Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.07.2007 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren nach § 63 des Sozialgesetzbuches (SGB) X.
Die Klägerin ist Diplom-Pädagogin und approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Das Widerspruchsverfahren betraf ihre Ermächtigung zur Durchführung der ausschließlichen Behandlung von Regulations- und Interaktionsstörungen bei Säuglingen und Kleinkindern bis maximal zum 3. Lebensjahr. Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens erzielten die Beteiligten eine Vereinbarung dahingehend, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens der Klägerin zu erstatten waren. Daraufhin erstattete die Beigeladene zu 8) die Kosten nach einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr. Die Übernahme weiterer Kosten in der beantragten 1,5-fachen Höhe lehnte der Vorsitzende des Beklagten ab (Bescheid vom 14.07.2005). Zur Begründung wurde ausgeführt, die neue Mittelgebühr entspreche dem 1,3-fachen Satz. Dies ergebe sich aus der amtlichen Anmerkung zur Gebührenziffer, nach der eine Gebühr von mehr als dem 1,3-fachen Satz nur gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei, was aber nicht für den Normalfall gelte.
Hiergegen richtete sich die am 01.08.2005 erhobene Klage. Der Bescheid sei bereits aus formellen Gründen rechtswidrig und aufzuheben, da für eine Entscheidung allein durch den Vorsitzenden des Beklagten keine Ermächtigungsgrundlage bestehe. Darüber hinaus sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig. Nach § 14 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) bestimme der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Entspreche die Festlegung bzw. die bestimmte Gebühr billigem Ermessen, sei dies verbindlich.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 14.07.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilten, über den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin erneut zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen verwies der Beklagte auf Entscheidungen der Sozialgerichte Aachen und Duisburg, in denen die Auffassung bestätigt worden sei, dass für die Kostenfestsetzung eine Entscheidung des Ausschusses in voller Besetzung nicht erforderlich sei.
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 14.03.2007 zur Neubescheidung verurteilt. Nach § 41 Abs. 2 i. V. m. § 45 Abs. 3 der Zulassungsordnung für Vertrags(zahn)ärzte (ZV-Ä) könnten Beschlüsse des Berufungsausschusses nur bei vollständiger Besetzung gefasst werden. Eine abweichende Regelung für das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 63 SGB X sähen weder die ZV-Ä noch das SGB X oder das Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor. Der Hinweis des Beklagten, auch im gerichtlichen Verfahren sei die Kostenfestsetzung nicht dem Gericht vorbehalten, sondern dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anvertraut, führe zu keiner anderen Beurteilung, da die Regelungen über das Verfahren der Kostenfestsetzung im gerichtlichen Verfahren vom Gesetzgeber bewusst nicht übernommen worden sei (vgl. hierzu BSG vom 09.09.1998, Az.: B 6 KA 80/97 R). Weder den Ausschüssen noch den Sozialgerichten stehe es frei, in einer dem Gesetz nicht vorgesehenen Besetzung zu entscheiden, auch wenn gute Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit dafür sprächen. Die vom Beklagten zitierten Entscheidungen der Sozialgerichte Aachen (Urteil vom 15.12.2005, Az.: S 7 KA 9/05) und Duisburg (Urteil vom 20.10.2005, Az.: S 19 KA 13/04) führten zu keinem anderen Ergebnis, denn die Frage der Rechtmäßigkeit der Bescheidung allein durch den Vorsitzenden des Berufungsausschusses sei in diesen Entscheidungen nicht ausdrücklich bestätigt worden, denn sie gar nicht diskutiert worden. Auch § 42 Abs. 1 SGB X stehe einer Aufhebung nicht entgegen. Es sei nicht von vornherein auszuschließen, dass der Beklagte in vollständiger Besetzung die Billigkeit der vom Bevollmächtigten der Klägerin gemäß § 14 RVG bestimmten Gebühr im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Sache anders beurteilen würde.