Auf Rev. d.Kl. wird Urteil des LSG aufgehoben!
Berufung der Bekl. gegen das Urteil des SG wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28. September 2004 geändert. Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird um die Rücknahme von Verwaltungsakten geführt, mit denen den Klägern Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt worden ist.
Die Kläger sind die Kinder des am 00.00.1963 geborenen und am 00.00.2001 verstorbenen (S), der seit 1997 bei der Firma D GmbH in I (Firma D) als Montagearbeiter beschäftigt war.
Die Arbeitgeberin teilte in ihrer Unfallanzeige vom 29.08.2001 mit, S habe am 22.08.2001, 19:20 Uhr einen Arbeitsunfall erlitten, an dessen Folgen er verstorben sei. S habe in Usbekistan an von ihrer Firma gelieferten Maschinen Reparaturarbeiten ausführen sollen. Bei der Rückfahrt von der Arbeit zum Hotel habe er einem entgegen kommenden PKW ausweichen müssen. Dabei habe sich sein Fahrzeug überschlagen. S habe sich Kopfverletzungen zugezogen, die kurze Zeit später zum Tod geführt hätten. Auf telefonische Rückfrage der Beklagten teilte der Mitarbeiter der Firma D mit, die Angaben in der Unfallanzeige beruhten auf den Ermittlungen eines Mitarbeiters, der nach Usbekistan geflogen sei, und den Auskünften der dortigen Partnerfirma. S habe sich zum Unfallzeitpunkt auf dem direkten Weg von der Arbeit zum Hotel befunden. Der Unfall habe sich nur wenige Meter vom Hotel entfernt ereignet. Beifahrer sei ein Mitarbeiter namens J der russischen Firma gewesen, bei der die Reparaturarbeiten durchgeführt worden seien. Dieser sei bei dem Unfall aus dem Fahrzeug geschleudert, allerdings nicht schwer verletzt worden. Auf nochmaligen Anfrage der Beklagten gab die Firma D die Auskunft, S habe seine Tätigkeit um 19:00 Uhr beendet und die Rückfahrt zum Hotel angetreten. Der direkte Weg von der Firma zum Hotel habe 5 – 6 km betragen. Der Unfall habe sich auf dem direkten Weg von der Arbeit zum Hotel ereignet.
Die Firma D übersandte der Beklagten des weiteren ein Protokoll über die Untersuchung der Unfallstelle durch die Staatsanwaltschaft der Stadt Nukus in Usbekistan sowie eine "Bescheinigung mit Angaben zu einem Verkehrsunfall" und das Protokoll der Untersuchung des Unfallfahrzeuges. Da in diesen Berichten der Beifahrer J nicht erwähnt wird, fragte die Beklagte nochmals telefonisch bei der Firma D nach. Deren Mitarbeiter M teilte am 04.12.2001 telefonisch mit, er habe mit Herrn H, dem Leiter der Niederlassung der Firma D in Usbekistan, telefoniert. Dieser sei auf dem Weg nach Hause ca. 30 Minuten nach dem Unfall an der Unfallstelle vorbei gekommen und habe angehalten. Er habe Herrn J verletzt am Straßenrand sitzen sehen. Warum dieser im Polizeibericht nicht erwähnt worden sei, könne er sich nicht erklären. J sei aber definitiv Beifahrer zum Unfallzeitpunkt gewesen. Herr H habe auch nochmals bestätigt, dass der Unfall sich auf dem direkten Rückweg zum Hotel ereignet und Alkoholeinfluss nicht vorgelegen habe.
Die Beklagte bewilligte daraufhin den Klägern mit Bescheiden vom 11.12.2001 Waisenrente.
Im Februar 2002 übersandte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Usbekistan der Beklagten Unterlagen, die ihr von den usbekischen Behörden zur Verfügung gestellt worden waren, nämlich ein gerichtsärztliches Gutachten, eine schematische Darstellung des Unfallortes und einen Stadtplanauszug mit dem Weg des Wagens des Verunglückten. In dem von dem Gerichtsmediziner F unterzeichneten Gutachten heißt es, bei der Leiche seien 3,3 Promille Äthylalkohol im Blut und 1,5 Promille im Urin festgestellt worden.
