Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.09.2007 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch in den Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
1. Der Antragsteller ist am 00.00.1982 geboren. Die Antragsgegnerin bewilligte ihm mit Bescheid vom 26.07.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2007 bis 29.02.2008. Die monatlichen Leistungen setzte sie insgesamt auf 643,38 Euro fest. Hiervon entfielen 347 Euro auf die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und 296,38 Euro auf die Kosten für Unterkunft und Heizung.
2. Mit Schreiben vom 05.07.2007 bot die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung für die Dauer vom 23.07.2007 bis 22.01.2008 an. Der Antragsteller wurde aufgefordert, sich am 23.07.2007 bei dem Träger der Maßnahme, einer Fahrradwerkstatt, vorzustellen. Mit der diesem Schreiben beiliegenden Rechtsfolgenbelehrung wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass ein pflichtwidriges Verhalten gemäß § 31 SGB II zum Beispiel dann vorliegt, wenn ein Arbeitsuchender sich weigert, die ihm angebotene Arbeitsgelegenheit an- bzw. aufzunehmen. Die Rechtsfolgenbelehrung enthielt den folgenden weiteren Hinweis: "Haben Sie das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet und eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II (z.B. Ziff. 2) begangen, erhalten Sie lediglich Leistungen für Unterkunft und Heizung. Diese werden im Regelfall direkt an den Vermieter oder sonstigen Empfangsberechtigten gezahlt". Das Schreiben vom 05.07.2007 wurde am 06.07.2007 als Einwurf-Einschreiben versandt und dem Antragsteller am 07.07.2007 durch die Deutsche Post zugestellt.
Der Antragsteller trat die Arbeitsgelegenheit am 23.07.2007 nicht an und erschien auch in der Folgezeit beim dortigen Maßnahmeträger nicht. Hiervon wurde die Antragsgegnerin am 23.07.2007 durch den Maßnahmeträger informiert. Sie teilte dem Antragsteller sodann schriftlich mit, dass sie die Verhängung von Sanktionen beabsichtige und fordere ihn auf, am 01.08.2007 zur Sanktionsanhörung vorzusprechen. Dieses Schreiben wurde am 24.08.2007 als Einwurf-Einschreiben aufgegeben und dem Antragsteller am 25.07.2007 durch die Deutsche Post zugestellt.
Der Antragsteller erschien am 01.08.2007 bei der Antragsgegnerin nicht.
Mit Schreiben vom 02.08.2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sein Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 30.11.2007 auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt und der ursprüngliche Bewilligungsentscheid für diesen Zeitraum aufgehoben wird.
Die Kosten der Unterkunft in Höhe von 248 Euro monatlich überwies die Antragsgegnerin weiterhin an den Vermieter des Antragstellers. Die Heizkosten in Höhe von 48,38 Euro monatlich überwies sie direkt an das Energieversorgungsunternehmen.
Der Antragsteller erhob gegen diesen Bescheid vom 02.08.2007 mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten am 09.08.2007 Widerspruch.
3. In den Monaten September, Oktober und November 2007 erbrachte die Antragsgegnerin ergänzende Sachleistungen bzw. Geldleistungen an den Antragsteller in Gestalt von Wertgutscheinen in Höhe von monatlich 146 Euro.
4. Am 12.09.2007 beantragte der Antragsteller vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Er trug vor, er habe das Schreiben der Antragsgegnerin vom 05.07.2007 nicht erhalten. Den Termin am 23.07.2007 habe er deshalb nicht schuldhaft versäumt.
Mit Beschluss vom 24.09.2007 lehnte das SG seinen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Vortrag des Antragstellers, er habe das Schreiben vom 05.07.2007 nicht erhalten, sei eine Schutzbehauptung. Die Antragsgegnerin habe ihm ein zumutbares Arbeitsangebot unterbreitet und auf die Rechtsfolgen hinreichend konkret hingewiesen.
