Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 01.08.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin den Antragstellern die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszuges zu erstatten hat. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern auch die Häfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Mit Bescheid vom 04.08.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Antragsteller zu 1) ab im Hinblick auf Zahlungen, die dieser von der Antragstellerin zu 2) erhielt. Den von den Antragstellern zu 1) und 2) nach ihrer Eheschließung gestellten Antrag auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen lehnte die Antragsgegnerin ebenfalls im Hinblick auf das Einkommen der Antragstellerin zu 2) aus ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit (Führung eines Lotto-Totto-Kiosks) ab (Bescheid vom 03.04.2007, Widerspruchsbescheid vom 16.05.2007).
Die Antragsteller haben am 15.05.2007 beim Sozialgericht (SG) Dortmund Antrag auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen gestellt. Sie haben geltend gemacht, ihre laufenden Einkünfte betrügen monatlich nicht mehr als 453,80 Euro. Bezüglich des Betriebsgewinns müsse auf das Jahr 2006 abgestellt werden, in dem der Gewinn nach der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung 5.446,37 Euro betrug. Privatentnahmen aus dem Betriebsvermögen dürften keine Berücksichtigung finden, weil diese nur im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin verweigerten Leistungen erfolgt seien.
Mit Beschluss vom 01.08.2007 hat das SG den Antrag abgelehnt, weil der nach dem vorläufigen betriebswirtschaftlichen Ergebnis im ersten Halbjahr 2007 erwirtschaftete Gewinn den Bedarf der Antragsteller nach dem SGB II überschreite.
Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, machen die Antragsteller geltend, das SG habe die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie für eine Lebensversicherung zur angemessenen Altersvorsorge nicht berücksichtigt.
Die Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -). Es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Leistungen nach dem SGB II erhalten nur Personen, die unter anderem hilfebedürftig sind (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II). Dies ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft ist vom Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 SGB IV auszugehen (§ 2 a Abs. 1 S. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung – Alg II-V – vom 20.10.2004 – BGBl I S. 2622 – i. d. F. vom 21.12.2006 – BGBl I S. 3385). Die Antragsteller haben nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie aus ihren Einkünften in diesem Sinne nicht in der Lage sind, ihren notwendigen Lebensunterhalt zu decken.
Dabei ist es unerheblich, ob auf die Einkünfte im Jahr 2007 oder im Jahr 2006 abgestellt wird. Nach § 2 a Abs. 2 S. 1 Alg II-V ist allerdings das Einkommen für das Kalenderjahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liegt (Berechnungsjahr). Bezüglich des Jahres 2007 haben die Antragsteller zuletzt eine Gewinn- und Verlustrechnung vorgelegt, die für die Monate Januar bis September einen Gewinn von 15.503,32 Euro, entsprechend monatlich 1.722,59 Euro ausweist. Dem steht ein Bedarf von 1.139,04 Euro beziehungsweise einschließlich der Kosten für die Warmwassererzeugung von 1.152,00 Euro gegenüber. Auch unter Berücksichtigung der Freibeträge (§§ 11, 30 SGB II) von 280,00 Euro übersteigt damit das Einkommen den Bedarf. Ihre Behauptung, dieses Gewinnverhältnis beruhe wesentlich auf der Einlage von Vermögen, haben die Antragsteller trotz entsprechender Auflage seitens des Senats nicht glaubhaft gemacht.
An diesem Ergebnis würde die Berücksichtigung der Beiträge zur Lebensversicherung nichts ändern.
Soweit allerdings die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung das Einkommen unter den Bedarfssatz senken, rechtfertigt dies die begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin nicht. Nach § 26 Abs. 3 S. 1 SGB II, eingefügt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl I S. 1706), übernimmt die Bundesagentur auf Antrag im erforderlichen Umfang die Aufwendungen für die angemessene Kranken- und Pflegeversicherung, soweit Personen allein durch diese Aufwendungen hilfebedürftig würden. Einen entsprechenden Antrag haben die Antragsteller zwischenzeitlich gestellt. Die Antragsgegnerin hat sich dem Grunde nach zur Übernahme der Beiträge bereit erklärt.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht unter Berücksichtigung der für das Jahr 2006 vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Zwar ist dort nur ein Gewinn von 5.446,37 Euro ausgewiesen, jedoch belegen die entsprechenden Aufstellungen eine zusätzliche Privatentnahme von 14.796,78 Euro aus. Diese muss hier bis zur abschließenden Steuerfestsetzung für das Jahr 2006 als Gewinn zusätzlich berücksichtigt werden.