Die Beklagte teilte daraufhin den Klägern mit Schreiben vom 17.04.2002 mit, es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 11.12.2001 gemäß § 45 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen und die Waisenrente zu entziehen. Sie gab den Klägern Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Im Anhörungsverfahren erfolgte keine Stellungnahme der Kläger. Die Beklagte nahm daraufhin mit Bescheiden vom 15.05.2002 die Bescheide vom 11.12.2001 mit Wirkung für die Zukunft zurück und entzog die Waisenrenten mit Ablauf des Monats Mai 2002. Sie führte aus, aufgrund des gerichtsmedizinischen Gutachtens aus Usbekistan sei der Nachweis der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit erbracht worden. Diese sei alleinige Ursache des tödlichen Unfalls. Der Bescheid vom 11.12.2001 sei also zu Unrecht ergangen. Sie sei berechtigt, diesen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt zurückzunehmen. Die Kläger hätten keine Vermögensdispositionen im Vertrauen auf die Bewilligung von Waisenrente getroffen, während andererseits zu Unrecht gezahlte Leistungen die Solidargemeinschaft der Unternehmer, die dafür Beiträge aufzubringen hätten, unberechtigt belasteten.
Mit ihren Widersprüchen trugen die Kläger vor, nach ihrer Auffassung sei nicht S, sondern J der Fahrer gewesen. Das zeigten Art und Lokalisation der Verletzungen von S. Die Blutalkoholkonzentration habe bei S auch nur 0,8 Promille betragen. Sie haben dazu eine auf Nachfrage der Firma D erstellte gerichtsmedizinische Expertise vorgelegt, die im wesentlichen mit den o. g. gerichtsmedizinischen Gutachten identisch ist, allerdings den Promillewert nicht mit 3,3 sondern mit 0,8 anführt. Im Februar 2003 stellte die Viktoria-Unfallversicherung, bei der S privat versichert war, der Beklagten den Bericht eines "Spezialermittlers" zur Verfügung, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Die Beklagte wandte sich an die Deutsche Botschaft in Taschkent. Diese schaltete zur Sachverhaltsaufklärung einen Vertrauensanwalt ein. Auf dessen Gutachten vom 12.05.2003 wird Bezug genommen. Sodann holte die Beklagte ein rechtsmedizinisches Gutachten von Prof. Dr. S, dem Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Klinikums der Universität L, vom 03.03.2004 ein, der zu dem Ergebnis kam, die Angaben bezüglich der durchgeführten Untersuchungsmethoden zur Ermittlung der Blut- und Urinalkoholkonzentration bei der Leiche des S reichten nicht aus, um die Ergebnisse mit der erforderlichen Sicherheit für deutsche Gerichte zu übernehmen. Auch könnten keine erforderlichen Zu- oder Abschläge abgeschätzt oder Rückrechnungen durchgeführt werden. Unterstelle man die Richtigkeit der mitgeteilten Messergebnisse, so sprächen die absoluten Werte und das Verhältnis der Blut- zur Urinalkoholkonzentration dafür, dass der Verstorbene kurz vor seinem Tod hochprozentige alkoholische Getränke in erheblicher Menge zu sich genommen habe. Da S am Unfallort verstorben sei, entspreche die im Leichenblut gemessene Blutalkoholkonzentration auch der zum Unfallzeitpunkt.
Die Beklagte wies die Rechtsbehelfe mit Widerspruchsbescheiden vom 23.04.2004 zurück.
Mit der Klage zum Sozialgericht Detmold haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28.09.2004, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, den Klagen stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.
