Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15. Januar 2008 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente, welche die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres an den Folgen einer Berufskrankheit (BK) verstorbenen Vaters C H (Versicherter) geltend macht.
Der 1929 geborene Versicherte war als Schlosser tätig, zuletzt in der Zeit von 1971 bis 1987 bei der Firma C GmbH, Zweigwerk E. Auf eine telefonische Mitteilung nach dem Tod des Versicherten am 01.04.2002 stellte zunächst die Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft Ermittlungen hinsichtlich der Krankheitsvorgeschichte, des Krankheitsbildes und der Gefährdung wegen dessen beruflicher Tätigkeit an. Da sich dabei herausstellte, dass ein beruflicher Umgang des Versicherten mit Asbest in einem Mitgliedsunternehmen der Holz-Berufsgenossenschaft stattgefunden hatte, wurde die weitere Bearbeitung von der Beklagten übernommen.
Aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen ergab sich unter anderem, dass der Versicherte sich aufgrund einer Überweisung durch Dr. M, Ärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde in E, zu Untersuchungszwecken in die Lungenklinik I begeben hatte. Über die dortige ambulante Vorstellung berichtete Priv.-Doz. Dr. N am 15.09.1999, der Versicherte habe eine Asbestexposition durchgemacht. Aufgrund des ätiologisch unklaren Pleuraergusses links rate er zu einer stationären Einweisung. Im Rahmen des anschließenden stationären Aufenthaltes in der Zeit vom 13.10.1999 bis zum 22.10.1999 wurden dem Versicherten Gewebeproben entnommen, die im Institut für Pathologie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C in C untersucht wurden. In dem darüber angefertigten Bericht vom 18.10.1999 führten Prof. Dr. N und Dr. L aus, das Gewebe zeige teilweise das Bild einer sehr frühen Entwicklungsphase eines Pleuramesothelioms. Die Diagnose des Vollbildes eines Mesothelioms könne noch nicht gestellt werden. Es müsse diskutiert werden, ob der Versicherte von einer ausgedehnten Operation profitieren könne, denn es sei nur eine Frage der Zeit, bis die noch sehr frühen Tumorphasen sich weiter ausbreiteten und dann das Vollbild eines Mesothelioms böten. In der Lungenklinik I wurde sodann die frühe Phase eines Pleuramesothelioms diagnostiziert und in einem Schreiben vom 12.11.1999 an Dr. M ausgeführt, es werde noch die Anschrift der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) benötigt, um eine "BG-Meldung nach den Ziffern 4103 und 4105" durchführen zu können.
Dr. M teilte ihrerseits den Hausärzten des Versicherten, den Dres. L1 in E, unter dem 02.12.1999 mit, dass sich aufgrund der stationären Behandlung in der Lungenklinik I der dringende Verdacht auf ein Pleuramesotheliom in der Frühphase ergeben habe. Der Versicherte, der seine BG nicht gewusst habe, sei über die zuletzt eingegangenen Befunde in Kenntnis gesetzt worden, wobei er sich aber nicht entschließen könne, eine zweite umfassende Operation vornehmen zu lassen. Er sehe nicht die Notwendigkeit ein, dem möglicherweise ernsten Befund weiter nachzugehen.
Die Dres. L2 gaben gegenüber der Maschinenbau- und Metall-BG am 26.04.2002 an, dass bereits früher mit dem Versicherten über eine eventuelle berufliche Ursache seiner Erkrankung gesprochen worden sei. Der Versicherte habe jedoch keine Hinweise zur zuständigen BG gemacht, weil er ein solches Verfahren nicht gewollt habe. Noch am 09.11.2001 sei mit ihm über die angezeigte Meldung gesprochen und um Hinweise zur zuständigen BG gebeten worden. Der Versicherte habe jedoch aus Angst vor bürokratischen Umständen dringend gebeten, hiervon abzusehen, was wegen seines schlechten körperlichen und psychischen Zustandes nachvollziehbar gewesen sei.
