Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.01.2007 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt C, Bonn, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines behaupteten Anspruchs auf Nachzahlung von Leistungen nach § 22 SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.03.2006 in Höhe von insgesamt 4.878,- EUR.
In dieser Zeit wohnte der Kläger mit seinem schwerbehinderten und unter Betreuung stehenden Bruder H bis zum 01.01.2006 in einem gemeinsamen Haushalt. Für die vom Vater der Brüder O durch einen Mietvertrag aus 1994, in dem die Brüder keine Erwähnung finden, angemietete Unterkunft fielen im streitigen Zeitraum monatliche Aufwendungen von insgesamt 650,39 EUR an. Bis Ende des Jahres 2004 wurden Leistungen nach dem BSHG an beide Brüder auf das Konto des Klägers erbracht.
Ab dem 01.01.2005 erhielt der Bruder H des Klägers Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 900,69 EUR von Januar bis März 2005, 1.135,29 EUR für April 2005, 947,61 EUR von Mai bis Dezember 2005. Hierbei wurden neben dem Regelsatz für einen Haushaltsangehörigen von 276,00 EUR und einem Mehrbedarf für Schwerbehinderte von 46,92 EUR nach dem SGB XII sowie Pflegegeld der Stufe II von 410,00 EUR monatlich anteilige Unterkunftskosten für den Bruder H des Klägers von 214,69 EUR angesetzt. Diese Leistungen wurden ebenso wie monatliche Vergütungen aus einer Tätigkeit des Bruders H in einer Schwerbehindertenwerkstatt in Höhe von 67,00 EUR im Februar und März 2005, 73,41 EUR im April 2005 und 91,79 EUR im Mai bis Dezember 2005 auf das Konto des Klägers erbracht. Leistungen an den gemeinsamen Vermieter der Brüder O hat der örtliche Träger der Sozialhilfe nach seiner Auskunft vom 11.10.2007 nicht erbracht.
Ab dem 02.01.2006 wurde der Bruder H des Klägers in einer stationärenEinrichtung des Landschaftsverbandes als überörtlichem Träger der Sozialhilfe auf dessen Kosten aufgenommen und erhielt ein monatliches Taschengeld von 89,70 EUR, das nicht auf das Konto des Klägers überwiesen wurde. Für die Monate Januar und Februar 2006 verzeichnet das Konto des Klägers Eingänge von jeweils 74,79 EUR aus einer Tätigkeit des Bruders H in einer Schwerbehindertenwerkstatt, im März 2006 keinerlei Eingänge zu Gunsten des Bruders H.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 27.11.2004, 15.06.2005, 22.07.2005 und 13.01.2006 Leistungen nach § 20 SGB II in Höhe von 345,- EUR monatlich und nach § 22 SGB II in Höhe der hälftigen Gesamtaufwendungen der Brüder für Unterkunft und Heizung (325,19 EUR), insgesamt 670,19 EUR, monatlich. Dem Kläger wurden jedoch monatlich wiederkehrend nur 19,80 EUR ausgezahlt vor dem Hintergrund, dass die Beklagte die gesamten Unterkunftskosten beider Brüder von 650,39 EUR monatlich aus den dem Kläger bewilligten Leistungen an den Vermieter überwies und nur den Restbetrag auf das Konto des Klägers.
Mit Schreiben vom 08.10.2006 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Nachzahlung von 4.878,- EUR wegen nicht erbrachter Leistungen nach § 20 SGB II bei der Beklagten geltend. Er behauptete zugleich, wegen des angenommenen Missstandes immer wieder bei der Beklagten vorstellig geworden zu sein und legte Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2006 wies die Beklagte den angefochtenen Widerspruch des Klägers gegen die Bewilligungsbescheide vom 27.11.2004, 15.06.2005, 25.07.2005 und 13.01.2006 als wegen Verspätung unzulässig zurück.