Mit der Berufung trägt die Beklagte vor, die anfängliche Aussage der Arbeitgeberin zum Unfall habe mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereingestimmt. Der Unfall habe sich nicht auf dem Weg zum Hotel ereignet. Aufgrund der unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben habe sie rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte erlassen. Sie folge zwar der Auffassung des Sozialgerichts, dass sie den ihr obliegenden Beweis dafür, dass der Unfall auf eine relative oder absolute Fahruntüchtigkeit zurückzuführen sei, nicht führen könne. Es sei allerdings ein anderer Aspekt entscheidend: Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass S in der Zeit von 15:30 bis 19:00 Uhr einer im inneren Zusammenhang mit seiner Beschäftigung stehenden Verrichtung nachgegangen sei. Damit sei der Nachweis erbracht, dass im Zeitpunkt des Unfalls keine versicherte Tätigkeit vorgelegen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.09.2004 zu ändern und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für rechtens und vertreten die Auffassung, die Beklagte trage die volle Beweislast dafür, dass der die Waisenrente bewilligende Verwaltungsakt rechtswidrig sei; sie müsse beweisen, dass S nicht versichert gewesen sei. Diesen Beweis könne die Beklagte nicht erbringen. S habe bei der Unglücksfahrt unter Versicherungsschutz gestanden. Er habe zusammen mit Herrn J die Fahrt in die nahe gelegene Stadt angetreten, um Trinkwasser zu besorgen, das wegen der großen Hitze benötigt worden sei. Die Fahrtzeit in die Stadt habe etwa 30 Minuten betragen. Im Übrigen seien Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass S die Fahrt in die Innenstadt unternommen habe, um Gespräche im dortigen Büro mit der Partnerfirma zu führen.
Das Gericht hat Auskünfte der Firma D vom 03.02.2005 und 22.11.2006 eingeholt und im Termin zur Beweisaufnahme vor dem Berichterstatter am 27.03.2006 und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28.07.2006 den Landmaschinenmechanikmeister H uneidlich als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die schriftlichen Auskünfte und die Terminsniederschriften, wegen des sonstigen Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Streitakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Verwaltungsakte aufgehoben, mit denen sie den Klägern Waisenrente bewilligt hatte.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 – 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann, wenn er rechtswidrig ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
Die Verwaltungsakte vom 11.12.2001 sind rechtswidrig. Die Beklagte hat den Klägern Waisenrente bewilligt, obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung nicht erfüllt waren. Anspruch auf Waisenrente besteht nach § 63 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) nur dann, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Als Versicherungsfall kommt hier nur ein Arbeitsunfall in Betracht. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SBG VII begründenden Tätigkeit. S gehörte als Arbeitnehmer der Firma D zum Kreis der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Personen, und zwar nach § 4 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches auch während der im voraus zeitlich begrenzten Entsendung nach Usbekistan.
Die Annahme eines Arbeitsunfalls setzt aber des weiteren voraus, dass die zum Unfall führende Verrichtung im inneren Zusammenhang (auch sachlicher Zusammenhang genannt) mit der generell versicherten Tätigkeit steht. Insoweit ist wertend zu ermitteln, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn. 19, 22, 23). Die diesem inneren Zusammenhang zugrunde liegenden Tatsachen müssen voll bewiesen sein, d. h. sie müssen mit einem an Gewissheit grenzenden Grad der Wahrscheinlichkeit feststehen. Das bedeutet, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat (BSGE 32, 203, 207). Der Unfall muss schließlich mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein.
Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide ursprünglich darauf gestützt, alleinige Ursache des Arbeitsunfalls sei alkoholbedingte absolute Verkehrsuntüchtigkeit. Dies ist, was auch die Beklagte im Berufungsverfahren einräumt, nicht bewiesen. Insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird.
