Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts Aachen vom 24.06.2008 neu gefasst: Es wird festgestellt, dass das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch den Vergleich vom 18.06.2008 beendet ist. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 24.06.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der am 00.00.1960 geborene Antragsteller ist Diplom-Betriebwirt. Wegen einer seelischen Erkrankung ist er erwerbsgemindert und bezieht eine Rente, die ihm nach Abzügen wegen Unterhaltsansprüchen der Ehefrau und der Kinder monatlich in Höhe von 890,00 EUR ausgezahlt wird. Von seiner Familie lebt er getrennt. Er beantragte am 13.06.2008 beim Sozialgericht die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, bis zur Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 10.06.2008 "Leistungen zum Lebensunterhalt" nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren. In einer medizinischen Rehabilitation vom 12.03. bis 23.04.2008 habe er gelernt, sein Leben in den Griff zu bekommen. Dazu gehöre auch die Sauberhaltung seiner Wohnung und die Anschaffung der dringendsten Möbel und eines Staubsaugers; er habe sein Einkommen von 890,00 EUR daher komplett ausgegeben und habe bis zum Monatsende kein Geld mehr. Nach Trennung von seiner Familie habe er zunächst in einem Wohnwagen gelebt; nunmehr benötige er eine Erstausstattung. Mit dem Bescheid vom 10.06.2008 hatte die Antragsgegnerin seinen Antrag auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Beschaffung von Einrichtungsgegenständen und zur Renovierung sowie laufender Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung für den Monat Juni 2008 abgelehnt; auf den Bescheid wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 18.06.2008 erörterte das Sozialgericht den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. In diesem Termin schlossen der durch einen ihm vom Sozialgericht mit Beschluss vom 17.06.2008 beigeordneten Rechtsanwalt vertretene sowie persönlich anwesende Antragsteller und die Antragsgegnerin folgenden Vergleich:
"1. Der Antragsgegner bewilligt dem Antragsteller für den Zeitraum vom 18. bis zum 30.06.2008 regelsatzmäßige Hilfe in Höhe von 80% des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand. Diese Hilfe wird in zwei Tranchen ausgezahlt werden. Der Antragsgegner wird weiter seine Entscheidung über den geltend gemachten Ausstattungsbedarf an Möbeln überprüfen. Er wird im Hinblick auf die Erkrankung des Antragstellers insbesondere eine Bewilligung für einen Schrank bei der Recycling-Börse in I aussprechen.
2. Der Antragsteller verpflichtet sich, bezüglich der heute und in der Vergangenheit darlehensweise gewährten Hilfe einen Darlehensvertrag mit dem Sozialamt des Antragsgegners abzuschließen.
3. Der Antragsteller nimmt seinen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 10.06.2008 zurück.
4. Kosten werden nicht erstattet."
Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde dieser Vergleich laut diktiert, vorgespielt und genehmigt.
Mit Schriftsatz vom 22.06.2008 teilte der Antragsteller mit, er fechte den Vergleich vom 18.06.2008 wegen Inhalts- und Erklärungsirrtums an. Er sei in dem Termin davon ausgegangen, dass nur ein Vergleichsvorschlag unterbreitet werde; dass es sich um einen "rechtskräftigen Vergleich" handeln sollte, sei ihm nicht klar gewesen. Einen rechtskräftigen Vergleich ohne Korrekturmöglichkeit hätte er niemals abgeschlossen, weil diverse Details ungeklärt gewesen seien. Ohne eine Detailklärung hätte er sich dem Gutdünken der Antragsgegnerin ausgesetzt; eine solche einseitige Abhängigkeit würde er niemals zulassen. Der Antrag vom 13.06.2008 habe auch nur auf die Sicherung seines Lebensunterhaltes gezielt; insoweit sei es wegen Detailstreitigkeiten noch zu keiner Auszahlung gekommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 24.06.2008 hat das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers, das Verfahren fortzusetzen und seinem ursprünglichen Antrag zu entsprechen, abgelehnt. Der Vergleich vom 18.06.2008 stehe einer Fortsetzung des Verfahrens entgegen. Der Vergleich sei nicht wirksam angefochten worden. Es habe sich in dem Erörterungstermin kein Hinweis dafür ergeben, dass es sich lediglich um einen Vergleichsvorschlag handeln solle. Bei Zweifeln hätte der Antragsteller im Termin mit seinem Prozessbevollmächtigten Rücksprache nehmen können. Der Vergleich habe das Verfahren rechtsverbindlich abgeschlossen.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 25.06.2008 Beschwerde eingelegt. Zwischenzeitlich habe er beim Sozialamt vorgesprochen, wo man ihm einen Darlehensvertrag angeboten habe, der durch eine Hypothek auf sein Haus an der L-Straße 00 in C abgesichert werden sollte. Das stehe so nicht in dem Vergleich. Eine Hypothek sei aus Rechtsgründen dort auch nicht möglich (wegen entsprechender vertraglicher Verpflichtungen gegenüber Frau F E). Der Vergleich vom 18.06.2008 sei im Übrigen nichtig.