Die Maschinenbau- und Metall-BG veranlasste eine Obduktion des Versicherten durch Prof. Dr. P, Pathologisches Institut in E. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 06.05.2002 zu dem Ergebnis, dass der Versicherte an einem ausgedehnten Pleuramesotheliom gelitten habe. Durch den Nachweis hyaliner Pleuraplaques und beruflicher Asbestexposition handele es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine BK nach der Nr. 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Bei einer entsprechenden Meldung der BK zu Lebzeiten wäre nach allgemeiner Erfahrung die BK ab September 1999 mit der Vollrente zu entschädigen gewesen. Todesursache sei ein Freitod des Versicherten durch Strangulation gewesen. Da das Pleuramesotheliom häufig mit zum Teil unerträglichen Schmerzen einhergehe und zum Zeitpunkt des Todes bereits erheblich fortgeschritten gewesen sei, sei die Annahme berechtigt, dass der Versicherte deshalb den Freitod gewählt habe.
Mit Bescheid vom 03.12.2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin ein Sterbegeld in Höhe von 4.020 EUR, lehnte mit weiterem Bescheid vom 03.12.2002 die Zahlung einer Rente bis zum Todestag wegen der Folgen einer BK nach der Nr. 4105 der Anlage zur BKV allerdings ab. Sie führte zur Begründung aus, zu Lebzeiten sei der Verdacht auf das Vorliegen einer BK keinem Sozialversicherungsträger gemeldet worden. Ansprüche auf Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten nur dann auf den Rechtsnachfolger übergehen, wenn bis zum Tod des Versicherten ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen sei. Dies könne durch die Meldung einer BK oder einen Leistungsantrag geschehen. Beides sei zu Lebzeiten des Versicherten nicht eingegangen, so dass ein Verwaltungsverfahren nicht anhängig gewesen sei.
Mit ihrem gegen diese Entscheidung erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass bereits anlässlich der Behandlung in der Lungenklinik I der Verdacht auf das Vorliegen einer berufsbedingten Erkrankung nach den Nrn. 4103 bzw. 4105 der Anlage zur BKV vorgelegen habe. Die vorgeschriebene Meldung an einen Unfallversicherungsträger sei damals nur deshalb nicht erfolgt, weil die zuständige BG unbekannt geblieben sei. Der Umstand, dass es die Lungenklinik I unterlassen habe, den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer BK anzuzeigen, obwohl sie hierzu nach § 202 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) verpflichtet gewesen sei, könne nicht ihrem verstorbenen Vater zum Nachteil ausgelegt werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2003 zurück. Sie führte hierzu aus, die Voraussetzungen des § 59 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) für einen Übergang von Ansprüchen auf Geldleistungen auf den Rechtsnachfolger seien nicht gegeben, da bis zum Tod des Versicherten weder ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen sei noch ein Leistungsantrag vorgelegen habe. Auch unter dem Aspekt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs scheide ein Anspruch auf Rente bis zum Todestag aus. Der Leistungsausschluss nach der zwingenden Vorschrift des § 59 Satz 2 SGB I sei vom Gesetzgeber gewollt, habe entsprechend in die Systematik des Gesetzes Eingang gefunden und könne von einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch generell nicht beseitigt werden.
Dagegen hat die Klägerin am 16.06.2003 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Dr. L und Prof. Dr. N als Zeugen.
