Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.09.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Dauer des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld. Diese begehrt Arbeitslosengeld noch für die Zeit vom 01.05.2004 bis 31.10.2004.
Die am 00.00.1944 geborene Klägerin war vom 01.12.1983 bis 31.07.2001 beitragspflichtig beschäftigt, zuletzt bei der E GmbH & Co. KG. Über das Vermögen dieses Arbeitgebers wurde am 01.08.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Noch am gleichen Tage wurde der Klägerin vom Insolvenzverwalter zum 30.11.2001 gekündigt. Gleichzeitig wurde sie von der Arbeit freigestellt. Am 06.08.2001 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Sie erhob zudem Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Köln (1 Ca 7562/01). Die Beklagte bewilligte ihr durch Bescheid vom 14.08.2001 Arbeitslosengeld ab 06.08.2001 für 780 Tage.
Für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2001 erhielt die Klägerin Insolvenzgeld aus der Insolvenz der GmbH & Co. KG, da für diese Zeiten Lohnzahlungen nicht mehr erfolgt waren. Im Juni 2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin zudem für die Zeit vom 01.11.2001 bis 31.01.2002 Insolvenzgeld aus der Insolvenz der X GmbH, welche die E GmbH & Co. KG in der Insolvenz übernommen hatte, bei der die Klägerin aber tatsächlich nicht tätig war.
Im September 2003 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung hinsichtlich der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Hinblick auf die zwischenzeitliche Bewilligung von Insolvenzgeld und ihr Lebensalter. Durch Bescheid vom 21.10.2003 teilte die Beklagte mit, dass sich die Anspruchsdauer um die Tage der Insolvenzgeldbewilligung vom 01.11.2001 bis 31.01.2002 erhöhe; eine Änderung der ursprünglich festgesetzten Anspruchsdauer sich aber nicht ergebe.
Der Leistungsbezug der Klägerin endete am 10.12.2003 aufgrund einer länger als 6 Wochen andauernden Arbeitsunfähigkeit. Nach Aktenlage erging ein entsprechender Aufhebungsbescheid am 11.12.2003. Bis 10.12.2003 hatte die Klägerin für 765 Tage Arbeitslosengeld (zuzüglich 92 Tage, für die nachträglich Insolvenzgeld bewilligt wurde) bezogen.
Nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit meldetet sich die Klägerin am 26.04.2004 wieder arbeitslos und beantragte erneut Arbeitslosengeld. Dieses wurde ihr durch bindenden Bescheid – soweit ersichtlich vom 30.04.2004 – für weitere 15 Tage bewilligt. Im Juli 2004 wurde der Beklagten bekannt, dass die Klägerin am 01.05.2004 bereits eine Beschäftigung aufgenommen hatte. Mit – ebenfalls bindendem – Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.07.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01.05.2004 auf. Seit November 2004 bezieht die Klägerin Altersrente.
Den gegen den Bescheid vom 21.10.2003 gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Bescheid vom 08.01.2004 als unbegründet zurück. Sie führte aus, nach dem Erwerb des Arbeitslosengeldanspruchs am 06.08.2001 sei kein neuer Anspruch entstanden.
Am 09.02.2004 hat die Klägerin dagegen Klage vor dem Sozialgericht Köln (SG) erhoben, mit der sie die Anspruchshöchstdauer (960 Tage) begehrt; sie müsse so behandelt werden, als wenn zumindest bis zum Kündigungszeitpunkt Beiträge erbracht worden seien; zu diesem Zeitpunkt sei sie aber schon 57 Jahre alt gewesen; zudem sei mit dem Betriebsübernehmer für weitere drei Monate ein Arbeitsverhältnis begründet worden; der Freistellung habe sie im Arbeitsgerichtsverfahren widersprochen. Auch habe sie schon kurze Zeit nach der Arbeitslosmeldung die Altersgrenze erreicht; wenn sie nach entsprechender Beratung der Beklagten auf eine Antragstellung verzichtet hätte, hätte sie sich freiwillig über die DAK in der Übergangszeit versichert.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 14.08.2001 abzuändern und ihr Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung einer ursprünglichen Anspruchsdauer von 32 Monaten zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat im Einverständnis mit den Beteiligten am 16.09.2005 ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Änderung der Anspruchsdauer nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) noch wegen einer Änderung der Verhältnisse. Der Bescheid vom 14.08.2001 sei rechtmäßig gewesen. Die Beklagte sei zutreffend von der Anspruchsdauer von 26 Monaten ausgegangen. Denn die Klägerin habe bei der Entstehung des Anspruchs das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt. Der Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld sei unabhängig davon am 06.08.2001 entstanden, dass die Klägerin jedenfalls noch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.11.2001 hatte. Die Klägerin sei arbeitslos gewesen, weil der Arbeitsgeber sie freigestellt und damit das Beschäftigungsverhältnis leistungsrechtlich sein tatsächliches Ende gefunden hatte. Nach § 143 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe die Klägerin in der Zeit, in der sie das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhielt, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Sie