Mit der Klage vom 06.09.2006 macht der Kläger weiterhin 4878,- EUR (nebst Zinsen) an Nachzahlungen geltend.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht die zugleich mit Klageerhebung beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt mit der Begründung, die beabsichtigte Rechsverfolgung weise keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 73a SGG, 114 ZPO auf. Dem geltend gemachten Anspruch stehe entsprechend § 242 BGB der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Selbst wenn dem Kläger aus den Bewilligungsbescheiden ein bislang nicht durch Zahlung an ihn selbst ausgeglichener Anspruch auf Leistungen nach § 22 SGB II zustünde, stehe der Geltendmachung dieses Anspruchs entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 242 BGB der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Wenn die Beklagte nämlich nicht durch Leistungen an den Vermieter gegenüber dem Kläger von ihrer Pflicht zur Zahlung der Regelleistung frei geworden sei, dann stehe ihr in Höhe des an den Vermieter gezahlten Betrages von monatlich 325,20 EUR ein öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch aus § 50 Abs. 2 SGB X gegen den Kläger zu, den sie dem Anspruch des Klägers auf Nachzahlung der Regelleistung entgegenhalten könne. Der Kläger schulde im Verhältnis zu seinem Vermieter die Zahlung der gesamten Miete sowohl dann, wenn er alleiniger Vertragspartner des Vermieters sei, als auch, wenn er zusammen mit seinem Bruder gesamtschuldnerisch im Sinne von § 421 BGB für die gesamte Miete hafte. Durch die Zahlung der Gesamtmiete an den Vermieter durch die Beklagte sei der Kläger von seiner Pflicht zur Mietzahlung insgesamt frei geworden, da er der Zahlung der vollen Miete durch die Beklagte nicht widersprochen habe und der Vermieter die Leistungen der Beklagten auch nicht abgelehnt habe (§§ 362 Abs. 1, 267 Abs. 2 BGB). Die Tilgung der Schuld des Klägers im Verhältnis zu seinem Vermieter stelle sich damit nach Bereicherungsrecht auch als Leistung der Beklagten gegenüber dem Kläger dar, da die Beklagte aus Sicht des unmittelbaren Empfängers der Zahlung, d.h. aus Sicht des Vermieters, eine Schuld des Klägers tilgen und damit diesem gegenüber eine Leistung habe erbringen wollen. Diese Leistung sei ohne Verwaltungsakt erfolgt und könne nach § 50 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vom Kläger zurückgefordert werden, da er nach eigenem Vortrag die fehlerhafte Leistungserbringung frühzeitig erkannt und gegenüber Mitarbeitern der Beklagten vorgetragen habe. Auch sei dem Kläger ein Gesamtschuldnerinnenausgleich im Verhältnis zu seinem Bruder wegen Bestehens des gemeinsamen Kontos möglich.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der vorgetragen wird, ein voller Ausgleich im Innenverhältnis scheitere daran, dass die insgesamt beiden Brüdern erbrachten Mietzahlungen um gut 120,- EUR monatlich zu gering gewesen seien.
Zu Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 26.02.2007), ist auch begründet.
Dem Kläger steht Prozesskostenhilfe nach §§ 73a SGG, 114ff ZPO zu, da er als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II bedürftig ist und die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Klageverfahren hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO aufweist.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, ist vielmehr überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger gegen die Beklagte aus den Bescheiden vom 27.11.2004, 15.06.2005, 22.07.2005 und 13.01.2006 noch Ansprüche auf monatliche Leistungen nach § 20 SGB II i.H.v. 325,20 EUR vom 01.01.2005 bis 31.03.2006 zustehen und diese insbesondere nicht nach § 362 BGB entsprechend durch Erfüllung des Leistungsanspruches insoweit untergegangen sind.
Bei dem von der Beklagten zu erfüllenden Anspruch auf Regelleistungen nach § 20 SGB II handelt es sich um ohne Verwendungsbeschränkungen zu befriedigende Ansprüche auf Geldleistungen zur Deckung der in § 20 Abs. 1 SGB II im Einzelnen näher beschriebenen Bedarfe.
Bezüglich dieser Ansprüche kann daher Erfüllung in entsprechender Anwendung von § 362 BGB als Ausdruck eines allgemeinen, auch im Sozialrecht anzuwendenden Rechtsgrundsatzes (u.a. Urteil des BSG vom 29.01.1997 – 5 RJ 52/94 -; Urteil des LSG NW vom 24.09.2007 – L 9 RJ 22/01 -) nur dann eingetreten sein, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger oder durch Zahlung an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung bewirkt worden ist. Insoweit sich die Beklagte auf bereits eingetretene Erfüllung beruft, macht sie eine rechtsvernichtende Einwendung geltend, deren tatsächliche Grundlagen sie belegen muss (BSG a.a.0. zur Erfüllung eines Beitragserstattungsanspruches).
