Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.03.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 16.06.2003 bis 29.08.2004 sowie die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Leistungen in Höhe von 6.879,16 EUR.
Der 1950 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er bezog bis 09.04.2001 nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 570,00 DM (ungerundet: 566,83 DM) Alg in Höhe von wöchentlich 272,09 DM.
Zum 16.06.2003 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg. Nach der Arbeitsbescheinigung der S Deutschland GmbH war er dort bis 15.06.2003 als Lager- und Versandarbeiter beitragspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 01.05.2002 bis 23.03.2003 erhielt er insgesamt ein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 12.997,18 EUR und bezog vom 24.03. bis 30.04.2003 Krankengeld nach einem Regelentgelt in Höhe von kalendertäglich 41,58 EUR. Auf der Grundlage des bescheinigten Arbeitsentgelts errechnete die Beklagte ein durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt von 286,78 EUR. Da sie es beim Vergleich dieses Bemessungsentgelts mit dem Bemessungsentgelt des Vorbezugs versäumte, letzteres vom DM-Betrag in den Euro-Betrag umzurechnen, bewilligte sie dem Kläger unter Berücksichtigung der Regelung des § 133 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) a.F. nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 566,83 EUR Alg in Höhe von wöchentlich 243,81 EUR und ab 01.01.2004 in Höhe von wöchentlich 249,20 EUR.
Bei der Bearbeitung des Antrags des Klägers auf Anschlussarbeitslosenhilfe im August 2004 bemerkte die Beklagte die fehlerhafte Berechnung. Nach Anhörung des Klägers nahm sie mit Bescheid vom 27.09.2004 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 16.06.2003 bis 29.08.2004 teilweise in Höhe von wöchentlich 111,72 EUR zurück und forderte die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Alg in Höhe von 6.879,16 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die der Leistung zugrunde liegenden Berechnungsdaten seien nicht von DM- in Euro-Beträge umberechnet worden, so dass dem Kläger Alg in fast doppelter Höhe bewilligt worden sei. Zwar habe der Kläger die Überzahlung nicht verursacht, jedoch hätte er aufgrund der bewilligten Leistungen mit einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen erkennen können, dass ihm Alg in dieser Höhe nicht zustehe, da die bewilligte Leistung nicht höher sein könne, als das vorher erzielte versicherungspflichtige Entgelt.
Den dagegen mit der Begründung erhobenen Widerspruch des Klägers, der Berechnungsfehler sei für ihn nicht erkennbar gewesen, zumal die Währungsumstellung zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bereits lange zurückgelegen habe, man ihm mitgeteilt habe, dass er davon ausgehen könne, dass die amtlich erlassenen Bewilligungsbescheide schon richtig seien und er zudem die überzahlten Beträge zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verbraucht habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2004 zurück.
Am 18.01.2005 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben. Er hat zur Begründung vorgetragen, er habe sich auf die Richtigkeit der Berechnung seines Alg durch die Beklagte verlassen. Für ihn sei ohne weitere Nachforschung nach Durchsicht der Bewilligungsbescheide nicht erkennbar gewesen, dass die Berechnung fehlerhaft gewesen sei. Die Rechtslage hinsichtlich der Berechnung von Alg sei nicht einfach. Zudem habe er anlässlich eines Besuchs bei der Beklagten dort den Bescheid vorgelegt und gefragt, ob er von der festgesetzten Summe ausgehen könne. Daraufhin habe ihm der Sachbearbeiter erklärt, wenn dies dort so stehe, so müsse dies auch richtig sein. Er habe den überzahlten Betrag für seine allgemeine Lebensführung ausgegeben und sei nicht in der Lage, diesen zu erstatten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 13.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es wie folgt ausgeführt:
"Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 16.06.2003 bis 29.08.2004 teilweise zurückgenommen und die für diesen Zeitraum zu Unrecht gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.879,16 Euro zurückgefordert.
Die Beklagte war hierzu nach § 330 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X berechtigt. Die Bescheide über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 16.06.2003 bzw. ab dem 01.01.2004 waren von Anfang an teilweise rechtswidrig. Dem Kläger stand Arbeitslosengeld nicht in Höhe von 243,81 Euro bzw. 249,20 Euro, sondern lediglich in Höhe von 137,69 Euro bzw. 137,48 Euro zu. Die um 106,12 Euro bzw. 111,72 Euro wöchentlich zu hohe Bewilligung erfolgte aufgrund eines Versehens der Beklagten bei der Umrechnung des Bemessungsentgeltes von D-Mark auf Euro-Beträge.
Es liegen auch die Voraussetzungen für die rückwirkende Rücknahme der Leistungsbewiligung gemäß § 45 SGB X vor. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtskräftig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, (nur) unter den Einschränkungen der Absätze 1 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen kann er Kläger sich nicht berufen, denn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X sind erfüllt. Danach kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist z.B. dann zu bejahen, wenn sich die Rechtswidrigkeit ohne weitere Nachforschung aus dem Bescheid selbst ergeben hat oder anhand der Umstände und ganz naheliegender Überlegungen einleuchten und auffallen musste, dass der Bescheid fehlerhaft ist (vgl. Schroeder-Printzen, Kommentar zum SGB X, 3. Auflage, § 45 Anm. 24). Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben. Dem Kläger musste aufgrund der Höhe der bewilligten Leistung ohne Weiteres klar sein, dass der Bewilligungsbescheid fehlerhaft war. Dies ergibt sich schon daraus , dass das bewilligte Arbeitslosengeld über dem zuletzt vom Kläger bezogenen monatlichen Nettoarbeitsentgelt gelegen haben muss. Dem Kläger wurde Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 34,83 Euro bewilligt. Dies entspricht einem monatlichen Arbeitslosengeld in Höhe von mindestens 1.044,90 Euro. Demgegenüber hat er in seinem letzten Beschäftigungsverhältnis durchschnittlich wöchentlich 286,78 Euro brutto verdient. Nach dem SGB III Leistungsentgeltverordnung 2003 entspricht diesem Bruttoarbeitsentgelt ein pauschaliertes Nettoarbeitsentgelt (Leistungsentgelt) in Höhe von 225,58 Euro wöchentlich. Dies ergibt ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 966,77 Euro. Auch ohne genaue Kenntnisse über die Berechnungsweise des Arbeitslosengeldes muss jedem Leistungsempfänger klar sein, dass das Arbeitslosengeld nicht höher als das Nettoarbeitsentgelt sein kann, sondern im Gegenteil wesentlich geringer sein muss. Dies musste auch und gerade für den Kläger eindeutig sein, da er in er Vergangenheit bereits Leistungen bezogen hat, so dass ihm bekannt sein musste, dass mit dem Bezug von Arbeitslosengeld eine wesentliche Einkommenseinbuße verbunden ist.