sei auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie sich erst am 19.10.2001, dem Tag der Vollendung ihres 57. Lebensjahres, arbeitslos gemeldet hätte. Die Annahme eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs komme nur in Betracht, wenn es sich der Beklagten aufdrängen musste, die Klägerin im Hinblick auf die bevorstehende Vollendung des 57. Lebensjahres darauf hinzuweisen, zu überlegen, ihren Antrag unter Verlust eines Anspruchs für die Zeit vom 06.08. bis 18.10. erst am 19.10.2001 zu stellen, um so einen um sechs Monate verlängerten Anspruch zu erwerben. Da die Klägerin selbst nicht um Beratung nachgesucht habe, hätte diese Gestaltungsmöglichkeit so offenkundig sein müssen, dass die Beklagte im Wege der sogenannten Spontanberatung von sich aus hätte verpflichtet sein müssen, der Klägerin diese Möglichkeit aufzuzeigen. Dies sei aber eine Überspannung der Beratungspflicht der Beklagten. Auch durch die Bewilligung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.11.2001 bis 31.01.2002 hätten sich die Verhältnisse nicht dahingehend geändert, dass nun eine Verlängerung der Anspruchsdauer nach § 48 Abs. 1 SGB X erfolgen müsste. Auch im Fall der Leistungsgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III bleibe bis zum Erwerb der neuen Anwartschaft die Dauer des bisherigen Anspruchs weiterhin maßgebend, ohne dass eine nachträgliche Korrektur stattfinde. Lediglich die Minderung der Anspruchsdauer durch Erfüllung des Arbeitslosengeldanspruchs entfalle, wenn der Arbeitgeber der Beklagten die Aufwendungen erstattet oder – wie hier – das Insolvenzgeld an die Stelle des Arbeitsentgeltes getreten ist.
Das Urteil ist der Klägerin am 10.10.2005 zugestellt worden. Am 25.10.2005 hat sie dagegen Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie zum einen aus, aufgrund der Gleichwohlgewährung der Leistung sei eine "Anspruchskürzung" nicht vorzunehmen. Zum anderen liege ein evidenter Beratungsfehler vor.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung war die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten.
Sie beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.09.2005 zu ändern und nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und er Verwaltungsakten der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Streitsache auch in Abwesendheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, denn die Klägerin ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Ein Verlegungsantrag wegen der Erkrankung des Bevollmächtigten ist nicht gestellt worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid vom 21.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2004 hat sich auf einen zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erledigten Verwaltungsakt bezogen.
Regelungsinhalt des angefochtenen Bescheides war nämlich die Überprüfung des bindenden Bewilligungsbescheides vom 14.08.2001. Insoweit ist eine Verlängerung der Anspruchdauer von 780 Tagen auf 960 Tage, wie sie die Klägerin begehrte, abgelehnt worden. Der Regelungsgehalt des Bescheides vom 14.08.2001 hat sich hinsichtlich der gerügten Anspruchsdauer jedoch nicht zum Nachteil der Klägerin auswirken können, weil er vor Erschöpfung einer Anspruchsdauer von 780 Tagen durch Bescheid vom 11.12.2003 aufgehoben worden ist. Damit hatte er seine Wirksamkeit verloren (§ 39 Abs. 2 SGB X) bevor die Klägerin durch die festgesetzte Anspruchsdauer beschwert sein konnte. Eine Korrektur dieses Bescheides im Sinne einer längeren Anspruchsdauer war wegen der insoweit eingetretenen Erledigung nicht mehr möglich. Weitere Umstände, die den Bescheid vom 14.08.2001 unrichtig im Sinne des § 44 SGB X erscheinen lassen könnten, sind von der Klägerin nicht geltend gemacht worden und im Übrigen auch nicht ersichtlich.
Für die Zeit ab der erneuten Arbeitslosmeldung am 26.04.2004 war eine neue Entscheidung unter Prüfung aller Anspruchvoraussetzungen zu treffen, die auch die Festlegung der sich nunmehr ergebenden Anspruchsdauer umfasste. Es war ein neuer Versicherungsfall eingetreten. Die Entscheidungen der Beklagten bezogen auf diese Zeit sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden, denn der angefochtene Bescheid (Überprüfungsbescheid vom 21.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2004) konnte gar nicht, wie es § 96 SGG fordert, ersetzt werden, weil er sich – wie soeben ausgeführt – auf einen am 26.04.2004 bereits erledigten Bescheid bezogen hat. Daher ist auch nicht von Bedeutung, dass die Entscheidungen der Beklagten, die sich auf die am 26.04.2004 eingetretene Arbeitslosigkeit bezogen haben, bindend wurden bzw. auf Antrag der Klägerin gem § 44 SGB X zu überprüfen sind.
Vor diesem Hintergrund kommt es auch auf die Frage nicht an, ob im Zusammenhang mit der Arbeitslosmeldung der Klägerin im August 2001 ein Fehlberatung der Klägerin vorgelegen hat und ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben sein könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 12.12.2007
Zuletzt verändert am: 12.12.2007