Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 02.07.2008 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren, das bei dem Sozialgericht Dortmund unter dem Az. S 46 (15) R 155/08 geführt wird, die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 13.979,76 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 5.091,00 EUR. Im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstrebt die Antragstellerin (ASt in) Vollstreckungsschutz sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt T aus T.
In der Zeit vom 24.03.2006 bis zum 16.04.2007 führte die Antragsgegnerin (AG in) in dem Imbissbetrieb der ASt in für den Prüfzeitraum vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2005 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch. Mit Bescheid vom 20.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2008 machte die AG in die o. g. Nachforderung geltend. Sie ging dabei davon aus, dass die ASt in Arbeitnehmer beschäftigt und entlohnt habe, ohne diese gegenüber den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung grundsätzlich bzw. den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend anzumelden und damit im Zusammenhang stehend die ihr als Arbeitgeberin obliegenden Aufzeichnungs- und Meldepflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. In der Finanzbuchhaltung der Firma der ASt in seien für die Jahre 2002 und 2003 Aushilfslöhne und Lohnsummen gebucht worden, die bis zum Abschluss des Vorverfahrens nicht durch Lohnkonten, Monatsabrechnungen, Arbeitsverträge, Beitragsnachweise oder Stundenaufzeichnungen hätten belegt werden können. Auch seien Meldungen zur Sozialversicherung nicht oder völlig unzureichend erstellt worden; die gemeldeten Entgeltdaten hätten mit den Buchungen nicht übereingestimmt. Der Steuerberater P der ASt in hatte insoweit am 24.03.2006 erklärt und unterschriftlich bestätigt, dass im gesamten Prüfzeitraum keinerlei Lohnunterlagen geführt worden seien. Auf diesen Umstand wurde auch im Protokoll der Schlussbesprechung am 14.11.2006, wiederum unterschriftlich bestätigt durch den Steuerberater P der ASt in, hingewiesen. Die mit dem Widerspruch angekündigten Unterlagen hatte der Steuerberater trotz Erinnerung nicht vorgelegt.
Parallel zu der am 06.06.2008 zum Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage hat die ASt in im Rahmen ihres Antrages auf "Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 10.07.2007 gegen den Bescheid vom 20.06.2007" geltend gemacht, sie habe den Imbissbetrieb bis zum 31.12.2006 geführt. Sie sei eine sorgfältige Geschäftsfrau, die ihren Aufzeichnungspflichten stets nachgekommen sei. Allerdings seien die von der AG in geforderten Unterlagen offensichtlich im Rahmen von Umzügen, die wegen Bauarbeiten in ihrer Wohnung und in dem Betrieb stattgefunden hätten, verloren gegangen. Zuvor seien sie jedoch jeweils von dem Steuerberater P dem Bearbeitungsauftrag entsprechend weiterbearbeitet worden. Wenn von ihr die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt werden sollte, so sei sie gegenüber Banken und Vertragspartnern diskreditiert; ihr drohten erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Auch eine Sicherheitsleistung könne sie nicht erbringen; denn sie verfüge nach Aufgabe des Betriebes nicht über entsprechende finanzielle Möglichkeiten.
Die ASt in hat zunächst beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.07.2007 herzustellen.
Trotz des Hinweises des Sozialgerichts, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.07.2007 nicht wieder hergestellt werden könne, nachdem die AG in über diesen bereits entschieden habe und ein Klageverfahren anhängig sei, hat der Prozessbevollmächtigte der ASt in seinen Antrag lediglich geringfügig modifiziert und schriftsätzlich beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.07.2007 anzuordnen.
Die AG in hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat neben formellen Bedenken geltend gemacht, die ASt in habe entgegen allen Ankündigungen auch während der gerichtlichen Verfahren keine die Buchungen belegenden Unterlagen vorgelegt. Sie trage auch erstmals im Klageverfahren vor, dass die Unterlagen verloren gegangen seien. Bislang sei behauptet worden, entsprechende Unterlagen seien nie geführt worden. Dennoch sei sie, die AG in, in Übereinstimmung mit der Einzugsstelle bereit, einer Aussetzung der Beitragsforderung nach § 86b SGG bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zuzustimmen, wenn die ASt in eine entsprechende Sicherheitsleistung erbringe und sich verpflichte, den Nachforderungsbetrag angemessen zu verzinsen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 02.07.2008 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen und den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei nicht statthaft. Nachdem der Widerspruch der ASt in mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2008 zurückgewiesen und Klage erhoben worden sei, habe statthaft lediglich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage begehrt werden können. Trotz gerichtlichen Hinweises habe der Prozessbevollmächtigte der ASt in, dessen Verhalten sie sich zurechnen lassen müsse, seinen Antrag nicht entscheidend umgestellt. Eine Umdeutung des Antrages verbiete sich. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Eilverfahrens sei auch der Antrag auf Bewilligung von PKH abzulehnen gewesen.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 04.07.2008 zugestellten Beschluss hat die ASt in am 10.07.2008 "sofortige Beschwerde" eingelegt. Sie erachtet die Entscheidung des Sozialgerichts, das nicht auf den geänderten Antrag eingegangen sei, als willkürlich. Im Übrigen bezieht sie sich zur Begründung auf den bisherigen Vortrag.