Die grobe Fahrlässigkeit des Klägers entfällt auch nicht deshalb, weil er sich angeblich bei der Beklagten erkundigt haben will, ob die Leistungsbewilligung in zutreffender Höhe erfolgt sei. Dieses Vorbringen ist zu allgemein und kann vom Kläger auch nicht bewiesen werden. Entlasten könnte ihn allenfalls, wenn er bei der Beklagten unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass das Arbeitslosengeld höher als sein Nettoarbeitsentgelt war, nachgefragt hätte und trotz dieses ausdrücklichen Hinweises die Auskunft erhalten hätte, dass die Leistungsberechung zutreffend war und er diese Vorsprache auch beweisen könnte. Eine solche ausdrückliche und eindeutige Nachfrage hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.
Da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen, war die Leistungsbewilligung nach § 330 Abs. 2 SGB III zurückzunehmen. Raum für eine Ermessensentscheidung der Beklagten, in deren Rahmen etwa ihr Mitverschulden an der Überzahlung zu berücksichtigen wäre, besteht nicht. Soweit die Leistungsbewilligung zurückgenommen wurde, sind die überzahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.879,16 Euro gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten."
Gegen das am 27.03.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.04.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, bei der Bewertung seines Verhaltens sei zunächst zu beachten, dass die Währungsumstellung von DM auf Euro im März 2003 bereits 2 Jahre zurücklag. Die Umstellung sei im März 2003 in sämtlichen Bereichen seit langem vollzogen und von allen Systemen erfasst gewesen. Deshalb habe er im März 2003 den Bescheid auch nicht mehr auf "korrekte Währungsumstellung" hin überprüfen müssen. Die Rechtswidrigkeit habe sich nicht ohne weitere Nachforschungen aus dem Bescheid selbst ergeben und habe anhand der Umstände vom Kläger auch nicht erkannt werden müssen. Im Übrigen hätte das SG berücksichtigen müssen, dass auch die Beklagte die Fehlerhaftigkeit über einen langen Zeitraum hinweg nicht erkannt habe, obwohl sie dazu aufgrund ihrer Kompetenz am ehesten in der Lage gewesen sei. Die Beklagte habe sowohl im Jahre 2003 als auch zu Beginn des Jahres 2004 mit Änderungsbescheid vom 01. Januar 2004 im gleichen Maße entschieden, ohne dass dort ein Fehler aufgefallen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.03.2007 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16.06.2003 bis 29.08.2004 teilweise zurücknehmen und den Betrag von 6.879,16 EUR zurückfordern durfte. Der Senat nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die er nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage für überzeugend erachtet. Von einer Wiederholung der Ausführungen des SG wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Zwar kann dem Kläger zugestanden werden, dass er im März 2003 den Bewilligungsbescheid nicht mehr hinsichtlich der "Währungsumstellung" von DM auf Euro habe überprüfen müssen. Gleichwohl beruhte die Unkenntnis des Klägers von der teilweisen Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Bewilligung auf einer besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung. Denn dem Kläger, der bereits vom 01.01. bis 09.04.2001 Alg bezogen hatte, musste sich bei Erhalt des Bewilligungsbescheides bei Anstellen ganz naheliegender Überlegungen aufdrängen, dass die bewilligten Leistungen deshalb fehlerhaft zu hoch waren, weil sie über dem zuletzt bezogenen Nettoarbeitsentgelt lagen.
Soweit der Kläger zudem geltend macht, bei der Beurteilung seines Verhaltes sei zu berücksichtigen, dass auch die Beklagte die Fehlerhaftigkeit über einen langen Zeitraum und auch nicht im Zusammenhang mit der Erteilung des Änderungsbescheides im Januar 2004 erkannt habe, so vermag dies den Kläger nicht zu entlasten. Entscheidend ist zunächst allein, dass dem Kläger grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Eine Abwägung der Schwere der beiderseitigen Fahrlässigkeit im Sinne einer Minderung der Erstattungsverpflichtung findet nicht statt.
Anders verhält es sich auch nicht aufgrund des Erlasses des Änderungsbescheides vom Januar 2004. Denn dadurch erfolgte keinesfalls eine Bestätigung der Richtigkeit der mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid getroffenen Entscheidung, sondern lediglich eine Anpassung der Leistungen aufgrund der Leistungsentgeltverordnung für 2004. Eine Überprüfung des Leistungsanspruchs, bei dem Fehlerhaftigkeit der Entscheidung hätte "ins Auge springen" müssen, erfolgt dabei nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Bei der Beurteilung er Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Beurteilung des Tatbestandes im Einzelfall.
Erstellt am: 09.10.2008
Zuletzt verändert am: 09.10.2008