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV, auf den § 2 a Abs. 1 S. 1 Alg II-V verweist, ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Gewinn ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Da nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin zu 2) nicht verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen (§ 4 Abs. 3 S. 1 EStG), ist dieser Gewinnbegriff auch bei ihr zugrundezulegen.
Allerdings ist im Sozialversicherungsrecht anerkannt, dass Privatentnahmen aus dem Betriebsvermögen keine Einnahmen zum Lebensunterhalt sind (vgl. BSG SozR 2200 § 180 Nr. 19; SozR 2100 § 15 Nr. 5; LSG NW, Die Beiträge, 86, 171). Sie können daher im Rahmen der Einkommensermittlung nach § 15 SGB IV keine Berücksichtigung finden, soweit sie lediglich den Verzehr des Betriebsvermögens darstellen oder den Verbrauch von Darlehen bedeuten, die für betriebliche Zwecke aufgenommen worden sind (BSG SozR 2100 § 15 Nr. 5 S. 4). Dagegen bleiben sie aber berücksichtigungsfähig, soweit die Entnahmen aus den laufenden Jahreseinnahmen erfolgen. Die Gegenmeinung, die Privatentnahmen generell außer Ansatz lassen will (LSG Berlin-Brandenburg, info also, 2007, 187 mit zustimmender Anmerkung von Berlit bezogen auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB IV, § 15 Rn. 13) berücksichtigt nicht, dass es für die Gewinnermittlung des laufenden Jahres keinen Unterschied machen kann, ob die Einnahmen bis zum Jahresende beim Betriebsvermögen verbleiben und sodann im Rahmen der Steuerfestsetzung als Gewinn berücksichtigt werden oder zuvor entnommen und über § 4 Abs. 1 EStG dem Gewinn zugerechnet werden müssen. Nur wenn in zurückliegenden Jahren entsprechender Gewinn beim Betrieb verblieben ist und dessen Vermögen bildet, ist die Privatentnahme lediglich Vermögensverzehr und nicht dem Gewinn zuzurechnen (vgl. BSG SozR 2200, § 180 Nr. 19 S. 61).
Dass Letzteres der Fall gewesen ist, haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Dagegen spricht insbesondere die Angabe, entsprechende Entnahmen hätten gesondert versteuert werden müssen, denn der Vermögensverbrauch ist steuerfrei.
Im Jahr 2006 betrug der Gewinn einschließlich der Entnahmen 20.243,15 Euro, entsprechend monatlich 1.574,47 Euro. Auch dieser Betrag überschreitet, bereinigt um die Freibeträge mit Ausnahme der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, den Bedarf der Antragsteller.
Angesichts der insoweit zur Verfügung stehenden Mittel ist daher auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft. Da jedenfalls im Jahr 2007 ein hinreichender Gewinn erwirtschaftet worden ist, um den Lebensunterhalt zu sichern, und die Antragsteller auch nicht geltend gemacht haben, eine Verminderung dieses Gewinns sei in der Zukunft zu erwarten, sind keine schweren und unzumutbaren Nachteile erkennbar, die ohne die begehrte einstweilige Anordnung den Antragstellern drohten.
Die Beschwerde ist daher in der Hauptsache zurückzuweisen.
Bei der in entsprechender Anwendung des § 193 SGG zu treffenden Kostenentscheidung hat der Senat jedoch berücksichtigt, dass der Antragsgegnerin aufgrund der mit dem Antrag eingereichten Unterlagen der Antragsteller bekannt sein musste, dass unter Berücksichtigung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung Bedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II vorlag. Auf die Möglichkeit der Übernahme dieser Beiträge hätte sie daher die Antragsteller hinweisen müssen, so dass möglicherweise das vorliegende Verfahren vermieden worden wäre. Insoweit sieht der Senat eine Kostenteilung als angemessen an.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 06.02.2008
Zuletzt verändert am: 06.02.2008