Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.11.2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Anerkennung und Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls im Jahre 1980.
Der am 00.00.1947 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. Er wurde am 07.06.1970 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Bis zur ersten Abkehr am 30.06.1972 war er als Gedingeschlepper und Neubergmann unter Tage tätig. Von Juli 1972 bis Oktober 1974 war er zur Rentenversicherung der Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Am 13.02.1975 wurde er auf der Zeche N der Bergbau AG Westfalen als Aufbereitungsarbeiter über Tage angelegt. Dort war er sodann ab Oktober 1975 bis zur Abkehr am 29.06.1984 als Klauber über Tage beschäftigt.
Am 22.06.1983 erlitt er in der Sieberei Schacht 2 auf N beim Anstoß des Kopfes an einen Metallträger eine Schädelprellung sowie Zerrung der Nackenmuskulatur. Arbeitsunfähigkeit bestand bis 06.07.1983. Am 07.07.1983 nahm er die Tätigkeit als Klauber wieder auf.
Unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Poliklinik B/Marokko vom 25.10.2002 über das Vorliegen einer chronischen Lumbalgie beantragte er gegenüber der Beklagten die Überprüfung der Folgen des Arbeitsunfalls am 20.06.1983. Gestützt auf eine nervenärztliche beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. U aus C vom 30.07.2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2003 Anerkennung und Entschädigung von Folgen des Arbeitsunfalls am 20.06.1983 ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2004 zurückgewiesen.
Im Widerspruchsschreiben gegen den Bescheid vom 28.08.2003 führte der Kläger aus, auch im Jahre 1980 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben. Bei Transportarbeiten habe er sich an der Wirbelsäule verletzt, dies jedoch nicht als Arbeitsunfall gemeldet. Trotz 1981 erfolgter Bandscheibenoperation bestünden nunmehr noch Beschwerden im rechten Bein. Er gab an, sich nicht mehr an den genauen Unfalltag im Jahre 1980, jedoch noch daran erinnern zu können, dass dieser sich im ersten Monat des Jahres zugetragen habe. Er habe Schlossern bei Reparaturarbeiten auf der Zeche N geholfen und mit einem Arbeitskollegen einen Amboss von der Schlosserei bei Schacht 4 zur Werkstatt bei Schacht 2 getragen. Dabei sei der Arbeitskollege ausgerutscht und das ganze Gewicht auf ihn selbst gefallen. Er habe bis zur Pause weiter gearbeitet. Der Schmerz sei langsam abgeklungen. Er habe sich beim Heilgehilfen gemeldet. Eine äußere Verletzung sei nicht festzustellen gewesen. Am nächsten Tag habe er Schmerzen im rechten Bein gehabt und sodann seinen Hausarzt Dr. D B aus E aufgesucht. Er sei wegen des Unfalls ca. 3 Wochen lang arbeitsunfähig gewesen. Als Zeugen könne er S I und C S benennen.
Im Erkrankungsverzeichnis der Bundesknappschaft sind für den Kläger und das Jahr 1980 Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 12. bis 29.02. und 06.05. bis 29.06. wegen Rückenneuralgie verzeichnet. Als behandelnder Arzt ist Dr. D B angegeben. Am 02.02.1981 erfolgte in den Städtischen Kliniken E eine Operation der Bandscheibe L 5/S 1 rechts. Am 23.04.1981 attestierte Arzt für Orthopädie Dr. S aus E, der Kläger könne bis auf Weiteres keine schweren Lasten heben oder tragen. Die Deutsche Steinkohlen AG (DSK) als Rechtsnachfolgerin der Bergbau-AG Westfalen teilte am 10.11.2004 sowie 18.05.2005 mit, in den Verbandbüchern der Zeche N sei für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.1980 für den Kläger kein Eintrag dokumentiert. Dr. I B gab als Praxisnachfolger des Dr. D B im Dezember 2004 an, ihm lägen über den Kläger keine Unterlagen vor.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.06.2005 Anerkennung und Entschädigung von Folgen aus Anlass eines Arbeitsunfalls im Jahre 1980 auf N ab. Der behauptete Arbeitsunfall sei nicht erwiesen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2005 zurückgewiesen.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt. Die Folgen des Arbeitsunfalls im Jahre 1980 hätten zu der Bandscheibenoperation im Jahre 1981 geführt. Er sei von Dr. B behandelt worden und könne als Zeugen für den Unfall neben S I und C S auch T H, allerdings ohne Angaben von Adressen, benennen. Diese Zeugen hätten im gleichen Revier mit ihm gearbeitet.
Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Mit Urteil vom 28.11.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Unfall des Klägers während seiner Arbeitstätigkeit im Jahre 1980 sei nicht festzustellen. Somit fehle es an der haftungsbegründenden Kausalität zu den zur Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1980 geführt habenden Rückenneuralgien und der 1981 erfolgten Bandscheibenoperation im Lendenwirbelsäulenbereich.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.12.2007 ist für den Kläger niemand erschienen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der behauptete Versicherungsfall sei nicht nachgewiesen.
