Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Meningitis der Klägerin als Versicherungsfall festzustellen und entschädigen ist.
Die Klägerin wurde am 00.04.1992 in einem Krankenwagen während der 30. Schwangerschaftswoche geboren. Auf der Intensivstation der Kinder- und Jugendklinik der Universität S musste sie wegen einer Anpassungsstörung der Lungen mit Lungenentzündung apparativ beatmet und antibiotisch behandelt werden. Nach zwischenzeitlicher Stabilisierung unter Beatmung und antibiotischer Behandlung waren am 8. Lebenstag erneut klinische Symptome einer Pneumonie und einer beginnenden Sepsis festzustellen. Nachdem die Klägerin am 15. Lebenstag extubiert werden konnte, atmete sie spontan ohne Zeichen von Luftnot und war kreislaufstabil. Am 17. Lebenstag konnte aufgrund der stabilen klinischen Befunde auch die antibiotische Therapie beendet werden. Am 03.05.1992 traten bei der Klägerin plötzlich Apnoen und Bradykardien auf. Eine Lumbalpunktion ergab den Befund einer Meningitis; in der Liquorkultur konnte als Erreger Pseudomonas aeruginosa diagnostiziert werden. Dieser Erreger wurde gleichzeitig im Stuhl der Klägerin nachgewiesen. In der Folgezeit kam es zur Ausbildung eines Hydrocephalus, der durch Anlage einer Ventildrainage operativ versorgt werden musste.
Im April 2004 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen "Antrag auf Entschädigung, Pflegegeld, Verletztenrente".
Die Beklagte zog die medizinischen Unterlagen der Universitätskliniken S bei und holte zur Klärung der Frage, welche Ursachen für die Infektion der Klägerin in Betracht kommen, ein Gutachten bei Prof. Dr. S, Leitender Oberarzt der Universitätskinderklinik L ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 05.08.2002 zusammenfassend zu dem Ergebnis, bei der Erkrankung der Klägerin habe es sich um eine auf der Intensivstation erworbene nosokomiale eitrige Meningitis durch Pseudomonas aeruginosa gehandelt. Eine zuvor lokale Besiedlung im Darm durch die verantwortlichen Keime mit anschließender Bakteriämie und Invasion der Meningen sei zu unterstellen. Dieser Kausalzusammenhang sei sehr wahrscheinlich. Andere verantwortliche Ursachen für den Infektionshergang seien unwahrscheinlich. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte diese Infektion im Vorfeld nicht verhindert werden können.
Die Beklagte hörte zu diesen Ausführungen ihren beratenden Arzt Dr. T, Facharzt für Innere Medizin, Arbeits- und Umweltmedizin, der unter dem 22.08.2002 unter Bezugnahme auf medizinische Literatur ausführte, Pseudomonas aeruginosa sei weit verbreitet als Nass- oder Pfützenkeim, z.B. in Leitungswasser, Waschbecken, Toiletten, Wasch- und Spülmaschinen, Putzutensilien etc … Im Krankenhaus spielten u.a. Inkubatoren für Frühgeborene, Beatmungs- und Narkosegeräte eine Rolle. Von allen diesen Bereichen und Gerätschaften sowie von infizierten Patienten und Keimträgern unter dem Personal könnten sporadische oder epidemische Erkrankungen durch Pseudomonas aeruginosa ihren Ausgang nehmen. Ärzten und Pflegekräften, die unbemerkt besiedelt seien, komme möglicherweise ebenfalls epidemiologische Signifikanz zu. Auf Intensivstationen habe Pseudomonas aeruginosa als nosokomialer Erreger eine große Bedeutung. Ob während der mehrwöchigen intensivmedizinischen Behandlung für die Klägerin ein typisches Behandlungsrisiko bestanden habe, solle ergänzend geklärt werden.
Die Beklagte holte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. S vom 03.03.2003 ein, in welcher dieser darauf hinwies, dass nach der oralen oder analen Aufnahme von Pseudomonas aeruginosa eine Ausbreitung dieses Erregers mit nachfolgender Besiedlung und Kolonisation des Darms sehr wahrscheinlich sei. Als mögliche Eintrittspforten seien u.a. eine Besiedlung beginnend im Nasen-Rachen-Raum mit Verschlucken der Erreger und nachfolgender Besiedlung im Magen-Darm-Trakt, begünstigt durch Anlage von Magensonden oder eine anale Besiedlung und Erregerausbreitung im Magen-Darm-Trakt, begünstigt durch rektales Fiebermessen, Darmspülungen und -entlüftungen mittels Katheter zu nennen. Der Infektionszeitpunkt lasse sich aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen dem 02.05.1992, 17.00 Uhr und 03.05.1992 um 17.00 Uhr eingrenzen.
