Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.07.2006 wird mit der Maßgabe, dass 4 % Zinsen aus 8.512,04 Euro seit dem 01.04.2008 zu zahlen sind, zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu einem Anteil von 2/3, der Kläger zu einem Anteil von 1/3. Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 12.122,35 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von 12122,35 Euro innehat, weil er für vier stationäre Behandlungen des E N (N) in dem Zeitraum vom 14.10.1999 bis 08.01.2002 aufgekommen ist. Die Beklagte bestreitet insbesondere, dass N in diesem Zeitraum bei ihr versichert war.
Der am 00.00.1975 geborene und am 00.02.2008 verstorbene N war der Sohn des bei der Beklagten versicherten K N (geb. am 00.00.1941). Er war bei der Beklagten bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres – also bis zum 30.12.1998 – über seinen Vater familienversichert.
Bei N bestand mindestens seit dem 15. Lebensjahr ein erheblicher Alkohol- und Drogenkonsum. Seit 1993 fanden Klinikaufenthalte – auch über 6 Monate in einer geschlossenen Abteilung – statt (z.B. 20.09.1993 – 07.10.1993 Rheinische Klinik E1). Mit Beschluss des AG C vom 18.06.1996 wurde für N ein Betreuer für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung bestellt. Grundlage war ein im Rahmen des Betreuungsverfahrens erstelltes psychiatrisches Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie T vom 15.04.1996, in dem eine schwere Persönlichkeitsstörung, ein Substanzmissbrauch, eine Abhängigkeit von Alkohol- und Lösungsmitteln, eine beginnende organische Intelligenzstörung und ein soziopathisches Verhalten diagnostiziert wurden.
Durch Urteil vom 06.08.1996 wurde N von dem Jugendschöffengericht zu einer Haftstrafe (u. a. wegen Diebstahls, fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Unfallflucht) verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Aussetzung der Haftstrafe zur Bewährung wurde davon abhängig gemacht, dass N sich wegen seiner "Schnüffelsucht" und seiner Alkoholabhängigkeit unmittelbar in therapeutische Behandlung begebe und diese Therapie während der Bewährungszeit aufrechterhalte. Im Oktober 1997 nahm N die Termine bei der Drogenberatung nicht mehr wahr, so dass mit Beschluss des AG C vom 04.12.1997 die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde. Durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 27.11.1997 wurde er in die geschlossene psychiatrische Abteilung das Landeskrankenhaus E1 eingewiesen; der Aufenthalt dauerte bis zum 09.12.1997. Nach einem Rückfall fand wiederum eine Zwangseinweisung in diese Klinik statt, der stationäre Aufenthalt dauerte vom 18.12.1997 bis zum 08.01.1998. Vom 06.10.1998 bis 31.01.1999 wurde eine Langzeitentwöhnungsbehandlung in der Schlossparkklinik C1 durchgeführt, für die von der Beklagten die Kosten übernommen wurde.
Obwohl der Arzt für Psychiatrie T in seiner Stellungnahme vom 23.02.1999 aufgrund einer Untersuchung des N für die Aufrechterhaltung der Betreuung plädierte und eine ungünstige Prognose stellte, wurde die Betreuung durch Beschluss des AG C vom 16.06.1999 aufgehoben. In der Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Erfolg der Suchtbehandlung hänge nicht von dem Fortbestehen der Betreuung, sondern allein davon, ob die Therapie ernsthaft gewollt werde. Vom 14.10.1999 bis zum 28.10.1999, 23.11.1999 bis zum 26.11.1999 und 26.11.1999 bis zum 31.12.1999 wurde N in der Rheinischen Klinik in E1 stationär behandelt. Zwischenzeitlich befand er sich in der Zeit bis zum Februar 2000 in Strafhaft.
N war vom 16.02.2000 bis zum 31.03.2000 als Hilfsarbeiter bei der B e.V., vom 21.08.2000 bis zum 19.09.2000 als Lagerarbeiter bei der N1 und vom 27.11.2000 bis zum 24.03.2001 als Helfer bei der C2 GmbH & Co. KG versicherungspflichtig beschäftigt. Ferner war er vom 01.04.2001 bis zum 16.06.2001 als Streckenposten beim Cartclub L, vom 02.10.2001 bis zum 10.10.2001 als Helfer bei der C2 GmbH und vom 22.10.2001 bis zum 20.11.2001 als Helfer bei der Q GmbH versicherungspflichtig tätig.
