Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.03.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 20.03.2008 nicht abgeholfen hat, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Denn das SG hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Recht abgelehnt.
1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung des Klägers im Klageverfahren vor dem SG bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Mit seiner vor dem SG erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage begehrt der Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), als sie die Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2007 für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis zum 31.10.2007 gewährt hat. Bei dieser Leistungsbewilligung hat die Beklagte dem monatlichen Gesamtbedarf des Klägers (345,- Euro Regelleistung zzgl. 319,13 Euro Kosten der Unterkunft = 664,13 Euro) ein monatliches Einkommen des Klägers in Höhe von 160,40 Euro gegenübergestellt und daraus die Leistungshöhe von 503,73 Euro monatlich errechnet.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 190,40 Euro bei der Feststellung seiner Bedürftigkeit nach dem SGB II – reduziert um die Versicherungspauschale von 30,00 Euro (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 13 Nr. 3 SGB II) – als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt hat. Denn die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine Einnahme in Geld, die von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen erfasst wird.
a) Die Frage, ob die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen ist, war in Rechtsprechung und Literatur bislang umstritten (vgl. Nachw. bei Berlit, JurisPR-SozR 1/2008 Anm. 1).
b) Diese bislang umstrittene Rechtsfrage ist mittlerweile höchstrichterlich beantwortet. Denn das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 05.09.2007 (B 11 b AS 15/06 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 5) entschieden, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht (weder ganz noch teilweise) als privilegiertes Einkommen angesehen werden kann. Dieser Rechtsprechung des 11b-Senats des BSG hat sich der 14/7b-Senat des BSG angeschlossen (Urteil vom 06.12.2007, B 14/ 7b AS 22/06 R, Juris).
Das BSG hat entschieden, dass sich der Gesetzgeber des SGB II nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte bewusst gegen eine Übernahme des in der Arbeitslosenhilferecht geltenden Privilegierung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (dort § 2 Nr. 2 der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002) entschieden und stattdessen die im früheren Sozialhilferecht geltende Anrechnungsregelung übernommen hat. Angesichts dieser bewußten legislativen Entscheidung scheidet auch eine erweiternde Auslegung oder entsprechende Anwendung von Einkommensfreistellungsregelungen aus.
Das BSG hat mit den genannten Entscheidungen ebenfalls entschieden, dass die gesetzliche Grundkonzeption – und insbesondere die Nichtaufnahme der Verletztenrente in den Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II bzw. des § 11 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II – keine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) darstellt. Denn die Gesetzgebung habe bei Regelungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht grundsätzlich einen weiten Spielraum, ob und in welchem Umfang das Vermögen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet werde (BSG vom 05.09.2007, a.a.O. unter Hinweis auf die BVerfGE 100, 165 (205)). Nach der Rechtsprechung des BSG ist zu berücksichtigen, dass die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung verschiedene Funktionen hat (Einkommensersatz, Kompensation immaterieller Schäden, Mehrbedarfsausgleich) und damit keine klare bzw. eindeutige Zweckbestimmung verfolgt. Im Hinblick auf ihre Lohnersatzfunktion sei die Verletzenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung jedoch zweckidentisch mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Dem Gesetz selbst könne zudem keine prozentuale Zuweisung der Verletztenrente zu der Entgelt- bzw. Entschädigungsfunktion entnommen werden, selbst wenn man den Leistungsschwerpunkt in der Entschädigungsfunktion sehen würde (BSG a.a.O.).
Ebenso wie das SG schließt sich auch der erkennende Senat dieser Rechtsprechung des BSG nach eigener Prüfung an.
c) Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.07.2006 (1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229) steht dem hier gewonenen Ergebnis nicht entgegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dort entschieden, dass es mit dem Gleichheitssatz des Art.3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, dass Asylbewerber aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für ihren Lebensunterhalt einsetzen müssen, bevor sie staatliche Leistungen erhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gleichheitsverstoß damit begründet, dass der zivilrechtliche Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB im (übrigen) Sozialhilferecht nicht als Einkommen berücksichtigt werde. Für diese Ungleichbehandlung sei kein hinreichender sachlicher Grund gegeben.
Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts stehen dem hier gewonnenen Ergebnis nicht entgegen. Denn im vorliegenden Zusammenhang geht es nicht um den zivilrechtlichen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB, sondern um die öffentlich rechtliche Leistung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Im Gegensatz zum Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB ist diese Leistung im (übrigen) Sozialhilferecht zudem gerade nicht als Einkommen privilegiert. Eine (rechtfertigungsbedürftige) Ungleichbehandlung liegt damit nicht vor.
d) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird schließlich auch nicht dadurch verletzt, dass bei Hilfebedürftigen, die eine Entschädigung aufgrund eines zivilrechtlichen Schmerzensgeldanspruches nach § 253 Abs. 2 BGB erhalten haben, diese Entschädigung für den immateriellen Schaden nicht als Einkommen anzurechnen ist (§ 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II), während eine solche Einkommensberücksichtigung im Ergebnis stattfindet bei Hilfebedürftigen, die aufgrund einer in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeit einen immateriellen Schaden erlitten haben.
Bei letzteren findet eine Einkommensanrechnung im Ergebnis deshalb statt, weil die Regelung des § 104 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zivilrechtliche Schadensersatz- und insbesondere Schmerzensgeldansprüche gegen den Unternehmer (unter den dort genannten Voraussetzungen) ausschließt und die an die Stelle der zivilrechtlichen Ansprüche tretende Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem zuvor Ausgeführten als Einkommen im SGB II zu berücksichtigen ist.
Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ist darin jedoch nicht zu erkennen (vgl. dagegen Wenner, Soziale Sicherheit 2007, S. 395 (396)). Denn eine solche Ungleichbehandlung setzt voraus, dass wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Das zivilrechtliche Schmerzensgeld einerseits und die Verletzenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung andererseits sind jedoch keine wesensgleichen Leistungen. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung begründet einen vom Verschulden unabhängigen Entschädigungsanspruch gegen eine leistungsfähige Genossenschaft der Unternehmer im Sinne einer Gesamthaftung der in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer; Unfallversicherungsrecht und Deliktsrecht sind damit zwei verschiedene rechtliche Ordnungssysteme. Dies hat das Bundesverfassunsgericht in der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierten Entscheidung vom 07.11.1972 (1 BvL 4/71 u.a., BVerfGE 34, 118) ausdrücklich hervorgehoben. Im Übrigen greift der Haftungsprivilegierung des § 104 SGB VII nach seinem Abs. 1 Satz 1 nicht bei vorsätzlichem Handeln des Unternehmers.
e) Der Senat hat mit seiner Entscheidung die Anforderung an die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht überspannt.
Mit dem Gebot der Rechtschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG wäre es nicht zu vereinbaren, der unmittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussicht ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten, so lange die höchstrichterliche Klärung einer entscheidungserheblichen und schwierigen Rechtsfrage noch aussteht (vgl. BVerfGE 81, 347 (359)). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürfen damit nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. zuletzt Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19.02.2008, 1 BvR 1807/07, NJW 2008, S. 1060).
Im vorliegenden Klageverfahren ist allein die Rechtsfrage zu klären, ob die Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen zu berücksichtigen ist oder nicht. Tatfragen sind nicht zu beantworten. In dem Zeitpunkt, als der Kläger seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellte bzw. dieser Antrag entscheidungsreif war, war die hier streitige Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt. Die beiden, zuvor dargestellten Entscheidungen des BSG datiert vom 05.09.2007 und vom 06.12.2007. Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 24.09.2007 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 18.12.2007 bestellte sich seine Rechtsanwältin (zugleich seine Ehefrau) für den Kläger als Prozessbevollmächtigte. Nachdem das SG diese auf die Klärung der streitigen Rechtsfrage durch das BSG hingewiesen hatte, beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 01.02.2008 Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem SG.
2. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 17.07.2008
Zuletzt verändert am: 17.07.2008