Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.12.2005 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die klagende Krankenkasse begehrt von dem beklagten Rentenversicherungsträger die Kostenerstattung in Höhe von 5990,32 Euro einer von ihr erbrachten Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die gemeinsame Versicherte H T in der Zeit vom 05.10.2004 bis 30.11.2004.
Die im Jahre 1945 geborene Versicherte vereinbarte mit ihrem Arbeitgeber eine Altersteilzeit nach dem so genannten Blockmodell und befand sich seit 01.10.2003 in der Freistellungsphase.
Am 25.06.2004 beantragte die Versicherte bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. In dem Befundbericht zum Antrag vom 16.06.2004 befürwortete die behandelnde Ärztin Dr. L die Durchführung einer stationären Rehabilitation. Nach Weiterleitung des Antrages an die Klägerin (am 05.07.2004) teilte diese mit, sie halte sich für unzuständig, werde aber nach § 14 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) vorleisten und mache einen Erstattungsanspruch nach § 102 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) geltend.
Mit Schreiben vom 21.09.2004 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung für die stationäre Behandlung der Versicherten ab. Vorliegend finde § 12 Abs. 4 a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) Anwendung, da die Versicherte sich – im Gegensatz zu dem vom Sozialgericht (SG Frankfurt) entschiedenen Fall – bereits in der Freizeitphase befunden habe. Damit habe zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestanden, dass die Versicherte bis zu ihrem Eintritt in die Altersrente nicht in das aktive Erwerbsleben zurückkehren werde.
Die Klägerin hat am 07.12.2004 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Versicherte befinde sich in der passiven Altersteilzeitphase und beziehe Arbeitsentgelt, so dass ein Ausschlussgrund des § 12 Abs. 1 Nr. 4 a SGB VI nicht vorliege.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 5990,32 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Auffassung bekräftigt, wonach ein Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 a SGB VI durch den Rentenversicherungsträger vorliege. Die Versicherte habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits in der passiven Phase des Altersteilzeitmodells befunden. Damit sei sie nicht mehr dem täglichen Erwerbsleben nachgegangen und habe eine Leistung bis zum Beginn einer Altersrente bezogen.
Durch Urteil vom 06.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch komme vorliegend nicht § 102 SGB X, sondern nur § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX in Betracht; dessen Tatsbestandvoraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Zwar erbringe die klagende Krankenkasse nach § 40 Abs. 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) Leistungen zur Rehabilitation lediglich nachrangig. Die Beklagte sei aber nicht vorrangig zuständig, da ein Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 a SGB VI bestehe. Der durch die Bundesanstalt für Arbeit über den Arbeitgeber der Versicherten mittelbar zukommende Aufstockungsbetrag i.H.v. 20 % des für die Altersteilzeit gezahlten Arbeitsentgelts (§ 4 Altersteilzeitgesetz – ATG -) sei eine derartige Leistung, die bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt werde. Zwar erhalte die Versicherte diese Leistung als einen Bestandteil des Arbeitslohnes vom ihrem Arbeitgeber. Diese Leistung sei aber in der passiven Phase der Altersteilzeit nicht mehr von einer Gegenleistung – der Arbeitsleistung – abhängig. Ferner müsse das Ziel einer Rehabilitation zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden, wonach eine derartige Maßnahme einen unmittelbaren Bezug zur konkreten Erwerbsfähigkeit des Versicherten haben müsse. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ATG handele es sich auch bei den Leistungen nach diesem Gesetz um solche, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt würden.