Mit Bescheiden vom 25.07.2003 lehnte die Beklagte sowohl die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach § 9 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) i.V.m. Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) als auch einen Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII ab. Die gegen diese Entscheidungen erhobenen Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 26.01.2004 zurück.
Die dagegen am 25.02.2004 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil vom 12.12.2006). Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.01.2007 zugestellte Urteil am 16.02.2007 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, das versicherte Risiko habe sich durch den Aufenthalt im Rahmen einer stationären Behandlung in Form des unausweislichen Kontaktes gegenüber Pseudomonas aeruginosa verwirklicht. Dabei stellten die Feuchtbereiche das wesentliche Reservoir in der Klinik dar. Da bis zu 50 % der Patienten binnen zwei Wochen im Darmtrakt kolonisiert würden, stelle es eine Verkürzung des offenkundigen Rechtsanspruchs dar, wenn das SG darauf abstelle, dass das Behandlungsrisiko nicht ausgeschlossen werden könne. Hier sei das Aufenthaltsrisiko wirksam geworden und nicht etwa das Behandlungsrisiko.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 25.07.2003 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.01.2004 zu verurteilen, die Meningitis als Berufskrankheit nach der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO bzw. als Arbeitsunfall anzuerkennen und durch Verletztenrente zu entschädigen.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Dr. I, Arzt für Arbeitsmedizin bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Fachbereich Gesundheitsschutz. Der Sachverständige (SV) hat in seinem Gutachten vom 04.02.2008 ausgeführt, bei der Klägerin hätten sich am 03.05.1992 Symptome einer Meningitis entwickelt, kulturell sei eine Pseudomonas aeruginosa Infektion festgestellt worden. Es bestehe eine sehr große Wahrscheinlichkeit, dass sich der Erreger 24 Stunden vor Ausbruch der klinischen Symptome im Körper verbreitet habe, so dass der Infektionszeitraum zwischen dem 02.05.1992 und dem 03.05.1992 gelegen haben müsse. Der Erreger bewohne feuchte Stellen im Krankenhaus, Feuchtigkeit an Armaturen, aber auch Kondenswasser an Gegenständen. Durch den Kontakt mit kontaminiertem Wasser könne der Erreger verbreitet werden. Bei intensiv-medizinischen Tätigkeiten wie Beatmen, Pflegen und Versorgen könnten die Erreger sowohl auf dem Weg über die Hände des Personals als auch direkt durch kontaminiertes Wasser oder kontaminierte Feuchtigkeit an medizinischen Geräten (Inkubator, Beatmungstubus, Nasen- oder Magensonden, Katheter) in den Körper gelangt sein. Unter dem 07.09.2008 hat der SV ergänzend dargelegt, es könne nicht abschließend geklärt werden, unter welchen Umständen die Übertragung der Infektion stattgefunden habe. Eine Übertragung im Rahmen der klinischen Versorgung sei aber wahrscheinlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 25.07.2003 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.01.2004 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn diese Bescheide sind im Ergebnis nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Anerkennung ihrer Meningitis als BK noch hat sie im Rahmen ihres stationären Aufenthaltes in der Kinder- und Jugendklinik der Medizinischen Fakultät der Universität S einen Arbeitsunfall erlitten.
Ob die Meningitis als BK anzuerkennen oder das Vorliegen eines Arbeitsunfalls festzustellen ist, beurteilt sich entgegen den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die Erkrankung der Klägerin im Jahre 1992, also vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 01.01.1997, eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes; § 212 SGB VII). Für diesen Teil des Klagebegehrens gilt deshalb auch noch die frühere Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vom 20.06.1968 (BGBl. I 721), die in der Fassung der Änderungsverordnung vom 18.12.1992 (BGBl. I 2343) bis zum 30.11.1997 in Kraft geblieben ist. Der Anwendungsbereich der Übergangsregelung in § 214 Abs. 3 SGB VII beschränkt sich auf die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen, also die §§ 56 bis 80 sowie § 94 SGB VII; nur für diese Leistungen gilt auch bei einem vor dem 01.01.1997 eingetretenen Versicherungsfall das neue Recht, wenn sie nach dem 01.01.1997 erstmals festzusetzen sind (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21.03.2006 – B 2 U 19/05 R -). Ob die zuletzt genannte Voraussetzung für die von der Klägerin beanspruchten Leistungen erfüllt wäre (zum Begriff der erstmaligen Festsetzung vgl. BSG, Urteil vom 20.02.2001 – B 2 U 1/00 R – HVBG-Info 2001, 839), kann allerdings dahingestellt bleiben, weil schon das Vorliegen einer BK bzw. eines Arbeitsunfalls zu verneinen ist.
BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Infektionskrankheiten wie die Meningitis der Klägerin können nach der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO dann eine BK sein, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Das Recht der BKen beruht dabei auf dem in der Unfallversicherung allgemein geltenden Verursachungsprinzip. Der Versicherte wird wie beim Unfall vom Versicherungsschutz nur umfasst, wenn er die in einer BKVO bezeichnete Krankheit bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO aufgeführten Tätigkeiten erleidet, die Krankheit also eine BK ist. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist daher, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und einer dieser Tätigkeiten gegeben ist. Diese Voraussetzungen liegen hier bereits mangels einer versicherten Tätigkeit der Klägerin nicht vor.
Die Klägerin war weder im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig noch durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt, sondern sie ist als Säugling im Rahmen ihres stationären Aufenthaltes in der Kinder- und Jugendklinik der Medizinischen Fakultät der Universität S erkrankt, mithin nicht infolge der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit. Nach der für das System der Unfallversicherung maßgeblichen Gesetzeslage liegt ein unter dem Schutz der Versicherung stehender Arbeitsunfall – das gleiche gilt für eine BK – aber nur vor, wenn jemand einen Unfall infolge einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit erleidet. Die Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit ist dabei wesentliches Strukturelement dieser Versicherung (vgl. BVerfGE 75, 348 = SozR 2200 § 555a Nr. 3).
Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls liegen nicht vor. Ein Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Klägerin gehörte zwar während ihres stationären Krankenhausaufenthaltes grundsätzlich zu den nach § 539 Abs. 1 Nr. 17a RVO gegen Arbeitsunfall versicherten Personen. Die Infektion der Klägerin während ihrer stationären Krankenhausbehandlung stellt aber keinen Arbeitsunfall dar.
Der SV Dr. I hält die Übertragung der Infektion mit Pseudomonas aeruginosa im Rahmen der klinischen Versorgung für wahrscheinlich und nennt dabei verschiedene Übertragungsmöglichkeiten. Danach können die Erreger bei intensiv-medizinischen Tätigkeiten wie Beatmen, Pflegen und Versorgen sowohl auf dem Weg über die Hände des Personals als auch direkt durch kontaminiertes Wasser oder kontaminierte Feuchtigkeit an medizinischen Geräten (Inkubator, Beatmungstubus, Nasen- oder Magensonden, Katheter) in den Körper der Klägerin gelangt sein. Auch Prof. Dr. S hat darauf hingewiesen, dass als Risikoursachen für eine nosokomiale Infektion endotracheale Intubationen, maschinelle Beatmung, operative Eingriffe, parenterale Ernährung, Blasen- oder Venenkatheter in Frage kommen und durch unzureichende Handwaschpraktiken außerdem eine Verschleppung der Keime durch das Personal erfolgen kann. Damit ist eine Übertragung des Krankheitserregers gerade im Rahmen der medizinischen Behandlung der Klägerin, die als Frühgeborene einer intensiven medizinischen Behandlung bedurfte, sehr wahrscheinlich. Das BSG hat allerdings schon mehrfach entschieden, dass das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 1 Nr. 17a RVO ist (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 71 mwN; BSG, Urteil vom 24.06.1981 – 2 RU 51/79 – sowie Beschluss vom 09.10.1996 – 2 BU 236/96), worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat. Demnach fallen auch die für eine Infektion bei der operativen oder postoperativen Behandlung in Betracht kommenden Umstände nicht unter die von dieser Vorschrift erfassten Risiken (BSG, Urteil vom 24.06.1981 – 2 RU 51/79 -). Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine zur Infektion führende Maßnahme von dem Arzt selbst oder aufgrund seiner besonderen Anordnung oder allgemeinen Weisung von einer Hilfsperson (Krankenschwester, Pfleger) vorgenommen worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 10.12.2008
Zuletzt verändert am: 10.12.2008