Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 12.10.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 08.11.2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 08.11.2007), ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen (Regelungs-) Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Eingliederungshilfe für den Besuch einer Hochschule zur Durchführung eines Lehramtsstudiums zu gewähren.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie des Anordnungsgrundes (die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Soweit dies nicht möglich ist, ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.).
Der Antragsteller hat bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Senat verweist insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Auch der Senat sieht die Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 – 3 der Eingliederungsverordnung (EinglVO) unter Berücksichtigung des vom Sozialgericht bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L von der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Universitätsklinik F vom 03.09.2007 nicht als erfüllt an. Insbesondere erscheint auch in Ansehung der Beschwerdebegründung zweifelhaft, ob das Lehramtsstudium im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 EinglVO erforderlich ist und ob es im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 3 EinglVO voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage bieten oder, falls dies wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht möglich ist, zur Lebensgrundlage in angemessenem Umfang beitragen wird.
Soweit der Antragsteller moniert, das Sozialgericht habe den Sachverhalt nur unzureichend ermittelt, verweist der Senat zunächst darauf, dass eine abschließende und zeitaufwendige Ermittlung regelhaft dem Charakter eines Eilverfahrens widerspricht. Der Senat teilt aber auch die vom Antragsteller formulierten Bedenken an der Aussagekraft der Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls für die Entscheidungsfindung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der Kritik an der Eignung des vom Sozialgericht ausgewählten Sachverständigen. Es ist bereits darauf hinzuweisen, dass der vom Sozialgericht ausgewählte Sachverständige leitender Oberarzt an einer der Kliniken ist, die vom Bevollmächtigten des Antragstellers im Schriftsatz vom 12.08.2007 als von der Gesellschaft für Muskelkranke benanntes Muskelzentrum aufgeführt worden ist. Es kann daher zur Überzeugung des Senats einstweilen unterstellt werden, dass der Sachverständige über die vom Antragsteller geforderte langjährige spezifische Facherfahrung verfügt. Die zur Beantwortung der Beweisfragen erforderlichen berufskundlichen Informationen zum vom Antragsteller bereits erlernten Beruf des Informatikkaufmanns sind dem Sachverständigen vom Sozialgericht zur Verfügung gestellt worden. Der Sachverständige hat zudem ausdrücklich die Erforderlichkeit von Zusatzgutachten verneint. Die nach Erstellung des Gutachtens formulierte Kritik an der Aufgabenstellung kontrastiert zudem mit der Mitteilung, gegen den Inhalt des Beweisbeschlusses bestünden keine Bedenken (Schriftsatz vom 12.08.2007).
Auch die Kritik an den inhaltlichen Ausführungen des Sachverständigen und den vom Sozialgericht gezogenen Schlussfolgerungen überzeugt nicht. Der Sachverständige hat den Antragsteller für gesundheitlich in der Lage gehalten, den Beruf des Informatikkaufmanns im Innendienst unter bestimmten Einschränkungen auszuüben. Dies wiederum hat das Sozialgericht veranlasst, die Erforderlichkeit im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 EinglVO zu verneinen. Diese Schlussfolgerung ist zur Überzeugung des Senats nach dem zu Grunde zu legenden Sachstand und der (zunächst) gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hat seiner Entscheidung ersichtlich die detaillierten berufskundlichen Informationen des BERUFENET zu Grunde gelegt. Die vom Antragsteller im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegte Internetveröfffentlichung des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall zum Ausbildungsberuf des Informatikkaufmanns enthält demgegenüber lediglich ein schlagwortartiges Anforderungsprofil. Ein solches richtet sich regelmäßig an dem alle möglichen Einsatzgebiete abdeckenden Idealtypus des Auszubildenden aus. Die zitierte Veröffentlichung stellt ersichtlich keine umfassende Tätigkeitsbeschreibung des Berufsbildes dar, wie sie etwa den vom Sozialgericht den Beteiligten und dem Sachverständigen zur Verfügung gestellten Berufsinformationen zu entnehmen ist. Dass "zukünftige Informatikkaufleute" mobil sein sollen, rechtfertigt zur Überzeugung des Senats keineswegs den Schluss, Informatikkaufleute würden naturgemäß im Außendienst tätig. Der den Beteiligten vorliegenden Tätigkeitsbeschreibung lässt sich eine Vielzahl von Tätigkeiten entnehmen, die im Innendienst und unter Beachtung der Ausführungen des Sachverständigen zu Beweisfrage 5 und der dokumentierten Einschränkungen des Antragstellers ausgeübt werden können oder vorstellbar sind (z.B. Systemadministration in größeren Firmen, Schulung von Anwendern), ohne dass eine lediglich berufsnahe Tätigkeit, die grundsätzlich auch in Betracht zu ziehen sein könnte, in den Blick genommen würde. Dabei hält der Senat es durchaus für nachvollziehbar, wenn mit Blick auf insbesondere beratende Funktionen oder etwa eine telefonische Anwenderbetreuung das Sozialgericht einen Einsatz als Informatikkaufmann für möglich erachtet.
