Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.10.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch für das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 24.10.2007 nicht abgeholfen hat, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Das SG hat für den Leistungszeitraum vom 01.06.2007 bis zum 31.08.2007 zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 27.09.2007 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 15.08.2007 und 17.09.2007 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angeordnet; den von dem SG im Tenor ebenfalls erwähnte Bescheid vom 21.07.2007 hat die Antragsgegenerin mit Bescheid vom 15.08.2007 aufgehoben. Für den Leistungszeitraum vom 01.09.2007 bis zum 31.10.2007 (Ende des Monats der Entscheidung des SG) hat das SG des weiteren die Antragsgegnerin zu Recht einstweilen verpflichtet, dem Antragssteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses (in Höhe von 240 Euro monatlich) als Einkommen und damit Gesamtleistungen in Höhe von 764,65 Euro monatlich zu bewilligen.
Denn im Kern streiten die Beteligten darüber, ob der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigten ist.
Dies ist nicht der Fall, wie der Senat bereits mit Beschluss vom 06.07.2007 (L 7 B 133/07 AS ER) entschieden hat.
Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin ist der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Denn der Existenzgründungszuschuss dient als zweckbestimmte Einnahme einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II ist der Existenzgründungszuschuss deshalb nicht als Einkommen zu berücksichtigen (so Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 10.04.2006, L 9 B 36/06 AS ER, und vom 07.09.2006, L 20 B 178/06 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.04.2006, L 8 AS 29/06; LSG Sachsen vom 24.07.2006, L 3 B 141/06 AS-ER; LSG Baden-Württemberg vom 25.08.2006, L 8 AS 2198/06 ER-B; LSG Hessen vom 04.12.2006, L 7 AS 168/06 ER, unter Aufgabe seiner abweichenden Rechtsauffassung im Beschluss vom 29.06.2005, L 7 AS 22/05 ER; LSG Hessen vom 24.04.2007, L 9 AS 284/06 ER; ebenso Söhngen in: jurisPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 11 Rn. 60; a.A. LSG Berlin-Brandenburg vom 06.12.2005, L 10 B 1144/05 AS ER; LSG Sachsen-Anhalt vom 10.11.2005, L 2 B 44/05 AS ER; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 11 Rn. 266b (Stand: XII/06); vgl. auch Brühl in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 11 Rn. 52 Stichwort "Existenzgründungszuschuss").
a) Der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III stellt eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II dar. Die Regelung des § 421l SGB III ist durch Artikel 1 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 eingeführt worden und mit Wirkung zum 01.01.2003 in Kraft getreten. Die Vorschrift geht zurück auf die Vorschläge der so genannten Hartz-Kommission zur "Ich-AG" bzw. "Familien-AG" (Becker in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 9 Rn. 121). Mit dem Existenzgründungszuschuss und der damit einhergehenden Einführung einer neuen Form der Selbstständigkeit sollte insbesondere die Schwarzarbeit bekämpft werden (BT-Drucks. 15/26, S. 19). Sein Zweck ist es, die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu fördern (Becker a.a.O., Rn. 123). Die Ausgestaltung des Existenzgründungszuschusses als der Höhe nach degressive Leistung unterstreicht diese Intention, den Übergang in die Selbstständigkeit zu erleichtern und erhöhte Aufgaben im Zuge der Existenzgründung bei gleichzeitig erst zu erschließenden Einnahmen jedenfalls teilweise zu kompensieren (LSG Hessen vom 04.12.2006, L 7 AS 168/06 ER). Er hat damit die Funktion eines Förderinstrumentes auf dem Arbeitsmarkt, das schon nach seiner Bezeichnung als "Existenzgründungszuschuss" über eine Lebensunterhaltssicherung im engeren Sinne hinausgeht (LSG Hessen a.a.O.). In dieser Funktion soll der Existenzgründungszuschuss der Entlastung des Arbeitsmarktes dienen und Arbeitnehmer zu Existenzgründungen ermutigen (Becker a.a.O., Rn. 152). Er gehört damit zu den Leistungen der Arbeitsförderung; dass der Gesetzgeber es versäumt hat, ihn in den Leistungskatalog des § 3 SGB III aufzunehmen, schadet nicht (Becker a.a.O.).
An dieser Funktion des Existenzgründungszuschusses ändert der Umstand nichts, dass er auch als Kompensation für Sozialversicherungsbeiträge gedacht ist (BT-Drucks. 15/26, S. 22), die von Inhabern einer "Ich-AG" gemäß § 2 Satz 1 Nr. 10 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu erbringen sind (Becker a.a.O., Rn. 123). Denn der Ersatz von Sozialversicherungsbeiträgen stellt das Mittel dar, um den dargestellten Zweck der Arbeitsmarktförderung zu erreichen. Die These, der Eingliederungszuschuss habe wegen dieses Mittels eine rein lebensunterhaltssichernde Funktion, verkürzt die dargestellte Zielsetzung des § 421l SGB III und blendet aus, dass die Kompensation der Sozialversicherungsbeiträge nur ein Mittel zum Zweck darstellt, nicht aber das eigentliche Ziel der Regelung ist.
b) Der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III dient einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II. Denn der Existenzgründungszuschuss hat – wie sich gezeigt hat – eine arbeitsmarktfördernde Zielsetzung. Das dem Antragsteller seitens der Antragsgegnerin gewährte Arbeitslosengeld II ist dagegen eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 19 Satz 1 SGB II), die als Basissicherung lediglich das soziokulturelle Existenzminimum sicherstellt (BSG, Urteil vom 29.03. 2007, B 7b AS 12/06 R).