Mit Urteil vom 15.01.2008 hat das SG den angefochtenen Bescheid vom 03.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2003 aufgehoben und die Beklagte dazu verurteilt, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten wegen der Folgen einer BK nach der Nr. 4105 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. ab dem 01.09.1999 zu gewähren. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar sei im Zeitpunkt des Todes des Versicherten kein Verwaltungsverfahren über die dem Versicherten zustehenden Leistungen anhängig gewesen, die Klägerin könne als Sonderrechtsnachfolgerin über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aber so gestellt werden, als sei ein solches anhängig gewesen. Ausgehend von dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.10.1998 – B 8 Kn 1/97 U R (= SGb 2000 S. 29 H) müsse sich die Beklagte hier das Fehlverhalten der Ärzte des Instituts für Pathologie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C in C zurechnen lassen. Diese hätten ihre Pflicht verletzt, dem Träger der Unfallversicherung oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle unverzüglich anzuzeigen, dass bei dem Versicherten der begründete Verdacht auf das Vorliegen einer BK nach der Nr. 4105 bestehe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 21.02.2008 zugestellte Urteil am 05.03.2008 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, das SG habe verkannt, dass die Ärzte der Lungenklinik I als behandelnde Ärzte des verstorbenen Versicherten federführend gewesen seien. Die Ärzte der Pathologie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken C C seien lediglich konsiliarisch tätig gewesen. Es habe daher zweifelsfrei der Lungenklinik I als einer auch besonders erfahrenen Fachklinik oblegen, die Erstattung einer Anzeige über den Verdacht einer BK vorzunehmen. Eine Pflichtverletzung durch Unterlassen einer Anzeige habe daher allenfalls bei den Ärzten der Lungenklinik I vorgelegen. Allerdings habe auch dort noch nicht der begründete Verdacht einer BK bestanden, denn in dem Befund der Lungenklinik heiße es ausdrücklich, dass das gefundene Bild nicht typisch für ein Mesotheliom sei. Abgesehen davon bildeten die Ärzte der Lungenklinik I bzw. diese selbst mit ihr, der Beklagten, auch keine Funktionseinheit. Eine Auseinandersetzung mit dem Erfordernis der Funktionseinheit lasse das SG komplett vermissen. Auch der 8. Senat habe den Gedanken der Funktionseinheit nicht verlassen (Ruhrlandklinik als Knappschaftliche Einrichtung, die der Bergbau-BG zugeordnet werde). Im Übrigen sei auf die Anmerkung von Brandenburg zu dem Urteil des 8. Senates des BSG (a.a.O. S. 33 ff.) zu verweisen, der zunächst die Systematik der Regelung des § 59 Satz 2 SGB I im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses darstelle und dann mit sehr bedenkenswerter Begründung die Frage verneine, ob vor diesem Hintergrund ein Unterlassen (des Versicherungsträgers oder eines Dritten) überhaupt geeignet sei, unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Erlöschen von Leistungsansprüchen nach § 59 Satz 2 SGB I nicht eintreten zu lassen. Unabhängig von der Frage der Verantwortlichkeit könne jedenfalls allein das Unterlassen von Verfahrenshandlungen nicht zu einer Modifikation der Anwendung des § 59 Satz 2 SGB I führen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.01.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 03.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2003 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres an den Folgen einer BK verstorbenen Vaters Verletztenrente zu gewähren.
Die Klägerin ist wegen § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten. Nach dieser Vorschrift stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten – wie hier bei Fehlen eines Ehegatten oder Lebenspartners – den Kindern zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Zwar hat die Klägerin mit ihrem Vater zur Zeit seines Todes nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, aufgrund des Vorbringens der Klägerin ist aber davon auszugehen, dass sie angesichts ihres eigenen geringen Einkommens von ihrem Vater aufgrund dessen regelmäßiger Zuwendungen "wesentlich unterhalten" worden ist. Ihr stehen daher diejenigen Leistungen zu, die ihm noch zu Lebzeiten zustanden, wenn im Zeitpunkt von dessen Tode diese Leistungen entweder festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war (§ 59 Satz 2 SGB I).
Das SG ist vor dem Hintergrund der Ausführungen von Prof. Dr. P in dessen pathologischen Gutachten vom 06.05.2002 zwar zu Recht davon ausgegangen, dass dem Versicherten zu Lebzeiten eine Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. ab dem 01.09.1999 wegen einer BK nach der Nr. 4105 der Anlage zur BKV zustand; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu Unrecht hat das SG aber einen Anspruchsübergang auf die Klägerin bejaht.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 59 Satz 2 SGB I sind vorliegend nicht erfüllt. Eine entsprechende Leistungsfeststellung lag nicht vor, da eine Entscheidung über eine Verletztenrente dem Grunde nach bis zum 01.04.2002 weder durch einen entsprechenden Verwaltungsakt noch im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar Seewald, § 59 SGB I Rdnr. 10) ergangen war. Auch ein Verwaltungsverfahren war bis zum Tod des Versicherten nicht anhängig. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn ein Leistungsträger im Sinne des § 18 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) tätig geworden wäre, also entweder von Amts wegen intern tätig geworden (Mrozynski, SGB I, 3. Aufl 2003, § 59 Rdnr. 3) oder aber noch zu Lebzeiten des Versicherten ein Antrag beim Leistungsträger eingegangen wäre. Beides war jedoch nicht der Fall. Sowohl die Maschinenbau- und Metall-BG als auch die Beklagte haben erst nach dem Tod des Versicherten erstmals davon erfahren, dass der Versicherte möglicherweise an den Folgen einer BK verstorben ist. Sie konnten daher zu dessen Lebzeiten weder von Amts wegen tätig werden noch war durch den Versicherten oder eine dritte Person ein Antrag auf Feststellung einer BK gestellt worden.
