Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
In dem Rechtsstreit geht es um die Feststellung einer Hepatitis C als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war – (BK 3101).
Die 1942 geborene Klägerin kam 1972 aus Marokko in die Bundesrepublik und arbeitete zunächst in einer Metall- und dann in einer Schokoladenfabrik. Seit 1978 ist sie als Reinigungskraft in den V-kliniken E beschäftigt. Als Stationsreinigungskraft hatte sie bis 1984 alle anfallenden Reinigungsarbeiten in der Kieferklinik und in der Hautklinik zu verrichten. Seit November 1984 bestand ihre Aufgabe bis 1989 ausschließlich im Auffüllen von Einmalartikeln wie Handtuchspendern, Desinfektionsmitteln, Handwaschmitteln und Toilettenpapier. Für diese Tätigkeit wurden ihr wie auch in der Folgezeit, in der sie Nachttische zu reinigen hatte, Handschuhe zur Verfügung gestellt.
Am 06.03.1991 verletzte sich die Klägerin beim Putzen eines Nachttisches mit einer Stecknadel, die in dem Nachttisch lag. Am 07.03.1991 wurde eine 5 mm lange Kunststoffnadel entfernt (Durchgangsarztbericht vom 07.03.1991).
1997 wurde bei der Klägerin erstmals eine Hepatitis-C-Virusinfektion nachgewiesen und im Mai 2000 von der V-klinik in E als Berufskrankheit angezeigt. Die Beklagte zog daraufhin über die Klägerin vorliegende medizinische Unterlagen bei. Die V-klinik E teilte im September 2001 mit, dass keine konkreten Arbeitsabläufe nachgewiesen werden könnten, bei denen die Klägerin unmittelbar Kontakt mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten hätte haben können; die durchzuführenden Arbeiten hätten grundsätzlich nur mit Schutzhandschuhen durchgeführt werden dürfen.
Die Beklagte veranlasste eine Überprüfung der Gefährdung der Klägerin am Arbeitsplatz durch einen Bediensteten, der nach Befragen der Klägerin, der Sicherheitsfachkraft, der Betriebsärztin, des Personalrats und der dienstlichen Vorgesetzten der Klägerin zu dem Ergebnis kam, die Klägerin habe keine gefährdenden Tätigkeiten ausgeführt, die es wahrscheinlich machten, dass sie sich bei ihrer beruflichen Tätigkeit infiziert habe.
Unter dem 23.07.2003 erstattete Dr. U, Landesanstalt für Arbeitsschutz NRW, ein Zusammenhangsgutachten und kam zu dem Ergebnis, aus arbeitstechnischer und arbeitsmedizinischer Sicht ergäben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer BK 3101. Reinigungspersonen in medizinischen Einrichtungen arbeiteten erfahrungsgemäß unter einem geringen Infektionsrisiko und seien daher in die Kategorie II b der Beweiserleichterungskriterien einzuordnen. Diese Kategorien erforderten zur Bejahung eines erhöhten Infektionsrisikos zusätzlich den Nachweis einer Inokulation mit Blut von einer an Hepatitis C erkrankten Person und eines erhöhten Verletzungsrisikos während der Tätigkeit sowie die Dokumentation des Übertragungsereignisses. Der Beweis einer Inokulation von Blut einer an Hepatitis C erkrankte Person habe nicht erbracht werden können, die Tätigkeitsanalyse habe auch kein erhöhtes Verletzungsrisiko der Klägerin während der einzelnen Arbeiten ergeben. Eine Stecknadel unbekannter Herkunft sei kein Gegenstand, der als potenziell kontaminiert anzusehen sei wie beispielsweise Injektionsnadeln oder Verweilkanülen. Somit bleibe der Infektionsweg ungeklärt und lasse sich nicht ausreichend mit der beruflichen Tätigkeit begründen. Insgesamt sei festzustellen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nicht erfüllt seien. Arbeitsmedizinischerseits sei festzuhalten, dass erfahrungsgemäß eine Hepatitis C in der Mehrzahl der Fälle jahrelang stumm verlaufe und die Diagnose häufig einen Zufallsbefund darstelle. Es sei daher möglich, dass sich die Klägerin Jahre vor dem Auftreten der Symptome infiziert habe. Eine Eingrenzung des Infektionszeitraums sei nur durch spezielle serologische Untersuchungen möglich, die im vorliegenden Fall nicht erfolgt seien. Ein zunächst negativer und später positiver Nachweis spezifischer Antikörper hätte erfolgen müssen, um einen bestimmten Zeitraum der Infektion vermuten zu können.
Auf dieser Grundlage lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 23.09.2003 und Widerspruchsbescheid vom 30.03.2004 ab, die Erkrankung der Klägerin als BK 3101 anzuerkennen.
Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Berufsgruppe des Reinigungspersonals in medizinischen Einrichtungen sei der Kategorie II a der Beweiserleichterungskriterien zuzuordnen, weil gelegentlich Tätigkeiten auszuüben seien, die einen Kontakt mit Blut, Körperflüssigkeiten, humanen Geweben und mit Hepatitis-C-Viren kontaminiertem Material möglich machten. Die Verletzung im Jahre 1991 sei durch medizinisches Material zustande gekommen, das von den Krankenschwestern in den Nachtschränkchen der Patienten abgelegt worden sei.
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Infektionsgefahr durch Stichverletzungen an Stecknadeln sei gering. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass sich zuvor eine an Hepatitis erkrankte Person an derselben Nadel verletzt haben sollte.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14.11.2006, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Das Sozialgericht habe die Anforderungen an den von ihr zu erbringenden Beweis zu hoch angesetzt. 1997 sei sie zum ersten Mal auf Hepatitis C getestet worden, der Zeitablauf von 6 Jahren zwischen dem mutmaßlichen Infektionsereignis, der Nadelstichverletzung im Jahre 1991 und der Feststellung der Infektion deute auf einen ursächlichen Zusammenhang hin.
Die Klägerin beantragt nach ihren vorbereiteten Schriftsätzen,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.11.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2004 zu verurteilen, die bei ihr bestehende Hepatitis C als Berufskrankheit anzuerkennen
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für rechtens.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Beklagte hat es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, die bei der Klägerin zweifelsfrei bestehende Hepatitis C als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen.
Nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SBG VII) sind Berufskrankheiten solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründet. Die BK 3101 erfasst Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Die Klägerin führt die Hepatitis-C-Infektion auf ein einmaliges Ereignis zurück, nämlich auf die Nadelstichverletzung vom 06.03.1991, die an sich auch den Tatbestand eines Arbeitsunfalls erfüllt. Gleichwohl sind die Vorschriften des Berufskrankheitenrechts anzuwenden, weil die Versicherten hierdurch besser gestellt werden (BSG, Urteil vom 24.07.1985 – 9 b RU 36/83 – SozR 5670 Anlage 1 Nr. 3102; Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 31.05.2006 – L 17 U 206/05).
Die bei der Klägerin nachgewiesene Hepatitis C ist eine Infektionskrankheit im Sinne der BK 3101. Die Klägerin war als Reinigungskraft in einem Krankenhaus auch, wie es der Tatbestand der BK 3101 fordert, im Gesundheitsdienst tätig.
Es fehlt aber an dem für die Anerkennung einer Berufskrankheit erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Erkrankung. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausaltheorie der rechtlich wesentlichen Bedingung sind als Ursachen und Mitursachen im Rechtssinne unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rechtsprechung seit BSGE 1, 76 ff.; Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – mwN). Der Ursachenzusammenhang muss wahrscheinlich sein. Darunter ist zu verstehen, dass nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkten ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38).
Nach diesen Grundsätzen lässt sich im Falle der Klägerin ein Ursachenzusammenhang nicht begründen. Das ergibt sich in erster Linie im Verwaltungsverfahren eingeholten, vom Senat im Wege des Urkundenbeweises gewürdigten Gutachten des Dr. U, der als Bediensteter der Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet der Beurteilung von Berufskrankheiten verfügt. Eine Hepatitis-C-Infektion erfolgt – so Dr. U -, durch die Inokulation von Blut. Der oberflächliche Hautkontakt mit infektiösem Material reicht nicht aus, um eine stattgefundene Infektion zu begründen. Es können – so die Auskunft des V-klinikums E vom 05.09.2001 – keine konkreten Arbeitsabläufe nachgewiesen werden, bei denen die Klägerin unmittelbaren Kontakt mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten hätte haben können. Die durchzuführenden Arbeiten durften grundsätzlich nur mit Schutzhandschuhen durchgeführt werden. Diese Auskunft der Arbeitgeberin wird bestätigt durch die Feststellungen der Beklagten im Ermittlungsbericht vom 31.03.2003.