Der Senat hat Auskünfte eingeholt. Dr. I B hat am 23.02.2007 mitgeteilt, der Kläger sei nicht in seiner Behandlung gewesen. Er könne deshalb keine Unterlagen zur Verfügung stellen. Die Kliniken E gGmbH als Rechtsnachfolgerin der Städtischen Kliniken E hat die Behandlungsunterlagen für den Kläger für die Zeit vom 29.01. bis 16.02.1981 übersandt. Der Zeuge C S hat am 11.06.2007 mitgeteilt: Er sei mittlerweile 76 Jahre alt, habe zwei Schlaganfälle erlitten und erinnere sich weder an den Kläger noch an einen Arbeitsunfall im Jahre 1980. Die DSK hat am 07.03.2007 mitgeteilt, trotz aufwendiger Ermittlungsverfahren keine Anschriften der Zeugen S I oder T H feststellen zu können.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten der Bundesknappschaft Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Der Kläger ist mit ordnungsgemäß erfolgter Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Nach seinem Vorbringen macht der Kläger geltend, dass die bei ihm bestehenden Lendenwirbelsäulenbeschwerden auf den von ihm behaupteten Arbeitsunfall im Jahre 1980 zurückzuführen sind. Die Würdigung seines Vortrags im Klage- sowie im Berufungsverfahren ergibt jedenfalls nicht, dass es bei den jetzt geltend gemachten Gesundheitsstörungen um solche handelt, die auf den am 22.06.1983 erlittenen Arbeitsunfalls zurückzuführen sind.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls im Jahre 1980, insbesondere die Gewährung von Verletztenrente, besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob noch das frühere Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder bereits des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII; vgl. Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, UVEG, vom 07.08.1996, BGBl. I S. 1254) anzuwenden ist, da sich dadurch für die Beurteilung des streitigen Anspruchs kein hier bedeutsamer Unterschied ergibt.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche (§ 580 Abs. 1 RVO: 13. Woche nach dem Versicherungsfall) nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§§ 581 Abs. 1 und 3 RVO, 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII). Gem. § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle eines Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 4 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit, § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung müssen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Das Unfallgeschehen muss in so hohem Grade wahrscheinlich sein, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis als erbracht angesehen werden kann (BSG Urteil vom 20.01.1987, 2 RU 27/86, SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG Urteil vom 01.02.1996, 2 RU 10/95, HVBG-INFO 1996, 1407), d.h. ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSG Urteil vom 27.03.1958, 8 RV 387/55, BSGE 7, 103, 106). Bereits die erste Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente – das Vorliegen eines Versicherungsfalles, hier: eines Arbeitsunfalls auf der Zeche N im Jahre 1980 – erachtet der Senat in diesem Sinne als nicht nachgewiesen.
Es verbleiben erhebliche Zweifel, dass der Kläger im Jahre 1980 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Aus den Jahrgangslisten der Beklagten ergeben sich keine Hinweise auf einen Arbeitsunfall des Kläger im Jahr 1980. Die DSK hat mitgeteilt, dass sich in den Verbandbüchern der Zeche N, Schacht 6, G für den Zeitraum 01.01.1980 bis 31.12.1980 kein Eintrag befindet, der den Kläger betrifft. Der Kläger selbst konnte einen genauen Unfallzeitpunkt nicht mehr angeben. Der von ihm benannte Zeuge S hat mitgeteilt, sich weder an den Kläger noch an einen Unfall im Jahre 1980 erinnern zu können. Aktuelle ladungsfähige Anschriften der benannten Zeugen S I und T H hat der Kläger nicht mitgeteilt, auch konnten diese nicht mehr ermittelt werden. Medizinische Unterlagen, die den Schluss zulassen würden, dass der Kläger im Jahr 1980 einen Arbeitsunfall erlitten hat, ließen sich nicht beiziehen. Auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten hat Dr. I mitgeteilt, dass ihre Praxis nicht mehr bestehe und Unterlagen nicht mehr vorliegen. Dr. I B, als Praxisnachfolger des Dr. D B, hat ebenfalls mitgeteilt, dass keine Unterlagen vorliegen. Den weiteren medizinischen Unterlagen, insbesondere der damaligen Krankenkasse, der Bundesknappschaft, ist lediglich zu entnehmen, dass sich der Kläger ab 1980 wegen Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung befand, nicht jedoch, dass diese auf einen Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Darauf hat die Beklagte zutreffend bereits mit Bescheid vom 24.06.2005 hingewiesen. Die Anamnese anlässlich der stationären Aufnahme durch die Städtischen Kliniken E am 29.01.1981 ergibt ebenfalls keine Anhaltspunkte für einen durch ein Unfallereignis im Jahre 1980 hervorgerufenen Gesundheitsschaden. Die bei dem Kläger seit Februar 1980 aufgetretene plötzliche Schmerzausstrahlung in die Außenseite des rechten Beines mit Taubheitsgefühl und Sensibilitätsstörungen im Dermatom S 1 wurde von dem behandelnden Arzt Dr. T auf eine beginnende Coxarthrose rechts zurückgeführt.
Ein mögliches weiteres versichertes Unfallereignis im Jahre 1981 – vor der Bandscheibenoperation im Februar 1981 – , das die aufgetretenen und behandelten und jetzt für einen Rentenanspruch ins Feld geführten Gesundheitsstörungen hervorgerufen haben könnte, ist ebenfalls nicht erweislich.
Durch die von dem Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen aus Marokko sieht sich der Senat nicht veranlasst, den medizinischen Sachverhalt weiter aufzuklären. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist nicht der jetzt zu erhebende Befund, sondern der Nachweis eines versicherten Unfallereignisses im Jahre 1980 bzw. vor der Bandscheibenoperation im Februar 1981.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 26.02.2008
Zuletzt verändert am: 26.02.2008