Entgegen der Auffassung des SG hat die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin auch keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wenn im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Verwaltungsverfahren über die ihm zustehenden Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung anhängig war. Der Senat folgt insoweit für die hier zu entscheidende Fallkonstellation nicht der Entscheidung des BSG vom 08.10.1998 (a.a.O. sowie BSGE 83, 30 = SozR 3-5670 § 5 Nr. 1) wonach sich ein solcher Anspruch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergeben könne. In diesem Urteil ist der 8. Senat des BSG davon ausgegangen, dass ein Herstellungsanspruch auch dann gegeben sein könne, wenn – mangels Pflichtverletzung des Unfallversicherungsträgers – ein Arzt bei begründetem Verdacht einer BK nicht unverzüglich die BK-Anzeige erstattet hat, weil sich die zuständige BG dieses Fehlverhalten des Arztes zurechnen lassen müsse. Dem kann in dieser Allgemeinheit aber nicht gefolgt werden.
Grundsätzlich hat der sozialrechtliche Herstellungsanspruch zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat, sodann ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht und schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können, wobei die Korrektur durch den Herstellungsanspruch dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen darf (vgl. etwa BSGE 92, 267, 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Als Pflichtverletzung kommt hier nur das Unterlassen einer Anzeige des begründeten Verdachts einer BK in Betracht. Nach § 202 Satz 1 SGB VII (bis zum Inkrafttreten des SGB VII: § 5 Abs. 1 Satz 1 BKVO) haben Ärzte, die den begründeten Verdacht haben, dass bei Versicherten eine BK besteht, dies dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle in der für die Anzeige von BKen vorgeschriebenen Form unverzüglich anzuzeigen. Zur Annahme des begründeten Verdachts einer BK sind ernsthafte und konkrete Anhaltspunkte erforderlich; völlige Gewissheit muss nicht bestehen, bloße Vermutungen sind aber auch nicht ausreichend (BSG, Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 19/00 R – HVBG-INFO 2001, 1727). Dabei kommt es allein darauf an, ob ein Arzt den Verdacht hat, nicht jedoch darauf, ob er ihn hätte haben müssen (BSG, a.a.O.). Hier ist davon auszugehen, dass in der Lungenklinik I – wie sich dem aktenkundigen Bericht vom 15.09.1999 entnehmen lässt – zum einen die Annahme bestand, dass ein Kontakt des Versicherten mit Asbest vorgelegen hatte, zum anderen wurde dort angenommen, dass es sich beim Erkrankungsbild des Versicherten durchaus um die frühe Phase eines Mesothelioms handelt (Bericht vom 12.11.1999) und schließlich lag dort auch die Absicht vor, der zuständigen BG eine BK nach den Nrn. 4103 und 4105 anzuzeigen, was lediglich deshalb unterblieben ist, weil die zuständige BG nicht bekannt war. Bestand aufgrund der vorliegenden Informationen und Erkenntnisse aber bereits die Absicht, eine BK anzuzeigen, ist auch durchaus die Annahme gerechtfertigt, dass in der Lungenklinik I die Voraussetzungen für einen "begründeten Verdacht" des Vorliegens einer BK im Sinne von § 202 Satz 1 SGB VII vorgelegen haben. Lag aber ein begründeter Verdacht vor, hätte die Anzeige auch unabhängig vom Willen des Versicherten (vgl. Koch in M, Gesetzliche Unfallversicherung, § 202 SGB VII Rdnr. 43 m.w.N.) erfolgen müssen.