Gegen das ihr am 02.01.2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 31.01.2006, mit der sie ihr Erstattungsbegehren weiterverfolgt. Der Anspruch sei nach § 105 SGB X begründet. Das SGB IX sei hingegen mangels Behinderung bzw. drohender Behinderung des Versicherten nicht anwendbar. Die grundsätzliche Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger für Rehabilitationen ergebe sich aus §§ 9 ff, 15 ff SGB VI und werde auch nicht durch die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 4 a SGB VI ausgeschlossen. Gegen eine Anwendbarkeit dieser Vorschrift sprächen sowohl historische wie systematische Gesichtspunkte und auch Sinn und Zweck der Altersteilzeitregelung. Der Ausschluss vom Bezug von Rehabilitationsleistungen nach dieser Vorschrift betreffe nur ältere Versicherte. Die in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/4610, S. 21 Nr. 4) nicht abschließend aufgezählten älteren Bezieher von Lohnersatzleistungen seien mit Versicherten, die Leistungen des Arbeitgebers nach dem ATG beziehen, nicht vergleichbar. Auch nach Sinn und Zweck des ATG greife der Ausschluss in § 12 Abs. 1 Nr. 4 a SGB VI nicht. Zum einen ergebe sich aus § 7 Abs. 1 a SGB IV, dass sich Beschäftigte in einer Altersteilzeitvereinbarung unabhängig von der Wahl des Modells und unabhängig von der Phase, in der sie sich aktuell befänden, während der gesamten Altersteilzeit einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nachgingen, für die sie Arbeitsentgelt beziehen würden. Insoweit hätten die Beschäftigten lediglich eine Vorleistung erbracht bzw. einen Wertguthaben hinsichtlich der von ihnen erbrachten Arbeitsleistung gebildet (BSG, Urteil vom 25.08.2004 – B 12 KR 25/02 – ). Zudem seien für sämtliche Forderungen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aus dem Altersteilzeitverhältnis die Arbeitsgerichte sachlich zuständig. Ferner sprächen die Umstände, wonach die Versicherten während ihrer gesamten Altersteilzeit in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis stünden und die Altersteilzeitvereinbarung grundsätzlich jederzeit rückabgewickelt werden könne, gegen einen Ausschluss. Auch mit Blick auf die Regelung des § 101 SGB VI erweise sich die Auffassung als zutreffend, denn diese Vorschrift sei bereits vom Wortlaut her für den Bereich der Altersteilzeit nicht anwendbar und regele im Übrigen keinesfalls generell eine Risikoverteilung zwischen Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsträgern. Wäre im Übrigen während der gesamten passiven Phase der Altersteilzeit die Krankenversicherung zuständig, ergäbe sich wegen der unterschiedlichen Altersteilzeitmodelle eine sachlich nicht zu begründende Ungleichbehandlung gegenüber dem Teilzeitmodell, bei dem sich die Zuständigkeit der Krankenkasse erst bis 6 Monate vor Beginn der Altersrente bestehe.
Nach Fortsetzung des ruhenden Verfahrens sieht sich die Klägerin im Übrigen bestätigt durch ein Urteil des BSG vom 26.06.2007 – B 1 KR 34/06 R -. Danach könne aus den gesetzlichen Regelungen des ATG nicht geschlossen werden, dass Arbeitnehmer damit dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien. So sei nach § 8 Abs. 3 ATG im Anschluss an die Phase der Altersteilzeit eine weitere Arbeitsphase möglich und zulässig. Seiner Rechtsnatur nach sei das Altersteilzeitverhältnis ein vollwertiges Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.12.2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5990,32 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie pflichtet dem angefochtenen Urteil bei und verweist auf ein Urteil des BSG vom 14.12.2006 – B 4 R 19/06 R -. Danach ende bei einer Altersteilzeitregelung nach dem so genannten Blockmodell das Erwerbsleben grundsätzlich mit Beginn der Freistellungsphase. Schon die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 10 in Verbindung mit § 9 SGB VI seien in der Freistellungsphase nicht erfüllt. Dem stehe auch nicht das von der Klägerin genannte BSG Urteil entgegen, da sich diese Entscheidung mit einem Fall der aktiven Phase aus der Altersteilzeit befasst habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten der Beklagten und der Klägerin Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes im vorliegenden Erstattungsstreitverfahren zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden den Betrag von 5000,00 Euro (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung des 6. SGGÄndG). Die zulässige Berufung ist hingegen nicht begründet. Das SG hat zurecht die Leistungsklage abgewiesen, denn der klagenden Krankenkasse steht kein Anspruch auf Zahlung von 5990,32 Euro zu.
Zurecht ist das SG davon ausgegangen, dass vorliegend einzige Anspruchsgrundlage § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006, a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dabei insbesondere nicht darauf abzustellen, ob die Versicherte nach § 2 Abs. 1 SGB IX behindert oder von Behinderung bedroht ist. Vielmehr sind die Vorschriften des SGB IX auch dann anzuwenden, wenn ein Bürger gegen einen Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 SGB IX ein Recht auf Rehabilitation gemäß § 5 SGB IX auf Grund der Vorschriften der besonderen Teile des SGB geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006, a.a.O.)