Dieses Ergebnis entspricht auch der berufskundlichen Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit, die mit Schreiben vom 10.08.2007 ausgeführt hat, aus berufskundlicher Sicht könne der Antragsteller grundsätzlich in den meisten kaufmännischen und Verwaltungsberufen und im Dienstleistungsbereich beschäftigt werden, sofern ein entsprechend geeigneter und behinderungsgerecht ausgestatteter Büroarbeitsplatz zur Verfügung stehe.
Erscheinen demnach bereits die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 EinglVO zweifelhaft, kommt den weiteren Ausführungen des Sozialgerichts zum Anordnungsanspruch lediglich ergänzende Bedeutung zu. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass angesichts der bisher vorliegenden medizinischen Befunde viel dafür spricht, dass eine Vielzahl der den Einsatz als Informatikkaufmann limitierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch die Tätigkeit als Lehrkraft einschränken dürften (etwa eingeschränkte Mobilität, eingeschränkte Verwendung der Hände, eingeschränkte Belastbarkeit wegen leichter Ermüdbarkeit etc.). Auch in diesem Zusammenhang stellt sich die vom Sachverständigen offen angesprochene Problematik der "leider allfällig zu erwartenden Verschlechterungstendenz des körperlichen Gesundheitszustandes des Antragstellers". Daher erscheinen auch die Ausführungen des Sachverständigen zur Ausübung des Berufs eines Lehrers zunächst plausibel und nicht von vornherein unsubstantiiert. Die diesbezüglichen Einwände des Antragstellers geben die Ausführungen des Sachverständigen zum Teil nur unzureichend wieder. Die Behauptung, die Tätigkeit eines Lehrers sei ohne weiteres möglich, ist jedenfalls kaum nachvollziehbar. Der Sachverständige hat etwa nicht dargelegt, der Antragsteller könne mangels physischer Kraft nicht schlichtend bei Konflikten einschreiten. Vielmehr attestiert der Sachverständige in diesem Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit der allgemeinen Ermüdbarkeit. Ob ein erfolgreiches Praktikum des Antragstellers und die Fähigkeit des Antragstellers, technische Hilfsmittel zur Bewältigung des Arbeitsalltags nutzbar zu machen, geeignet sind die Ausführungen des Sachverständigen in einem Maße zu entkräften, dass dessen Beurteilung unzureichend erschiene, mag ggf. bei Annahme einer Entscheidungsrelevanz ebenso einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben wie die Klärung der Frage, ob das Ziel der Ausbildung erreichbar ist. Insoweit wird auf die Ausführungen des Sachverständigen zur Beweisfrage 6a verwiesen.
Der Senat hält insgesamt aber eine abschließende Klärung der vorrangig medizinischen und berufskundlichen Fragen im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht für möglich. Da aber angesichts der obigen Ausführungen ein Obsiegen in der Hauptsache derzeit weniger wahrscheinlich scheint als ein Unterliegen, vorliegend Fragen der Existenzsicherung nicht im Streit stehen und dem Antragsteller der Zugang zu Universitätsveranstaltungen und Seminaren nicht vollends verwehrt erscheint (der Antragsteller weist darauf hin, dass die Seminare, die ohne Studienassistenz besucht werden können "weitestgehend" belegt worden seien), geht auch eine Folgenabwägung trotz der unzweifelhaft bestehenden schwersten Behinderungen zu Lasten des Antragstellers aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
II. Hat die Beschwerde nach alledem keine Aussicht auf Erfolg, kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gemäß §§ 73a SGG, 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung nicht in Betracht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 21.01.2008
Zuletzt verändert am: 21.01.2008