5. Hiergegen hat der Antragsteller am 11.10.2007 Beschwerde erhoben. Er verblieb bei seinem Vortrag, das Schreiben der Antragsgegnerin vom 05.07.2007 nicht erhalten zu haben. Im Übrigen sei die ausgesprochene Sanktion unverhältnismäßig. Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen könne typischerweise nicht von einer im Vergleich zu anderen Hilfebedürftigen höheren Handlungskompetenz oder Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden, welche eine "härtere" Sanktionierung rechtfertige. Das SG habe deshalb auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.
Das SG hat der Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 12.10.2007 nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerden des Antragstellers sind zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Die Beschwerde des Antragsteller ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Ablehnung seines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebene Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
a) Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers hat das SG zu Recht als einen derartigen Antrag qualifiziert. Mit Verwaltungsakt (Bescheid) vom 20.07.2007 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 29.02.2008. Mit Verwaltungsakt vom 02.08.2007 änderte die Antragsgegnerin diesen Bescheid vom 26.07.2007 insoweit ab, als sie für die Zeit für den 01.09.2007 bis zum 30.11.2007 die Bewilligung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 20 SGB II) aufhob. Der Widerspruch des Antragstellers hiergegen hatte keine aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II. Die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II erfasst auch Absenkungsentscheidungen gemäß § 31 SGB II. Denn auch die (Teil-) Aufhebung einer Bewilligung ist eine "Entscheidung" über "Leistungen" der Grundsicherung und wird infolgedessen vom Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II erfasst.
b) Bei der Entscheidung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86 b Rn.12 und 12a). Im Rahmen dieser Abwägung ist darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder ob seine Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge hätte. Dabei ist ( jedenfalls) in den Fällen, in denen das Gesetz wie hier selbst das Entfallen der aufschiebenden Wirkung anordnet, von einem Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen sofortiger Vollziehbarkeit einerseits und aufschiebender Wirkung andererseits auszugehen, so dass das Vollziehungsinteresse hier in der Regel den Vorrang hat (vgl. Keller a.a.O., Rn. 12a).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes vom 02.06.2007 bestehen nicht. Das die Vollziehung des Sanktionsbescheides vom 02.08.2007 für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge hätte, hat er weder vorgetragen, noch ist dies aus den Akten ersichtlich.
aa) Rechtsgrundlage für die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 02.08.2007 vorgenommenen Absenkung ist § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Danach wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr , jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Arbeitslosengeld II unter den in den Absätzen 1 und 4 genannten Voraussetzungen auf die Leistung nach § 22 SGB II – also auf die Leistung für Unterkunft und Heizung – beschränkt.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung (Berlit in LPK- SGB II, 2. Aufl. 2007, § 31 RdNr. 130) hatte der Antragsgegner das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Er ist seiner Obliegenheit gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II nicht nachgekommen. Danach hat der Arbeitsuchende eine zumutbare Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen. Dass die dem Antragsteller angebotene Arbeitsgelegenheit (gemäß § 16 Abs. 3 SGB II) unzumutbar gewesen sein könnte, ist weder ersichtlich noch von dem Antragsteller selbst vorgetragen worden. Diese Arbeitsgelegenheit hat er nicht aufgenommen und damit seine Obliegenheit gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II nicht erfüllt.
Auch diese durch die Antragsgegnerin ausgesprochene Rechtsfolge ist rechtmäßig. Denn gemäß § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II tritt die Absenkung mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung feststellt, folgt. Die Absenkung dauert gemäß § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II drei Monate. Sie erstreckt sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II auf die (gesamte) Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 20 SGB II.