Die Bewilligungsbescheide erweisen sich aber aus anderen Gründen als rechtswidrig. Die Beklagte durfte diese Gründe nachschieben, weil die Verwaltungsakte dadurch nicht in ihrem Regelungsumfang oder Wesensgehalt verändert und die Rechtsverfolgung der Kläger nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt bzw. erschwert worden sind (BSGE 29, 129 ff; 87, 8 ff; 95, 176 ff).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der von der Beklagten zunächst angenommene und bei der Bewilligung der Rente zugrunde gelegte Sachverhalt falsch ist. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass S sich auf der Fahrt von der Betriebsstätte der usbekischen Partnerfirma zum Hotel befand. Diese Annahme hat sich als falsch erwiesen. Der Unfall ereignete sich vielmehr in der Gegenrichtung. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H, der nach dem Unfall zur Unfallstelle gerufen worden ist. Der Zeuge war sich bei seiner Aussage am 28.07.2006 (zunächst) sicher, dass das Fahrzeug aus der Stadt kommend Richtung Betriebsgelände gefahren ist. Er schloss dies daraus, dass S von der Stadt aus gesehen auf der rechten Seite lag, die Straße recht breit war und einen recht breiten Sandstreifen hatte. Der Zeuge hat dann zwar einschränkend gemeint, es handele sich nur um eine "Vermutung". Dass er mit dieser "Vermutung" aber richtig liegt, wird bestätigt durch das Gutachten des Vertrauensarztes der Deutschen Botschaft in Taschkent, der nach Einsicht in die Ermittlungsakten ausführt, der Unfall habe sich auf einer Fahrt "zur Arbeit zurück" ereignet. Auch die Kläger gehen in ihrem Vorbringen davon aus, dass sich der Unfall auf dem Weg zum Betriebsgelände ereignet hat. Dieser Annahme entgegenstehende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich, so dass alles dafür spricht, dass S sich auf dem Weg zum Betriebsgelände befunden hat, von wo aus er dann mit seinem Arbeitskollegen H bei Feierabend wieder in die Stadt gebracht werden sollte. Dass S – wie die Firma D in den Verfahren auf Feststellung der Renten mehrfach angegeben hatte – sich auf dem Weg zum Hotel befunden hat, erscheint auch aufgrund der übrigen Bekundungen des Zeugen H ausgeschlossen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, weswegen S nicht zusammen mit seinem Arbeitskollegen H die Arbeit auf dem Betriebsgelände hätte beenden, vielmehr mehr oder weniger kurze Zeit vor Arbeitsende sich allein zu seiner Unterkunft hätte fahren lassen wollen.
Es lassen sich keine Feststellungen dazu treffen, was S in der Zeit von frühestens 15:00 Uhr, spätestens 16:00 Uhr bis zum Unfallzeitpunkt getan hat. Der Zeuge H hat bekundet, er habe nach der Mittagspause mit S zusammen gearbeitet. Irgendwann in der Zeit zwischen 15:00 und 16:00 Uhr habe er S gesagt, dass sie noch Wasser brauchten. Von da an habe er ihn nicht mehr gesehen. Nach der vom Vertauensanwalt der Deutschen Botschaft aus den usbekischen Ermittlungsakten referierten Aussage des Herrn J hat dieser um 17:00 Uhr sich mit S getroffen, sei mit dem Kraftfahrzeug zum Café "Hodscha" gefahren, wo man alkoholische Getränke zu sich genommen habe. Diese Angaben vermochte der Senat aber nicht zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen, zumal sie auch in einigen Punkten zur Aussage des Zeugen H in Widerspruch stehen. J will sich am Unfalltag auch zur Mittagszeit mit S getroffen und mit diesem bis ungefähr 14:30 Uhr Alkohol konsumiert haben. Dies stimmt nicht mit der Aussage des Zeugen H überein, der mittags zusammen mit S an einem Tisch gesessen haben soll, und der keinen Alkoholkonsum bei S festgestellt hat. Eine Vernehmung des Herrn J als Zeugen scheitert daran, dass dieser sich mit unbekanntem Aufenthalt in Moskau aufhält und auch keine weiteren Angaben zu seinen Personalien bekannt sind.