Vom 26.12.2001 bis zum 08.01.2002 wurde N erneut in der Rheinischen Klinik in E1 stationär behandelt. Weitere stationäre Aufenthalte fanden vom 09.04.2002 bis zum 29.04.2002 (Krankenhaus St. Hubertus), vom 03.05.2002 bis zum 06.05.2002 (Rheinische Klinik in E1) und vom 10.05.2004 bis zum 01.06.2004 (Fachklinik M – Entwöhnung) statt. Nachdem N Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen hatte, war er ab dem 01.06.2006 jedenfalls bis zum 31.7.2007 wiederum bei dem Cartclub L beschäftigt.
Da die Beklagte den Standpunkt vertrat, dass N bei ihr nur bis zum 30.12.1998 (Vollendung des 23. Lebensjahres) über seinen Vater familienversichert gewesen sei, übernahm der Kläger die Kosten der stationären Behandlungen ab dem Jahre 1999. Er meldete mit Schreiben vom 26.01.2000 (eingegangen bei der Beklagten am 07.02.2000) einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 ff. SGB X für die stationären Behandlungen vom 14.10.1999 bis 28.10.1999, 23.11.1999 bis 26.11.1999 und vom 26.11.1999 bis 31.12.1999 an, weil die Familienversicherung nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V fortbestehe und die Beklagte demnach leistungspflichtig gewesen sei. Weder bezifferte er in diesem Schreiben den Erstattungsbetrag noch fügte er Berechnungsunterlagen (etwa Rechnungen des Krankenhauses) bei. Auf die an K N unter dem 21.02.2000 gerichtete Bitte der Beklagten, er möge Unterlagen über die dauernde Hilfebedürftigkeit seines Kindes einreichen, wurde ein Schreiben des N 23.02.2000 mit folgendem Inhalt vorgelegt: "Hiermit möchte ich Ihnen erklären, dass ich zwar einige Male im Drogenentzug gestanden habe. Hierbei handelte es sich aber immer um akute Ereignisse und von einer Behinderung kann hier nicht die Rede sein. Daher liegt mir auch weder ein Schwerbehindertenausweis noch Unterlagen über eine Dauererkrankung vor. Mittlerweile arbeite ich sogar bei einem Unternehmen in Bergheim und komme vollständig für meinen Unterhalt auf." Mit Schreiben vom 29.02.2000 lehnte die Beklagte eine Erstattung für die drei stationären Behandlungen in dem Zeitraum vom 14.10.1999 bis 31.12.1999 ab, weil die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nicht gegeben seien.
Am 16.04.2003 hat der Kläger Klage erhoben und die Erstattung für die stationären Behandlungen in der Zeit vom 14.10.1999 bis zum 31.12.1999 in Höhe von insgesamt 4.926,86 Euro (aufgeschlüsselt nach den Beträgen: 1.317,34 Euro + 280,61 Euro + 3.328,91 Euro) beantragt. Unterlagen, aus denen sich die geltend gemachten Euro-Beträge schlüssig ergeben, waren wiederum nicht beigefügt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen einer Familienversicherung nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V gegeben seien. N sei im Sinne des § 2 SGB IX als behindert anzusehen. Die Drogenabhängigkeit habe seinen gesamten Lebensbereich schwer beeinträchtigt. Dies zeige allein schon die Haftstrafe sowie die mehrfachen Klinikaufenthalte, die teilweise abgebrochen worden seien. Dass N sich selbst für gesund halte, sei ohne Belang. Dies beruhe offensichtlich auf einer mangelnden Krankheitseinsicht.