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten vom 29.05.2007. Die Entscheidung durch den Vorsitzenden des Berufungsausschusses entspreche seit langem der Handhabung im Bereich des Beklagten. Sie beruhe auch auf einer Absprache mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, die nach einer internen Vereinbarung auch die Interessen der Landesverbände der Krankenkassen vertrete. Bisher sei das noch in keinem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren beanstandet worden. Auch in einem beim 10. Senat anhängigen Berufungsverfahren (Az.: L 10 KA 36/06) sei die Handhabung bislang nicht auf Bedenken gestoßen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts stünden dem rechtliche Hindernisse nicht entgegen, zumal die Bestimmungen der ZV-Ä über Befugnisse des Vorsitzenden nicht abschließend seien. Es stehe außer Frage, dass die Kostengrundentscheidung vom Berufungsausschuss in seiner vollen Besetzung zu treffen sei. Bei der Kostenfestsetzung hingegen handele es sich um eine nachgehende, nicht die Hauptsache betreffende reine Verwaltungsmaßnahme, die auch wie alle die mündliche Verhandlung vorbereitenden Verfügungen des Vorsitzenden nicht den Beschlüssen nach § 41 Abs. 2 ZV-Ä gleichzusetzen sei. Dies folge auch aus dem Wortlaut des § 63 Abs. 3 SGB X, nach dem die Kostenfestsetzung von der Kostengrundentscheidung zu trennen sei. Es gebe auch aus sachlichen Erwägungen keinen Grund, alle Mitglieder des Berufungsausschusses an der Kostenfestsetzung zu beteiligen, sie setze nämlich profunde Kenntnisse im Kostenrecht voraus, über die außer dem Vorsitzenden kein Mitglied des Berufungsausschusses verfüge und die von ihnen auch nicht zu erwarten sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.03.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die "lange Handhabung" im Bereich der Beigeladenen zu 8) stehe dem nicht entgegen. Über ihre Legitimierung zur Vertretung der beteiligten Krankenkassen/Verbände sei nichts bekannt. Die Vorgaben für die Kostenfestsetzungsentscheidungen ergeben sich aus dem Gesetz. § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X bestimme, dass die Behörde, welche die Kostengrundentscheidung getroffen habe oder mangels einvernehmlicher Übereinstimmung aller Beteiligten auf eine Kostengrundentscheidung verzichten könnte, als zuständige Behörde für die Kostenfestsetzung anzusehen sei. Die Ausnahmeregelung des § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X treffe auf den Berufungsausschuss als eigene Behörde nicht zu. Die Zuständigkeit des Berufungsausschusses ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 31.05.2006, Az.: B 6 KA 78/04 R, und vom 16.03.2006, Az.: B 4 RA 59/04 R). Der Hinweis des Beklagten auf die Berechtigung des Vorsitzenden, verfahrensleitende Verfügungen allein zu treffen, überzeuge nicht. Hierzu räume die ZV-Ä dem Vorsitzenden eine gesetzliche Kompetenz ein (§ 40 Satz 3 und 4 ZV-Ä). Auf unterschiedliche Kenntnisse zum Kosten- bzw. anwaltlichen Gebührenrecht bei den Ausschussmitgliedern komme es nicht an, § 35 Abs. 1 Satz 1 ZV-Ä bestimme lediglich, dass der Vorsitzende die Befähigung zum Richteramt haben müsse. Diese Ausbildung bedinge auch nicht zwingend Kenntnisse im Gebührenrecht, da eine juristische Tätigkeit auch ohne solche Bezüge denkbar sei. Im Gegenzug könnten durchaus Vertreter der Krankenkassen im Berufungsausschuss entsprechende juristische Vorkenntnisse haben und insoweit sachgerecht bei der Entscheidung mitwirken. Schließlich sei auch nicht ausgeschlossen, dass als Vertreter der Ärzte ein Nichtarzt und somit Jurist mit entsprechenden Vorkenntnissen mitwirke.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte des Beklagten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist sowie auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt. Der Bescheid vom 14.07.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten, da er entgegen der Auffassung des Beklagten nicht allein von ihrem Vorsitzenden erlassen werden durfte.