Nicht zu bewiesen ist, dass S in der fraglichen Zeit irgendeine mit seiner versicherten Tätigkeit in Zusammenhang zu bringende Verrichtung ausgeübt hat. Die Kläger haben insoweit vorgetragen, S habe zusammen mit J die Fahrt in die Stadt angetreten, um Trinkwasser zu besorgen. Vordergründig betrachtet gibt es dafür nach der Aussage des Zeugen H einige Hinweise. Denn dieser hat bekundet, er habe im Laufe des Nachmittags S gesagt, er solle Trinkwasser besorgen. Auf dem Betriebsgelände habe es zwar einen Brunnen gegeben, Wasser aus diesem Brunnen habe der Zeuge aber aus hygienischen Gründen nicht nehmen wollen. S habe ihm dann gesagt, er würde das besorgen. Bei einer Gesamtwürdigung ist es aber mehr als unwahrscheinlich, dass S tatsächlich in die Stadt gefahren ist, um Trinkwasser zu kaufen. Zum einen kann eine solche Verrichtung nicht die Abwesenheit über mehrere Stunden erklären. Insoweit hat der Zeuge H ausgesagt, normalerweise sei das Wasser in einer halben bis dreiviertel Stunde zu besorgen gewesen. Hinzu kommt, dass das Wasser möglichst bald, nicht erst kurz vor Feierabend benötigt wurde. Abgesehen davon stand S und dem Zeugen H ein einheimischer Fahrer zur Verfügung. Daher hätte es nahe gelegen, dass S diesen allein zum Wasserholen schickte und sich nicht selbst mit dem Fahrer auf den Weg machte. Davon ist auch der Zeuge H ausgegangen. Selbst wenn S Wasser hat holen wollen, hätte dies nicht im inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden. Das Beschaffen von Wasser hätte zwar der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft von S und seinem Arbeitskollegen gedient. Nicht betriebsdienlich und geradezu den Interessen der Arbeitgeberin zuwiderlaufend wäre aber das Besorgen von Getränken durch S gewesen. S konnte nicht annehmen, dass seine Arbeitgeberin ihn für eine Verrichtung bezahlen wollte, die der ohnehin nötige Fahrer ohne weiteres alleine hätte erledigen können.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht die vom Senat zu Gunsten der Kläger unterstellte rein theoretische Möglichkeit, dass S zu einer geschäftlichen Besprechung in das außerhalb des Betriebsgelände gelegene Büro der usbekischen Partnerfirma gefahren ist. Nach der Auskunft der Firma D vom 22.11.2006 gehörte es zu den Aufgaben des S, mit den Verantwortlichen der Partnerfirma vor Ort Fragen der Vollständigkeit, der Verzollung und der nachfolgenden Montagearbeit zu klären und mit den Verantwortlichen der Partnerfirma vor Ort zu besprechen, auch in deren Büro in der Innenstadt. Es ist nicht ersichtlich, allenfalls nicht ausgeschlossen, dass S am Nachmittag des Unfalltage zu solchen Gesprächen das Büro in Nukus aufgesucht hat. Der Arbeitgeberin liegen ausweislich ihrer Auskunft vom 22.11.2006 darüber keine Hinweise vor. Hätte es tatsächlich einen solchen Gesprächstermin am Unfalltage gegeben, so wäre dieser der Firma D mit Sicherheit bekannt geworden. Immerhin beruhten die Angaben in der Unfallanzeige nach den Mitteilungen der Firma D im Verwaltungsverfahren unter anderem auch auf Auskünften der dortigen Partnerfirma. Auch der Zeuge H konnte sich nicht daran erinnern, dass S davon gesprochen habe, er müsse Kontakt mit dem Büro in Nukus oder mit der Firma D aufnehmen. Es erscheint lebensfremd, dass S das Betriebsgelände in Nukus verlassen hat, um Gespräche im Büro in der Innenstadt zu führen, ohne den Zeugen H darüber zu informieren, und ihn somit davon in Kenntnis zu setzen, dass es deswegen längere Zeit dauern könne, bis das dringend benötigte Wasser zur Verfügung stehe.
Es geht zu Lasten der Kläger, dass nicht feststellbar ist, dass S bei der zum Unfall führenden Autofahrt einer versicherten Tätigkeit nachgegangen ist. Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (BSGE 6, 70, 73; 43, 110, 112; zuletzt BSG vom 24.05.2006 – B 11 a AL 7/05 R). Geht es um die Rechtmäßigkeit eines Rücknahmebescheides nach § 45 SGB X, so trifft grundsätzlich den Versicherungsträger die objektive Beweislast für das Nichtvorliegen der die Rechtsmäßigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides begründenden Tatsachen (BSGE 71,256; BSG vom 24.05.2006 – B 11 a AL 7/05 R). Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis auch insoweit erbracht, dass der von ihr den Bewilligungsbescheiden zugrunde gelegte Sachverhalt, S habe sich auf dem geschützten Weg von der Arbeit ins Hotel befunden, falsch ist. Das hat zur Folge, dass die Kläger beweisen müssen, dass S aus anderen Gründen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.