Am 16.12.2005 hat der Kläger im Wege der Klageerweiterung einen Erstattungsanspruch geltend gemacht, der sich auf die Kosten des stationären Aufenthalts des Beigeladenen in der Zeit vom 26.01.2001 bis 08.01.2002 in Höhe von 3.598,18 Euro bezogen hat.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.512,04 Euro zuzüglich 4 % Zinsen aus 4.926,86 Euro seit dem 26.01.2000 und aus 3.585,18 Euro seit dem 02.05.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Familienversicherung bestehe nicht fort. Bei N habe keine Behinderung vorgelegen, die ihn außer Stande gesetzt habe, sich selbst zu unterhalten. Dieser habe an Affektionstendenzen mit aggressiven Impulsen gelitten, sei aber in allen Arztberichten als bewusstseinsklar und orientiert beschrieben worden, ohne formale und inhaltliche Denkstörungen aufzuweisen.
Das Sozialgericht (SG) hat zur Aufklärung des Sachverhalts die N betreffende Betreuungsakte des Amtsgerichts C (Az.: 00 XVII 000 V) und die Entlassungsberichte über die bisherigen stationären Aufenthalte beigezogen. Ferner hat es einen Behandlungs- und Befundbericht des Artzes Dr. S, Facharzt für Allgemeinmedizin, bei dem N im Zeitraum vom 26.04.2000 – 08.08.2000 in ärztlicher Behandlung war, eingeholt. Schließlich hat es den Arzt für Neurologie und Psychiatrie – Psychotherapie – Dr. H mit der Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens beauftragt, das dieser unter dem 19.12.2005 erstattet hat. Dr. H ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass bei N am 30.12.1998 eine schwere dissoziale und soziopathische Persönlichkeitsstörung sowie ein polyvalenter Alkohol- und Drogenabusus vorgelegen habe. N sei zum Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten. Dieses Unvermögen habe auf einer Behinderung beruht.
Das SG Köln hat die Beklagte durch Urteil vom 25.07.2006 antragsgemäß verurteilt. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Am 25.09.2006 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgebracht: Das SG habe sich zu Unrecht auf das Sachverständigengutachten gestützt. Sämtliche gutachtlichen Stellungnahmen, auf die sich der Sachverständige Dr. H gestützt habe, enthielten keinerlei Hinweise auf eine Behinderung des N. Selbst wenn eine solche vorgelegen habe, sei dieser in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Der Begriff des "Außerstandeseins" sei mit demjenigen der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Rentenrechts vergleichbar. Einer Erwerbsunfähigkeit stehe bereits entgegen, dass N in der maßgeblichen Zeit mehrfach versicherungspflichtige Beschäftigungen ausgeübt habe. Auch impliziere der Bezug von ALG II seit dem 03.06.2005, dass er nicht dauerhaft außer Stande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.07.2006 zu ändern und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 3610,31 Euro zuzüglich der ihm gesetzlich zustehenden Zinsen zu zahlen.
Zunächst hat er die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung des SG auf Basis des bezifferten Leistungsantrags korrekt sei. Unter dem 29.02.2008 (eingegangen am 04.03.2006) hat er die Berechnung seiner Klageforderung unter Beifügung von Endabrechnungen der Rheinischen Kliniken E1 vom 15.01.2000, 15.04.2002 und 30.04.2002 korrigiert und darauf hingewiesen, dass ihm bei der Bezifferung der Klageforderung ein erhebliches Versehen unterlaufen sei. Für das Jahr 1999 sei der schon in Euro ausgewiesene Rechnungsbetrag als DM-Betrag angesehen und nochmals umgerechnet worden, so dass im Ergebnis statt der tatsächlich entstandenen Kosten in Höhe von 9.734,52 Euro lediglich 4.926,86 Euro eingeklagt worden seien. Andererseits sei bei der Bezifferung der Kosten für die Behandlung vom 26.12.2001 bis 08.01.2002 fälschlich der DM-Betrag als Euro-Betrag angegeben worden, so dass für die Maßnahme insgesamt lediglich Kosten in Höhe von 2.479,86 Euro und nicht von 3.585,18 Euro entstanden seien. Der Erstattungsanspruch sei richtigerweise wie folgt zu berechnen: – RK E1 in der Zeit vom 14.10.1999 bis 28.10.1999 2.561,09 Euro – RK E1 in der Zeit vom 23.11.1999 bis 26.11.1999 678,67 Euro – RK E1 in der Zeit vom 26.11.1999 bis 31.12.1999 6.402,73 Euro – RK E1 in der Zeit vom 26.12.2001 bis 08.01.2002 2.479,86 Euro Summe 12.122,35 Euro
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Berechnungsfehler im Nachhinein noch korrigiert werden könnten, da im Klageantrag die Behandlungszeiträume im Einzelnen aufgeführt worden seien und die Absicht erkennbar gewesen sei, die Kosten zu erhalten, die er für die jeweiligen Maßnahmen aufgewendet habe. Auch hätten die richtigen Beträge einer Pflegekostenaufstellung, die der Klageschrift beigefügt gewesen sei, entnommen werden können.
Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, sie widerspreche ausdrücklich einer Klageerweiterung. Der Kläger habe den Gesamtbetrag auf 8.512,04 Euro beziffert und sei antragsgemäß verurteilt worden. Soweit er nunmehr für den streitigen Zeitraum vom 14.10.1999 bis zum 08.01.2002 einen höheren Erstattungsbetrag von 12.122,35 Euro geltend mache, sei dies nicht zulässig. Jedenfalls sei der Teil der den erst im Berufungsverfahren geltend gemachten Forderung verjährt. Sollte ein Erstattungsanspruch nach Ansicht des Berufungsgerichts nur bezogen auf das Jahr 1999 gegeben sein, so sei die falsche Berechnung der Forderung in der ersten Instanz zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen.
Der Senat hat den bei der Deutschen Rentenversicherung – Rheinland über N geführten Versicherungsverlauf beigezogen sowie Arbeitgeberauskünfte von der B, der N1 AG & Co. KG aA, bei der C2 GmbH & Co. KG, bei dem Cartclub L und bei der Q GmbH über die Beschäftigungen des N eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten, die Verwaltungsakten des Klägers und Beklagten sowie die Betreuungsakte des Amtsgerichts C (Az.: 00 XVII 000 V), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist überwiegend nicht begründet. Das SG hat der Klage in Bezug auf die Hauptforderung im Ergebnis zu Recht stattgegeben, denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der auf 8512,04 Euro bezifferten Klagesumme (I.1.). Bezogen auf die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen ist das Urteil im Hinblick auf den Beginn der Zinszahlung zu ändern (I.2.). Die um einen Betrag von 3610,31 Euro im Berufungsverfahren erweiterte zulässige Klage ist abzuweisen, denn ein Zahlungsanspruch besteht insoweit nicht (II.)
I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. 1. a) Die Zahlungsklage ist in Form der allgemeinen Leistungsklage zulässig. Dies trifft zweifellos auf die ursprünglich geltend gemachte Zahlungsklage i.H.v. 4926,86 Euro zu, die sich auf stationäre Behandlungen in der Zeit vom 14.10.1999 bis zum 31.12.1999 bezieht. Die spätere Erweiterung der Klage um 3585,18 Euro am 16.12.2005 wegen der Kosten der stationären Behandlung vom 26.12.2002 bis 08.01.2002 betrifft zwar einen anderen Lebenssachverhalt, ändert damit den Klagegrund und ist insoweit als Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzusehen. Die Änderung der Klage ist aber zulässig, weil die Beklagte eingewilligt hat (§ 99 Abs. 1 SGG), indem sie sich schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG).
b) Die auf die Zahlung von 8512,04 Euro gerichtete Klage ist begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Als überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist er gegenüber der beklagten Krankenkasse der nachrangig verpflichtete Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen. Er hat die Kosten der Krankenhausbehandlungen des N beglichen, obwohl die Beklagte diese Krankenhilfe im Jahre 1999 für den bei ihr versicherten N hätte erbringen müssen. N hatte gegenüber der Beklagten einen Anspruch aus Krankenhausbehandlung gemäß § 39 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in den Zeiträumen vom 14.10.1999 bis 28.10.1999, 23.11.1999 bis 26.11.1999 und vom 26.11.1999 bis 31.12.1999. Mit Ausnahme des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses des N zur Beklagten sind sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 39 Abs. 1 SGB V dem Grunde nach unzweifelhaft – auch nach Auffassung der Beklagten – gegeben. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestand zumindest im Jahre 1999 die Familienversicherung des N fort (aa). Der Höhe nach ist der mit der Klage geltend gemachte Erstattungsanspruch – wegen der falschen Berechnung des Klägers – allein schon wegen der Kosten der Krankenhausbehandlungen im Jahre 1999 begründet (bb).