bb) Der Senat konnte sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht davon überzeugen, dass die durch § 31 Abs. 5 und 6 SGB II ausgesprochene Sanktion in diesem konkreten Fall zu verfassungswidrigen Ergebnissen führt (a.A. unter Hinweis auf das Gebot einer verfassungskonformen Auslegung Berlit, a.a.O., § 31 Rn. 17). Denn die Gesetzgebung hat für junge erwerbsfähige Hilfebedürfte zwischen 15 und 25 Jahren in § 31 SGB II schärfere Sanktionen vorgesehen, um bei ihnen "von vornherein der Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken" (BT-Drucksache 15/1516, S. 61). In der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung arbeitslose Jugendliche hinsichtlich ihres Einstieges in Beschäftigung und Qualifizierung besonders fördert. Dieser staatlichen Verpflichtung zur Beschäftigung jugendlicher Menschen auf der einen Seite stünden die schärferen Sanktionsregelungen des § 31 SGB II auf der anderen Seite gegenüber jungen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegenüber (BT-Drucksache, a.a.O.) Bei jungen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist damit der Grundsatz des "Forderns" besonders ausgeprägt. Dass dieses Ziel durch die seitens der Gesetzgebung für geeignet und erforderlich angesehene Maßnahme der "schärferen" Sanktionierung junger erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nicht zu erreichen ist, vermochte der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu erkennen. Hierbei ist maßgeblich zu berücksichtigten, dass die Gesetzgebung insbesondere bei der Einschätzung der Erforderlichkeit bei sozialpolitischen Ausnahmen über einen Beurteilungs- sowie Prognosespielraum verfügt (zuletzt BVerfGE 116, 202 (224)). Einer unverhältnismäßigen Belastung junger erwerbsfähiger Hilfebedürftiger begegnet überdies die Regelung des § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II. Denn danach kann der Grundsicherungsträger die Absenkung und den Wegfall der Regelleistung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen verkürzen.
Im konkreten Fall des Antragstellers ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin für die Monate September, Oktober und November 2007 ergänzende Sachleistungen bzw. geldwerte Leistungen in Gestalt von Wertgutscheinen in Höhe von monatlich 146 Euro an den Antragsteller erbracht hat (gem. § 31 Abs. 5 Satz 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 6 SGB II). Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass bei ihm ein konkreter Bedarf nach dieser Gewährung der Wertgutscheine weiterhin ungedeckt geblieben ist.
cc) Soweit der Antragsteller bestritten hat, das Schreiben der Antragsgegnerin vom 05.07.2007 erhalten zu haben, fehlt es an der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen ensprechenden Glaubhaftmachung. Denn dieses Schreiben vom 05.07.2007 ist dem Antragsteller mit Einwurf-Einschreiben am 07.07.2007 zugestellt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann die Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde i.S.d. § 418 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht durch pauschales, schlichtes Bestreiten, sondern nur durch ein qualifiziertes Vorbringen infrage gestellt werden (BSG vom 28.09.1998, B 11 AL 83/98 B SozR 3-1750 § 418 Nr. 1). Ensprechendes gilt hier. Zwar ist dem Antragsteller das Schreiben vom 05.07.2007 nicht mit Postzustellungsurkunde, sondern als Einwurf-Einschreiben zugestellt worden. Angesichts dieses gegenüber einem einfachen Brief formalisierten Verfahrens konnte sich der Antragsteller nicht auf die bloße Behauptung beschränken, er habe das Schreiben vom 05.07.2007 "nicht erhalten". Insoweit hätte es eines weitergehenden und substantiierten Vortrages bedurft, wieso ihm das Schreiben vom 05.07.2007 nicht zugegangen sein soll, obwohl die Deutsche Post mitgeteilt hat, dieses Schreiben am 07.07.2007 als Einwurf-Einschreiben zugestellt zu haben. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu berücksichtigten, dass der Antragsteller die Antragsgegnerin – jedenfalls nach der Verwaltungsakte – zu keiner Zeit darauf aufmerksam gemacht hat, dass ihn Post bislang nicht erreicht habe. So hat er auch die zeitlich voraus – sowie nachgehenden Sanktionsbescheide stets erhalten, ohne insoweit einen fehlenden Zugang zu behaupten.
2. Die Beschwerde des Antragstellers ist auch insoweit begründet, als er sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstantlichen Verfahrens wendet. Denn seine Rechtsverfolgung hatte aus den dargestellten Gründen keine Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).
3. Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde die Ablehnung seines Antrags auf Gewährung vorläufiges Rechtsschutzes angegriffen hat, folgt die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Soweit sich seine Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages auf Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar. (§ 177 SGG).
Erstellt am: 21.01.2008
Zuletzt verändert am: 21.01.2008