Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.06.2008 aufgehoben.
Gründe:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen Nichtabgabe einer Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (§§ 73a des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -, 120 Abs. 4, 124 Nr. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -).
Mit Beschluss vom 24.02.2005 hat das Sozialgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des ihn vertretenden Rechtsanwaltes bewilligt. Seiner Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO hatte der Kläger eine Bescheinigung über den Bezug von Leistungen nach dem ehemaligen Bundessozialhilfegesetz – BSHG – beigefügt.
Mit Schreiben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 11.02.2008 wurde der Kläger zur Abgabe einer erneuten Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO zwecks Aufklärung aufgefordert, ob in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe relevante Änderung eingetreten sei. Dieses zunächst an eine nicht mehr aktuelle Anschrift des Klägers versandte Schreiben wurde am 25.02.2008 an seine zwischenzeitlich ermittelte neue Anschrift versandt und der Kläger in der Folge dreimal, zuletzt mit am 29.04.2008 abgesendetem Schreiben an eine Beantwortung erinnert.
Mit Schreiben vom 09.06.2008, ihm am 13.08.2008 zugestellt, wurde der Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Nichtabgabe der erbetenen Erklärung zu ggfls. eingetretenen Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angehört. Hierzu wurde dem Kläger eine Frist von zwei Wochen ab Zugang des Schreibens gesetzt.
Am 23.06.2008 ging das Anhörungsschreiben zusammen mit der Seite 9 eines im Übrigen nicht bezeichneten Bewilligungsbescheides über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende – SGB II – beim Sozialgericht ein, in dem der Kläger als Leistungsbezieher genannt wird.
Daraufhin hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.06.2008 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 24.02.2005 aufgehoben. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Abgabe einer Erklärung über Veränderungen in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht nachgekommen, indem er lediglich Seite 9 eines Bewilligungsbescheides nach dem SGB II eingereicht habe. Insbesondere sei nicht erkennbar, für welchen Zeitraum die Bewilligung gelte. Die Überprüfung der aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei danach in keiner Form möglich.
Gegen den am 02.07.2008 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 24.07.2008. Bei Einlegung der Beschwerde zu Protokoll der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hat der Kläger die erste Seite eines ihn betreffenden Bewilligungsbescheides über die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vorgelegt.
Die am 24.07.2008 eingelegte Beschwerde ist zulässig.
Gem. § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine derartige Ausnahme regelt nicht § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.02.2008 (BGBl. 1 S. 444). Hiernach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nur ausgeschlossen, "wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verneint". Die vorliegende Beschwerde richtet sich aber gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen unterbliebener Mitwirkung an der Aufklärung, ob die für die Bewilligung maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse weiterhin vorliegen (§§ 120 Abs. 4, 124 Nr. 2 ZPO). Dieser Fall wird vom Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst, da Grund der angefochtenen Aufhebung die unterbliebene Mitwirkung, nicht jedoch das Fehlen der geforderten persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist. Nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung von § 172 SGG (Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BTDTS. 828/07 vom 15.11.2007, S. 29) soll die Ablehnung von Prozesskostenhilfe mit der Beschwerde nur noch dann angefochten werden können, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Habe das Gericht hingegen die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, sei die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft. An einer solchen ablehnenden Entscheidung zum Zeitpunkt des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses fehlt es, weshalb der Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG im vorliegenden Fall nicht greift (ebenso: Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.06.2008 – L 5 B 163/08 AS -).
Der Senat lässt hierbei dahingestellt, ob dies auch für die (anfängliche) Ablehnung von Prozesskostenhilfe wegen unterbliebener Glaubhaftmachung des Vorliegens der für die Bewilligung erforderlichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 118 Abs. 2 S. 4 ZPO) gilt.
Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, da der Kläger durch Nachreichung der ersten Seite des Bewilligungsbescheides vom 20.05.2008 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II die Überprüfung ermöglicht hat, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei ihm weiterhin vorliegen.
Die Nachholung dieser Handlung im Beschwerdeverfahren wird allgemein für zulässig gehalten (Reichholt in Thomas Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 124 Rn. 3 m.w.N.; Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 124 Rn. 10 m.w.N.; Musielak; ZPO, 6. Aufl., § 124 Rn.6. m.w.N., a.A. Hahmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 124 Rn. 39).
Allerdings kann vor dem Hintergrund der vom Kläger nach dem Inhalt des Bewilligungsbescheides vom 20.05.2008 offensichtlich ausgeübten selbständigen Tätigkeit weitere Aufklärung erforderlich sein, bevor sich beantworten lässt, ob ihm weiterhin Bedürftigkeit vorliegt. Hierzu bedarf es gezielter Nachfrage, deren Nichtbeachtung sodann (erneut) zur Aufhebung nach §§ 120 Abs. 4, 14 Nr. 2 ZPO führen könnte.
Dieser Beschluss nach § 177 SGG endgültig.
Erstellt am: 02.09.2008
Zuletzt verändert am: 02.09.2008