Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.05.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wehrt sich gegen die Entziehung der Verletztenrente.
Die 1958 geborene Klägerin erlitt am 00.00.1985 einen von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Autounfall. Gestützt auf das Gutachten des Chirurgen Dr. C, Berufsgenossenschaftliche Krankenanstalten "C C", vom 07.11.1986 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 01.10.1986 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. unter Anerkennung folgender Unfallfolgen: geringfügige endgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule (HWS), Druckschmerzhaftigkeit der Kopfgelenksregion mit Reizung im Hinterhauptbereich, Kraftminderung des 4. und 5. Fingers der linken Hand, Sensibilitätsstörungen im linken Arm und der Langfinger der linken Hand mit vermehrten Reflexveränderungen, leichte Minderung der Hohlhandbeschwielung links nach HWS-Schleudertrauma mit Beteiligung des Bandscheibenzwischenraums der Halswirbelkörper C5 und C6 (Bescheid vom 10.04.1987).
Im Mai 1987 machte die Klägerin eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin erneut durch Dr. C untersuchen. Dieser führte in seinem Gutachten vom 28.11.1990 aus, dass die von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigungen der Hand nicht objektivierbar seien; allerdings lägen im Bereich der Halswirbelsäule voraussichtlich nach wie vor Unfallschäden vor, die eine MdE von 20 v. H. rechtfertigten.
Im Oktober 2000 wandte sich der Bruder der Klägerin an die Beklagte und legte eine Kopie des von ihm an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gerichteten Schreibens vom 13.09.2000 vor. Hierin führte er aus, dass die Klägerin auf ihrem eigenen Grundstück schwere Gartenarbeit, Rasenmäherarbeiten usw. verrichte und im Übrigen seit mehreren Jahren zwei Pflegefälle betreue; insofern sei bei der Klägerin nicht von einer "kranken Person" auszugehen.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Verfahren zur Überprüfung ihrer Leistungspflicht ein und ließ die Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C1, der auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen konnte, und den Chirurgen Dr. T untersuchen. Dieser kam zu folgendem Ergebnis: Nennenswerte Funktionseinschränkungen der Hand seien nicht mehr erkennbar. Nach wie vor bestehe eine endgradige Bewegungseinschränkung der HWS, wobei sich allerdings in diesem Bereich auch degenerative Veränderungen, die unfallnah noch nicht betanden hätten, zeigten. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Jahre 1996 einen weiteren Unfall mit Beeinträchtigung der HWS erlitten habe. Nach Anhörung der Klägerin entzog die Beklagte mit Bescheid vom 25.10.2001 die Verletztenrente mit Wirkung zum Ablauf des Monats Oktober 2001. Zur Begründung führte sie aus: Eine wesentliche Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse seien dahingehend eingetreten, dass die Kraftminderung des 4. und 5. Fingers der linken Hand, die Sensibilitätsstörungen im linken Arm und der Langfinger der linken Hand mit vermehrten Reflexveränderungen sowie die Minderung der Hohlhandbeschwielung links nicht mehr bestünden; eine rentenberechtigende MdE werde nicht mehr erreicht.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren zog die Beklagte einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. M bei. Dieser meinte, dass jedenfalls der Unfall aus 1996 nur zu einer vorübergehenden Verschlimmerung geführt habe und nach Ablauf etwa eines halben Jahres der ursprüngliche Zustand wieder eingetreten sei.
Des Weiteren holte die Beklagte ein Gutachten von dem Chirurgen Dr. T2, Evangelisches X-krankenhaus Bad H, ein. Dieser stellte als Unfallfolgen eine endgradige Bewegungseinschränkung der HWS und einen Plexusschaden der linken oberen Extremität mit kompletter Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand fest; die unfallbedingte MdE bewertete er mit 20 v. H.
Auf den Einwand der Beklagten, dass der Nachweis eines Plexusschadens nicht erbracht sei, räumte Dr. T2 in seiner Stellungnahme vom 16.06.2005 ein, dass ein Armplexusschaden tatsächlich nicht nachgewiesen sei. Er blieb jedoch bei seiner MdE-Einschätzung, die er damit begründete, dass schon allein wegen der Schäden an der HWS eine MdE von 20 v. H. in Ansatz zu bringen sei.
