zu informieren, wann mit einer Übersendung der Entscheidung gerechnet werden konnte. Bei dieser Sachlage entspricht es billigem Ermessen den Beklagten nicht mit den außergerichtlichen Kosten des Klägers, auch nicht teilweise, zu belasten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 22.10.2007
Zuletzt verändert am: 22.10.2007