Die Stichverletzung vom 06.03.1991 begründet allenfalls die ganz entfernte Möglichkeit einer Infektion mit Hepatitis-C-Erregern. Die Klägerin verletzte sich an einer Stecknadel und nicht etwa an einem medizinischen Gerät, wie beispielsweise einer Injektionsnadel oder einer Verweilkanüle, die als potenziell kontaminiert anzusehen sind. Es ist bereits äußerst unwahrscheinlich, dass sich an einer solchen Stecknadel vorher eine andere Person verletzt hat und relevante Blutanhaftungen zurückgeblieben sind. Noch unwahrscheinlicher ist die Annahme, dass es sich dabei um eine infektiöse Person gehandelt hat.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Infektion während der Beschäftigungszeit der Klägerin im V-klinikum E erfolgt ist. Es kann keine Aussage getroffen werden, ob die Erkrankung nicht schon vor dem Arbeitsverhältnis bestanden hat. Bei der Einstellungsuntersuchung der Klägerin durch die damalige Betriebsärztin im Jahre 1978 erfolgte keine Hepatitis-Serologie. Nur durch eine solche könnte eine Eingrenzung des Infektionszeitraums möglich sein. Die erste Hepatitis-C-Serologie erfolgte 1997 im Rahmen der diagnostischen Verfahren wegen erhöhter Transaminasen.
Auch unter Berücksichtigung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungen bei der BK 3101 lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht begründen. Selbst wenn eine Indexperson und die Dokumentation des Übertragungsereignisses wie im vorliegenden Fall nicht erwiesen sind, ist der ursächliche Zusammenhang grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass ein Versicherter bei der Berufstätigkeit – sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise – einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (BSG vom 24.02.2004 – SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 3101 Nr. 1 zur Hepatitis B mwN aus der ständigen Rechtsprechung). Die Tätigkeit der Klägerin als Reinigungskraft war nicht mit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsgefahr hinsichtlich einer Hepatitis C verbunden. Zur besonderen Infektionsgefahr bei der Hepatitis B hat das Bundessozialgericht ausgeführt: Die Annahme, dass eine Versicherte bei ihrer Berufstätigkeit einer Hepatitis-B-Exposition besonders ausgeliefert war, erfordert unter Berücksichtigung des Beginns der Erkrankung den Nachweis, dass entweder a) ein unmittelbarer oder mittelbarer beruflicher Kontakt mit an Hepatitis B erkrankten Personen bestanden hat oder b) der prozentuale Anteil Hepatitis-B-infektiöser Patienten in der Einrichtung, in der die Versicherte tätig war, deutlich höher war als in der Normalbevölkerung oder c) die Art der Tätigkeit als solche besonders Hepatitis gefährdend war (BSG vom 24.02.2004, aaO).
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Grundsätze zugunsten der Versicherten auf die Hepatitis C übertragbar sind, obwohl nach gegenwärtigem Kenntnisstand das Risiko für Pflegekräfte und Ärzte bei der Hepatitis C deutlich niedriger ist als bei einer Hepatitis-B-Infektion (vgl. Urteil des LSG NW vom 31.05.2006 – L 17 U 206/05 unter Hinweis auf Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 3101, Anmerkung 11.2). Angesichts des vergleichbaren Übertragungsweges bei der Hepatitis B und C mögen die für die Hepatitis B entwickelten Grundsätze in modifizierter Form auch bei der Hepatitis C angewendet werden können, wobei allerdings nur solche Tätigkeiten in Betracht kommen, bei denen häufig die konkrete Gefahr besteht, dass das Hepatitis-C-Virus unter Umgehung des Verdauungstrakts in den Körper gelangt. Es muss sich dabei um häufige Verletzungsereignisse handeln, bei denen es zu einer relevanten Blutinokulation kommt (LSG NW aaO, Mehrtens/Bandenburg aaO mwN aus der Rechtsprechung).
Ein beruflicher Kontakt zu Personen, die nachweislich an Hepatitis C erkrankt waren, ist nicht nachgewiesen. Dies ist auch unwahrscheinlich, da die Klägerin als Reinigungskraft nach den unbestrittenen Feststellungen der Beklagten keinen unmittelbaren Kontakt mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten hatte. Auch die von den Unfallversicherungsträgern aufgestellten Beweiserleichterungen (siehe dazu LSG NW aaO unter Hinweis auf Mehrtens/Brandenburg, aaO, M 3101 Anm. 13), deren rechtliche Verbindlichkeit zugunsten der Klägerin unterstellt wird, greifen hier nicht ein.
Nach diesen Beweiserleichterungsgrundsätzen ist die Klägerin in die Kategorie II einzuordnen, in der das "Reinigungspersonal in medizinischen Einrichtungen" ausdrücklich erwähnt wird. Innerhalb dieser Kategorie ist die Tätigkeit der Klägerin – so Dr. U – mit einem geringen Infektionsrisiko der Unterkategorie II b zuzuordnen, denn der Beweis einer Inokulation mit Blut von einer an Hepatitis C erkrankten Person konnte ebensowenig erbracht werden wie ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Es besteht kein Grund, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen.
Erstellt am: 06.02.2008
Zuletzt verändert am: 06.02.2008