Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.08.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist streitig, ob die Antragsteller sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) beanspruchen können.
Die 1976 geborene Antragstellerin zu 1) reiste nach den bisherigen Feststellungen Anfang des Jahres 1998 zum Zwecke der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Antragstellerin zu 1) erhielt in den ersten zwei Jahren zunächst eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung, die nach Trennung von ihrem Ehemann nicht verlängert wurde. Derzeit ist sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nachdem sich die Antragstellerin zu 1) von ihrem Ehemann getrennt hatte, bezog sie mit ihren beiden Kindern, den 1999 und 2002 geborenen Antragstellern zu 2) und 3), von Januar 2006 (Aufnahme zunächst im Frauenhaus O) bis Ende Oktober 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Seit November 2006 erhalten die Antragsteller Leistungen nach Maßgabe des § 3 AsylbLG. Wovon die Antragsteller und der getrennt lebende Ehemann der Antragstellerin zu 1) zuvor lebten, ist unklar.
Am 09.02.2007 (Widerspruch gegen einen "Bescheid" vom 19.10.2006) beantragten die Antragsteller erstmals die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG. Der getrennt lebende Ehemann der Antragstellerin zu 1) bezog in der Zeit vom 16.01.2007 bis 31.05.2007 Leistungen nach dem AsylbLG. Diese Leistungen werden wegen Zweifeln an dessen Hilfebedürftigkeit eingestellt.
Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat mit Schreiben vom 18.06.2007 mitgeteilt, dass weder der getrennt lebende Ehemann der Antragstellerin zu 1) noch diese selbst zuvor Leistungen nach dem AsylbLG oder dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen haben. Die Antragstellerin zu 1) hat angegeben, keiner keinerlei Angaben zur wirtschaftlichen Situation vor der Trennung von ihrem Ehemann machen zu können.
Den Antrag der Antragsteller auf vorläufige Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG vom 16.04.2007 hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.08.2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund seien glaubhaft gemacht worden. Die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG seien selbst bei einer erweiternden Auslegung nicht erfüllt. Selbst wenn man von einem Bezug von Sozialleistungen seit dem 01.01.2005 ausgehe, hätten die Antragsteller nicht für einen Zeitraum von 36 Monaten Sozialleistungen bezogen.
Eine erste rechtliche Einschätzung der Rechtslage spreche auch eher gegen als für die (analoge) Anwendung von § 2 AsylbLG. Bei gesichertem Bezug von Leistungen nach Maßgabe des § 3 AsylbLG sei bei dieser Sachlage auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Gegen den ihnen am 14.08.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom 17.08.2007. Zur Begründung haben die Antragsteller vorgetragen, sie hätten ursprünglich nicht zu dem Personenkreis der Asylbewerber und de-facto-Flüchtlinge, auf die das Gesetz zugeschnitten sei, gehört. Ihre Aufenthaltskonstellation habe der Gesetzgeber bei Schaffung der Regelung des § 2 AsylbLG nicht im Auge gehabt. Wenn nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die dreijährige Wartezeit durch den Bezug von früheren Sozialhilfeleistungen als erfüllt anzusehen sei, müsse dies bei entsprechender Auslegung auch für Personengruppen gelten, die nie als Flüchtling eingereist und bis vor kurzem nicht auf soziale Leistungen angewiesen gewesen seien. Andernfalls bedeutet dies eine durch nichts zu rechtfertigende Schlechterstellung gegenüber denjenigen, die bereits seit Jahren auf das soziale Netz zurückgegriffen hätten. Unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes und nach Sinn und Zweck der Norm verbiete sich eine Auslegung allein nach ihrem Wortlaut.
Die Antragsgegnerin hält an ihrer Auffassung fest, dass der Anwendungsbereich des § 2 AsylbLG auf die Fälle zu beschränken sei, in denen es in einem Zeitraum von 36 Monaten zumindest zu einem aktiven Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG, BSHG, SGB II oder dem SGB XII gekommen sei. Nach dem eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut ("erhalten haben") komme es auf den tatsächlichen Leistungsbezug an. Die Auffassung der Antragsteller würde dazu führen, dass unabhängig vom Leistungsbezug jeder nicht rechtsmissbräuchliche Aufenthalt von mehr als drei Jahren zu einem Anspruch gemäß § 2 AsylbLG führe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie der Prozessakte Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragsteller, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 17.08.2007), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat es mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, den Antragstellern gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG Leistungen entsprechend den Regelungen des SGB XII zu gewähren.
Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden. Zwischen den Beteiligten ist zunächst unstreitig, dass die Antragsteller Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht im erforderlichen zeitlichen Umfang von 36 Monaten (§ 2 AsylbLG aF) tatsächlich bezogen haben (tatsächlichen Bezug [h.M.] halten u. a. für erforderlich: GK-AsylbLG, Stand Juni 2004, § 2 RdNr. 22; Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und der Sozialhilfe, § 2 AsylbLG RdNr. 13; Deibel, Asylbewerberleistungsrecht 2000: Leistungen in besondern Fällen, DVBl. 2001, S. 864 ff.; VG Sigmaringen, Urteil vom 20.07.2003, 5 K 1053/02; a.A. Birk in LPK-SGB XII, 7. Auflage 2005, § 2 AsylbLG RdNr. 3, der auch Zeiträume berücksichtigen will, in denen der Leistungsbezug nur wegen des vorrangigen Einsatzes von Vermögen und Einkommen ausschied, allerdings unter irrigem Verweis auf VG Sigmaringen, a.a.O.). Ob auf die Antragsteller § 2 AsylbLG in der Fassung des Art. 6 (2) Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 18.08.2007, BGBl I, S. 1370 anzuwenden ist – die Frist ist von 36 auf 48 Monate erweitert worden – war, weil schon die 36 Monate nicht erreicht wurden, nicht zu entscheiden.
Auch bei einer erweiternden Auslegung dahingehend, dass auch der Bezug (höherer) Sozialleistungen in entsprechendem zeitlichen Umfang den Ablauf der in § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehenen Wartezeit begründen kann (vgl. zur (einstweiligen) Rechtsprechung des Senats Senatsbeschluss vom 27.04.2006, L 20 B 10/06 AY ER; vgl. auch Hess. LSG, Beschluss vom 21.03.2007, L 7 AY 14/06 ER; SG Aachen, Urteil vom 19.06.2007, S 20 AY 4/07), kommt ein Anspruch nicht in Betracht, da zumindest bis Ende 2004 keine Sozialleistungen beansprucht wurden.
Der Senat hat zwar mit Beschluss vom 26.04.2007 (L 20 B 4/07 AY ER) entschieden, dass es erkennbar zweckwidrig sei, einem Leistungsberechtigten für einen Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG stets abzufordern, insgesamt über drei Jahre mit Mitteln maximal in Höhe des soziokulturellen Existenzminimums gewirtschaftet zu haben, gleichviel, wie lange er sich schon in die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Deutschland eingelebt hat. Gerade das Integrationsbedürfnis, zu dessen Befriedigung auch ausreichende wirtschaftliche Leistungen in der Höhe des soziokulturellen Existenzminimums gehörten, bestehe unabhängig davon, ob ein Asylbewerber seinen Lebensunterhalt über einen mindestens 36-monatigen Zeitraum durch Leistungen nach § 3 AsylbLG oder jedenfalls aus Mitteln nicht oberhalb des soziokulturellen Existenzminimums bestritten habe, oder ob er z.B. durch Erwerbstätigkeit oder den Bezug höherer anderer Leistungen (etwa vor dem Arbeitslosengeld) den Lebensunterhalt anderweitig und unter günstigeren wirtschaftlichen Voraussetzungen habe sicherstellen können.
Die genannte Entscheidung des Senats ist aber vor dem Hintergrund der Besonderheiten des entschiedenen Einzelfalles (20jähriger Aufenthalt in Deutschland, Bezug von Arbeitslosengeld und -hilfe sowie anschließend von SGB II-Leistungen etc.) zu würdigen.