aa) Gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V sind Kinder ohne Altersgrenze versichert, wenn sie als behinderte Menschen außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nrn. 1, 2 oder 3 versichert war. Da N bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres – was von der Beklagten nicht bestritten wird – nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB V versichert war, kommt es darauf an, ob er zu dem damaligen Zeitpunkt – nämlich am 30.12.1998 – behinderungsbedingt außer Stande war, sich selbst zu unterhalten.
(a) Entgegen der Ansicht der Beklagten lag bei N im Dezember 1998 eine Behinderung vor. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. N litt im Dezember 1998 an einer schweren dissozialen und soziopathischen Persönlichkeitsstörung sowie einen polyvalenten Alkohol- und Drogenabusus. Es handelte sich um eine schwerste Störung, die sich mindestens seit dem 15. Lebensjahr durch einen erheblichen Alkohl- und Drogenkonsum manifestiert und fortentwickelt hat. Diese gesundheitlichen Einschränkungen beeinträchtigten seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft – wie sein Lebensweg beweist – erheblich und bestanden vom damaligen Zeitpunkt aus gesehen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate fort. Diese Feststellungen stützt der Senat auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf die Gutachten des Dr. H und des Arztes T.
Der hohe Grad der Einschränkung kommt zunächst dadurch zum Ausdruck, dass der Sachverständige T bereits im Betreuungsverfahren unter dem 15.04.1996 eine so schwere Entwicklungsstörung festgestellt hat, dass er davon ausging, N befinde sich auf der Stufe eines 12-Jährigen und sei nicht geschäftsfähig, da er sein Verhalten weder im nüchternen noch im intoxizierten Zustand steuern könne. Damals wurde deshalb für N ein Betreuer bestellt. Auch befand sich N in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung und wurde mehrfach stationär behandelt. Auch wenn er aus der stationären Behandlung im Dezember 1997 "in körperlich und psychisch guter Verfassung" entlassen wurde, so wurde er doch noch am Tag der Entlassung wieder rückfällig (vgl. Arztbrief vom 26.01.1998). Am 19.02.1999 – also zeitnah nach Vollendung des 23. Lebensjahres – wurde N von dem Arzt für Psychiatrie T untersucht. Dieser stellte fest, dass sich das Krankheitsbild des Betroffenen nicht geändert habe, eine erfolgreiche Therapie bisher nicht durchgeführt worden sei und N keine Krankheitseinsicht habe, vielmehr den Missbrauch von Rauschmitteln nicht beenden wolle (Attest vom 23.02.1999). Die Schwere der Suchterkrankung und die mangelnde Einsichtsbereitschaft des Beigeladenen begründen die Prognose, dass vom damaligen Zeitpunkt die Behinderung des N mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate dauern würde.
Diese Behinderung bestand mindestens bis zum Januar 2002 fort. In dem Entlassungsbericht vom 26.02.2002 über die stationäre Behandlung vom 26.12.2001 bis zum 08.01.2002 wurden folgende Diagnosen gestellt: Störung durch Opioide, Entzugssyndrom und Störung durch Lösungsmittel mit Wahrnehmungsstörungen. Die Aufnahme erfolgte aufgrund der Rechtsgrundlage des PsychKG nach einem Polizeieinsatz in der Wohnung der Eltern des N, wo dieser randaliert hatte und die Eltern hilfesuchend die Polizei verständigt hatten. N wurde damals als hilflose Person vorgefunden und äußerte mehrfach den Wunsch, seinem Leben ein Ende zu setzen.
