Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 08.03.2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres.
Der am 00.00.1943 geborene Kläger absolvierte von Oktober 1958 bis Januar 1961 eine Ausbildung zum Bergjungmann ohne Abschluss. Für diesen Zeitraum sind Pflichtbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung in den Versicherungsverlauf eingestellt. Ab 16.01.1961 bis 29.09.1982 sind, unterbrochen von Zeiten wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit, Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter bzw. der Angestellten im Versicherungsverlauf vorhanden. Vom 30.05. bis 30.09.1983 verbüßte der Kläger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) B eine Haftstrafe. Für die von ihm in diesem Zeitraum in der JVA verrichtete Arbeit wurden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Der Zeitraum von Oktober 1983 bis 08.06.1988 ist bis auf einen Fachschulbesuch vom 10.03. bis 21.03.1986 nicht belegt. Vom 09.06.1988 bis 29.11.1989 verbüßte der Kläger in der JVA X erneut eine Haftstrafe. Für die von ihm vom 25.07.1988 bis 28.11.1989 in der JVA verrichtete Tätigkeit wurden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt. Ausweislich des Versicherungsverlaufs war der Kläger vom 30.11.1989 bis 16.03.1990 arbeitslos. Der Zeitraum ab dem 17.03.1990 ist nicht mit rentenrechtlichen Zeiten belegt. Nach den Angaben des Klägers vom 03.12.2004 war er nach ab 17.03.1990 nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt. Für die während weiterer Zeiten der Haft (vom 14.04. bis 01.08.2003 – JVA S und vom 22.03. bis 29.10.2004 – JVA L) verrichteten Beschäftigungen wurden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Ab dem 04.11.2004 war der Kläger ohne Leistungsbezug arbeitslos und arbeitssuchend gemeldet.
Am 03.12.2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die berufs- oder erwerbsunfähig sind. Mit Bescheid vom 05.04.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab.
Die erforderliche Wartezeit von 35 Jahren sei nicht erfüllt. Für die Wartezeit seien nur 21 Jahre und 5 Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten zu berücksichtigen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 09.06.2005). Statt der erforderlichen 420 Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten habe er lediglich 232 Kalendermonate mit Beitragszeiten und 25 Kalendermonate mit Anrechnungszeiten und somit insgesamt nur insgesamt 257 Monate mit rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt.
Die Zeiten der Beschäftigung in den Justizvollzugsanstalten während der jeweiligen Haftzeiten könnten nicht als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden. Für diese Zeiten seien lediglich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und nicht auch Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet worden.
Unter dem 28.07.2005 beantragte der Kläger erneut Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die berufs- oder erwerbsunfähig und erstmals die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres.
Den Antrag auf Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2005 ab, weil der Kläger in den letzten 10 Jahren vor Beginn der Rente nicht mindestens 8 Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt hat. Die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen wurde ebenfalls mit Bescheid vom 13.10.2005 abgelehnt, weil der Kläger nicht die Wartezeit von 35 Jahren erfüllte. Beide Bescheide wurden mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Widerspruch legte der Kläger gegen diese Bescheide jedoch nicht ein.
Gegen den Bescheid vom 05.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2005 hat der Kläger zum Sozialgericht Aachen (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er die Auffassung vertreten, dass auch die Zeiten seiner Beschäftigung in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten während der Haftzeit rentenrechtliche Zeiten seien.
Das Sozialgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger schriftsätzlich beantragt hat;
den Bescheid vom 05.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente für Schwerbehinderte nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.03.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine Anspruch auf Gewährung von Altersrente für Schwerbehinderte. Die erforderliche Wartezeit sei nicht erfüllt. Die Zeiten der Beschäftigung in den Justizvollzugsanstalten seien nicht anzurechnen. Es habe sich dabei nicht um Pflichtversicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung gehandelt. Für diese Beschäftigungen seien lediglich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden.
Gegen den Gerichtsbescheid richtet sich die am 13.03.2007 erhobene Berufung. Zur Begründung wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.06.2008 ist für den Kläger niemand erschienen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides für zutreffend.
Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den übrigen Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache in der Besetzung, wie sie der Geschäftsverteilungsplan vorsieht, verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger am 13.06.2008 einen Befangenheitsantrag gestellt hat. Es bedurfte vor der mündlichen Verhandlung keiner förmlichen Entscheidung über den Befangenheitsantrag. Vielmehr konnte der Senat über das Ablehnungsgesuch zugleich mit der Entscheidung über die Berufung befinden (vgl. BSG, Beschluss vom 16.02.2001, B 11 AL 19/01 B, SozSich 2003, 397), weil der Kläger sein Ablehnungsrecht missbraucht hat und der Antrag damit unzulässig war. Über ein offenbar rechtsmissbräuchlich gestelltes Befangenheitsgesuch muss nicht förmlich entschieden werden (vgl. BSG, Beschluss vom 26.04.1989, 11 BAr 33/88; Keller in Meyer/Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage München 2005, § 60 Rdnr. 10 d).