Mit Beschluss vom 27.06.2008 hat das Sozialgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, während der Erörterungen vom 18.06.2008 sei man wegen Miteigentümerschaft des Antragstellers an den Grundstücken S-straße 00 und L-Straße 00 in C davon ausgegangen, dass darlehensweise Leistungen dinglich gesichert würden. Im Termin sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass aus rechtlichen Gründen eine Absicherung über das Grundstück an der L Straße nicht möglich sei; das Grundstück an der Ringstraße sei jedoch hoch verschuldet. Der Antragsteller sei am 20.06.2008 vorstellig geworden, um die Sozialhilfe in Empfang zu nehmen. Die Zahlbarmachung sei bereits veranlasst gewesen. Erst als der Antragsteller erklärt habe, sich nicht an die beim Gericht geschlossene Vereinbarung halten und einen Darlehensvertrag nicht unterschreiben zu wollen, sei die Auszahlung gestoppt worden. Das Darlehen habe über das Grundstück L Straße gesichert werden sollen. Nachweise für dessen fehlende Belastungsfähigkeit seien nicht vorgelegt worden; eine Leistung sei daher zunächst nicht erbracht worden. Erst als entsprechende Nachweise am 27.06.2008 vorgelegt worden seien, habe man dem Antragsteller Lebensmittelgutscheine unmittelbar angeboten; diese Form der Leistungsgewährung sei wegen Zweifeln an der tatsächlichen Hilfebedürftigkeit gewählt worden. Der Antragsteller habe die Annahme der Gutscheine jedoch verweigert; sein Bedarf für Juni 2008 sei daher anderweitig gedeckt gewesen; der Antragsteller habe von Verwandten Hilfe erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Neufassung des Tenors des Beschlusses des Sozialgerichts vom 24.06.2008 erfolgt allein zur Klarstellung; in der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Auch die nach Abschaffung des § 174 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Wirkung zum 01.04.2008 nicht mehr erforderlich gewesene Nichtabhilfeentscheidung des Sozialgerichts vom 27.06.2008 beschwert den Antragsteller nicht, da sie keinen über den angefochtenen Beschluss hinausreichenden Regelungsgehalt enthält.
Das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist, wovon das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht ausgeht, im Erörterungstermin vom 18.06.2008 nach § 101 Abs. 1 SGG beendet worden. Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden einen Vergleich schließen, um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen. Dies ist mit dem Vergleich vom 18.06.2008 geschehen; in dessen abschließende Regelung sind auch die mit dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einbezogen worden, so dass der gesamte im vorliegenden Verfahren ausgetragene Streit vergleichsweise erledigt worden ist.
Der Antragsteller ist allerdings der Ansicht, er habe den Vergleich wirksam angefochten bzw. der Vergleich entfalte wegen Nichtigkeit keine Wirkung. Bei einem solchen Streit um die Wirksamkeit eines Vergleichs wird der Rechtsstreit fortgesetzt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 101 Rn. 17). Das Gericht entscheidet bei Wirksamkeit des Vergleichs dahingehend, dass es die Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich feststellt, oder aber bei Unwirksamkeit des Vergleichs in der Sache selbst (BSG, Urteil vom 28.11.2002 – B 7 AL 26/02 R; Leitherer, a.a.O. Rn. 17a).
