Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.07.2008 geändert. Die Beigeladene zu 2) wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, auf den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Antragstellerin einstweilen ab dem 03.07.2008 bis zum 31.10.2008 Leistungen nach § 2 Abs.1 Asylbewerberleistungsgesetz zu erbringen. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. C für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt. Die Beigeladene zu 2) trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge. Eine weitergehende Kostenerstattung findet zwischen den Beteiligten nicht statt.
Gründe:
I.
Die am 00.00.1957 geborene Antragstellerin (Ast) ist Volkszugehörige der Roma aus Serbien/Montenegro. Sie hält sich seit 1991 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge wies die Antragstellerin nach den Bestimmungen des Asylverfahrensgesetzes der Gemeinde P/Rheinisch-Bergischer Kreis zu. Das Asyl- und Asylfolgeverfahren sind rechtskräftig abgeschlossen und für die Antragstellerin erfolglos geblieben. Nach der zuletzt mit Verfügung des Rheinisch-Bergischen Kreises vom 16.06.2008 erteilten Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist ihr Aufenthalt auf Nordrhein-Westfalen beschränkt mit der Verpflichtung, den Wohnsitz in P zu nehmen. Die Ast hat im April 2008 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG und im Juli 2008 die Erteilung der Zustimmung zum Wohnortwechsel zu ihrem im Bereich der Beigeladenen zu 2) lebenden Sohn C beantragt, bei dem sie sich seit längerer Zeit, nach Angaben ihres Sohnes seit etwa dem Jahre 2000 tatsächlich aufhält. Seit dem 17.09.2008 befindet sich die Ast in stationärer Behandlung in der Neurologischen Universitätsklinik C1.
Am 22.04.2008 beantragte die Ast nach Aufforderung durch das Ausländeramt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II/Arbeitslosengeld II) bei der Antragsgegnerin (Ag) unter Hinweis auf den gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG. Bis zum 17.04.2008 hatte sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der Gemeinde P bezogen.
Die Ag lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.04.2008 mit der Begründung ab, dass sie zur Leistungsgewährung unzuständig sei, weil die Ast. ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei ihrem Sohn in C2 habe. Auf den Widerspruch bewilligte die Ag mit bindend gewordenem Bescheid vom 29.04.2008 vorläufig Leistungen gem § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II iVm § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III für die Zeit vom 18.04.2008 bis 30.04.2008 in Höhe von 150,39 EUR und vom 01.05.2008 bis 31.05.2008 in Höhe von 347 EUR. Vorläufig wurde die Leistung bewilligt, weil die Ast ihren gewöhnlichen und tatsächlichen Aufenthalt in C1 und damit im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) habe.
Den am 26.05.2008 gestellten Weiterbewilligungsantrag lehnte die Ag mit Bescheid vom 16.06.2008 mit der Begründung ab, die Ast habe ihren tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt in C2. Die Beigeladene zu 1) hatte ebenfalls die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II abgelehnt, allerdings mit der Begründung, die Ast gehöre zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 Nr. 4 AsylbLG , so dass gem § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht bestehe (Bescheid vom 23.07.2008, Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008).
Die Ast hat am 03.07.2008 beim Sozialgericht (SG) Köln beantragt, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sowie ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Das SG hat mit Beschluss vom 29.07.2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ag zu Recht ihre örtliche Zuständigkeit verneint habe. Die Ast lebe in C2 bei ihrem Sohn, so dass eine Leistungsträgerschaft der Beigeladenen zu 2) in Betracht komme, sofern die Voraussetzungen der §§ 7 und 8 SGB II vorliegen würden. Gegen den am 05.08.2008 zugestellten Beschluss hat die Ast am 06.08.2008 Beschwerde eingelegt.
Die Ast macht geltend, nach § 43 SGB I habe bei Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Leistungsträgern der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen zu gewähren.