Dass das SGB II auch – und nach der Konzeption dieses Gesetzes vorrangig (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 1 Rn 4) – arbeitsfördernde Leistungen vorsieht, nämlich die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß §§ 14 ff. SGB II, rechtfertigt es nicht, den Existenzgründungszuschuss als Leistung anzusehen, die einen mit den Leistungen nach dem SGB II identischen Zweck verfolgt. Denn zum einen hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß §§ 14 ff. SGB II nicht bewilligt. Zum anderen ist bei der Frage, welche Einnahmen als Einkommen gemäß § 11 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigen ist, nach Rechtsauffassung des Senats zwischen den grundsätzlich unterschiedlichen Leistungsarten des SGB II zu differenzieren. Das SGB II sieht – wie erwähnt – Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 14 ff. SGB II) sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 19 ff. SGB II) vor. Das SGB II hat dabei die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einerseits und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes andererseits als eigenständige Leistungsarten ausgestaltet (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 3 Abs. 1 und 3 SGB II). Diesen unterschiedlichen Leistungsarten ist Rechnung zu tragen, wenn gemäß § 11 Abs. 3 SGB II zu prüfen ist, ob Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen.
Ob der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB III auch einem anderen Zweck dient als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß §§ 14 ff. SGB II, hatte der Senat deshalb nicht zu entscheiden, zumal – wie ausgeführt – die Antragsgegnerin dem Antragsteller derartige Leistungen nicht bewilligt hat. Hinsichtlich des Einstiegsgeldes gemäß § 29 SGB II dürfte eine solche identische Zielsetzung möglicherweise zu bejahen sein (vgl. zur Nähe dieser beiden Instrumente zur Förderung der Aufnahme selbstständiger Tätigkeiten Spellbrink, a.a.O., § 29 Rn. 5 und 9; Birk in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 29 Rn. 10; vgl. zum Einstiegsgeld auch BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 3/05 R).
c) Der Existenzgründungszuschuss gemäß § 421l SGB II beeinflusst die Lage des Empfängers auch nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II). Das Gegenteil ist der Fall. Denn Existenzgründer gemäß § 421l SGB II sind in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gemäß § 2 Satz 1 Nr. 10 SGB VI. Der Antragsteller muss aufgrund dieser Pflichtversicherung Rentenversicherungsbeiträge zahlen; seine doppelte Rentenversicherungspflicht verhindert jetzt § 3 Satz 1 Nr. 3a Buchstabe e SGB VI n.F., wonach versicherungspflichtig Selbständige, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, durch diesen Leistungsbezug nicht nochmals rentenversicherungspflichtig werden. Berücksichtigt man den Existenzgründungszuschuss als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 3 SGB II, müsste der Antragsteller seinen Lebensunterhalt mit Leistungen bestreiten, die niedriger als die monatliche Regelleistung des § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind. Ein sachlicher Grund für eine derartige Ungleichbehandlung von Existenzgründern gegenüber sonstigen Hilfebedürftigen wäre nicht vorhanden.
d) Der Existenzgründungszuschuss stellt keine Leistung nach dem SGB II dar, so dass der Privilegierungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht zur Anwendung kommt. Denn § 421l SGB III wird bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit in §16 SGB II nicht erwähnt. Der Gesetzgeber wollte den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende dieses Förderinstrument damit offenbar nicht zur Verfügung stellen (LSG Hessen a.a.O.; vgl. aber auch BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 3/05 R). Die Annahme, der von der Bundesagentur für Arbeit gewährte Existenzgründungszuschuss solle deshalb auch von einer Privilegierung gemäß § 11 Abs. 3 SGB II ausgenommen werden, lässt sich daraus jedoch nicht herleiten (zutreffend LSG Hessen a.a.O.).
2. Das SG hat schließlich zu Recht angenommen, dass der Antragsteller hinsichtlich des begehrten Erlasses einer einstweiligen Anordnung auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht hat (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller ergänzend darauf hingewiesen, dass er HIV-erkrankt ist und bei Anrechnung des Existenzgründungszuschusses als Einkommen sein finanzieller Bedarf nicht gedeckt ist. Er könne zudem den infolge seiner Selbständigkeit gesetzlich vorgesehenen Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung nicht zahlen und befinde sich insoweit bereits im Zahlungsverzug. Infolge seiner krankheitsbedingten Mehraufwendungen durch das HIV-Leiden und die gleichzeitig notwendigen Aufwendungen für den Erhalt bzw. Ausbau seiner Selbständigkeit sei er auf die weitere Gewährung der Leistungen angewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 04.12.2007
Zuletzt verändert am: 04.12.2007