Auf weiteren Vorhalt der Beklagten, dass bei einer nur endgradigen Bewegungseinschränkung eine MdE von 20 v. H. nicht nachvollziehbar sei, führte Dr. T2 in seiner Stellungnahme vom 03.07.2005 aus: Die unfallnahen Röntgen- und MRT-Befunde seien unauffällig gewesen. Zwischenzeitlich habe sich jedoch eine völlig altersuntypische Veränderung der HWS im Röntgenbefund gezeigt, die als posttraumatisch zu bewerten sei. Daher sei eine MdE von 20 v. H. allein für die Schäden an der HWS korrekt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2005, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Rechtsbehelf der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 21.10.2005 Klage erhoben und sich im Wesentlichen auf die Beurteilung von Dr. T2 bezogen.
Die Beklagte, die auf ihrem Standpunkt verblieben ist, hat eine Stellungnahme des Chirurgen Prof. Dr. F, St. S-Hospital in D, vorgelegt. Dieser hat gemeint, dass ein traumatische Schädigung der Bandscheibe nicht bewiesen sei und Dr. T2 unkritisch Befunde übernommen habe; die festgestellte endgradige Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit rechtfertige keine MdE von 20 v. H.; die Veränderungen der HWS, auf die Dr. T2 seine Beurteilung stütze, seien ganz offensichtlich degenerativer Natur und nicht unfallbedingt; im Ergebnis seien keinerlei nachweisbare Unfallfolgen mehr festzustellen.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. P sowie ein handchirurgisches Zusatzgutachten von Dr. T1, St. K-Krankenhaus L in F, eingeholt. Dr. T1 ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Organische Unfallfolgen im Bereich der Hand ließen sich nicht feststellen. Insoweit sei eine wesentliche Besserung gegenüber den Vorbefunden eingetreten. Die Hand könne nach Bemuskelung, Beschwielung und Kalksalzgehalt normal eingesetzt werden. Die Klägerin demonstriere eine Teillähmung, die nicht zu objektivieren sei. Die MdE liege unter 10 v. H. (Gutachten vom 11.09.2006). Dieser Beurteilung hat sich Prof. Dr. P angeschlossen und weiterhin ausgeführt: Im Bereich der HWS bestünden endgradige Bewegungseinschränkungen, Verspannungen sowie ein Verschleißleiden, das vermutlich nicht unfallbedingt sei. Denn es lägen mehrsegmentale Schäden, aber keine dazu passenden Erstbefunde nach dem Unfall vor. Zusammenfassend sei von einer wesentlichen Besserung gegenüber dem Vergleichsbescheid von 1987 auszugehen (Gutachten vom 26.10.2006).
Mit Urteil vom 23.05.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe die Rente zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 73 Abs. 1, 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) mit Wirkung vom 01.11.2001 entzogen. Denn in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 10.04.1987 vorgelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche Änderung werde im Rahmen der Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung immer dann angenommen, wenn die Folgen eines Unfalls sich der Gestalt veränderten, dass die hierdurch bedingte MdE um mehr als 5 v. H., im Regelfall um 10 v. H. gestiegen oder gesunken sei (§ 73 Abs. 3 1. Halbsatz SGB VII).
Eine wesentliche Besserung der Unfallfolgen liege jedenfalls im Bereich der Hand vor. Entgegen der Feststellungen im Vergleichsbescheid sei nach Einschätzung aller Sachverständigen davon auszugehen, dass Unfallfolgen im Bereich der Hand nicht mehr vorlägen. Die von der Beklagten zunächst noch angenommenen unfallbedingten Beeinträchtigungen der Hand ließen sich insoweit nicht mehr feststellen, als die Hand offensichtlich normal eingesetzt werden könne. Dies ergebe sich aus den übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen Dr. T1 und Prof. Dr. P sowie auch aus dem Gutachten von Dr. T2, der seine zunächst vertretene Auffassung, dass eine Armplexusschädigung vorliege, korrigiert habe. Die allein noch als Unfallfolgen berücksichtigungsfähigen Beeinträchtigungen der HWS rechtfertigten die Zuerkennung einer MdE von 20 v. H. nicht mehr. Insoweit läge unverändert gegenüber den Feststellungen im Vergleichsbescheid aus dem Jahre 1987 eine endgradige Bewegungseinschränkung der HWS vor. Das Gericht halte die Einschätzung von Prof. Dr. P, dass diese funktionellen Beeinträchtigungen eine MdE von 20 v. H. nicht rechtfertigten, für überzeugend. Berücksichtige man etwa die Ausführungen von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 556, 562 zu den Voraussetzungen der Gewährung einer Verletztenrente von 20 v. H. nach HWS-Distorsion erschienen die Ausführungen von Prof. Dr. P vollkommen schlüssig. Danach rechtfertige sich die Zuerkennung einer MdE von 20 v. H. als Rente auf unbestimmte Zeit nur bei HWS-Distorsionsverletzungen nach dem Schweregrad III. Als Symptome würden eine HWS-Zwangshaltung, Kopf- und Armschmerzen und ggf. Parästhesien und Paresen beschrieben. Nur in diesem Fall sei eine Rente von 10 bis 20 v. H. als Rente auf unbestimmte Zeit nach den ärztlichen Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung gerechtfertigt. Die bei der Klägerin feststellbare lediglich endgradige Bewegungseinschränkung sei in der Intensität der Beeinträchtigungen dem zuvor beschriebenen Schadensbild nicht annähernd vergleichbar.