Allerdings ist fraglich, ob sich die Beklagte – mangels eigenen Fehlverhaltens – die in erster Linie den Ärzten der Lungenklinik I vorzuwerfende Pflichtverletzung auch zurechnen lassen muss. Voraussetzung für eine Zurechnung des Fehlverhaltens Dritter im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist, dass zwischen der die Pflichtverletzung begehenden und der in Anspruch genommenen Stelle eine "Funktionseinheit" besteht (vgl. BSGE 71, 217 = SozR 3-1200 § 14 Nr. 8; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 9). Nach der Rechtsprechung des BSG kann dies der Fall sein, wenn mehrere Behörden mit einer Aufgabe arbeitsteilig betraut sind, also eine andere Behörde in die Abwicklung eines konkreten Versicherungsverhältnisses mit eingeschaltet ist, oder wenn zwei Sozialleistungen eng miteinander verknüpft sind (BSG SozR 3-5670 § 5 Nr. 1). Bereits insoweit bestehen hier Zweifel. Zwar geht der 8. Senat des BSG davon aus, dass § 202 SGB VII im Rahmen der dort statuierten Meldepflicht eine "Indienstnahme" aller Ärzte regelt und damit alle Ärzte in das Verwaltungsverfahren "geradezu exemplarisch einbezogen" sind, weil die Gewährung der von Amts wegen zu gewährenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung entscheidend davon abhängt, dass der zuständige Träger von möglichen Leistungsfällen erfährt und erst dadurch seinen gesetzlichen Auftrag erfüllen kann. Es ist aber zumindest sehr fraglich, ob die Meldepflicht so weit reicht, dass sie auch noch gegenüber Sonderrechtsnachfolgern des Versicherten besteht und dementsprechend etwaige Verstöße gegen die Meldepflicht im Rahmen eines vom Sonderrechtsnachfolger geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Beachtung finden sollen.
Im Hinblick auf das differenzierte und komplizierte Sozialleistungssystem hat der Gesetzgeber in den §§ 13 bis 15 SGB I die Verpflichtung der Sozialleistungsträger zur Aufklärung, Beratung und Auskunft geschaffen. Eine enge, individuell-konkrete Betreuungs- und Beratungsbeziehung entsteht vor allem in einem schon bestehenden, auf längere Dauer angelegten Mitgliedschafts- und Leistungsverhältnis oder nach einem Antrag auf Leistungen zur Begründung eines solchen Verhältnisses und der Ausübung von Gestaltungsrechten im Rahmen eines solchen Verhältnisses und schließlich bei der konkreten Nachfrage nach Betreuung und Beratung (Bieback, Grundlagen und Schranken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, SGb 1990, 517, 520). Zwischen den zur Anzeige des begründeten Verdachtes einer BK verpflichteten Ärzten einerseits und den Versicherten andererseits besteht aber grundsätzlich keine enge Betreuungs- und Beratungsbeziehung. Allenfalls dann, wenn ein Arzt den Versicherten von einem eigenen Tätigwerden gegenüber dem Unfallversicherungsträger abhält, weil er eine BK-Anzeige in Aussicht stellt – und damit in gewisser Weise eine Betreuungsbeziehung begründet -, dieser Ankündigung später aber nicht nachkommt, läge eine beachtliche Pflichtverletzung vor (vgl. Brandenburg, SGb 2000, 36). Gerade eine solche Pflichtverletzung soll nach dem Urteil des 8. Senates des BSG jedoch – obwohl in einer solchen Konstellation ein Herstellungsanspruch schon näher läge – unbeachtlich sein. Liegt indes – wie hier – die Pflichtverletzung allein in einem bloßen Unterlassen einer BK-Anzeige, erscheint es geboten, eine dem Unfallversicherungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung jedenfalls gegenüber einem Sonderrechtsnachfolger zu verneinen, soll nicht der Herstellungsanspruch "zerfasert" und zu einem "Allheilmittel bei Verwaltungsfehlern jeder Art" (vgl Ladage, SGb 2008, 614) werden.