(b) N war bei der Vollendung des 23. Lebensjahres auch außer Stande, sich selbst zu unterhalten. Die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, ist gegeben, wenn das Kind seinen eigenen Lebensunterhalt, zu dem auch notwendige Aufwendungen infolge der Behinderungen sowie sonstige Ausgaben des täglichen Lebens rechnen, nicht selbst bestreiten kann. Dies setzt zunächst voraus, dass das Kind infolge der Behinderung nicht in der Lage ist, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, insbesondere eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Insoweit ist der Begriff des Außerstandeseins mit dem der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI) vergleichbar (vgl. zu § 1247 RVO BSGE 57, 108; bgl. zu § 43 SGB VI LSG NRW, Urteil vom 19.01.2006 – L 5 KR 181/04).
N war im Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nachzugehen und damit sich nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten. N hatte damals nicht die für eine Erwerbstätigkeit notwendige soziale Kommunikations- und Anpassungsfähigkeit. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H lagen bei N extreme psychopathologische Auffälligkeiten vor, die es ihm unmöglich machten, sozial angemessen zu kommunizieren oder sich auch nur in irgendeiner Form rudimentär in einen sozialen Rahmen einzugliedern. Selbst im Verlauf der stationären Behandlungen kam es regelmäßig zu erheblichen intolerablen Auseinandersetzungen und Spannungen, die eine Fortsetzung der Behandlung unmöglich machten. Die Einschätzung von Dr. H stimmt mit der Bewertung der Schwere der Störungen überein, die der Arzt T im Betreuungsverfahren – aufgrund einer Untersuchung des N – unter dem 23.02.1999 vorgenommen hatte.
Die Unfähigkeit des N, sich selbst zu unterhalten, bestand zur Überzeugung des Senats angesichts der Schwere der Erkrankung jedenfalls bis zum 31.12.1999 fort. Dies lässt sich auch dem Bericht der Rheinischen Kliniken E1 vom 10.01.2000 über die stationäre Behandlung vom 26.11.1999 bis 31.12.1999 entnehmen. Ausgeführt wird dort, dass die Behandlung noch nicht abgeschlossen war, N jedoch aus dem Urlaub über Silvester nicht in die Klinik zurückkehrte. Ob die Unfähigkeit des N, sich selbst zu unterhalten, auch in den Jahren 2000 bis 2002 – trotz der im Jahre 2000 ausgeübten Beschäftigungen – fortbestand, kann hier dahinstehen, da die Klageforderung schon der Höhe nach wegen der Übernahme der Kosten der stationären Behandlungen im Jahre 1999 bereits begründet ist.
bb) Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung in der geltend gemachten Höhe von 8.512,04 Euro. Zwar hatte der Kläger für die Krankenhausaufenthalte im Jahre 1999 Kosten i.H. v. 9642,47 Euro (= 2.561,09 Euro + 678,67 Euro + 6402,73 Euro) beglichen und damit ursprünglich einen Anspruch auf Zahlung auch in dieser Höhe erlangt, jedoch wurde der Streitgegenstand erster Instanz vom Kläger auf die von ihm bezifferte – niedrigere – Summe begrenzt.
Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Beklagte zur Zahlung von 8.512,04 Euro verurteilt, denn im Hinblick auf den begrenzten Klageantrag ist das Urteil des SG nicht falsch. Fehlerhaft ist es nur bezogen auf die Entscheidungsgründe. Da das Landessozialgericht das erstinstanzliche Urteil – in dem von dem Kläger gezogenen Grenzen des Antrags – in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft (vgl. § 157 SGG), hat es bei seiner Beurteilung den wirklichen Lebenssachverhalt und damit die tatsächlich entstandenen Kosten zugrunde zu legen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Senat also nicht an die – für die Beklagte teilweise günstige – falsche erstinstanzliche Berechnungsmethode des Klägers gebunden.
2. Hinsichtlich der Verurteilung zu Zahlung von Zinsen ist das Urteil insoweit zu ändern, als Zinsen erst ab dem 01.04.2008 zu zahlen sind. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verzinsung seiner Forderung nach § 108 Abs. 2 SGB X i. H. v. 4 %, wenn er dies beantragt. Einen Antrag hat der Kläger gestellt, jedoch lagen erst mit Vorlage der Endabrechnungen der Rheinischen Kliniken E1 im März 2008 die vollständigen Unterlagen zum Erstattungsantrag vor. Aus den der Klageschrift beigefügten Computerausdrucken – vom Kläger als Pflegekostenaufstellungen bezeichnet – ergeben sich aus der Sicht des Senates die Beträge jedenfalls nicht schlüssig. Zinsen können also erst ab 01.04.2008 gewährt werden.
II. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Klage ist zulässig. Die Erweiterung der Klagesumme von ursprünglich 8.512,04 Euro auf 12.122,35 Euro im Berufungsverfahren beruht auf einem Rechenfehler des Klägers bei der Umrechnung von DM in Euro. Da diese Erweiterung der Klagesumme den Klagegrund – die von dem Kläger übernommen Kosten für vier Krankenhausbehandlungen des Beigeladenen – nicht ändert, sondern nur die geltend gemachte Klagesumme erweitert, ist diese Klageerweiterung nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Klageänderung anzusehen. Eine solche nicht als Klageänderung anzusehende Klageerweiterung ist über § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren zulässig.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Anspruch ist i.H.v. 1130,43 Euro war zunächst entstanden, weil die Kosten für die Krankenhausbehandlungen im Jahre 1999 insgesamt 9642,47 Euro betrugen, die Verurteilung zu Zahlung in erster Instanz aber nur den Betrag von 8512,04 Euro umfasst (s.o.). Bei der Klageerweiterung am 04.03.2008 war der Anspruch jedoch bereits verjährt.
Ob ein Zahlungsanspruch i.H.v. 2479,86 Euro für die Krankenhausbehandlung vom 26.12.2001 bis 08.01.2002 entstanden ist, kann auch hier dahingestellt bleiben. Selbst wenn eine Familienversicherung des Beigeladenen im Jahre 2001 bestanden hätte, wäre ein Zahlungsanspruch nicht gegeben, weil auch dieser Anspruch verjährt ist.
Erstattungsansprüche verjähren nach § 113 Abs. 1 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Kenntnis erlangt hatte der Kläger bezüglich der stationären Aufenthalte im Jahre 1999 spätestens Anfang 2000 und von dem stationären Aufenthalt, der im Jahre 2001 begann, spätestens im Laufe des Jahres 2002. Die Verjährungsfrist endete demnach grundsätzlich am 31.12.2004 bzw. 31.12.2006.
Die Verjährung ist nicht durch die Klageerhebung am 16.04.2003 bzw. am 16.12.2005 gehemmt worden. Zwar gelten nach § 113 Abs 2 SGB X die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung sinngemäß. Auch wird die Verjährung nach §§ 204 Abs. 1, 209 BGB durch die Erhebung der Klage auf Leistung gehemmt. Jedoch erstreckte sich die verjährungshemmende Wirkung der erstinstanzlichen Klage auf die mit ihr geltend gemachte bezifferte Forderung von 8.512,04 Euro nebst Zinsen. Sie umfasste nicht die Mehrforderung, die erst durch die Klageerweiterung im Berufungsverfahren am 04.03.2008 in den Rechtsstreit eingeführt worden ist. Denn die Grenzen der Verjährungshemmung sind mit denen der Rechtskraft kongruent. Dem entspricht es, dass bei einer "verdeckten Teilklage", d.h. einer solchen, bei der es – wie hier – weder für den Beklagten noch für das Gericht erkennbar ist, dass die bezifferte Forderung nicht den Gesamtschaden abdeckt, die Rechtskraft des Urteils nur den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang ergreift (BGHZ 135, 178). Dies hat bei einer zusprechenden Entscheidung die Konsequenz, dass der Kläger zwar nicht gehindert ist, nachträglich Mehrforderungen geltend zu machen, auch wenn er sich solche im Vorprozess nicht ausdrücklich vorbehalten hatte (BGHZ a.a.O.). Jedoch muss er es in solchen Fällen hinnehmen, dass die Verjährung des nachgeschobenen Anspruchsteils selbständig beurteilt wird (so ausdrücklich BGHZ 151, 1 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VerwGO). Der Kläger hat zu einem Anteil von ca. 1/3, die Beklagte zu einem Anteil von 2/3 obsiegt.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Erstellt am: 11.07.2008
Zuletzt verändert am: 11.07.2008