Die ASt in stellt schriftsätzlich keinen Antrag.
Die AG in beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde der ASt in gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 02.07.2008 zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Dortmund, Az.: S 46 (15) R 155/08, Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene "sofortige Beschwerde", die das SGG – anders als § 567 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 78 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) – nicht kennt und die als Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 i. V. m. § 173 S. 1 SGG auszulegen ist, ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Beschluss vom 02.07.2008 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen und den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Der Senat verweist zur Begründung auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, denen er sich entsprechend § 153 Abs. 2 SGG nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollinhaltlich anschließt. Der Prozessbevollmächtigte der ASt in hat nicht einmal im Beschwerdeverfahren eine Umstellung seines Antrages vorgenommen und unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Dortmund vom 02.07.2008 die Anordnung der aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG beantragt. Vielmehr hat er die erstinstanzliche Umstellung seines Antrages, die sich auf die Auswechslung der Verben "herzustellen" und "anzuordnen" beschränkt hat, auch in Kenntnis der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe als ausreichend angesehen. Dieser Auffassung vermag sich der Senat in Bezugnahme auf die zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts in keiner Weise anzuschließen.
Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass der Antrag der ASt in auch unbegründet ist. Diese hat weder einen Anordnungsgrund, also die besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens, glaubhaft gemacht noch ist ein Anordnungsanspruch ersichtlich.
Ein Anspruch auf vorläufige Aussetzung der Vollstreckung ist nicht ersichtlich. Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten, um die es vorliegend geht. Maßstab für eine Entscheidung im Eilverfahren, ob dennoch die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, ist gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG eine umfassende Abwägung des privaten Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Vor allem dann, wenn der Verwaltungsakt bereits nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig ist, kann schlechterdings ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehbarkeit nicht bestehen, so dass das Aufschubinteresse Vorrang hat. In den anderen Fällen verbleibt es bei der gesetzlichen Anordnung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage.
Für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des mit der Klage angefochtenen Bescheides vom 20.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2008 bestehen nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Anhaltspunkte. Im Hinblick auf die zweifache Erklärung des Steuerberaters P, dass die ASt in nie entsprechende Lohnunterlagen geführt habe, erscheint der erstmals im gerichtlichen Verfahren behauptete Verlust entsprechender Unterlagen nicht nachvollziehbar. Insoweit hat die ASt in zur Glaubhaftmachung nicht einmal eine eidesstattliche Versicherung von Beschäftigten oder des Steuerberaters vorgelegt. Im Übrigen sollte sich die ASt in über mögliche strafrechtliche Folgen falscher Angaben in einem gerichtlichen Verfahren klar werden. Bezüglich ihres privaten Aufschubinteresses hat sich die ASt in auf den Vortrag beschränkt, ihre finanziellen Verhältnisse erlaubten weder die Zahlung der nachgeforderten Beiträge noch die Einholung einer Sicherheitsleistung, ohne schlüssige Angaben zu den aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Aus der im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geht lediglich hervor, wie hoch das Einkommen der ASt in und ihres Ehemannes im Jahre 2006 gewesen ist, nicht aber, wovon sie und ihre vier Kinder ihren Lebensunterhalt nach der behaupteten Aufgabe des Gewerbebetriebes bestreiten, die ebenfalls nicht durch eine Kopie der Gewerbeabmeldung nachgewiesen worden ist, insbesondere, welche Einkünfte der dem Grunde nach unterhaltspflichtige Ehemann aktuell erzielt. Es dürfte wohl kaum der Wahrheit entsprechen, dass die sechsköpfige Familie ausschließlich über Kindergeld und die Eigenheimzulage als Einkommen verfügt. Auch bezüglich der Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist die ASt in eindringlich auf ihre Wahrheitspflicht zu verweisen.
Die gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH gerichtete Beschwerde war, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Erstellt am: 08.10.2008
Zuletzt verändert am: 08.10.2008