Der Senat verkennt nicht, dass die Antragstellerin zu 1) sich bereits seit 1998 in Deutschland aufhält und die Antragsteller zu 2) und 3) hier geboren sind. Ungeklärt ist indes, wie der Lebensunterhalt der Familie bis zur Trennung der Antragstellerin zu 1) von ihrem Ehemann sichergestellt war. Unter Berücksichtigung auch der Umstände des Einzelfalles wird es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, die tatsächlichen Umstände aufzuklären und ggf. die grundsätzliche Rechtsfrage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG auch ohne Bezug von Sozialleistungen, d.h. im Ergebnis durch (alleinigen) Zeitablauf, ein Anspruch auf sog. Analog-Leistungen zu bejahen ist (in diese Richtung gehen die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 06.08.2007 – L 20 B 50/07 AY ER: "Ebenso wie bei einem Vorbezug von Leistungen nach dem AsylbLG erscheint nach entsprechend langem Einleben in die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Bundesrepublik Deutschland ein Wirtschaften unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums nach Ablauf dieser Frist deshalb regelmäßig nicht weiter zumutbar. Es entspricht daher bei summarischer Prüfung den gesetzgeberischen Vorstellungen, dass nach Ablauf dieses Zeitraums Leistungen entsprechend dem SGB XII zustehen sollen, auch wenn zuvor ausnahmsweise ein Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG nicht notwendig gewesen ist"). Letzteres wäre die Konsequenz einer Auslegung im Sinne der Antragsteller. Auch ein Zeitraum, in dem der Lebensunterhalt durch Einkommen und Vermögen gesichert wurde (oder hierzu keine Erkenntnisse vorliegen), könnte dann auf die Wartezeit Anrechnung finden. Einer praktikablen Verfahrensweise dürfte zudem die Überprüfung in jedem Einzelfall entgegenstehen, wann eine hinreichende Integration gesichert erscheint. Faktisch führte dies dazu, dass unter maßgeblicher Betonung des Integrationsgedankens (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 1a AsylbLG a.F. – BT-Drs. 12/5008, S. 15; zur Entstehungsgeschichte eingehend GK-AsylbLG, § 2RdNr. 15 ff.) bei einem Aufenthalt von länger als 36 Monaten und der Verneinung einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer Analog-Leistungen zu gewähren wären. Einstweilen gibt der Senat auch angesichts seiner Asführungen im Einzelfall aber zu bedenken, dass die Anknüpfung im Wortlaut an den tatsächlichen Bezug von Leistungen keinen rechten Sinn ergibt, wenn allein der schlichte Zeitablauf und das Unterlassen einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer schon ausreichend wären.
Ob Sinn und Zweck der Vorschrift und verfassungsrechtliche Gebote gleichwohl eine solch extensive Auslegung des Gesetzeswortlautes (auch über die Berücksichtigung von Zeiten des Sozialleistungsbezuges hinaus) gebieten und zulassen, erscheint derzeit offen und bedarf eingehender, über den Umfang der gebotenen summarischen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz hinausgehender, rechtlicher Erwägungen. Dabei könnte von Bedeutung sein, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG wohl in erster Linie auf Personen abzielt, die mit Einreise in die Bundesrepublik Deutschland dem Grunde nach lediglich anspruchsberechtigt nach dem AsylbLG sein können. Die Auffassung der Antragsteller, der Gesetzgeber habe Personen, die lediglich aufgrund von Änderungen im Ausländer- und Aufenthaltsrecht bzw. in ihren persönlichen Verhältnissen erstmalig zu einem späteren Zeitpunkt dem Anwendungsbereich des AsylbLG unterfallen, ggf. nicht erfassen wollen, erscheint insoweit nicht abwegig. Hingegen könnte es auch vertretbar sein, als maßgeblichen Anknüpfungspunkt unterschiedslos die (erstmalige) Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG heranzuziehen mit der Folge, dass der Gesetzgeber einem Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII in jedem Fall eine Wartezeit von 36 Monaten vorschalten wollte. Diese Auffassung stände im Einklang mit der verwaltungsgerichtlich hingenommenen Praxis, die Frist von 36 Monaten auch bei Personen mit dem 01.06.1997 beginnen zu lassen, die bereits zuvor im Leistungsbezug nach dem AsylbLG standen (vgl. hierzu und zu Bedenken an der Stichtagsregelung etwa GK-AsylbLG, § 2 RdNr. 20 ff. bzw. 37 ff.).
Die eigentliche Ursache der vermeintlichen Schlechterstellung der Antragsteller findet ihre Ursache in dem Umstand, dass sie erstmals dem Anwendungsbereich des AsylbLG unterfallen und damit vom Leistungsbezug nach dem SGB II und SGB XII ausgeschlossen sind.
Da nach alledem ein Obsiegen in der Hauptsache nicht dermaßen wahrscheinlich erscheint, dass angesichts des Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG eine weitergehende Verpflichtung der Antragsgegnerin (für den Zeitraum ab Antragstellung beim Sozialgericht bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung) geboten erschiene, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 07.11.2007
Zuletzt verändert am: 07.11.2007