Die Untätigkeitsbeschwerden des Beschwerdeführers vom 30.05.2008 werden zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Untätigkeitsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin N aus N wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Mit seinen am 30.05.2008 erhobenen Untätigkeitsbeschwerden richtet sich der Antragssteller gegen eine Untätigkeit des Sozialgerichts (SG) Detmold in den Verfahren S 10 AS 158/07, S 10 AS 215/07 sowie S 10 AS 257/07. Seine Untätigkeitsbeschwerden haben keinen Erfolg.
1. Einen eigenständigen Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde gibt es nach derzeitiger Rechtslage nicht. Denn die Untätigkeitsbeschwerde ist derzeit im Gesetz nicht vorgesehen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Rechtsbehelf der Untätigkeitsbeschwerde auch nicht durch richterrechtliche Rechtsfortbildung entwickelt bzw. begründet werden. Denn dies widerspräche dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit des staatlichen Handelns (so Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 21.05.2007, B 1 AR 4/07 S, SozR 4-1500 § 160a Nr. 17 m.N. auch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie des Bundesverwaltungsgerichts).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass sich aus dem Rechtsstaatsgebot das Gebot der Rechtsmittelklarheit ableitet (BVerfGE 107, 395 (416)). Dies bedeutet, dass dem Rechtsuchenden der Weg zur Überprüfung richterlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen ist. Die richterrechtliche Schaffung ungeschriebener außerordentlicher Rechtsbehelfe widerspräche diesem Gebot (BSG a.a.O., vgl. hierzu Söhngen in: JurisPR-SozR 22/2007, Anm. 5; dem 1. Senat des BSG folgend: BSG, Beschluss des 2. Senats vom 04.09.2007, B 2 U 308/06 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 18; BSG, Beschluss des 7. Senats vom 28.02.2008, B 7 AL 109/07 B, Juris; BSG, Beschluss des 6. Senats vom 06.02.2008, B 6 KA 61/07 B, Juris; vgl. ferner Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2008, 7 B 4/08, Juris). Das Bundesverfassungsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 16.01.2007 (1 BVR 2803/06, NJW 2007, 2538) entschieden, dass es "gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (verstößt), wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen".
Der EGMR geht mittlerweise davon aus, dass eine richterrechtliche begründete außerordentliche Untätigkeitsbeschwerde kein wirksamer Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer ist (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 08.06.2006 NJW 2006, S. 2389 ff.).
2. Die Untätigkeitsbeschwerden des Beschwerdeführers wären im Übrigen – ihre Statthaftigkeit unterstellt – auch unbegründet. Denn eine objektiv vorwerfbare Untätigkeit des SG ist in den drei von dem Beschwerdeführer gerügten Verfahren nicht erkennbar.
a) Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, dass für die Verwaltungsgerichte aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und im Übrigen aus dem Rechtstaatsprinzip abgeleitet wird, fordert die Beendigung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit (BVerfGE 60, 253 (269); 93, 1 (13)). Dies entspricht den Anforderungen aus Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) an Gerichtsverfahren in einem demokratischen Rechtstaat (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 01.07.1997, NJW 1997, S. 2809 (2810)). Ob eine Verfahrensdauer noch angemessen ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Dies sind die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache (vgl. BVerfGE 46, 17 (29)), die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 06.05.1997, NJW 1997, S. 2811 (2812)), die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere Verfahrensverzögerung durch sie, sowie gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeiten Dritter, vor allem der Sachverständigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.07.2000, NJW 2001, S. 214 (215); vgl. auch EGMR vom 27.07.2000, NJW 2001, S. 213).
b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist eine objektiv vorwerfbare Untätigkeit des SG in den drei gerügten Verfahren nicht ersichtlich.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die sozialgerichtlichen Verfahren, in denen um Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gestritten wird, für den Beschwerdeführer von grundsätzlicher Bedeutung sind. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in den parallel zu diesen sozialgerichtlichen Hauptsachverfahren geführten einstweiligen Rechtschutzverfahren bereits effektiven und schnellen Rechtsschutz erhalten hat. So verpflichtete der erkennende Senat mit Beschluss vom 29.10.2007 (L 7 B 217/07 AS ER und L 7 B 218/07 AS) den Grundsicherungsträger dazu, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 05.07.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in Höhe der vollen Regelleistung zu gewähren. Mit Beschluss des erkennenden Senats vom 18.06.2008 (L 7 B 174/08 AS ER) wurde der Grundsicherungsträger einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.05.2008 bis zum 31.10.2008 die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig zu erbringen.
Bei der Prüfung, ob das Grundrecht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz verletzt wurde, ist zudem – wie dargelegt – insbesondere auch das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten in den Blick zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat durch sein eigenes prozessuales Verhalten zu einer Verzögerung der diversen Rechtsstreitigkeiten beigetragen. Denn in dem Zeitraum ab August 2007 führte er allein vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – neben den vorliegenden drei Untätigkeitsbeschwerdeverfahren – 14 weitere Beschwerdeverfahren. In den verschiedenen sozialgerichtlichen Verfahren hatte der Antragsteller zudem Befangenheitsgesuche sowie Dienstaufsichtsbeschwerden und Anhörungsrügen erhoben. Das Verfahren verzögert sich schon aus praktischen Gründen (Aktenanforderung und -übersendung etc.) zwangsläufig, wenn unter voller Ausschöpfung sämtlicher durch die Rechtsordnung bereitgestellter Rechtsbehelfe mehrere Spruchkörper mit der Angelegenheit (zeitgleich) befasst werden. Der Beschwerdeführer hat in den Verfahren vor dem SG ferner eine Vielzahl von Schriftsätzen und Eingaben (per E-Mail) eingereicht, die auch aufgrund des sich zum Teil wiederholenden Inhalts eine zügige Bearbeitung des Rechtsstreits nicht gefördert haben. Der Beschwerdeführer ist zudem bislang in keinem Fall der Anordnung des persönlichen Erscheinen nachgekommen, so dass die Erörterungstermine, die sowohl das SG als auch der erkennende Senat (in dem Verfahren L 7 B 174/08 AS ER, dort im Gebäude des SG Detmold) anberaumt hatten, in der Sache nicht zu der beabsichtigten Aufklärung des Sachverhalts beitragen konnten. Hierbei ist dem Beschwerdeführer insbesondere angeboten worden, ihm die für die Wahrnehmung der Erörterungstermine erforderliche Fahrkarte für die Benutzung öffentlicher Verkehrmittel vorab zu übersenden.
Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers ist der Sachverhalt schließlich, soweit es die hier gerügten sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren betrifft, derzeit noch nicht abschließend geklärt. Dies betrifft insbesondere – jedenfalls für die Vergangenheit – die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers (§ 9 SGB II).
3. Da die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers aus den dargestellten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, war sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 16.07.2008
Zuletzt verändert am: 16.07.2008