Die Ag und Beigeladene zu 1) sind der Ansicht, es komme auf die örtliche Zuständigkeit zur Klärung einer Leistungsberechtigung nach dem SGB II nicht an. Erst mit Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach § 104a AufenthG entfalle der Leistungsausschluss nach § 7 SGB II. Da die Ast die Erteilung eines Aufenthaltstitels bislang lediglich beantragt habe, sei sie berechtigt, Leistungen nach dem AsylbLG zu beziehen. Aber selbst wenn der Aufenthaltstitel nach § 104a AufenthG inzwischen erteilt worden sein sollte, sei die Erwerbsfähigkeit in Frage zu stellen. Sie habe gegenüber der Beigeladenen zu 1) angegeben, gesundheitlich nicht in der Lage zu sein, eine Tätigkeit von mindestens 3 Stunden täglich auszuüben.
Die Beigeladene zu 2) trägt vor, die Ast sei bei ihrer Vorsprache vor ca. 7 Wochen zuständigkeitshalber an das Sozialamt der Stadt P verwiesen worden. Die Stadt C2 sei für die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG örtlich unzuständig. Aufgrund der ausländerrechtlichen Duldung sei die Ast verpflichtet, ihren Wohnsitz in P zu nehmen. Die Auffassung der Ag und Beigeladenen zu 1) zum Ausschluss von SGB II-Leistungen werde geteilt.
Der Sohn C der Antragstellerin hat im Erörterungstermin vom 25.09.2008 erklärt, er sei verheiratet und habe 3 Kinder und lebe mit seiner Familie in einer 78 qm großen Wohnung in der L-straße 00 in C2. Die Familie lebe von SGB II-Leistungen, Leistungsträger sei die Beigeladene zu 1). Seine Mutter habe in den letzten 4 Monaten mit Unterstützungsleistungen von Freunden in seinem Haushalt leben können.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist im Sinne der Verpflichtung der Beigeladenen zu 2) zur Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG begründet. Hierzu kann die Beigeladene als Träger der Sozialhilfe nach Beiladung verurteilt werden (§ 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG).
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05-, NVwZ 2005, S. 927).
Der Ast, die seit der Beendigung des vorläufigen Leistungsbezuges bei der Ag zum 31.05.2008 weder über Einkommen noch anrechenbares Vermögen verfügt, stehen bei der in Verfahren dieser Art gebotenen summarischen Prüfung Leistungen nach dem AsylbLG zu. Sie hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund besteht bereits deshalb, weil ein Anspruch nach dem AsylbLG seit dem 01.06.2008 glaubhaft gemacht worden ist, denn erst durch Leistungen in Höhe von Sozialhilfeleistungen im Sinne sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG wird das Existenzminimum sichergestellt.
Entgegen der von der Ag getroffenen Ausgangsentscheidung (Bescheid vom 29.04.2008) unterfällt die Ast nicht dem Leistungsrecht des SGB II. Die Ast ist gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II von Leistungen nach diesem Gesetz ausgeschlossen, denn sie ist, worüber inzwischen unter den Beteiligten Einvernehmen besteht, Leistungsberechtigte nach § 1 des AsylbLG. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen. Diesen Status besitzt die Ast seit der rechtskräftigen Ablehnung des Asyl – Folgeantrags am 20.07.2001. Ihr Status hat sich, entgegen des ihr vom Ausländeramtes des Rheinisch-Bergischen Kreises erteilten Hinweises, durch die Beantragung eines Aufenthaltstitels nach § 104a AufenthG nicht geändert. Die statusverbessernden Wirkungen eines Aufenthaltstitels nach § 104a AufenthG (gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG) treten erst mit Erteilung der Erlaubnis ein. Dies ist bislang nicht geschehen.
