Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.01.2007 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Altersrente unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten im Ghetto Bochnia von Mai 1942 bis August 1943 nach den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der am 00.00.1932 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger und anerkannter Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG).
Seinen am 03.12.2003 gestellten Antrag auf Gewährung von Altersrente lehnte die Beklagte vom 10.02.2005 ab, seinen Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 24.05.2005 als unbegründet zurück.
Mit der am 07.06.2005 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
In der Gerichtsakte befindet sich unter der Überschrift "Im Namen des Volkes Urteil" der Tatbestand, die Entscheidungsgründe sowie die Rechtsmittelbelehrung zu einem Urteil, das am 05.01.2007 ohne mündliche Verhandlung ergangen sein soll (Blatt 0 bis 0 der Gerichtsakte). Die Gerichtsakte enthält jedoch keinen schriftlich niedergelegten und unterzeichneten Urteilstenor. Zu Beginn der Entscheidungsgründe heißt es, die zulässige Klage sei nicht begründet.
Gegen das am 12.01.2007 zugestellte "Urteil" hat der Kläger am 05.02.2007 Berufung eingelegt, jedoch schriftsätzlich nicht näher begründet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.01.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.02.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2005 zu verurteilen, unter Berücksichtigung von Beitragszeiten von Mai 1942 bis August 1943 Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.01.2007 aufzuheben und die Streitsache zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Der Senat hat mit Verfügung vom 09.04.2008 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat zu prüfen haben werde, ob ein sogenanntes Nichturteil vorliegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Entschädigungsakten des Klägers sowie der Verfolgten T M, A M1, E M2, K M3 und M C, geborene M4 Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats war.
Entscheidungsgründe:
Die gegen das "Urteil" gerichtete Berufung ist zulässig. Allerdings liegt bisher kein formal ordnungsgemäß zustande gekommenes Urteil des Sozialgerichts vor. Das unter dem 05.01.2007 datierte Deckblatt sowie der nachfolgende Tatbestand und die Entscheidungsgründe stellen ein sogenanntes Nichturteil oder Scheinurteil dar. Denn die Gerichtsakte enthält an keiner Stelle einen Urteilstenor. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass auch ihnen kein Entscheidungstenor zugegangen ist. Mithin fehlt es an einer gerichtlichen Entscheidung, die durch Zustellung an die Beteiligten hätte wirksam werden können. Die gänzlich fehlende Entscheidungsformel kann auch nicht durch Auslegung anhand der in der Akte vorhandenen Entscheidungsgründe ermittelt werden. Abgesehen davon, dass lediglich eine existente Entscheidungsformel anhand des Tatbestandes oder anhand der Entscheidungsgründe ihren Inhalt nach ausgelegt werden kann, nicht aber eine nicht existente Entscheidungsformel, lässt sich vor allem nicht feststellen, ob überhaupt ein Urteil ergangen ist, d. h., ob der Kammervorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ein Urteil mit einer bestimmten Urteilsformel beschlossen haben. Insofern kommt in Betracht, dass die in der Gerichtsakte enthaltenen Urteilsbestandteile lediglich einen Urteilsentwurf darstellen, über den die Kammer jedoch nicht Beschluss gefasst hat.
Gleichwohl ist gegen ein solches Nichturteil die Einlegung des bei wirksamer Absetzung der Entscheidung statthaften Rechtsmittel, hier also der Berufung, zulässig, um den äußeren Schein einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 03.11.1994 – LwZ B 5/94; NJW 1995 404 OLG Rostock, Urteil vom 24.03.2004 – 6 U 124/02 -).
Auf die Berufung des Klägers ist das nicht wirksam gewordene Nichturteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht zur Fortführung des noch nicht abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahrens sowie zur Verhandlung und Entscheidung in der Streitsache zurückzuverweisen (OLG Rostock, a. a. O.; BGH, NJW 1995, 404). Es handelt sich dabei nicht um eine gemäß § 159 SGG im Ermessen des Berufungsgerichts stehende Zurückverweisung sondern um die zwingend gebotene Klarstellung, dass es an dem erstinstanzlichen Urteil fehlt und deshalb zurückzuverweisen ist (Meyer-Ladewig, SGG 8. Auflage 2005, § 125 Rz. 5c mit Hinweis auf BGH NJW 1995, 404). Deshalb kommt die fortführung des berufungsverfahrens auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass nach Berufungseinlegung zunächst rechtsirrig umfangreiche Sachermittlungen durchgeführt worden sind.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt dem Urteil des Sozialgerichts vorbehalten.
Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), besteht nicht.
Das Urteil ist aufgrund Rechtsmittelverzichts der Beteiligten rechtskräftig.
Erstellt am: 03.06.2008
Zuletzt verändert am: 03.06.2008