Jedoch sind die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs in § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX nicht erfüllt. Danach hat ein Rehabilitationsträger dem die Leistung erbringenden Rehabilitationsträger die Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften zu erstatten, wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs. 1 Satz 2 bis 4 festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist. Dass die Klägerin ihre (vermeintliche) Unzuständigkeit im Anschluss an die fristgerechte Weiterleitung der Beklagten aber vor Bewilligung der beantragten Leistung festgestellt hat, ist vorliegend unbeachtlich. Nach der abweichenden Vereinbarung der Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 3 SGB IX durch § 5 Nr. 2 Satz 1 der gemeinsamen Empfehlung der Zuständigkeitsklärung nach § 14 – GEZ – besteht der Erstattungsanspruch unabhängig davon, ob sich die Nichtzuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers vor oder nach Beginn der Leistung herausstellt (vgl. Welti in: HK SGB IX, Zweite Auflage 2006, § 14 Rd.Nr. 53).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beklagte aber nicht zuständig für die vorliegend beantragte und bewilligte Leistung der medizinischen Rehabilitation. Zwar lag die Versicherteneigenschaft der Versicherten vor, auch die erforderliche Wartezeit von 15 Jahren (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) war ausweislich der internen Prüfung der Beklagten erfüllt. Die Entstehung eines Anspruchs der Versicherten auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitation setzt aber den Eintritt eines Versicherungsfalls nach den §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 1 SGB VI voraus. Bei allen dort genannten Versicherungsfällen muss die Fähigkeit zum Erwerb wegen Krankheit oder Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert sein (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Weiterhin ist bei den Versicherungsfällen im Rahmen der "Prognosebeurteilung" die jeweilige, in § 9 Abs. 1 SGB VI umschriebene Zielrichtung des Versicherungsschutzes und der Leistungen im nachgenannten Sinne zu beachten. Danach darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass die Leistung die Fortführung oder den Erhalt einer rentenversicherten Beschäftigung oder Tätigkeit bewahrt oder ermöglicht, so dass Renten nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind. Ist dies nicht ausgeschlossen, sind die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Maßnahmen im Übrigen bei der Betätigung des Auswahlermessens zu prüfen. Die Rehabilitationsziele des § 9 Abs. 1 SGB VI können aber im Einzelfall grundsätzlich nicht mehr erreicht werden, sobald der Versicherte unbehebbar voll erwerbsgemindert ist oder sein Erwerbsleben auf Dauer angelegt aufgegeben hat. Bei der in diesem Zusammenhang zu treffenden Prognose für die Verwirklichung der Rehabilitationsziele kommt es nicht auf Fiktionen und Rechtsvermutungen, sondern darauf an, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls voraussichtlich die dauerhafte Integration in eine tatsächlich verrichtete rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit geführt wird. Davon ist aber nach den zutreffenden Ausführungen des BSG (Urteil vom 14.12.2006, a.a.O.) nicht auszugehen in Fällen einer Altersteilzeitregelung nach dem sogenannten Blockmodell mit Beginn der Freistellungsphase. Im Gegensatz dazu wird während der aktiven Phase noch tatsächlich eine auch rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Das Erwerbsleben ist danach noch nicht beendet. Davon ausgehend kann aufgrund der Angaben der behandelnden Ärztin Dr. L in ihrem Befundbericht vom 16.06.2004 nicht angenommen werden, dass mit der beantragten medizinischen Rehabilitation die dauerhafte Integration in eine tatsächlich verrichtete rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit gefördert werden sollte. Vielmehr ist den anamnestischen Angaben zu entnehmen, dass ab Oktober 2003 eine Berentung (geplanter Vorruhestand) von der Versicherten angegeben worden ist. Auch die weiteren Angaben der behandelnden Ärztin zur Zielsetzung der Rehabilitationsmaßnahme weisen auf Belastungen im häuslichen Umfeld hin, zu deren Bewältigung die Durchführung der stationären Maßnahme von der Ärztin empfohlen wurde. Letztlich führte nach den Angaben der Klägerin eine Depression und die von der Versicherten beschriebene erhebliche Belastung zur Bewilligung der stationären Rehabilitationsmaßnahme. Dass die Versicherte den Antrag mit dem Ziel der dauerhaften Integration in eine erneut aufzunehmende Tätigkeit beantragt hatte, ist nach alledem nicht abzuleiten. Ist danach die Beklagte nicht zuständig für die Bewilligung der entsprechenden Rehabilitation und kommt auch sonst kein weiterer Träger in Betracht, verbleibt es bei der Auffangzuständigkeit der Krankenkasse für die Gewährung von Leistungen von medizinischen Rehabilitation gemäß § 40 Abs. 4 SGB V.
Liegen die Voraussetzungen der Versicherungsfälle einer Rehabilitation im Sinne der §§ 9, 10 SGB VI nicht vor, konnte der Senat offen lassen, ob vorliegend ein Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 a SGB VI vorlag (vgl. die jeweils zur aktiven Freistellungsphase erfolgten Entscheidungen des BSG vom 14.12.2006 a.a.O. einerseits und vom 26.06.2007 – B 1 KR 34/06 R – andererseits sowie die Urteilsanmerkung von Luthe, juris PR – SozR 5/2008 Anm. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.
Der Senat hat im vorliegenden Fall die Revision zugelassen, da er der Klärung der Rechtsfrage zum Erstattungsanspruch bei Leistungen der medizinischen Rehabilitation während der Freistellungsphase bei einer Altersteilzeitregelung nach dem so genannten Blockmodell eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beigemessen hat.
Erstellt am: 03.11.2009
Zuletzt verändert am: 03.11.2009