Der Senat hat nicht zu entscheiden, welche weiteren rechtlichen Folgerungen sich daraus im Hinblick auf die (entsprechende) Anwendung der §§ 41ff. SGB X ergeben könnten, insbesondere ob die Verletzung einer Formvorschrift unbeachtlich ist oder die Aufhebung der Entscheidung des Vorsitzenden des Beklagten nicht beansprucht werden kann. Im Berufungsverfahren ist mangels Anschlussberufung der Klägerin dem Senat allein im Rahmen der Berufung des Beklagen die Entscheidung des Sozialgerichts angefallen, die den Beklagten zur Entscheidung über den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin aus § 63 SGB X in der Besetzung gemäß § 97 Absatz 2 SGB V verpflichtet hat.
Hierzu verweist der Senat voll inhaltlich auf die zutreffenden und umfassenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch das Vorbringen des Beklagten im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung. Rechtsgrundlage für die zu treffende Kostenentscheidung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach und für die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten ist § 63 SGB X. Nach dessen Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest, trifft also die Entscheidung über die Höhe der Kosten. Die Behörde ist aber nicht der Vorsitzende, sondern der Berufungsausschuss. Der Berufungsausschuss im vertragsärztlichen Zulassungsverfahren ist kein bei der Kassenärztlichen Vereinigung gebildeter Ausschuss, so dass nicht die Kassenärztliche Vereinigung, sondern der Berufungsausschuss selbst zur Kostenfestsetzung zuständig ist; entsprechendes gilt auch für den Beschwerdeausschuss (vgl. hierzu Roos in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 5. Auflage 2005, § 63 Anm. 42). Diese Interpretation findet auch ihre Grundlage in den Regelungen der ZV-Ä, die das Sozialgericht zutreffend zitiert hat.
§ 41 Abs. 2 i. V. m. § 45 Abs. 3 sieht vor, dass Beschlüsse nur bei vollständiger Besetzung des Berufungsausschusses gefasst werden können. Eine eigene Kompetenz in dem Zusammenhang ist dem Vorsitzenden nicht eingeräumt, während beispielsweise § 38 Abs. 2 Halbsatz 2 ZV-Ä vorsieht, dass der Vorsitzende eine Gebühr stunden kann. In gleicher Weise regelt § 40 ZV-Ä in seinem Satz 3, dass der Vorsitzende die Verhandlung, Beratung und Abstimmung leitet. Damit wird deutlich, dass ihm sehr wohl eigene Kompetenzen eingeräumt werden. Wenn das im Zusammenhang mit der Beschlussfassung nicht der Fall ist, so deutet das nicht darauf hin, dass die ZV-Ä keine abschließende Regelung enthält.
Entgegen der Auffassung des Beklagten spielen auch Praktikabilitätserwägungen keine durchgreifende Rolle. Solche Erwägungen sind nicht geeignet, gesetzliche Regelungen außer Kraft zu setzen oder zu umgehen. Die Ansicht, bei der Kostenfestsetzung handele es sich um eine nachgehende, nicht die Hauptsache betreffende reine Verwaltungsmaß-nahme, für die aus diesem Grunde andere Regelungen zu gelten hätten, ist von § 63 SGB X nicht gedeckt. Ebensowenig kann es eine Rolle spielen, dass nach Ansicht des Vorsitzenden des Beklagten Ausschussmitglieder nicht ausreichend kompetent seien, über Kostenfragen zu entscheiden. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf die hierzu gemachten zutreffenden Äußerungen der Klägerin und ergänzend darauf, dass es Pflicht der Ausschussmitglieder ist, sich die nötige Sachkunde zu verschaffen, um ihrem Amt und ihrer Aufgabe gerecht zu werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 29.01.2008
Zuletzt verändert am: 29.01.2008