An der Wirksamkeit dieses Vergleichs bestehen entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Zweifel. Sein Inhalt wird durch den Inhalt der Sitzungsniederschrift bewiesen (§ 122 SGG i.V.m. § 165 Zivilprozessordnung (ZPO)) und ist unter Beachtung der Anforderungen von § 160 Abs. 3 Nr. 1 SGG und § 162 ZPO protokolliert worden. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der Vergleich insbesondere auch nicht wirksam angefochten worden bzw. nichtig; dementsprechend war – in Abänderung des erstinstanzlichen Tenors – die Beendigung des Verfahrens durch Vergleich festzustellen.
Denn auf einen gerichtlich geschlossenen Vergleich sind als Prozesshandlung die Anfechtungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht anwendbar (BSGE 14, 138; BSG, Urteil vom 14.06.1978 – 9/19 RV 31/77 = SozR 1500 § 102 SGG Nr. 2). Insofern kommt es nicht darauf an, ob sich der Antragsteller bei der Zustimmung zu dem protokollierten Vergleich im Irrtum befunden hat oder nicht. Im Übrigen spricht ohnehin nichts dafür, dass der Antragsteller im Termin sich des Inhalts des Vereinbarten oder des Erklärungswertes seiner Zustimmung zu dem Vergleich nicht bewusst gewesen wäre. Vielmehr ist der Vergleich ausweislich der Sitzungsniederschrift – den Erfordernissen an einen Prozessvergleich gemäß (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2002 – B 7 AL 26/02 R) – laut diktiert, den Beteiligten vorgespielt und von ihnen genehmigt worden, ohne dass der Antragsteller insoweit deutlich gemacht hätte, dass er den Vergleichstext nur als Vorschlag zur Kenntnis nehmen und über ihn noch weiter nachdenken wolle. Hierfür spricht auch, dass der Antragsteller durch einen Rechtsanwalt vertreten war; hätte er entsprechende Vorbehalte geäußert, hätte sein Rechtsanwalt entsprechend interveniert. Die elaborierten schriftlichen Äußerungen des akademisch gebildeten Antragstellers legen auch in keiner Weise nahe, dass der Antragsteller der Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht hätte folgen können. Der Senat sieht deshalb die Behauptung des Antragstellers, er sei von einem bloßen Vergleichsvorschlag des Sozialgerichts ausgegangen, ohnehin als nicht glaubhaft an.
Für eine Nichtigkeit des Vergleichs liegen Anhaltspunkte nicht vor.
Zwar mögen zwischen den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Leistungspflichten der Antragsgegnerin aus dem Vergleich bestehen. So ist dem Antragsteller zuzugeben, dass der Vergleichstext eine dingliche Absicherung der darlehensweise zu erbringenden Leistungen jedenfalls nicht ausdrücklich benennt und auch aus der übrigen Sitzungsniederschrift nicht hervorgeht, dass im Zusammenhang mit den Vergleichsgesprächen eine solche Absicherung thematisiert worden wäre (was nicht heißt, dass dies nicht geschehen sein kann). Auch eine Befugnis der Antragstellerin zur Erbringung von Gutschein- anstelle von Geldleistungen mag angesichts der vereinbarten "Auszahlung" von Leistungen in Höhe von 80 Prozent des Regelsatzes in zwei Tranchen fraglich erscheinen. Letztlich hat dies jedoch im vorliegenden Verfahren offen zu bleiben; der Senat kann darüber nicht entscheiden. Denn es handelt sich insoweit nicht um die Frage der Wirksamkeit des protokollierten Vergleichs, sondern um die Frage, welche Leistungspflichtung aus einem – wirksamen – Vergleich für die Antragsgegnerin bestehen. Ein Streit aus einem Vergleich aber ist nicht in Fortsetzung des durch den Vergleich beendeten Verfahrens auszutragen, sondern ggf. als neues Verfahren zu führen (Leitherer, a.a.O., Rn. 17b). Der Antragsteller hätte sich insoweit also ggf. in einem neuen Verfahren an das Sozialgericht zu wenden, in dem er Leistungen aus dem Vergleich als dem – wirksamen – Rechtssatz für die zwischen den Beteiligten für den streitigen Zeitraum geltenden Leistungspflichten geltend machen müsste.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§177 SGG).
Erstellt am: 13.08.2008
Zuletzt verändert am: 13.08.2008