Für die Leistungserbringung ist die Beigeladene zu 2) der zuständige Leistungsträger. Zu Unrecht beruft sich die Beigeladene zu 2) auf eine Zuständigkeit der Gemeinde P. Eine Zuständigkeit der Gemeinde P ergibt sich weder aus der Zuweisung der Landesstelle zur Durchführung des Asylverfahrens noch aus der zur Duldung erteilten ausländerrechtlichen Verpflichtung, den Wohnsitz in P zu nehmen. Maßgebend für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist § 10a AsylbLG. Danach ist außerhalb der in § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG geregelten Fälle die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Die Antragstellerin hat sich in dem hier interessierenden Zeitraum bis zum Beginn der stationären Krankenhausbehandlung unzweifelhaft im Bereich der Beigeladenen zu 2) aufgehalten. Entgegen deren Ansicht greift die vorrangige Zuständigkeitsregelung nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht ein. Danach ist für Leistungen nach dem AsylbLG örtlich zuständig die nach § 10 bestimmte Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte aufgrund der Entscheidung der vom Bundesministerium des Innern bestimmten zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist. Die hier vorliegende Zuweisungsentscheidung der Landesstelle kann zur Begründung der Zuständigkeit der Gemeinde P nicht mehr herangezogen werden. Diese Zuweisungsentscheidung hat sich mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylfolgeverfahrens im Jahre 2001 erledigt (vgl. LSG NRW vom 12.01.2006 L 20 B 11/05 AY ER mit weiteren Nachweisen). In der nachfolgenden Zeit hat sich das Aufenthaltsrecht wegen bestehender Ausreisehindernisse, ohne dass ein Zusammenhang mit einem Asylverfahren bestanden hat, auf der Grundlage ausländerrechtlicher Duldungen gestaltet, zuletzt auf der Grundlage des § 60a AufenthG.
Leistungen nach dem AsylbLG sind auch mit Wirkung für die Beigeladene zu 2) beantragt worden, auch wenn der Leistungsantrag am 26.05.2008 bei der für die Ast unzuständigen Ag gestellt wurden. Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellt worden sind, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung, wie hier, von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt in dem er bei der unzuständigen Stelle eingegangen ist (vgl. § 16 Abs. 2 SGB I). Die von der Ag unterlassene Weiterleitung des Antrags kann nicht der Ast zum Nachteil gelangen. Zudem hat die Ag selbst eingeräumt, die Ast habe vor ca. 7 Wochen bei ihr mit dem Begehren um Sozialleistungen vorgesprochen.
In der Höhe stehen der Ast Leistungen entsprechend den Regelungen des SGB XII zu (sog. Analogleistungen im Sinne des § 2 AsylbLG). Nach dieser Vorschrift erhalten Leistungsberechtigte, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach dem AsybLG bezogen und die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, abweichend von den §§ 3 bis 7 des AsylbLG Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII. Dieser Vorleistungsbezug ist bei der Ast, die sich seit 1991 in der Bundesrepublik aufhält, unzweifelhaft erfüllt. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Verlängerung des Aufenthaltes ergeben sich nach summarischer Prüfung auch unter Berücksichtigung des Inhaltes der beigezogenen Akten des Ausländeramtes des Rheinisch-Bergischen Kreises nicht.
Bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen ist auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht abzustellen. Durch eine einstweilige Anordnung soll in Verfahren dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, wobei die Zeit des Eingangs des Antrages bei Gericht bis zu seiner (Beschwerde-) Entscheidung nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.01.2008, L 8 SO 88/07 ER). Bei der Befristung der Leistungen hat der Senat berücksichtigt, dass sich die Ast erst nach Entlassung aus der stationären Behandlung um die Sicherung von Folgeansprüchen kümmern kann.
Dementsprechend war der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen. Die vom Sozialgericht unterbliebene Beiladung des zuständigen Leistungsträgers kann ihr nicht angelastet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie hat ihre Leistungsverpflichtung, auch wenn sie erst im Beschwerdeverfahren beteiligt wurde, zu Unrecht verneint.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 08.10.2008
Zuletzt verändert am: 08.10.2008