Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.11.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Mit Beschluss vom 07.11.2007 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zur Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in einem einstweiligem Rechtsschutzverfahren verpflichtet, in dem die Antragstellerin die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin begehrt hatte (§ 86 b Abs. 1. S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG). Mit Antragserwiderung hat die Antragsgegnerin ihre Bereitschaft erklärt, von der Einziehung vorläufig abzusehen. Daraufhin hat die Antragstellerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, die Antragsgegnerin zur Übernahme ihrer außergerichtlichen Kosten zu verpflichten.
Mit ihrer Beschwerde nimmt die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LSG NRW (Beschluss vom 24.11.2006 – L 12 B 151/06 AS – ) an, die Antragsgegnerin sei verpflichtet gewesen, vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bei ihr die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes sei deshalb unnötig gewesen, sodass sie keine Kosten zu übernehmen habe. Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 27.11.2007), ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zur hälftigen Übernahme der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin verpflichtet. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin war die Antragstellerin nicht gehindert, den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Aufhebungsbescheid vom 16.08.2007 beim Sozialgericht ohne vorherige Bemühungen um dieses Rechtsschutzziel unmittelbar bei der Antragsgegnerin zu stellen. Anders als der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG setzt der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG keine vorherige Antragstellung mit dem gleichen Rechtsschutzziel bei der Behörde voraus. Vielmehr ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die unmittelbare Anrufung der Gerichte auch ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Behörde gegeben (herrschende Meinung, vergleiche aus der Rechtssprechung Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg vom 07.01.2002 – L 13 AL 3590/01 ER – B-, des Thüringer LSG vom 10.04.2003 – L 2 RJ 377/03 ER – ; Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 8. Auflage, § 86 b Rdnr. 7 mit weiteren Nachweisen; Adolph in Hennig, SGG, erster Band, Stand August 2007, § 86 b Rdnr. 25; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage, Seite 180; Binder in HK-SGG, § 86 b Rdnr. 9; Krodel, das sozialgerichtliche Eilverfahren, S. 24, a.A. noch derselbe, NZS 2001, 449, 458; a.A. für den Fall, dass die Verwaltung von sich aus ausgesetzt hat oder dies bei ihr beantragt worden ist; Zeihe, SGG, Stand Mai 2007, § 86 b Rdnr. 8a; anderer Ansicht Düring in Jansen und andere SGG, 2. Auflage mit dem Ansatz, Rechtsschutzbedürfnis sei erst dann anzunehmen, wenn eindeutig feststehe, dass eine Aussetzung der Vollziehung seitens der Behörde nach § 86 a Abs. 3 S. 2 SGG nicht in Betracht kommt). Der Unterschied zum Antrag nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG, bei dem eine vorherige Kontaktaufnahme mit der Verwaltung bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes naheliegt ( … wenn eine solche Regelung … nötig erscheint.) wird im Kern darin gesehen, dass § 86 b Abs. 1. S. 1 SGG selbst seinem Wortlaut nach keine weiteren Voraussetzungen aufstellt und eine § 80 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – (Aussetzungsantrag bei der Behörde als Voraussetzung des Aussetzungsantrages bei Gericht) entsprechende Regelung bei Vergleichbarkeit der beiden Vorschriften im Übrigen fehlt. Der vorliegende Sachverhalt weist keine Besonderheiten auf. Weder hatte die Antragstellerin sich bereits vor Antragstellung bei Gericht an die Antragsgegnerin gewandt noch diese zuvor zu erkennen gegeben, dass sie von ihrer nach § 86a Abs. 3 SGG bestehenden Befugnis zur Aussetzung der Vollziehung Gebrauch machen würde.
Zu Unrecht beruft sich die Antragsgegnerin auf entgegenstehende Rechtsprechung, nach der auch vor Stellung eines Antrages nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG zunächst Aussetzung beim Leistungsträger zu verlangen sei.
In der von der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Beschwerde herangezogenen Entscheidungen des LSG NRW vom 24.11.2006 – L 12 B 151/06 AS – hat der dort befasste Senat ausdrücklich offen gelassen, ob zwischen dem Antrag an die Verwaltung auf Aussetzung ihrer Entscheidung nach § 86 a Abs. 3 S. 1 SGG und der direkten Anrufung des Sozialgerichts nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ein Wahlrecht bestehen kann und seine Begründung unter Hinweis auf die Besonderheiten des Einzelfalles auf das nach § 193 SGG bestehende Ermessen gestützt. Eine über den Einzelfall hinausreichende Aussage im Sinne der Beschwerdebegründung kann daraus nicht abgeleitet werden.
Auch im Übrigen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.
Der vom Sozialgericht der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Ansatz, bei offenen Erfolgsaussichten eine (nur) hälftige Verteilung der außergerichtlichen Kosten vorzunehmen, ist im Rahmen des ihm bei dieser Entscheidung nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG zustehenden billigen Ermessens nicht zu beanstanden. Ob allerdings bei offenen Erfolgsaussichten eine Halbierung der Kostenverteilung nahezu zwangsläufig ist, wie es das Sozialgericht angenommen hat, lässt der Senat offen. Jedenfalls dann, wenn ein Rechtsstreit schwierige und noch offene Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung bei der in der Kostenentscheidung alleine möglichen summarischen Prüfung ebenso offen erscheint wie die Erfolgsaussichten des erledigten Rechtsmittels, entspricht es billigem Ermessen, bei der Entscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG eine nur hälftige Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Gegenseite auszusprechen (Beschlüsse des BSG vom 10.08.1993 – 14 ArKa 12/92 – , des LSG NW vom 03.09.2004 – L 3 P 36/03 -, vom 12.12.2007 – L 19 B 124/07 AS ER -).
Auch vorliegend war der Ausgang des Rechtsstreits im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses offen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die mit der Rückforderung von an eine Bedarfsgemeinschaft erbrachten Leistungen nach dem SGB II verknüpften Rechtsfragen.
Seit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – ist auch bei einer Entscheidung über die Kosten der Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen des SGG nach § 193 Abs. 1. S. 3 SGG eine Kostenentscheidung zu treffen (ausführlich: Beschlüsse des LSG NW vom 14.11.2007 – L 19 B 28/07 AL und L 19 B 33/07 AL, vom 23.01.2008 – L 20 B 138/07 AS; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.02.2007 – L 4 B 246/06 R -, NZS 2008, S. 55 ff). Die Entscheidung zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Entscheidung in der Sache.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Erstellt am: 04.03.2008
Zuletzt verändert am: 04.03.2008