Da nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. P überhaupt keine MdE wegen der Unfallfolgen mehr bestehe, sei die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch als wesentlich gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 73 Abs. 1, 3 SGB VII zu beurteilen.
Der Nachweis einer von Dr. T2 angenommenen Verschlechterung der Unfallfolgen im Bereich der HWS im Sinne traumatisch bedingter, im Zeitablauf eingetretener knöcherner Veränderungen sei nicht erbracht. Im Übrigen spreche gegen den von Dr. T2 angenommenen Zusammenhang mit den knöchernen Veränderungen der HWS auch – wie Prof. Dr. P zu Recht dargelegt habe – der Umstand, dass es sich insoweit um mehrsegmentale Veränderungen der Wirbelsäule handele, die daher aller Wahrscheinlichkeit nach als unfallunabhängige Verschleißschäden anzusehen seien.
Gegen die am 06.06.2007 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 27.06.2007 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen von Prof. Dr. T2.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.05.2007 zu ändern und den Bescheid vom 25.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheid vom 21.09.2005 aufzuheben,
hilfsweise
ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen von einem noch zu benennenden Arzt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen; ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und den geltend gemachten Anspruch mit zutreffenden Gründen, auf die verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), verneint.
Das Berufungsvorbringen, das sich im Wesentlichen auf die Ausführungen von Prof. Dr. T2 stützt, gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Für dessen Annahme einer posttraumatischen Gefügestörung der HWS gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Vielmehr ist mit Dr. T, Prof. Dr. F und Prof. Dr. P davon auszugehen, dass es sich bei den radiologisch feststellbaren Veränderungen im Bereich der HWS mit Wahrscheinlichkeit um ein unfallunabhängiges Verschleißleiden handelt. Gegen die Annahme einer traumatischen Ursache dieser Veränderungen spricht Prof. Dr. P zufolge schon die Tatsache, dass in mehreren Segmenten, nämlich in den 3 unteren Segmenten der HWS Verschleißveränderungen vorliegen. Zudem finden sich – wie Prof. Dr. P weiter dargelegt hat – auch an der vom Unfall nicht betroffenen Lendenwirbelsäule in den drei unteren Etagen erhebliche Bandscheibenverschleißveränderungen, die ebenfalls eine unfallunabhängige Systemerkrankung als wahrscheinlich erscheinen lassen.
Der Senat war nicht gehalten, dem im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG stattzugeben. Durch die Zulassung wäre die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden und der Antrag ist nach Überzeugung des Senats aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden. Der Beteiligte muss den Antrag spätestens dann innerhalb angemessener Frist stellen, wenn er erkennen muss, dass das Gericht keine (weiteren) Erhebungen von Amts wegen durchführt. Dies ist bei sachkundig vertretenen Klägern anzunehmen, wenn das Gericht mitteilt, es seien keine weiteren Ermittlungen vorgesehen oder wenn der Rechtsstreit ohne weitere Mitteilung terminiert wird (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 Rz. 11 m. w. N.). Im vorliegenden Fall ist den Bevollmächtigten des Klägers bereits mit Verfügung vom 04.10.2007 mitgeteilt worden, dass weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen nicht vorgesehen seien. Auch aus den den Bevollmächtigten der Klägerin am 28.04. und 08.07.2008 zugegangenen Terminsbenachrichtigungen war zu erkennen, dass das Gericht keine (weiteren) Erhebungen von Amts wegen durchführt. Wenn der Antrag dann erst in der mündlichen Verhandlung am 26.08.2008 gestellt wird, ohne dass sich neue Tatsachen ergeben haben, ist eine Verspätung aus grober Nachlässigkeit anzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass für eine Revisionszulassung (§ 160 Abs. 2 SGG) bestand nicht.
Erstellt am: 03.11.2008
Zuletzt verändert am: 03.11.2008