Selbst wenn eine der Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin unterstellt wird, ist ferner zweifelhaft, ob hier zwischen der (unterstellten) Pflichtverletzung und dem eingetretenen Nachteil ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Der Versicherte hat ausweislich der Ausführungen seiner Hausärzte, den Dres. L2, gerade deshalb keine Hinweise zur zuständigen BG gemacht, weil er ein entsprechendes Feststellungsverfahren nicht gewollt hat. Zwar besteht die Meldepflicht des Arztes nach § 202 SGB VII unabhängig vom Willen des Versicherten. Hat dieser das Unterlassen der Anzeige des Verdachts einer BK aber mit zu vertreten, weil er den Ärzten, die zur Erstattung einer entsprechenden Anzeige bereit sind, seine zuständige BG nicht mitteilt und hat er damit eine wesentliche Mitursache für seinen Rechtsverlust gesetzt, wäre kaum nachvollziehbar, dass das Mitverschulden des Versicherten im Rahmen eines von einem Sonderrechtsnachfolger geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unberücksichtigt bleiben sollte.
Ein Anspruchsübergang auf die Klägerin scheitert letztlich aber jedenfalls daran, dass eine Korrektur durch den Herstellungsanspruch, die in einer Fiktion des tatsächlich nicht anhängigen Verwaltungsverfahrens zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bestünde, nicht mit dem Zweck der insoweit nicht eingehaltenen Norm in Einklang zu bringen ist.
§ 59 Satz 2 SGB I macht die materielle Rechtsfolge des Anspruchsübergangs von zwei alternativ im Zeitpunkt des Todes des Versicherten erreichten Verfahrenslagen – Leistungsfeststellung oder anhängiges Verwaltungsverfahren – abhängig. Nur bei verfahrensmäßig schon so "gefestigten" Ansprüchen hält der Gesetzgeber "aus rechtssystematischen und verwaltungspraktischen Gründen" (BT-Drucks 7/868 S. 33) den Übergang von Geldleistungen auf Rechtsnachfolger für angebracht. Das BSG hat in einem Urteil vom 25.10.1984 (11 RA 18/84 – BSGE 57, 215 = SozR 1200 § 59 Nr. 6) – mit dem sich der 8. Senat überhaupt nicht auseinander gesetzt hat – ausgeführt, dass § 59 Satz 2 SGB I nicht darauf abstelle, welche Verfahrenslage im Zeitpunkt des Todes hätte bestehen können oder müssen; maßgebend sei nur die in diesem Zeitpunkt tatsächlich bestandene Verfahrenslage. Der Gesetzgeber habe dabei einen Anspruchsübergang für den Fall, dass Verfahrensmaßnahmen – und sei es aufgrund eines fehlerhaften Verwaltungshandelns – unterblieben waren, nicht vorgesehen. Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz eine Lücke enthalte, wenn der Versicherungsträger für das Unterbleiben (allein oder mit-) verantwortlich sei, seien, so der 11. Senat, nicht erkennbar. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit und der materiellen Gerechtigkeit ließen sich jedenfalls nicht dafür ins Feld führen. Sie könnten im Rahmen des § 59 Satz 2 SGB I schon deshalb nicht maßgebend sein, weil der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift notwendigerweise begründete Ansprüche abschneide, da unbegründete Ansprüche ohnehin nicht übergehen könnten (BSG, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung, die der Senat für überzeugend erachtet, kommt es also nicht darauf an, ob zu Lebzeiten bei rechtzeitiger Anzeige des BK-Verdachts ein Verwaltungsverfahren hätte anhängig sein können, sondern maßgebend ist danach ausschließlich die im Zeitpunkt des Todes tatsächlich vorliegende Verfahrenslage. Denn nur bei bereits festgestellten Geldleistungsansprüchen sowie bei solchen Ansprüchen, über die beim Tode des Berechtigten zumindest schon ein Verwaltungsverfahren anhängig war, könnte ein Erlöschen des Anspruchs beim Tode des Berechtigten eine Verletzung des Vertrauens sowohl des Versicherten als auch der Rechtsnachfolger bezüglich einer zu erwartenden Leistungsgewährung bedeuten (vgl. Brandenburg, SGb 2000, 35). War der Leistungsträger mit etwaigen Ansprüchen eines Versicherten zu dessen Lebzeiten aber zu keinem Zeitpunkt befasst, wäre es mit der gesetzlichen Regelung, die für diesen Fall ausdrücklich ein Erlöschen von Geldleistungsansprüchen vorsieht, nicht vereinbar, ein anhängiges Verwaltungsverfahren im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gleichwohl zu fingieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er von einer Entscheidung des BSG abweicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Erstellt am: 23.12.2008
Zuletzt verändert am: 23.12.2008