Schon hiernach ist anzunehmen, dass die Beklagte durch Doppelzahlung von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II Leistungsansprüche des Klägers nach § 20 SGB II ersichtlich nicht erfüllt hat. Denn weder hat Sie entsprechend § 362 Abs. 2 BGB zum Zwecke der Erfüllung eines Anspruches auf Regelleistungen Überweisungen an den Vermieter des Klägers und seines Bruders vorgenommen, vielmehr insoweit zweckgebundene Leistungen nach § 22 SGB II erbracht, noch würde diese indirekte Form der "Erfüllung" dem Leistungszweck der Regelleistung nach § 20 SGB II gerecht. Diese Leistungen dienen der Deckung aktuellen Bedarfes. Hierzu bestimmte Leistungen sind so rechtzeitig zur Auszahlung zu bringen, dass sie dem Hilfebempfänger zur Deckung des Bedarfes sofort zur Verfügung stehen (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtes Baden-Württemberg vom 07.01.2005 – 7 S 2525/04 – Erbringung von Leistungen nach dem BSHG).
Die zeitnahe Erfüllung von Leistungsansprüchen nach dem SGB II soll insbesondere § 42 SGB II sicherstellen, wonach Geldleistungen nach den SGB II auf das im Antrag angegebene inländische Konto bei einem Geldinstitut überwiesen werden. Diese Vorschrift ist zwingendes Recht. Jede andere Art der Zahlung als durch Überweisung ist als Ausnahme anzusehen und nur zulässig, wenn dem Leistungsträger ein Konto nicht bekannt oder eine Überweisung darauf unmöglich ist. Dann allerdings sind dem Berechtigten zustehende Geldleistungen an dessen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu übermitteln (Eicher in Eicher/Spelbrink, SGB II § 42 Rdnr. 8). Demnach dürfte eine Erfüllung der Leistungsansprüche des Klägers aus § 20 SGB II durch Überweisung von Unterkunftsleistungen nach § 22 SGB II an seinen Vermieter ausgeschlossen sei. Bereits dies genügt zur Überzeugung des Senats zur Annahme hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 73a SGG, 114 ZPO.
Im Hinblick auf die sorgfältige Begründung des angefochtenen Beschlusses und die im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens erfolgte Sachaufklärung weist der Senat zudem darauf hin, dass ein Verweis des Klägers auf einen Innenausgleich im Verhältnis zu seinem Bruder schon nach den Zahlenverhältnissen der Leistungen an beide problematisch ist. Denn der Bruder Günter des Klägers hat seitens des Trägers von Leistungen nach dem SGB XII zur Deckung seiner anteiligen Unterkunftskosten nur 214,69 EUR und damit deutlich weniger als die Hälfte der nach dem SGB II zu erbringenden Unterkunftskosten erhalten. Auf das gemeinsame Konto der Brüder sind zu seinen Gunsten ab Januar 2006 sehr geringe Leistungen erbracht worden. Insoweit erscheint auch im Tatsächlichen problematisch, ob für den Innenausgleich genügende Mittel vorliegen bzw. vorgelegen haben.
Ob dem gesamten geltend gemachten Anspruch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen könnte, lässt sich nicht ohne weitere Ermittlungen beantworten. § 50 Abs. 2 SGB X als Rechtsgrundlage der möglichen Gegenforderung auf Rückzahlung der ggfls. ohne Verwaltungsakt erbrachten Leistungen an den Kläger unterliegt nach Satz 2 des Zweiten Absatzes dieser Norm den sich aus entsprechender Anwendung der §§ 45 und 48 SGB X ergebenden Einschränkungen. Da die Rückforderung schon zum Zeitpunkt der Zahlung ohne Rechtsgrund gewährter Leistungen der Rücknahme eines schon bei seinem Erlass rechtswidrigen Verwaltungsaktes vergleichbar ist, wird § 45 SGB X und damit auch die Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X analog angewendet (BSG, Urteil vom 09.09.1986 – 11a RA 2/85 – BSGE 60, 239 – NVwZ 1988, 785). Nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist die Zurücknahme eines Verwaltungsaktes (hier die Realisierung der Rückforderung) nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen möglich, welche die Rücknahme (hier Rückforderung) rechtfertigen.
Insoweit ist das Vorbringen des Klägers erheblich, er habe die Abweichung zwischen der bewilligten und der tatsächlich zugeflossenen Leistung ab Januar 2005 mehrfach mitgeteilt. Je nach konkretem Inhalt der Mitteilung kommt dann auch eine Kenntnis der Beklagten hinsichtlich der überzahlten Unterkunftskosten in Betracht. Lässt sich feststellen, dass der Kläger tatsächlich bei der Beklagten frühzeitig vorgesprochen hat, kann einem Rückforderungsanspruch der Beklagten aus § 50 Abs. 2 SGB X insgesamt oder für Teilzeiträume die Handlungsfrist entsprechend § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegenstehen.
Die Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind kraft Gesetzes nicht zu erstatten, § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Erstellt am: 21.01.2008
Zuletzt verändert am: 21.01.2008