Der Befangenheitsantrag des Klägers ist offenbar rechtsmissbräuchlich. Eine Nichtbescheidung wegen offensichtlicher Rechtsmissbräuchlichkeit ist u.a. dann gerechtfertigt, wenn das Ablehnungsgesuch nicht ausreichend individualisiert ist und/oder keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden. Der Ablehnungsgrund muss durch nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise substantiiert werden; Wertungen ohne Tatsachensubstanz genügen nicht. (vgl. BVerwG Beschluss vom 07.08.1997, B 18/97, NJW 1997, 3327). Diesen Anforderungen trägt das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 13.06.2008 nicht Rechnung. Zur Begründung machte er darin lediglich geltend, die abgelehnten Richter hätten eine arglistige Täuschung begangen und würden rechtsmissbräuchlich handeln. Ein derartiger pauschaler Angriff reicht zur Substantiierung eines Ablehnungsgesuchs nicht aus.
Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Der Kläger ist mit ordnungsgemäß erfolgter Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Streitgegenstand bestimmt sich nach dem Bescheid vom 05.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2005. Demnach begehrt der Kläger die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Einzig den Bescheid vom 05.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2005 hat der Kläger mit der Klage angegriffen, während er gegen den Bescheid vom 13.10.2005 über die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres keinen Widerspruch erhoben hat. Letztlich kann jedoch dahin gestellt bleiben, ob der Kläger lediglich allein einen Anspruch auf Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen verfolgt oder hilfsweise auch eine vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit begehrt: Es besteht unter keinem dieser rechtlichen Gesichtspunkte ein Anspruch auf ein vorgezogenes Altersruhegeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres.
Ein Anspruch des Klägers auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen gem. § 236 a SGB VI (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung – a.F.) besteht nicht, weil der Kläger jedenfalls nicht die Wartezeit von 35 Jahren ( § 236 a Nr. 3 SGB VI a.F.) erfüllt. Statt der erforderlichen 420 Kalendermonate (35 Jahre) mit rentenrechtlichen Zeiten hat der Kläger lediglich 232 Kalendermonate mit Beitragszeiten und 25 Kalendermonate mit Anrechnungszeiten und somit insgesamt nur 257 Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt (§ 51 Abs 3 und Abs 4, § 54 sowie § 58 SGB VI). Die Zeiten der Beschäftigung in den Justizvollzugsanstalten während der jeweiligen Haftzeiten sind keine rentenrechtlichen Zeiten. Für die Beschäftigungen während der Haftzeiten sind lediglich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden. Die im geschlossenen Strafvollzug geleistete oder zu leistende Arbeit ist nicht rentenversicherungspflichtig. An einer entsprechenden gesetzlichen Regelung fehlt es. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Grundgesetz zwingt nicht zu einem rentenrechtlichen Versicherungsschutz für Arbeiten im (geschlossenen) Strafvollzug (BVerfG, Urteil vom 01.07.1998, 2 BvR 441/90, 2 BvR 493/90, 2 BvR 618/92, 2 BvR 212/93, 2 BvL 17/94, BVerfGE 98, 169 ff). Dass der Kläger während der jeweiligen Haftzeiten als Freigänger nach § 39 Abs 1 Strafvollzugsgesetz (StVollZG) außerhalb der JVA ein freies Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist, ist trotz entsprechendem gerichtlichen Hinweis, von ihm nicht vorgetragen worden.
Letztlich würden selbst unter Zugrundelegung der Haftzeiten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Zu den vorhandenen 257 Kalendermonaten rentenrechtlicher Zeiten würden aufgrund der Beschäftigung während der Haftzeiten allenfalls noch weitere 32 Kalendermonate hinzutreten. Es würden sodann nach wie vor noch 131 Kalendermonate rentenrechtliche Zeiten zur Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren fehlen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit (§ 237 SGB VI in der bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung). Zwar hat der Kläger 232 Kalendermonate und somit mehr als 19 Jahre Beitragszeiten zurückgelegt, erfüllt jedoch nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 237 Abs 1 Nr. 4 SGB VI). Der Kläger hat in den letzten 10 Jahren vor Beginn der Rente (Antragsdatum 28.07.2005) nicht mindestens 8 Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.
Der letzte Pflichtbeitrag ist für den Monat September 1982 belegt. Ausweislich des Versicherungsverlauf sind keine Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten oder Zeiten des Rentenbezugs erkennbar, die den Zeitraum von 10 Jahren derart verlängern, dass vom Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausgegangen werden kann. Für die Zeiten der Beschäftigung in den Justizvollzugsanstalten wurden lediglich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und nicht auch Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung waren für diese Beschäftigungen auch nicht zu entrichten. Es hat sich bei diesen Tätigkeiten während der Haftzeiten nicht um freie Beschäftigungsverhältnisse nach § 39 StVollZG für Freigänger, sondern um Beschäftigungen nach § 41 StVollZG im Rahmen der Arbeitspflicht gehandelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles.
Erstellt am: 04.09.2008
Zuletzt verändert am: 04.09.2008