Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.08.2008 geändert. Den Antragstellern wird für das sozialgerichtliche Verfahren ab 14.07.2008 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt I, E, beigeordnet.
Gründe:
Mit Bescheiden vom 28.04.2008 und 17.05.2008 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II ab Mai 2008 in der Annahme einer zwischen ihnen bestehenden Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II) unter Ansatz (jeweils) der erwachsenen Mitglieder in einer Bedarfsgemeinschaft zustehenden monatlichen Regelleistungen von 311,- EUR bzw. ab Juli 2008 316,- EUR.
Mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 11.07.2008 haben die Antragsteller das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft in Abrede gestellt und die einstweilige Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung voller Regelsätze in Höhe von jeweils 351,- EUR monatlich begehrt.
Mit Beschluss vom 22.08.2008 hat das Sozialgericht diesen Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsgrund i.S.v. §§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG, 920 Abs. 2 ZPO sei nicht glaubhaft gemacht. Eilbedürftigkeit bestehe jedenfalls dann nicht, wenn dem Antragsteller bis zu 20 % der Regelsatzleistungen vorenthalten würden.
Gleichfalls mit Beschluss vom 22.08.2008 hat das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Zu Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Den Antragstellern steht die begehrte Prozesskostenhilfe nach §§ 73a SGG, 114 f. ZPO zu, weil sie als Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach den SGB II bedürftig sind, ihre Prozessführung nicht mutwillig erscheint und auch hinreichende Erfolgsaussicht aufwies.
Entgegen der Begründung des bei der Ablehnung von Prozesskostenhilfe offensichtlich in Bezug genommenen Beschlusses in der Sache vom 22.08.2008 steht der Annahme hinreichender Erfolgsaussicht nicht bereits der Umstand entgegen, dass die Antragsteller wesentliche Teile der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren begehrten Leistung nach dem SGB II bereits erhielten. Es entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats und insbesondere nicht dem Inhalt des vom Sozialgericht zitierten Beschlusses vom 01.08.2005 – L 19 B 33/05 AS ER – im einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung von lediglich 80 % der Regelsätze als ausreichend anzusehen. Vielmehr hat der Senat gerade in dieser Entscheidung die Differenz zwischen den bereits vom Sozialgericht zugebilligten 80 % und dem vollen Regelsatz zugesprochen: Die Regelsätze seien nicht auf 80 % und damit auf das nach der Rechtsprechung des OVG NRW zum Bundessozialhilfegesetz zum BSHG Unerlässliche zu kürzen. Denn im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stehe die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Vordergrund. Dies gelte um so mehr, als das einstweilige Rechtsschutzverfahren die Hauptsache vorwegnehme und mit dem Zusprechen des vollen Regelsatzes im Verfahren nach § 86b Abs. 2 SGG eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Verfahren des § 86b Abs. 1 SGG vermieden werden könne.
An der Rechtsprechung, wonach auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig 100 % der Regelleistung zuzuerkennen sind und umgekehrt das Bestehen eines Anordnungsgrundes nicht bereits unter Hinweis auf das Vorhandensein von 70 oder 80 % der Regelleistung verneint werden kann, hat der Senat und haben verschiedene andere Senate des LSG NRW in der Folge festgehalten (u.a. Beschlüsse vom 29.09.2005 – L 9 B 49/05 AS ER -, vom 02.05.2007 – L 20 B 310/06 AS ER -, vom 10.02.2008 – L 7 B 289/08 AS ER -).
Soweit in der Begründung des angefochtenen Beschlusses auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Entscheidung (lediglich) nicht ausgeschlossen wurde, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache (im Einzelfall) vermeiden, indem sie z.B. Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen. Ein allgemeiner Rechtssatz, wonach Eilbedürftigkeit bereits dann auszuschließen ist, wenn ein bestimmtes Quantum des Regelsatzes bereits zur Verfügung steht, lässt sich hierauf nicht stützen (zuletzt: Beschluss v. 16.10.2008 – L 7 B 289/08 AS ER – mit weiterer Begründung).
Das Fehlen eines Anordnungsgrundes stand der Annahme hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung i.S.v. § 114 ZPO daher nicht im Wege.
Hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung können darüber hinaus deshalb angenommen werden, weil die Frage des Bestehens einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3, 3c SGB III eine rechtlich und im Tatsächlichen hier nicht einfach zu beantwortende Frage darstellt, weil im konkreten Fall wenige Informationen vorliegen, die zu den Verhältnissen der Antragsteller Aufschluss geben. Die Notwendigkeit weiterer Feststellungen im Tatsächlichen, ggf. im Wege der Beweisaufnahme, rechtfertigte vorliegend die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten von § 73a SGG, 114 ZPO zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Kosten des PKH-Beschwerde-Verfahrens sind kraft Gesetzes nicht zu erstatten, § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Erstellt am: 24.11.2008
Zuletzt verändert am: 24.11.2008