Nach wohl herrschender Auffassung in der Literatur – soweit auf diese Problematik überhaupt eingegangen wird – trägt der von dem Verwaltungsakt Begünstigte im Falle der Rücknahme nach § 45 SGB X die Beweislast dann, wenn er nachträglich erstmals andere Tatsachen vorträgt, die den begünstigenden Verwaltungsakt gerechtfertigt hätten (so Hauck/Noftz/Vogelgesang, SGB X K § 45; von Wulffen/Wiesner, SGB X, 5. Auflage, § 45 Rdnr. 11; Keller, Die Sozialgerichtsbarkeit 93, 259 ff unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere auf das Urteil vom 23.04.1970 – 2 C 142/67 – DÖV 70, 783; anderer Ansicht ohne nähere Begründung GK SGB X-Schneider-Dannwitz, Stand Oktober 1985, Rnm. 16 zu § 45). Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an.
Die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X für eine Rücknahme der begünstigenden Verwaltungsakte mit Wirkung für die Zukunft sind ebenfalls erfüllt. Die Rücknahme ist danach nur zulässig, soweit nicht ein bestehendes Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn – was hier nicht relevant ist – der Begünstigte die erbrachten Leistungen verbraucht oder wenn er eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Für letzteres gibt es weder nach dem Vortrag der Kläger noch nach dem sich aus den Akten ergebenden Sachverhalt irgendwelche Hinweise. Auch andere Umstände, die ein schutzwürdiges Vertrauen begründen könnten, sind nicht erkennbar. Bei Verwaltungsakten, mit denen Dauerleistungen bewilligt worden sind, ist das öffentliche Interesse an einer Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes für die Zukunft in der Regel höher einzuschätzen. Wenn bedacht wird, dass hier einerseits nur Leistungen für die Zukunft im Streit stehen, dass es andererseits um laufende Leistungen geht, so drängt es sich geradezu auf, dass bei der Abwägung öffentlichen Interessen der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 45 SGB X Nrn. 9, 19, 24). Gründe für eine andere Wertung sind nicht ersichtlich, zumal die Beklagte die Rentenbescheide ohne vorangegangenes fehlerhaftes Verhalten erteilt hat, diese bereits nach wenigen Monaten aufgehoben worden sind und den Klägern die Rente aus der Rentenversicherung verbleibt.
Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Rücknahme nach § 45 SGB X grundsätzlich im Ermessen der Verwaltung steht (BSG SozR 1300 § 45 SGB X Nrn. 12, 19, 34, 50). Die Beklagte hat in den Rücknahmebescheiden keine Ermessenserwägungen angeführt. Deshalb geht der Hinweis in den Widerspruchsbescheiden, "das Ermessen durch den Rentenausschuss" sei in den angefochtenen Bescheiden "zutreffend erfolgt", fehl. Dies ist allerdings unschädlich. Denn nach der Rechtsprechung des BSG ist bei einer Aufhebung nach § 45 SGB X ein Ermessen nicht zu betätigen, wenn der Begünstigte ermessensrelevante Tatsachen nicht vorgetragen hat oder ermessensrelevante Umstände nicht aktenkundig geworden sind (BSG SozR 1300 § 45 Nr. 46; SozR 3-1300 § 45 Nr. 19; SozR 3-4100 § 155 Nr. 2). Ob tatsächlich Ermessen ausgeübt werden kann, ist im wesentlichen das Ergebnis der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Verbleiben im Anschluss an die durch § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Rücknahme mit dem Interesse des Begünstigten am Bestand des Verwaltungsaktes keine Gesichtspunkte, die für das Ermessen Bedeutung haben könnten, so ist es auf Null reduziert (BSG aaO; Urteil des BSG vom 23.06.1993 – 9/9a Rvs 1/92 -). So liegt der Sachverhalt hier. Umstände, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung für die Kläger ins Feld zu führen wären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Letztlich bleibt zu konstatieren, dass die Frist des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X eingehalten und eine ordnungsgemäße Anhörung gemäß § 24 SGB X durchgeführt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung (Frage der Beweislastverteilung im Rahmen des § 45 SGB X) die Revision zugelassen.
Erstellt am: 12.08.2009
Zuletzt verändert am: 12.08.2009